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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • „Die guten Russen“

    „Die guten Russen“

    „Die Russen sind die neuen Deutschen“ – dieser Vergleich kam in russischen Exil-Kreisen schon wenige Wochen nach Beginn der russischen Vollinvasion auf. Hintergrund war die Annahme, dass alles Russische wegen der Aggression gegen die Ukraine nun pauschal gecancelt würde, genauso wie alles Deutsche während des Zweiten Weltkriegs.  

    Um zu verdeutlichen, dass man nicht alle über einen Kamm scheren könne, haben einige russische Oppositionspolitiker alsbald das Konzept der „guten Russen“ entwickelt: Russen, die gegen den Krieg und gegen Putin sind und deshalb etwa auch einen entsprechenden Pass verdienen sollten, mit dem sie im Exil nicht Opfer von Diskriminierung würden. Die Idee wurde von allen Seiten verrissen, einer der zentralen Vorwürfe: Eine Selbstviktimisierung sei angesichts des ukrainischen Leids zynisch, alle Russländer trügen kollektiv Verantwortung. 

    Das Konzept „gute Russen“ wurde in Folgezeit zu einem beliebten Meme, mancherorts mit ironischen Anklängen an den „guten Deutschen“ während der Hitlerzeit. Und obwohl die Idee damit völlig diskreditiert schien, wird das Label immer noch mit jenen Russländern verknüpft, die Hoffnung auf eine liberal-demokratische Zukunft Russlands hegen. 

    Wenige Tage nach der „Operation Spinnennetz“ gegen mehrere russische Militärflugplätze schreibt der ukrainische, russischsprachige Schriftsteller Boris Chersonski einen Facebook-Beitrag, in dem er dieser Hoffnung widerspricht und dafür plädiert, weniger die „guten Russen“ zur Zielscheibe zu machen und sich stattdessen auf das Wesentliche zu konzentrieren.

    Ein brennender russischer Pass, Symbolbild. © Pavlo Bagmut/ Ukrinform/ Imago

    Ein paar Worte über „die guten Russen“. Wir sind in vielem derselben Meinung. Zumindest hätten sie, wäre es nach ihnen gegangen, nie und nimmer einen Krieg gegen die Ukraine begonnen. Deswegen möchte ich nicht, dass diese Menschen, von denen ich viele schon sehr lange persönlich kenne, zur Zielscheibe scharfer und in weiten Teilen unfairer Kritik werden. Antiputinismus, eine Orientierung an europäischen Werten und liberales Denken – ist das, was uns vereint.  

    Ihre wichtigsten Schwachpunkte sind offensichtlich, und vielleicht spricht man deswegen nicht gern über sie, weil irgendwie ja ohnehin alles klar ist.  

    Und das war’s dann wohl auch schon mit den Gemeinsamkeiten zwischen uns und den guten Russen.  

    Sie lieben ihre Heimat. Sie sorgen sich um sie, wollen dahin zurück und wollen weiter eine Rolle in Kultur und Politik spielen.  

    Auch wir lieben unsere Heimat, sorgen uns um sie, wollen dahin zurück und nach Kräften an ihrem kulturellen und (nicht alle!) politischen Leben teilhaben.  

    Ist das eine Gemeinsamkeit? Nein, denn ihre Heimat ist für uns etwas anderes. Ihr Land verstümmelt seit vielen Jahren unser Land, tötet unsere Leute.  

    Unser Land hat gerade erst gezeigt, dass dieses Spiel in beide Richtungen geht. Wir greifen ihr „unantastbares Territorium“ an, zerstören Militär- und Energie-Infrastruktur und ja, bringen Tausende ihrer Soldaten um (genauso wie sie unsere).  

    Und das ist der Punkt: Um unsere Soldaten tut es mir leid. Um ihre – nicht wirklich. Bei ihren Worten naschi maltschiki (dt. unsere Jungs) schüttelt es mich.  

    Gleichzeitig verstehe ich, dass es ihnen um ihre Jungs leidtut, aber um unsere … na ja, anstandshalber. Ich verstehe das. Ja, sie identifizieren sich mit denen, die auf den ukrainischen Schlachtfeldern fallen.  

    Sie machen sich Gedanken, wie es mit ihrer Kultur auf unserem Territorium weitergeht. Dieses Thema beunruhigt mich als vorwiegend russischsprachigen Schriftsteller ebenfalls. Aber natürlich anders als sie: Aus ihrer Sicht müsste ich mich irgendwie mehr dafür einsetzen. Ich finde aber, sie sollten sich fragen, wie sie ihre Kultur auf ihrem Territorium schützen können.  

