Um 19:07 Uhr am 24. Juni vermeldete der Pressedienst Alexander Lukaschenkos, dass Putin ihn am Morgen über die Situation im Süden Russlands telefonisch informiert und dass man „gemeinsame Handlungsschritte“ vereinbart habe. Im Anschluss soll Lukaschenko in Absprache mit Putin Gespräche mit Jewgeni Prigoshin, dem Chef der Wagner-Gruppe, geführt haben. „Die Verhandlungen dauerten den ganzen Tag über an.“
Rund drei Stunden später äußerte sich auch der Kreml-Sprecher: Lukaschenkos Vermittlungsbemühungen, so Dimitri Peskow, dienten dazu, ein Blutvergießen zu vermeiden. Es sei sein „persönlicher Initiativvorschlag“ mit Prigoshin zu verhandeln, der belarussische Machthaber kenne den Wagner-Chef seit über 20 Jahren. Obwohl Putin den Wagner-Chef noch am morgen der Meuterei eines „Stichs in den Rücken“ Russlands bezichtigt hatte, sollte Prigoshin nun laut Peskow Amnestie erhalten und „nach Weißrussland gehen”. Bislang gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Wagner-Chef tatsächlich dort angekommen ist.
Die belarussischen Propaganda-Organe preisten Lukaschenko gemeinsam mit den russischen jedenfalls als Retter, weniger begeistert zeigte sich dagegen die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja: „Die Ankunft des Kriegsverbrechers Prigoshin in Belarus ist ein weiteres Element der Instabilität. Wir dürfen nicht vergessen, wie Lukaschenko vor den Wahlen 2020 33 Wagner-Söldner festnehmen ließ. Belarus braucht nicht noch mehr Kriminelle und Banditen, sondern Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit für unser Volk.“ Sie betonte, dass Lukaschenko Belarus wieder einmal zur „Geisel der Spiele und Kriege anderer Leute" gemacht habe.
Auch nicht wenige westliche Medien werten Lukaschenkos mutmaßliche Vermittlerrolle als „Gewinner-Coup“, mit dem er seine Position gestärkt habe. Dennoch bleibt die Frage: Inwieweit war der belarussische Machthaber tatsächlich an den Verhandlungen mit Prigoshin beteiligt? In einer Recherche von Meduza, die sich auf Quellen im Umfeld des Kreml stützt, wird Lukaschenkos Einbeziehung in die Vermittlergruppe damit erklärt, dass Prigoshin Verhandlungen mit „ranghöchsten Entscheidern“ gefordert habe, Putin selbst aber ein direktes Gespräch mit ihm abgelehnt habe. Wie entscheidend Lukaschenkos Beitrag war, bleibt also nebulös und fragwürdig.
Der belarussische Politanalyst Alexander Klaskowski vermutet: „Tatsächlich ist es möglich, dass der Kreml auch bei dieser Verschwörung einfach den belarussischen Vasallen eingesetzt hat.“ Auch Artyom Shraibman meint in seiner kurzen Analyse für das belarussische Online-Medium Zerkalo, dass man den tatsächlichen Beitrag Lukaschenkos nicht überbewerten sollte. Zudem analysiert er die möglichen Auswirkungen für Belarus und Russland selbst.
Erstens: Die Pressedienste von Lukaschenko und Putin sprechen von einer unglaublichen Rolle des belarussischen Politikers bei der Rettung Russlands vor dem Chaos. Diese Dienste sind allerdings nicht die zuverlässigsten Informationsquellen für diesen Krieg.
Tatsächlich war Lukaschenkos Rolle wohl eher technisch: Er erfüllte seine Aufgaben, diente den Vereinbarungen der Vermittler, die für beide Seiten des Konflikts von größerem Gewicht sind – und die der Kreml nicht in das Licht der Öffentlichkeit rücken will. Im russisch[sprachig]en Telegram sprechen viele von einer Vermittlung durch Putins Getreuen – Ex-Leibwächter und heute Gouverneur der Oblast Tula, Alexej Djumin.
Zweitens: „Prigoshin geht nach Weißrussland“ bedeutet nicht, dass Prigoshin in Belarus bleiben wird. Was soll er da auch?
Wenn in unserer Santa Barbara-Version des Letzten Tages nicht doch noch eine überraschende Wendung eintritt, wird er dort erstmal ankommen, durchatmen – und dann wird er schon seine Lücken finden und sich wieder auf den Weg machen.
Drittens: Da Lukaschenko bei den Regime-loyalen Belarussen jetzt mehr Unterstützung hat und auf die Dankbarkeit Moskaus für seine (doch nicht ganz unbedeutenden) Dienste zählen kann, geht er aus der Sache als Gewinner hervor. Zumindest in naher Zukunft.
Viertens: In etwas weiterer Zukunft wird das belarussische Schicksal von der Entwicklung des russischen Regimes abhängen, das heute den schwersten politischen Schlag seit Jahrzehnten erlitten hat, weil er das Ausmaß seiner Zerbrechlichkeit, seiner inneren Konflikte und seines Chaos offenbart hat.
Dabei wissen wir noch gar nicht, wie diese Krise enden wird, welche Zugeständnisse Putin unter dem Druck des Wagner-Marsches noch machen wird, wie sich dies auf die Haltung anderer Teile des Systems ihm gegenüber und auf die Moral der russischen Armee wie auch aller anderen bewaffneten Russen auswirken wird.
25 Jahre Strafkolonie – so lautet das Urteil gegen den russischen Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa: für angebliche „Falschinformationen“ über die russische Armee, für die Mitwirkung bei einer „unerwünschten Organisation“ und für angeblichen „Hochverrat“.
Kara-Mursa war ein langjähriger Weggefährte des ermordeten Politikers Boris Nemzow. Auf Kara-Mursa wurden 2015 und 2017 Giftanschläge verübt, bei denen es wie im Fall der Vergiftung von Alexej Nawalny 2020 eine mutmaßliche Verbindung zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gibt. Kara-Mursa selbst sprach von einem Racheakt für die Magnitski-Liste, an der er maßgeblich mitgewirkt hatte. Auf Grundlage dieser Liste sanktionierten die USA 2012 eine Reihe von russischen Beamten wegen des 2009 in Haft gestorbenen Juristen Sergej Magnitski.
Vor diesem Hintergrund sehen viele Kritiker das heutige Urteil ähnlich wie etwa die kürzliche Verurteilung von Ilja Jaschin: als weiteren Versuch, einen Oppositionspolitiker mundtot zu machen. In seinem Schlusswort vor Gericht bestreitet der Kriegsgegner Kara-Mursa die Vorwürfe und ist überzeugt, dass in Russland einst „diejenigen zu Verbrechern erklärt werden, die den Krieg entzündet und angefacht haben – und nicht die, die versucht haben, ihn zu stoppen“.