    Sie sehen die Zukunft ihres Landes als liberale, demokratische Gesellschaft. Was ich NICHT SEHE. Auch nicht, wenn ich näher hinschaue, mir die Augen reibe, eine Brille aufsetze. ICH SEHE DAS NICHT: Sehe ich meine Freunde in eine demokratische Föderation zurückkehren? Nein. Höchstwahrscheinlich werden sie ihr Leben im Exil verbringen. Und Hoffnungen auf Reformen … sind Wunschträume.  

    Und bei alldem – sie sind nicht unsere Feinde. Eher sind sie temporäre Bündnispartner, Wegbegleiter, die trotz aller Gemeinsamkeiten bestimmt irgendwann eine andere Abzweigung nehmen. Lasst uns aufhören, sie zur Zielscheibe zu machen. Wir haben genug andere, die unsere Pfeile verdient haben, wo wir schon den Bogen gespannt haben. 

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  • „Millionen Russen leben derzeit ihr bestes Leben“

    „Millionen Russen leben derzeit ihr bestes Leben“

    Die russische Rüstungsindustrie reißt sich um Mitarbeiter und ködert neues Personal mit üppigen Löhnen: 45.000 Rubel für einen Verladearbeiter in Kowrow, 50.000 für einen Schneiderlehrling in der russischen Stadt Iwanowo, wo Uniformen genäht werden – was nach wenig klingt (ein Euro entspricht derzeit etwa 90 Rubel), übersteigt deutlich das jeweilige regionale Medianeinkommen von 2021, und das für Jobs, die früher im Niedriglohnsektor angesiedelt waren. Vor allem Menschen in der russischen Provinz profitieren von dieser Entwicklung: Hier befinden sich traditionell viele Rüstungshersteller, außerdem waren die Jobchancen bislang schlechter als in den Großstädten. 

    Letzteres ist auch ein Grund, weshalb Rekruten aus den ärmeren Landesteilen stark überproportional in den Invasionstruppen an der Front vertreten sind. Den Sold überweisen sie an ihre Familien, zusammen mit den Kompensationszahlungen für die Gefallenen eröffnet der Kriegseinsatz eines Angehörigen ungeahnte Einkommensperspektiven. Nimmt man also die Lohnsteigerungen, Transferleistungen und die Kompensationszahlungen zusammen, dann ergibt sich für weite Teile der russischen Provinz ein zynisches Bild: Der Krieg wirkt sich wie ein massives Konjunkturprogramm für strukturschwache Regionen aus.    

    Im Hinblick auf die boomende Kriegswirtschaft kommt der Journalist Maxim Katz zu dem Schluss, dass sich Millionen Menschen in Russland derzeit in Goldenen Zeiten wähnen. Auf YouTube argumentiert er, dass sie als Kriegsgewinnler naturgemäß nicht an einem Ende der Aggression interessiert sind und dass sie auch nach dem Krieg in Nostalgie über diese beste Zeit ihres Lebens schwelgen werden. 

    Hier der YouTube-Beitrag in voller Länge mit englischen Untertiteln 

    Das Lenindenkmal in Ulan-Ude, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Burjatien August 2024 © Itar-Tass/ Imago

    Es ist Zeit, dass wir uns einer paradoxen und unangenehmen Realität stellen: Millionen Menschen in Russland leben jetzt in diesem Moment ihr bestes Leben. Und dieses beste Leben steht im Zusammenhang mit dem Krieg. Wir hatten uns alle an eine Realität gewöhnt, in der Krieg eindeutig als Unglück und Problem wahrgenommen wird. Für die vorigen Generationen war das Afghanistan und Tschetschenien. Krieg ist ein Wort, das die finstersten Erinnerungen wachruft, wo ein Student nach vermasselter Abschlussprüfung ans Ende der Welt geschickt wird und im Zinksarg zurückkehrt. 

    Jetzt sehen wir etwas völlig anderes. Millionen Menschen werden sich in zehn oder fünfzehn Jahren, wenn es keinen Putin samt seinem Regime mehr gibt, an die Kriegszeit als etwas Gutes erinnern, denn in dieser Zeit begann plötzlich das gute Leben. 

    Bislang sieht alles so aus, dass für die russische Provinz, für Regionen, die von der Rüstungsproduktion abhängig sind, der Krieg die gleiche Bedeutung hat wie die 2000er Jahre für Moskau und andere Großstädte. Es war eine Zeit, in der das Leben nicht nur besser wurde, sondern um ein Vielfaches besser. Wenn wir uns über die Zukunft des Landes Gedanken machen, kommen wir an dieser Tatsache nicht vorbei.  