[bilingbox]Ich weiß: Der Tag wird kommen, da wird sich die Finsternis über unserem Land verziehen. Wenn das Schwarze wieder schwarz heißen wird, und das Weiße weiß, wenn man auf offizieller Ebene wieder zugibt, dass zwei mal zwei nun einmal vier ist, wenn Krieg wieder Krieg genannt werden wird und ein Usurpator Usurpator und wenn diejenigen zu Verbrechern erklärt werden, die den Krieg entzündet und angefacht haben – und nicht die, die versucht haben, ihn zu stoppen. Dieser Tag kommt so gewiss, wie der Frühling nach einem harten, frostigen Winter.
In diesem Bewusstsein, mit dieser Erkenntnis wird ein langer, schwerer, aber ein so wichtiger Weg der Gesundung und des Wiederaufbaus Russlands beginnen, der Weg seiner Rückkehr in die Gemeinschaft zivilisierter Staaten.
Sogar heute, sogar in der uns umgebenden Finsternis, sogar hier im Käfig sitzend – ich liebe mein Land und glaube an unsere Menschen. Ich glaube, dass wir diesen Weg gehen können.~~~Но я знаю и то, что настанет день, когда мрак над нашей страной рассеется. Когда черное назовут черным, а белое — белым; когда на официальном уровне будет признано, что дважды два — это все-таки четыре; когда войну назовут войной, а узурпатора — узурпатором, и когда преступниками признают тех, кто разжигал и развязывал эту войну — а не тех, кто пытался ее остановить. Этот день настанет так же неизбежно, как весна приходит на смену даже самой морозной зиме.
С этого осознания, с этого осмысления начнется долгий, трудный, но такой важный для всех нас путь выздоровления и восстановления России, ее возвращения в сообщество цивилизованных стран.
Даже сегодня, даже в окружающей нас темноте, даже сидя в этой клетке, я люблю свою страну и верю в наших людей. Я верю, что мы сможем пройти этот путь.[/bilingbox]
Original: Novaya Gazeta Europe Übersetzung: dekoder-Redaktion Veröffentlicht am 17.04.2023
Maxim Dondyuk „Dieser Junge steht für tausende von Kindern, die getötet werden“
[bilingbox]Es war die zweite Nacht, nachdem Russland seinen großflächigen Angriffskrieg begonnen hatte, als dieses Foto entstand. Es zeigt das erste Kind in Kyjiw, das Opfer der russischen Bombenangriffe wurde. Der Junge, sechs Jahre alt, geriet im Zentrum von Kyjiw unter Bombardement, er war zusammen mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner Schwester im Auto. Seine gesamte Familie starb noch vor Ort. Der Junge wurde auf die Intensivstation gebracht. Er hatte keine Dokumente bei sich, da seine Eltern direkt in die Leichenhalle eines ganz anderen Krankenhauses gebracht worden waren. Keiner kannte den Namen des Jungen oder sein Alter, so nannte man ihn einfach „Unbekannter #1“.
Der Arzt wollte erst nicht, dass ich dieses Foto mache. Aber ich sagte: Wir müssen das zeigen. Wir müssen zeigen, was Russland tut. Sie töten nicht nur Soldaten in diesem Krieg, sondern auch Familien und Kinder. Dieser Junge steht für tausende von Kindern, die getötet werden. Als der Arzt die Decke abnahm, sah der Junge aus wie Christus. Es war so symbolisch. Erst nach ein paar Tagen teilten mir die Ärzte mit, dass er Semjon hieß und am Tag, nachdem ich das Foto gemacht hatte, verstorben war. Für mich zeigt dieses Bild das Gesicht des Krieges.
Manchmal fragen mich Leute, warum ich mich entschieden habe, Kriegsfotograf zu sein. Die Wahrheit ist, dass ich keiner bin und auch nie einer sein wollte. Aber dies ist mein Land, und ich habe das Gefühl, es ist meine Pflicht, diesen historischen Moment einzufangen für die Gegenwart und für die Zukunft. Es ist sehr schwer, den Krieg zu dokumentieren, wenn er in deinem Land stattfindet, in deiner Stadt, wenn deine Freunde dabei ums Leben gekommen sind, wenn Russland deine Stadt eingenommen hat, wenn du all das siehst. Es ist völlig anders, als wenn du von einem anderen Land in einen Krieg kommst und dann wieder zurückkehrst. Du fühlst dich traurig, du spürst Aggression sogar gegenüber der ganzen Welt. Warum passiert uns das, warum macht irgendein großes Land einfach, was auch immer es möchte, und das nun schon seit fast einem Jahr. Und all dieser Schmerz, all diese Gefühle, sie wiegen sehr schwer, sie sind zerstörerisch. Ich lege meine Gefühle in die Fotografie. All diese Erfahrungen – Wut, Angst, Enttäuschung, Schmerz, Tränen, Freude. So werden Fotografien mit Leben gefüllt. Je mehr Gefühle du erfährst, desto stärker wird deine Kunst, sei es Fotografie, Malerei, Literatur oder Musik. Deswegen kann objektiver Fotojournalismus, der jede Subjektivität und jegliche Gefühle leugnet, sehr oft einfach langweilig sein – informativ, aber ohne emotionalen Aspekt.
Meistens nutze ich zwei unterschiedliche Bildsprachen, um den Krieg abzubilden. Für mein persönliches Projekt, ein Buch oder Ausstellungen, verwende ich eine poetische, wenn man so will ästhetischere Bildsprache. So können die Menschen in das Bild eintauchen, eine längere Zeit darüber sinnieren. Ich möchte, dass sie nachdenken, sich etwas vorstellen, wahrnehmen. Denken Sie mal an Schlachtenbilder in Museen – die eignen sich nicht für schnelles Draufgucken. Aber wenn ich für eine Zeitschrift arbeite, dann versuche ich zu schockieren. Denn die Leser haben nur eine Sekunde und ich versuche, einfach – BAMM, sie zu stoppen, zum Innehalten zu bewegen. Es soll wie ein Schrei sein, mittels der Farbe oder der Bildkomposition.~~~It was the second night after Russia started the full-scale invasion when I took this picture. It shows the first affected child in Kyiv from bomb attacks by Russia. He, a child 6 years old, fell under the shelling in the center of Kyiv, in the car with his father, mother, and sister. His whole family died right there. The boy was taken to intensive care. He was without documents since his parents were sent immediately to the morgue, to a completely different hospital. No one knew the boy’s name or his age, that’s why he was simply called the “Unknown #1”. First, the doctor didn’t want me to take this picture. But I said, we have to show this. We have to show what Russia is doing, killing not only soldiers but also families and children in this war. This boy stands for thousands of children being killed. When the doctor removed the blanket, the child looked like Christ. It was so symbolic. Only after a couple of days, the doctor told me, his name was Semyon, and he passed away the day after I took this picture. To me, this picture shows the face of war.
Sometimes people ask me why I decided to be a war photographer. The truth is I’m not and never intended to be. But this is my country now and I feel that this is my duty to capture this historical moment for the present and the future. It is very difficult to document the war when it happened in your country, in your city, when your friends died, when Russia captured your city, when you see all this. It’s completely different than when you come to war from another country and then return back. You feel sad, you even feel aggression towards the whole world, why this happened to us, why some big country is doing whatever it wants and has been doing it for almost a year now. And all this pain, all these emotions, they are very heavy, they are destructive. I put my emotions into photography. All that I experience – anger, fear, disappointment, pain, tears, joy. Thus, photographs are filled with life. The more you experience any feelings, the stronger your art, whether it be photography, paintings, literature, or music. That’s why very often objective photojournalism, which denies subjectivity, and emotions, can be simply boring, informative, but without an emotional aspect.
Mostly I use two different visual languages covering the war. For my personal project, for the book or exhibitions, I use more poetic, aesthetic (if you want so) language, so people could immerse in the photograph, and contemplate it for a long period of time, I want them to think, to imagine, to perceive. Think of battle scenes in museums – these are not for a rush viewing. But working for a magazine, I try to shock because their readers have only 1 second and I try to just, boom, make them stop. It should be like screaming, with color or with some composure.[/bilingbox]
Foto: Maxim Dondyuk Gesprächsprotokoll und Übersetzung aus dem Englischen: Tamina Kutscher Konzept und Bildredaktion: Andy Heller Veröffentlicht am 21.02.2023
„Leute, macht euch keine Sorgen, alles ist gut.“1 Er ist ein junger Mann, Ende 30, mit Brille und leichtem Bart, ein Lächeln im Gesicht, und er wird die nächsten achteinhalb Jahre im Gefängnis verbringen. Wenn er dann entlassen wird, darf er für weitere vier Jahre kein Internet mehr nutzen. Dieses Urteil hat ein Moskauer Gericht am 9. Dezember 2022 gegen den russischen Oppositionspolitiker Ilja Jaschin verhängt.
Nachdem er für mehr als 20 Jahre gegen Putin und Autokratie in Russland gekämpft hat, ist für Ilja Jaschin damit der Moment gekommen, in dem er dem anderen bedeutenden oppositionellen Politiker nachfolgt: Alexej Nawalny, der ihn als seinen „ersten Freund, den ich in der Politik getroffen habe“ bezeichnet.2 Weil er „Fake-Nachrichten“ über die russische Armee verbreitet habe, wurde Ilja Jaschin zu dieser Haftstrafe verurteilt. Um welche „Fakes“ es dabei geht? Um die Verbrechen, die die russische Armee in Butscha begangen hat. Jaschin hat darüber auf seinem sehr populären Youtube-Kanal gesprochen.
Der Grad der Zermürbung der Opposition ist beachtlich in Russland. Und gleiches gilt für die Anzahl der Inhaftierungen. Es ist nicht so, als sei Jaschin nicht gewarnt gewesen. Als ob das politische Klima – und das Schicksal seiner Mitstreiter – nicht schon genug wäre, war Jaschin auch bereits mehrfach zu Strafen verurteilt worden, ein eindeutiger Wink der Behörden, dass er in Russland nicht länger erwünscht ist.
Ilja Jaschin selbst bezeichnet sich als „linksliberal“: „Die höchste Priorität in der Politik hat für mich das menschliche Leben. Ich bin gegen Sozialdarwinismus … Aber ich bin kein Linker (lewak) im traditionellen Sinn … Ich bin ein normaler, europäischer Linksliberaler.“3 Seine politische Karriere führte ihn von der Oppositionspartei Jabloko, die eher links einzuordnen ist, zur eher rechtskonservativen PARNAS. Aber solche Zuschreibungen wie „links“ und „rechts“ sind im russischen Kontext eher irreführend: Ilja Jaschin ist in erster Linie ein Liberaler und ein Demokrat. Er möchte erklärtermaßen, dass Russland eine Demokratie und ein Rechtsstaat wird.
Ilja Jaschin wurde 1983 in Moskau geboren, in eine Familie, die der „technisch-wissenschaftlichen Intelligenzija“ angehörte. Seine Eltern arbeiteten in einem Forschungslabor für Strahlenphysik und in den 1990ern hatten sie einen kleinen Familienbetrieb.4 In jedem Fall führte ihn nicht die Rebellion gegen sein Elternhaus in die Politik.5 Seine Familie war vielmehr eine „Jabloko-Familie“, die in der Küche viel über Politik diskutierte.6 Jaschin studierte Politikwissenschaften in Moskau und schrieb seine Abschlussarbeit über ein sehr praxisnahes Thema: Organisationsmethoden des Aktivismus. Seine Promotion fing er an, beendete sie aber nicht, sondern ging stattdessen zur Praxis über.
Zwischen Parteibüro und Straßenprotest
So begann Jaschins politische Karriere noch in einer ganz anderen Ära, als man noch von einer Opposition in Russland sprechen konnte, die, in seinen Worten, „als Ergebnis eines legalen Vorgangs an die Macht kommen kann“.7 Dies sei im Russland von heute so unmöglich geworden, dass „Opposition“ vor allem bedeutet: „die Wahrheit zu sagen und zu versuchen, die Öffentlichkeit entsprechend zu informieren … es geht eher um Dissidententum als um Opposition“8. Jaschin ist ein hartnäckiger Politiker, ein Mann mit Prinzipien, und das seit mehr als 20 Jahren, während derer es viele Gelegenheiten für Kompromisse – oder Kompromittierung – gegeben hätte. Er hielt sich fern vom Big Business, pflegte einen bescheidenen Lebensstil und ging nie auf politische Projekte ein, die offensichtlich vom Kreml lanciert worden waren.9
Jaschin war im Jahr 2000 in die Politik gegangen, als Putins militärische Rhetorik („Wir werden die Terroristen überall verfolgen […], wenn wir einen auf dem Klo erwischen, legen wir ihn um“10) und Taten – der zweite Tschetschenienkrieg – noch ganz am Anfang standen. Im Gespräch mit Juri Dud sagte Ilja Jaschin später über diese Zeit, dass er den Tausch von Freiheit gegen Sicherheit als eine „Zeitbombe“ empfunden habe, die die Zukunft Russlands gefährde.11 Und Jabloko, so fügte er hinzu, sei damals die einzige größere Partei gewesen, die gegen den Krieg in Tschetschenien eingetreten sei.
Jaschin stieg in den Reihen von Jabloko, vor allem ihres Jugendverbandes, auf. Wahlniederlagen hatten die Moral der alten Garde stark angeschlagen, was wiederum ein Segen für aufstrebende junge und energetische Kräfte wie ihn war. Sie sehnten Taten herbei und wollten unbedingt das Partei-Image als zahmes Mitglied der Intelligenzija loswerden. Als Jabloko nicht mehr im Parlament vertreten war, wurde der Bedarf nach neuen Protestformen nur noch größer. Und Jaschin war nicht der einzige, der nach Erneuerung strebte, sondern mit ihm tat dies zur gleichen Zeit und in der gleichen Partei noch Alexej Nawalny.