    Die Bewertung der Zeit hängt jeweils davon ab, mit wem Sie sprechen. Wenn Sie über die 1990er Jahre mit einem Unternehmer, einem Journalisten oder einem Vertreter der kreativen Branchen reden, dann werden Sie von einem tollen Russland der Vergangenheit hören, in dem aus Nichts Geld wurde, in dem man schreiben, filmen und zeichnen konnte, was man wollte, und das Wort Zensur als verstaubter Anachronismus anmutete. Doch wenn Sie mit einem Arbeiter des Waggonherstellers Uralwagonsawod sprechen, erzählt der Ihnen von Armut, Zerfall und den um ein halbes Jahr verzögert ausgezahlten Löhnen. Genauso unterschiedlich werden die Assoziationen mit der heutigen Zeit ausfallen. 

    Für einen beträchtlichen Teil der Gesellschaft werden der späte Putinismus und der Krieg im Nachhinein eine Zeit der Angst sein, der Instabilität und eines galoppierenden Staatsidiotismus. Eine Zeit, in der man bei jeder offiziellen Stellungnahme des Präsidenten eine Flugticket-App aufhaben muss.  

    Aber für Millionen Menschen werden der späte Putin und der Krieg eine Zeit sein, in der sie nun endlich, endlich ein gutes Leben hatten, in der die Menschen nicht mehr Sonderangeboten hinterherjagten und penibel prüften, ob sie noch Geld auf der Karte hatten, sondern ins Restaurant gehen, ja ein Auto oder gar eine Wohnung kaufen konnten. Für Millionen Menschen wird der Krieg nicht nur als guter, sondern als höchst wünschenswertester Zustand des russischen Staates in Erinnerung bleiben. Und je länger der Krieg andauert, umso mehr Menschen auf die eine oder andere Art in dessen Fortführung involviert werden, umso größere Verbreitung wird diese Wahrnehmung in der Gesellschaft finden. 

    Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre bestand ein beträchtlicher Teil der Gesellschaft aus Menschen, die sich aus ganz objektiven Gründen in Sowjetnostalgie ergingen. Alles Gute, was in ihrem Leben geschehen war, alles, was sie hatten, eine eigene Wohnung, einen Sechser-Shiguli, eine 600 Quadratmeter große Parzelle mit Datscha vor der Stadt, das hatten sie zu Sowjetzeiten erhalten, als die Fabriken noch in Betrieb waren und sie dort als Ingenieur arbeiteten und nicht auf ihre karge Rente warteten und sich als Parkplatzwächter etwas dazuverdienen mussten.  

    Wenn dieser Krieg vorbei ist, wenn Putin vorbei ist und etwas Zeit vergangen ist, werden wir Menschen begegnen, für die alles Gute in ihrem Leben – eine Wohnung mit günstigem Kredit, ein chinesischer SUV, Erinnerungen an einen Dubai- oder Türkeiurlaub – all das wird sämtlich aus den 2020er Jahren stammen, als das Land Krieg geführt hat. 

    Das Land wird aufgehört haben zu kämpfen und wieder wird weder die Arbeit einer Näherin in Iwanowo noch die eines Ingenieurs bei Uralwagonsawod gebraucht werden. Offiziell werden die Fabriken zwar existieren, aber dort zu arbeiten, ist ziemlich sinnlos. Die einst blühende Drohnenindustrie wird dann zu einer winzigen Branche geschrumpft sein.  

    Wenn wir über die Zukunft nachdenken, wenn wir diese Zukunft irgendwie gestalten wollen, muss uns eines klar sein: Genau das wird eine der wichtigsten Herausforderungen sein. Das ist Putins wichtigstes Erbe.  

    Wir brauchen keine Angst zu haben, dass der Krieg ewig dauert, dass Putin ihn noch 20 Jahre führen kann. Das kann er aus rein biologischen Gründen nicht. Selbst wenn er Glück hat, werden wir auf jeden Fall sowohl sein eigenes Ende als auch das Ende des von ihm geschaffenen Systems erleben. Doch auch noch zehn Jahre danach, und nochmal 20 oder 30 Jahre später, auf lange Jahrzehnte hinaus, wird es eine bedeutsame und aktive Minderheit geben, die ausreichend ist für eine durchaus beachtliche politische Volksvertretung. Denen wird man überhaupt nichts vorwerfen können. Sie haben den Krieg nicht begonnen. Sie haben niemanden umgebracht, doch für sie wird das politische Programm, das einen ständigen Krieg Russlands gegen den Westen für notwendig erklärt, mit der besten Zeit ihres Lebens assoziiert sein. Für sie ruft das Wort Krieg nicht die Vorstellung von Leichen hervor, sondern davon, dass in einer depressiven Provinzstadt, in der es weder ein normales Leben noch Perspektiven gab, plötzlich das eine wie auch das andere Einzug hielt. Die Menschen werden Krieg und Frieden vergleichen. Und aus ihrer Sicht wird letzterer eindeutig schlechter sein. Das ist nicht zu ändern.  