JASCHIN UND NAWALNY
Vergleiche zwischen Jaschin und dem bekannten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny sind kaum vermeidbar. Beide sind ethnische Russen, gut befreundet und fast aus der gleichen Generation, Nawalny ist nur sieben Jahre älter. Vor mehr als 20 Jahren waren sie beide bei Jabloko in Moskau aktiv, teilten sich Büros und unternahmen, jeder auf seine Art, von dort aus den Versuch, die russische Opposition zu erneuern. Zunächst ging es ihnen vor allem um einen Generationswechsel, darum, die alte Garde abzulösen, von der sie das Gefühl hatten, dass ihr Weg nirgendwo hinführt. So beschreibt Jaschin rückblickend die Haltung, die sie beide verbunden habe.12
Beide Politiker unterscheiden sich aber auch voneinander. Während Nawalny für sein hitziges Temperament bekannt ist, gilt Jaschin als eher besonnen. Aber, wie auch Nawalny, beschreiben ihn Beobachter als „entschlossen, ehrgeizig, selbstbewusst und mit dem kulturellen Kapital und Charisma ausgestattet, das eine politische Führungspersönlichkeit ausmacht“.13 Zugleich haben sie auch politische Differenzen: Jaschin war stets immun gegenüber nationalistischen Tönen, wie sie zu Nawalnys frühem politischen Programm gehörten14.
Von 2001 bis 2005 stand Jaschin JablokosMoskauer Jugend vor. Die Orangene Revolution in der Ukraine beeindruckte ihn sehr, er fuhr auch zum Maidan nach Kyjiw.15 Schließlich wurde Jaschin zum „informellen Anführer“ von Oborona, einer nichtregistrierten Jugendorganisation, die junge Liberale versammelte. Inspiriert war sie von ähnlichen Jugendbewegungen, die eine bedeutende Rolle bei den sogenannten Farbrevolutionen spielten, wie etwa in der Ukraine, aber auch während der Massendemonstrationen in Serbien16. Abseits von institutionalisierter Politik und Wahlen versuchte Oborona den Kampf gegen den Autoritarismus zu erneuern und auf die Straße zu bringen. Hinzu kam die Idee, statt auf die üblichen Protestformen auf provokante Performances und Flashmobs zu setzen.17 So gelang es Jaschin und anderen Aktivisten, mit Bergsteigerequipment ein Banner an einer Brücke nahe des Kreml zu installieren, auf dem stand: „Gebt den Bürgern die Wahlen zurück, ihr Dreckskerle!“
Überzeugter Wahlkämpfer – auf verlorenem Posten
Oborona war jedoch nicht darauf ausgerichtet, in Wahlkämpfe einzusteigen, das war ein anderes Feld, während Jaschin schon zu dem geworden war, was sein Freund Alexis Prokopijew, der ihn damals kennenlernte, als „europäischen Politiker“ bezeichnete: „In Frankreich oder Deutschland wäre er ein Abgeordneter oder Minister gewesen, mit Leichtigkeit! Er hat es einfach drauf.“18 Jaschin war bereit, stundenlange Überzeugungsarbeit zu leisten, Wahlkampf zu führen – wie etwa Jahre später in der ländlichen Region Kostroma, wo er vor einer Handvoll älterer Menschen in irgendwelchen Höfen auftrat.
2008 war er Mitbegründer von Solidarnost, einer Bewegung, die sich den heiligen Gral des russischen Liberalismus zum Ziel gesetzt hatte: die Einheit seiner sich bekriegenden Lager und Gruppierungen. Und Solidarnost gelang es tatsächlich, Politiker der unterschiedlichen Strömungen zu vereinen, darunter Boris Nemzow, einen der bekanntesten russischen Liberalen. Doch Jabloko missfiel Jaschins Engagement außerhalb der Partei, die bei Solidarnost Menschen wähnte, deren „politischer und persönlicher Ruf inakzeptabel“19 sei. Jaschin wurde aus der Partei geschmissen. Er selbst war davon überzeugt, der eigentliche Grund für den Rauswurf sei seine Kritik an Parteiführer Grigori Jawlinski gewesen, dem dominierenden Gründungsmitglied von Jabloko.
Jaschin wurde nun zum engen Verbündeten und Freund von Boris Nemzow, folgte seinem politischen Mentor in die liberale Partei PARNAS. Nach der Ermordung Nemzows im Februar 2015 führte Jaschin zusammen mit seiner Parteikollegin Olga Schorina dessen letztes politische Projekt zu Ende: einen Bericht über den Krieg im Osten der Ukraine.20 Beide waren der Überzeugung, dass „der Versuch, den Krieg zu stoppen, der eigentliche Patriotismus“ sei.21
Gegen Wahlfälschung
Gleichzeitig mobilisierte Jaschin auch die Leute, auf die Straßen zu gehen: Am 5. Dezember 2011 organisierte Solidarnost eine Protestaktion gegen Wahlfälschung in Moskau. Die Demo war ein unerwarteter Erfolg. Jaschin war unter denen, die nach der offiziellen Kundgebung noch zur Lubjanka marschierten. Diese nicht genehmigte Aktion brachte ihm 15 Tage Haft ein.22 Diese Demonstration wurde zum Ausgangspunkt der Bewegung für freie Wahlen, der bis heute wichtigste Protestzyklus unter Putin. Die Bewegung für freie Wahlen gab Jaschin, der schon ein talentierter und erfahrener Redner war, eine noch größere Bühne. Er war schließlich auch unter denen, die sich im März 2012 weigerten, den Puschkinplatz im Zentrum Moskaus zu verlassen – einen Tag, nachdem die offiziellen Wahlergebnisse Putins Rückkehr ins Präsidentenamt vermeldeten. Dies brachte Jaschin eine weitere Arreststrafe ein.23
Was Jaschin wie auch vielen anderen russischen Oppositionellen versagt blieb, war eine Chance auf echte politische Macht, um etwas für die Menschen zu bewegen. All seine bisherigen Anläufe bei Wahlen waren zum Scheitern verurteilt.24
Vor dem Hintergrund verschärfter Repressionen sah Jaschin (wie auch andere Demokraten) jedoch eine Möglichkeit, sich das bescheidenste mögliche Ziel zu setzen – die unterste politische Ebene. In Moskau bedeutete das, Stadtverordneter zu werden. „Er wollte Erfahrungen in einer echten Regierung sammeln“, erinnert sich der Oppositionspolitiker Maxim Reznik. „Er wollte zeigen, dass er sich um Hausmeister, Versorgungsdienste und Bürgersteige kümmern kann.“25 2017 kandidierte Jaschin im Moskauer Bezirk Krasnoselski, und sein Team fegte durch die Versammlung. In jenem Jahr starteten liberale Oppositionelle als Demokratische Koalition eine Kampagne, die genau auf diese Bezirksebene abzielte, und sie funktionierte. Jaschin konnte den Vorsitz der Bezirksversammlung übernehmen und die wenigen Befugnisse, die er hatte, nutzen. Natürlich waren das keine großen Sprünge: Hilfe bei der Wohnungssuche, die Einrichtung eines „Sozialtaxis“, das Gehbehinderten den Weg zum Arzt erleichtern sollte – wofür er den ihm zugeteilten Dienstwagen umnutzte. Jaschin hatte die nächsten Wahlen im Jahr 2019 im Visier, die höhere Ebene: die Moskauer Duma. Doch schließlich durften die meisten Oppositionskandidaten gar nicht erst antreten. Jaschin trat von seinem Vorsitz zurück und blieb einfacher Abgeordneter. Als Nawalnys Organisationen 2021 als „extremistisch“ eingestuft wurden, wurde bald auch Jaschin zum „Extremisten“ erklärt, weil er mit ihnen zusammenarbeitete.
„Ich muss in Russland bleiben, lautstark die Wahrheit sagen“
Den russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 verurteilte Jaschin vorbehaltlos – was ihm schließlich zum größten Verhängnis wurde. Als im März ein neues Gesetz „gegen Fake News“ verabschiedet wurde, wusste Jaschin, dass man ihn belangen würde. Er entschied sich dafür, in Russland zu bleiben, und war sich im Klaren über das Risiko, das er damit einging: „Die Botschaft des Staates war ziemlich unmissverständlich: Entweder du hältst den Mund oder du verlässt das Land oder du wanderst in den Knast.“26 Er machte eine Liste, um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, ging beispielsweise zum Zahnarzt, und hakte sie Punkt für Punkt ab.27 Schließlich wurde er festgenommen und kam in Untersuchungshaft.
In seinem Schlusswort vor Gericht am 5. Dezember 2022 lässt er keinen Zweifel daran, dass er diesen Weg ganz bewusst gegangen ist: „Tu, was du tun musst, egal, was kommt. Als der Krieg begann, wusste ich sofort, was ich tun muss. Ich muss in Russland bleiben, lautstark die Wahrheit sagen und mit all meiner Kraft das Blutvergießen beenden.“28 Noch ist es zu früh, um abzusehen, was es für Ilja Jaschin bedeuten wird, Jahre seines Lebens im Gefängnis zu verbringen – das Schicksal so vieler Regimekritiker in Russland.
„Wir hoffen, dass wir auch vielen Soldaten helfen konnten, zum Beispiel mit Ausrüstung und einer einfachen Grundausstattung an der Front.“ Mit diesem Satz hat TV-Host Alexej Korosteljow im unabhängigen Fernsehsender Doshd am vergangenen Donnerstag, 1. Dezember 2022, einen Skandal ausgelöst. Es waren zunächst ukrainische Aktivisten und Journalisten, die auf die Äußerung hinwiesen. Korosteljow selbst und auch Doshd-Chefredakteur Tichon Dsjadko entschuldigten sich. Korosteljow schrieb, seine Worte seien „aus dem Kontext“ gerissen worden, was für weitere Kritik sorgte. In Lettland, von wo der exilierte Sender derzeit arbeitet, wurde eine Überprüfung eingeleitet. Manche Stimmen warfen Doshd sogar vor, für den russischen Geheimdienst zu arbeiten.
Schließlich verkündete der Sender die fristlose Kündigung Korosteljows, der seit Jahren für Doshd arbeitet und eines der bekanntesten Gesichter des Senders ist. Dies wiederum sorgte für einen Sturm der Entrüstung unter russischen Exiljournalisten. Zwei weitere populäre Doshd-Moderatoren, Margarita Ljutowa und Wladimir Romenski, gaben aus Solidarität mit Korosteljow ihren Rücktritt bekannt. Auch Korosteljows Lebensgefährtin Darina Lukutina kündigte ihren Rücktritt beim Fernsehsender an. „Ich verstehe nicht, wie ein Angestellter geopfert werden kann, um einem Staat zu gefallen, noch bevor dieser Staat ein solches Opfer verlangt hat“, schrieb sie auf Facebook.
In den Chor an Stimmen, die den Vorgang in den Sozialen Medien heftig diskutierten, mischte sich auch die bekannte Journalistin Xenia Larina, die auch für The Insider und Echo Moskwy arbeitet. Auf Telegram nimmt sie Doshd wie auch Korosteljow in Teilen in Schutz, mahnt zugleich aber eine fehlende Selbstkritik für den gesamten unabhängigen russischen (Exil-)Journalismus an.
Ich habe die besagte Episode gestern nicht live gesehen, sondern heute, als der Skandal schon auf allen Kanälen tobte. Zunächst schrieb ich unterstützende Worte für Ljoscha Korosteljow, dann für Tichon Dsjadko. Später dann sah ich Katja Kotrikadses Stellungnahme zu Beginn der Nachrichten, die Stellungnahme der Redaktion von Doshd mit Erklärungen und Entschuldigungen und mit der Entscheidung, Korosteljow zu entlassen. Das waren herzzerreißende Worte. Katerina ist tough und willensstark, sie hat ihr Gesicht und ihre Haltung in den schwierigsten Live-Situationen unter Kontrolle – hier und jetzt konnte sie die Tränen fast nicht zurückhalten. An ihrem emotionalen Zustand war zu erkennen, wie schwer die Entscheidung über die Entlassung ihres Kollegen war, einen der besten Journalisten von Doshd.
Doshd-Chat-Bot macht die Verbrechen der russischen Machthaber gegen ihre eigenen Bürger deutlich
Heute nun habe ich den Beitrag für einen ukrainischen Sender kommentiert. Und habe natürlich gesagt, dass in Live-Situationen niemand vor Fehlern, Versprechern und falschen Bewertungen gefeit ist, vor „Schnitzern“. Und dass ich überzeugt bin, dass es in Alexejs Worten keinen bösen Vorsatz gab. In den Doshd-Nachrichten wird regelmäßig hingewiesen auf den Telegram-Chat-Bot für Anrufe und Nachrichten der Mobilisierten und ihrer Angehörigen. Dieser Kommunikationskanal macht die Verbrechen der russischen Machthaber gegen ihre eigenen Bürger deutlich, zeigt die Abscheulichkeit des Regimes, seine ständigen Lügen und seine Verachtung für das eigene Volk.
Alexejs Worte haben den Sinn dieser Aktion völlig entstellt und pervertiert
Alexejs Worte haben den Sinn dieser Aktion völlig entstellt und pervertiert. Ja, das war ein missglückter Versuch, dieser kargen Ansage „etwas Persönliches“, etwas „Menschliches“ hinzuzufügen.
Das passiert jedem. Aber nicht jeder moderiert Live-Sendungen während eines ungeheuerlichen Krieges, der von einem Staat entfacht wurde, dessen Bürger du bist. Hier muss es eine völlig andere Aufmerksamkeit für Details, Tonfall und Worte geben. Und hier stellt sich die überaus wichtige Frage, die überhaupt nicht diskutiert wird in der russischsprachigen Journalisten-Community, unter Journalisten im Exil:
Sind die gewohnten Standards des Journalismus anwendbar, wenn man einen Pass des Aggressor-Landes besitzt?
Wer sind wir? Wen vertreten wir? An wen richten wir uns in russischer Sprache? Sind die gewohnten Standards des Journalismus – des freien, professionellen Journalismus – in Kriegszeiten anwendbar, noch dazu, wenn man einen Pass des Aggressor-Landes besitzt? Der ganze Pluralismus, all das „die andere Seite zu Wort kommen lassen“, all die freien Meinungen und Äußerungen? Und was ist überhaupt „die andere Seite“, wenn es die Seite der Invasoren und die Seite der Opfer gibt? Darf man sich das in politischen und militärischen Konflikten als Journalist aussuchen? Finden wir immer den richtigen und genauen Ton, verletzen wir nicht die Grenzen fremder Freiheiten und Rechte, während wir uns außerhalb von Russland befinden? Ich glaube, das sind sehr wichtige Fragen.