    Diesen Leuten kann man nichts vorwerfen. Und aus dem politischen Leben kann man sie nicht ausschließen. Es ist schlicht das Erbe, das Putin unweigerlich hinterlassen wird, und damit muss man sich abfinden und irgendwie arbeiten. Es wird unmöglich sein, diesen Bürgern zu erzählen, dass ein friedliches Leben für sie besser ist als Krieg, weil es für sie objektiv nicht stimmt. In gewissem Maße wird das wohl durch jene in der Waage gehalten, die tatsächlich im Krieg waren, für die Krieg bedeutet, dass Kanonenfutter auf Krücken zum Angriff stürmt und nicht darin besteht, in drei Schichten in der örtlichen Fabrik zu ackern.  

    Wenn wir nach Putins Tod mit den Bürgern reden wollen, müssen wir uns im Klaren sein, dass ein Ende seines Regimes und des Krieges für Millionen Menschen nicht eine Erlösung bedeutet, sondern eine Katastrophe, weil das gute Leben, das gerade erst begonnen hatte, wieder im Graben liegt und da nicht mehr herauskommen wird. 

    Wir müssen uns klar machen, dass es im Falle politischer Freiheit eine wahrlich nicht kleine Partei von Neoputinisten geben wird. Deren Programm wird fest auf der Vorstellung gründen, nicht die Sowjetzeit zurückzuholen, sondern eben den späten Putinismus. Diese Realität ist unangenehm, aber sie bedeutet eine wahre Herausforderung. Eine ein Vierteljahrhundert währende Herrschaft verschwindet nicht einfach spurlos. Auch bei uns nicht. 

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  • Wegschauen und Weiterleben ausgeschlossen

    Wegschauen und Weiterleben ausgeschlossen

    Im Oktober 2024 wurde bekannt, dass der russische Oppositionelle Ildar Dadin Anfang des Monats im Krieg gefallen ist. Er hatte an der Seite der Ukrainer gegen die russischen Invasoren gekämpft. Nach Bekanntwerden von Dadins Tod schrieb der renommierte russische Journalist Andrej Loschak auf Facebook einen kurzen Nachruf, der eine heftige Diskussion auslöste. Denn Loschak erwähnt darin auch, dass Dadin von den Zuständen in der ukrainischen Armee enttäuscht gewesen sei. Darf man als Unterstützer der angegriffenen Ukraine die Zustände dort mit denen in Russland vergleichen? 

    dekoder dokumentiert den umstrittenen Beitrag. 

    Ildar Dadin (1982-2024) protestierte in Moskau, schloss sich dem Freiheitskampf der Ukraine an und fiel an der Front / Foto © Komers Real / flickr / CC BY 2.0

    Ildar Dadin ist an der Front gefallen. Für mich war er immer ein leuchtendes Beispiel für einen Menschen, der Ungerechtigkeit nicht tatenlos hinnehmen konnte. Das Wort, das in seinen Interviews wahrscheinlich am häufigsten zu hören war, lautet „Gewissen“. So äußerte er sich zum Beispiel damals zu den Bolotnaja-Prozessen: 

    „Ich war erstaunt, dass die Bewegung sich auflöste, statt dass die Menschen erst recht auf die Barrikaden gehen. Wir haben einfach zugesehen, wie man die, die mit uns gemeinsam für faire Wahlen demonstriert haben, als Geiseln genommen und eingesperrt hat. Ihre gebrochenen Schicksale haben auch wir auf dem Gewissen. Ende 2012 waren wir höchstens noch 30 Leute. Die Luft war raus, das habe ich verstanden, es hatte praktisch keinen Sinn mehr, auf die Straße zu gehen. Aber ich bin trotzdem gegangen, das war eine Frage des Gewissens.“ 

    Dadin wurde nicht müde zu wiederholen, dass alle Russen Verantwortung für das totalitäre Regime tragen, in das Putins Herrschaft ausgeartet ist. Bereits seit Anfang der 2000er Jahre verwandelte sich das Land allmählich in einen riesengroßen Karzer, bis man nach 2012 nicht mehr die Augen davor verschließen konnte. Und trotzdem haben wir es geschafft. Die Menschen in der Provinz – weil sie schon immer an der kurzen Leine gehalten wurden und gar nicht wissen, dass es etwas anderes gibt. Die Großstädter aus Bequemlichkeit. Zumal der Karzer, zumindest am Anfang, noch ziemlich komfortabel war. Das machte ihn jedoch nicht weniger zum Karzer. 