Wir alle sind besudelt in diesem Krieg und haben kein Recht auf eine besondere Aufmerksamkeit
Wir alle sind besudelt in diesem Krieg. Und wir haben kein Recht darauf, eine besondere Aufmerksamkeit für uns einzufordern, niemand ist uns Hilfe schuldig dabei, diesen Schmutz abzuwaschen, niemand ist verpflichtet, sich in unsere Situation hineinzuversetzen, uns Visum und Arbeitserlaubnis auf dem Silbertablett zu servieren. Wenn es eine kollektive Schuld und eine kollektive Verantwortung gibt, dann ist die Art und Weise, wie sich jeder identifiziert, persönlich.
Die Position von Doshd, die mehrfach von deren Journalisten ausgesprochen wurde, ist offensichtlich und braucht keine Bestätigung, denn schon die Sendungen von Doshd sind dafür das wichtigste Zeugnis: Sie bezeichnen den Krieg als Krieg, Russland als Aggressor und Putin als Verbrecher. Das ist das Wichtigste. Und es ist die persönliche Entscheidung eines jeden Journalisten, sich zu einer Redaktion zusammenzuschließen, deren Prinzipien vollständig mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmen.
Ich habe keine Zweifel, dass Alexej Korosteljow dieselben Prinzipien vertritt, dass er einfach einen „unpassenden Scherz“ gemacht hat, um es in den Worten Bulgakows zu sagen. Ich unterstütze Alexej und bin sicher, dass er nicht ohne Arbeit bleiben wird. Und ich verstehe und akzeptiere die Entscheidung der Doshd-Spitze, die in schwerem Kreuzfeuer steht – sie werden aus allen Richtungen mit Steinen beworfen, von den eigenen Leuten, von anderen, von Europäern und von Russen, von Ukrainern und Letten … Aber sie machen ihre Arbeit. Und sie machen sie gut. Ihren Beitrag zum Sieg über das Böse zu bewerten, steht noch aus. Aber der Sieg ist gewiss.
Der russische Fotograf Max Sher lebt im Exil in Berlin. Er fotografiert die Stadt – hauptsächlich den Westteil – und interpretiert das, was er entdeckt, als postsowjetischen Raum. Doch das ist keine Nostalgie, wie er sagt, sondern Zeichen eines Übergangs im Leben – für ihn und für hunderttausende andere Menschen, die Russland verlassen haben.
Die Serie ist Teil des Projekts Dunkle Zeiten, helle Nächte des Goethe-Instituts in Kooperation mit dekoder. Für diese Reihe wurden Autorinnen und Autoren sowie Film- und Medienschaffende in Russland und im Exil eingeladen, den neuen Alltag seit dem 24.2.2022 zu dokumentieren und zu reflektieren.
„Ich habe diese Fotos in Berlin mit einem alten Handy gemacht, hauptsächlich im ehemaligen Westteil der Stadt.
Schon seit einigen Monaten ist Berlin mein neues Zuhause. Davor war ich 10 Jahre in Moskau, 13 Jahre in Piter (die Petersburger mögen dieses Wort nicht), 12 Jahre in Kemerowo und die ersten 11 Jahre im spätsowjetischen Leningrad.
Man könnte meinen, diese Bilder seien ‚Symptome‘ von Nostalgie: Darauf sind Orte und Details der urbanen Landschaft festgehalten, die jedem aus der ehemaligen UdSSR irgendwie vertraut vorkommen.
Nostalgie ist überhaupt eines der wichtigsten Themen für die migrantische Kultur. Doch alles mit Nostalgie Verbundene wirkt auf mich höchst anachronistisch – vielleicht wegen meines eigenen halben Nomadenlebens. Obwohl ich in allen Dokumenten jetzt Immigrant oder Migrant bin, bevorzuge ich für mich die Bezeichnung ‚Expat‘ in seiner ursprünglichen Bedeutung, frei von allen Konnotationen: ein Mensch, der einfach ex patria, außerhalb seines Geburtslandes, lebt. Zudem ist die Bezeichnung, auch wenn das vielleicht persönlich und symbolisch ist, eine Herausforderung für die etablierte Hierarchie unter den verschiedenen Kategorien von Zuwanderern.
Für mich drücken die Fotografien eine gewisse Trägheit im eigenen Blick aus: im Blick auf die bewohnte Landschaft, die bebaute Umgebung – aber definitiv keine Nostalgie.
Für mich drücken die Fotografien eine gewisse Trägheit im eigenen Blick aus: im Blick auf die bewohnte Landschaft, die bebaute Umgebung – aber definitiv keine Nostalgie. Dieser Blick hat sich innerhalb eines Jahrzehnts geformt, während meiner Erkundungen im Bereich der Landschaftsfotografie und während meiner Reisen durch den postsowjetischen Raum (der Begriff ist veraltet, doch einen anderen gibt es wohl leider noch nicht). Und infolge dieser ‚déformation professionelle‘, dieser eigenartigen künstlerischen Entstellung, erfasst mein Blick in der Landschaft Berlins nun ähnliche Orte und Details, auch wenn sie nicht gerade typisch für die Stadt sind. Im Übrigen sehen die nur dann ‚postsowjetisch‘ aus, wenn man sie oberflächlich betrachtet. Wenn man genauer hinsieht, verschwindet die Ähnlichkeit.
Vielleicht ist es so, dass ich mit Hilfe dieser Flashbacks eine weitere Lebensphase abschließe und eine neue beginne.“
Der belarussische Menschenrechtler Ales Bjaljazki wird mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Kurz nach Bekanntgabe durch das Nobelkomitee in Oslo äußerte sich die belarusissche Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch dazu auf Pozirk, dem neuen Telegram-Portal des liquidierten Naviny.by.
Der Belarusse Ales Bjaljazki wird zusammen mit den Menschenrechtsorganisationen Center for Civil Liberties (Ukraine) und Memorial (Russland) ausgezeichnet.
[bilingbox]Bjaljazki ist für mich eine mythologische Figur des belarussischen Kampfes. Er hat es verdient – das ist noch zu wenig gesagt. Das ist schon lange sein Preis.
Was die von ihm gegründete Menschenrechtsorganisation Wjasna gemacht hat und unter den gegenwärtigen Umständen weiter tut, ist in seinem Geiste, nach seiner Philosophie. Das freut mich sehr.
Ich weiß, dass Ales [in Haft – dek] ernsthaft erkrankt ist. Wir alle müssen darüber sprechen, dass er in Freiheit sein sollte, mit seinem Volk. Was die Staatsmacht mit ihm anstellen wird, ist schwer vorstellbar, aber ein solcher Mensch darf nicht im Gefängnis sein, das ist eine Erniedrigung sowohl für das Volk als auch für die Staatsmacht selbst, falls sie das versteht.~~~— Считаю Беляцкого мифологической фигурой белорусской борьбы. Заслужил — этого мало сказать. Это уже давно его премия, — сказала лауреат Нобелевской премии по литературе Светлана Алексиевич. — То, что сделала и делает в этих условиях созданная им «Вясна», — это в его духе, в его философии. Я очень рада.
Алексиевич сомневается, что после этого Беляцкого выпустят из тюрьмы.
— Знаю, что Алесь серьезно болен. Мы все должны говорить о том, что ему нужно быть на свободе, со своим народом, — считает Алексиевич. — Что сделает с ним власть, трудно представить, но такой человек не может быть в тюрьме — это унижение и народа, и самой власти, если она это понимает.[/bilingbox]
Original und russische Übersetzung vom 07.10.2022; Übersetzung aus dem Russischen: dekoder-Redaktion Veröffentlicht am 07.10.2022
Kurzfristig anberaumte Schein-Referenden in den russisch (teil)besetzten Gebieten der Ukraine, neue Strafgesetze im Eilverfahren, die im Fall von Kriegszeiten und Mobilmachungen gelten sollen – und schon wenige Stunden später verkündet Wladimir Putin eine sofortige „Teilmobilmachung“.
Für viele Beobachter ist klar, dass die Ergebnisse der sogenannten „Referenden“ über den „Beitritt“ zu Russland schon feststehen, dass das Stakkato der Ereignisse ein (weiteres) Zeichen für Nervosität des Regimes, und dass der Begriff „Teilmobilmachung“ dehnbar ist. Andere Beobachter fragen nach möglichen Folgen der neuen Eskalationsstufe für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder auch, ob sie die russische Gesellschaft selbst noch weiter spalten könnte.
Tatsächlich häufen sich im Runet Berichte, dass viele Menschen sich derzeit darüber informieren, wie man der Einberufung entgehen kann. Kurzfristige Flüge ins Ausland sind ausgebucht, in den Sozialen Medien entlädt sich lautstarker Widerstand, und es gibt erste Proteste gegen die „Teilmobilisierung“. In einem wütenden Twitter-Thread macht auch die unabhängige russische Journalistin Olga Beschlej ihrem Ärger Luft.
Die gesamte Rede Putins ist reinstes Gaslighting und psychische Gewalt den Bürgern Russlands gegenüber. Ich träume von dem Tag, an dem die Menschen kapieren, WIE sie betrogen wurden und WIE DOLL man sie belogen hat und dass sie und das ganze Land die letzten zehn Jahre in der ausgedachten Realität und dem nicht existierenden Imperium eines gekränkten Mannes gelebt haben.
Putin schreibt absolut all seine aggressiven Handlungen anderen zu! Das ist unerträglich anzuschauen
Er verdreht einfach alles, aber auch wirklich alles: Er war es, er und seine Regierung haben alles dafür getan, dass die NATO an die Grenzen Russlands kam, dass die Ukraine GEZWUNGEN war sich zu verteidigen, dass der Westen Waffen an die Ukraine lieferte, denn er hat einen Krieg losgetreten und schreckte alle mit Drohungen. Und absolut all seine aggressiven Handlungen schreibt er anderen zu! Das ist unerträglich anzuschauen und zu lesen.
Und es ist unerträglich, dass Menschen das glauben, denn es nicht zu glauben, macht Angst. In welche verfickte Zeit sind wir hineingeraten! Die Lüge vergiftet und zermalmt den Menschen doch förmlich das Hirn.
Die Lüge vergiftet und zermalmt den Menschen doch förmlich das Hirn
Ich warte sehr auf das Ende dieses Kriegs. Ebenso fieberhaft warte ich auf das Ende der Lüge, wenn eben jene Mauer dieser erstickenden Lügerei, mit der er ganz Russland eingekesselt hat, endlich zusammenbricht. Himmel, wird das wehtun. Doch nicht nur die Russen, die ganze Welt kann dann wieder leichter atmen.
Noch einen Tag vor der „Teilmobilmachung“ hat der Kreml am 20. September bekanntgegeben, in den (teil-)besetzten Kriegsgebieten sogenannte „Referenden” abzuhalten. Was bezweckt der Kreml damit? Sabine Fischer, Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), gibt kurze Antworten auf Twitter. Ihr Thread ist vom 20. September, also einen Tag bevor Putin die sofortige „Teilmobilmachung“ verkündete. dekoder hat einen Ausschnitt des englischsprachigen Tweets übersetzt:
Nun ist es soweit: Putin eskaliert den russischen Krieg in der Ukraine. Die Entscheidungen der letzten Tage weisen darauf hin, dass wir eine Wiederholung der Woche ab dem 21. Februar erleben werden (Anerkennung der sogenannten DLNR und Beginn der Invasion) – nur auf einem anderen Level.
Alle vier besetzten oder teilweise besetzten Gebiete (Luhansk, Donezk, Saporishshja und Cherson haben erklärt, sie werden vom 23.–27. September (Fake-)Referenden durchführen. Das wirkt wie eine konzertierte, von Moskau (und in der Kremladministration von Sergej Kirijenko) gelenkte, Aktion.
Stellungnahmen aus der Staatsduma und dem russischen Außenministerium bekräftigen diese Annahme. Die Chef-Propagandistin Margarita Simonjan fordert Putin (einmal mehr) dazu auf, „die Gebiete nach Hause zu holen“.
Was der Kreml will: – die aktuelle Frontlinie einfrieren und die verbleibenden Gebietsgewinne sichern (wegen der erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive) – die Kosten für die Ukraine erhöhen, denn nach der Annexion wird jede ukrainische Gegenoffensive als direkter Angriff „auf russisches Gebiet“ gewertet werden – den Westen einschüchtern, inklusive atomare Erpressung: Die russische nationale Sicherheitsdoktrin erlaubt den Einsatz von Atomwaffen im Falle von Angriffen auf „russisches Gebiet“.
Hier zielt Moskau auf a) westliche Waffenlieferungen (die für zukünftige ukrainische Militärvormärsche unverzichtbar sind) und b) Kräfte im Westen, die Kyjiw dazu drängen könnten, bei Verhandlungen Eingeständnisse zum eigenen Nachteil zu machen.
Mit nur einem Post auf Instagram löste sie ein kleines Erdbeben aus: Alla Pugatschowa, die Grande Dame der sowjetisch-russischen Popmusik, verurteilt darin erstmals öffentlich den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und bittet das Justizministerium, sie in die Liste der sogenannten „ausländischen Agenten“ aufzunehmen – aus Solidarität mit ihrem Ehemann, dem berühmten Comedian Maxim Galkin, der seit Freitag in dem Register geführt wird. Galkin hatte sich schon früher gegen den Krieg geäußert und daraufhin seine Sendung im staatlichen Ersten Kanal verloren. Nun beschuldigt ihn das Justizministerium, angeblich von der Ukraine finanziert zu werden.
„Er ist ein ehrlicher, ordentlicher und aufrichtiger Mensch, ein wahrer und unbestechlicher Patriot Russlands, der seiner Heimat ein Aufblühen und ein friedliches Leben wünscht, Meinungsfreiheit und ein Ende des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele, die unser Land zu einem Geächteten machen und das Leben der Bürger erschweren“, schreibt Pugatschowa über ihren Mann. Der Post wurde hunderttausendfach gelikt und geteilt.
In russischen Staatsmedien wurde meist nur der vordere Teil zitiert – und die Distanzierung vom Krieg ignoriert. In den Sozialen Medien und unter den Kommentatoren unabhängiger Medien erhielt Pugatschowa dagegen viel Beifall mit ihrer öffentlichen Positionierung. dekoder zeigt ausgewählte Reaktionen.
Kirill Martynow: „Der Selensky für das patriarchale Russland“
Pugatschowa wird in breiten Teilen der Gesellschaft geschätzt – für Kirill Martynow, Chefredakteur der Novaya Gazeta Europe, wäre sie daher eine geeignete Kandidatin für die nächste Präsidentschaftswahl:
[bilingbox]Die Präsidentschaftskampagne „Pugatschowa 2024” mit dem Symbol der roten Rose und dem Slogan „Eine Million rote Rosen für den Frieden” ist so einfach, dass Sie sich nichts anderes mehr ausdenken müssen. Alla Borissowna, Sie sind der Selensky für das patriarchale Russland.~~~Президентская кампания Пугачевой-2024 с символикой алой розы и слоганом „миллион алых роз за мир“ это так просто, что даже придумывать ничего не нужно. Алла Борисовна, вы Зеленский патриархальной России.[/bilingbox]
The New Times: Putin ist eine unbedeutende politische Figur aus der Ära von Alla Pugatschowa
Alla Pugatschowa ist unbezweifelt eine Autorität von epochaler Bedeutsamkeit. Dazu gibt es sogar einen Witz aus Sowjetzeiten, an den Andrej Kolesnikow in seiner Kolumne für The New Times erinnert:
[bilingbox]Einer der bekanntesten Witze aus der Zeit der Stagnation: „Frage: Wer ist Leonid Iljitsch Breshnew?“ Antwort: „Eine unbedeutende politische Figur aus der Ära von Alla Borissowna Pugatschowa.“ Alla Borissowna hat als Frau der Epoche sowohl Breshnew als auch Andropow, als auch Tschernenko überlebt. […] Und nun gibt es einen Neuzugang in der Truppe der unbedeutenden politischen Figuren aus der Ära von Alla Borissowna Pugatschowa – diesen hohen Status hat sich Wladimir Wladimirowitsch Putin verdient.~~~Один из самых известных анекдотов времен застоя: «Вопрос: Кто такой Леонид Ильич Брежнев. Ответ: Мелкий политический деятель эпохи Аллы Борисовны Пугачевой». Алла Борисовна в статусе женщины-эпохи пережила и Брежнева, и Андропова, и Черненко, […] И вот отряду мелких политических деятелей эпохи А.Б. Пугачевой прибыло — этого высокого статуса удостоился Путин В.В.[/bilingbox]
Sergej Medwedew: Warum kann sie nicht die Ukraine nennen?
Bei aller Zustimmung ist der Politologe Sergej Medwedew über den Wortlaut gestolpert – und glaubt, dass sich Pugatschowa hätte noch mehr erlauben können:
[bilingbox]Wie alle freue ich mich über die Geste der Primadonna, doch wundere ich mich über ihre Motivation. Besteht das Problem etwa im „Tod unserer Jungs” und in der „Erschwerung des Lebens der russischen Bürger”? Sie kann sich ja alles Mögliche erlauben, auch den Gebrauch der Wörter „Krieg” und „Ukraine”. Tja, wahrscheinlich reicht das für das Publikum. Politisch ist das eine wichtige Äußerung, staatsbürgerlich eine wahrhafte Tat, und menschlich bin ich nicht ihr Richter und Redakteur, es stieß mir bloß auf. ~~~Я, как и все, рад жесту примадонны, но ее мотивация меня удивляет. Разве проблема в „гибели наших ребят“ и в „утяжелении жизни российских граждан“? Уж она-то может позволить себе, что угодно, включая слова „война“ и „Украина“. Впрочем, наверное, для аудитории хватит и этого. Политически это важное высказывание, граждански это поступок, а человечески я ей не судья и не редактор, просто резануло слух.[/bilingbox]
Ekaterina Schulmann: Wer nicht alles für die Ukraine arbeitet …
Die nach Deutschland emigrierte Politologin Ekaterina Schulmann witzelt auf Telegram über den Vorwurf des Justizministeriums, dass Pugatschowas Mann Galkin und andere „ausländische Agenten“ angeblich von der Ukraine finanziert werden:
[bilingbox]Wo hat die Ukraine denn das Geld her, um all diese Einzelpersonen zu finanzieren, die zu ausländischen Agenten erklärt wurden? Das ist ja kein Land, das ist ein Eldorado. Gordejewa arbeitet für sie, Galkin, Morgenshtern, Chodorkowski, Tschitschwarkin, Makarewitsch, Simin und sogar Belonika – die alle werden von der Ukraine bezahlt. Und das auch noch in Kriegszeiten, wo es ja noch so viele andere Ausgaben gibt. Wäre jetzt Frieden, dann könnte die Ukraine da wohl den ganzen Kreml aufkaufen.~~~Слушайте, а откуда у Украины денег столько на финансирование всех этих физлиц-иностранных агентов? Не страна, а какое-то Эльдорадо. И Гордеева на них работает, и Галкин, и Моргенштерн, и Ходорковского с Чичваркиным, и Макаревича, и Зимина и целую Белонику – всех Украина содержит. И это в военное-то время, когда других расходов полно. В мирное, наверное, вообще Кремль целиком скупит. [/bilingbox]
Alexander Baunow: „Heimat sind nicht die Mitglieder des Politbüros“
„Heimat ist nicht der Arsch des Präsidenten, den man ständig bespeicheln und küssen muss“, rief Rocklegende Juri Schewtschuk bei einem Konzert im Mai. Alexander Baunow, ehemals Chefredakteur von Carnegie.ru, beschreibt auf seiner Facebook-Seite, was für ihn Heimat bedeutet:
[bilingbox]In den 1980er Jahren stellte ich mir nicht die Frage, was Heimat war: Pugatschowa, Grebenschtschikow, Makarewitsch, Zoi oder die Mitglieder des Politbüros? Warum sollte es jetzt eine Frage sein? Verwundert sehe ich, wie bei einigen, darunter ganz jungen Menschen, diese Frage aufkommt. Quält euch nicht, die Antwort ist längst da, obwohl man sie natürlich noch einmal geben kann, wenn man sich nicht das Vergnügen nehmen lassen will, die Frage selbst zu beantworten. Die Heimat sind nicht die Mitglieder des Politbüros.~~~В 80-е у меня же не было вопроса родина – это Пугачева, Гребенщиков, Макаревич, Цой, или это члены политбюро? А сейчас почему он должен быть? С удивлением вижу, как у некоторых, в том числе младше годом рождения, этот вопрос возникает. Не надо мучиться, ответ давно дан, хотя можно дать его еще раз, не отказывая себе в удовольствии отвечать на этот вопрос самостоятельно. Родина это не члены политбюро.[/bilingbox]