    Dadins Kampf für Versammlungsfreiheit brachte ihn ins Gefängnis 

    2014 wischte sich das Regime wieder mal mit der russischen Verfassung den Arsch ab und schränkte die Versammlungsfreiheit noch krasser ein (damals ging es bereits nur noch um Einzelkundgebungen). Der erste, der gegen das Verbot verstieß und dafür ins Gefängnis wanderte, war natürlich Ildar Dadin. Deshalb trägt der entsprechende Paragraf seither seinen Namen: „Dadin-Gesetz“. Im Gefängnis, das in Russland nur dafür da ist, die Inhaftierten maximal zu erniedrigen und die Menschenwürde mit Füßen zu treten, musste Dadin leider Gottes Folter erleiden. 

    „Ich habe damals erfahren, dass Russland nicht nur das Land von Mördern ist, weil es ein anderes Land überfallen hatte, sondern auch ein Land der Folterknechte und Sadisten. Ich glaube, sie haben mich gefoltert, weil ich mich nicht brechen ließ. Sie wollten ein Exempel an mir statuieren, um zu zeigen, was mit denen passiert, die für ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einstehen, offen über die Verbrechen des Kreml sprechen und für die das eigene Gewissen die höchste Instanz ist. Sie mussten mich mit ihren Stiefeln in den Dreck treten, damit andere sehen und verstehen, dass es ihnen genauso ergehen würde.“ 

    „Ich kann mit dem Gedanken nicht leben, bei diesen Verbrechen Mittäter zu sein“ 

    Dadin schrie seit 2014 laut heraus, dass Russland einen verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine führt. Als Putin 2022 die großangelegte Offensive begann, stand Dadin nicht wie die meisten von uns vor der Frage: gehen oder bleiben? Er stand vor einer viel unerbittlicheren Entscheidung: ins Gefängnis wandern oder auf Seiten der Ukraine kämpfen? 

    „Ich kann mit dem Gedanken nicht leben, Mittäter bei diesen Verbrechen zu sein. Das Einzige, was mir bleibt, ist entweder in Russland auf die Straße zu gehen und dafür eingesperrt oder getötet zu werden, oder in die Ukraine zu fahren und mit der Waffe in der Hand gegen das Böse zu kämpfen. Einen dritten Weg – wegschauen und mein Leben weiterleben – gibt es nicht. Ich verstehe nicht, wie man das tun kann.“ 

    In Dadins Worten steckt viel unbequeme Wahrheit. Er betonte immer wieder, er sei Humanist. Das Leben und die Menschenrechte hatten für ihn oberste Priorität, sein ganzes Leben vor dem Krieg ist Beweis genug dafür. Und genau deshalb musste er diese harte, paradoxe Entscheidung treffen und zur Waffe greifen. Etwas ähnliches muss Dietrich Bonhoeffer, einen zutiefst religiösen Mann, dazu bewogen haben, sich den Hitler-Attentätern anzuschließen. Manchmal muss man, um seine Menschlichkeit zu wahren, das Irdische vom Göttlichen trennen. Sich zwischen dem Gebot „Du sollst nicht töten“ und dem eigenen Gewissen entscheiden, das dir sagt, dieses Böse kann nur mit Hilfe von Gewalt gestoppt werden. Einen perfekten Weg, mit weißer Weste aus diesem Konflikt zu kommen, gibt es nicht. Alle anderen Strategien sind, was den Kampf angeht, sinnlos. Das können wir leider daran beobachten, wie sich die Opposition im Exil selbst zerfleischt. Dadin und Nawalny sind mit zwei extremen und gleichzeitig extrem konsequenten Strategien als Beispiel vorangegangen. Das Unbequeme daran ist, dass sie uns, die wir vor dem Bösen in sichere Länder geflohen sind, unsere Feigheit vorführen. Ohne jeden Vorwurf, ohne Belehrungen, einfach nur durch ihr persönliches Vorbild. Und das macht es nur noch schonungsloser. Wir haben, wie es Julija Galjamina in einem Interview ausdrückte, die Strategie der Selbstrettung gewählt. Familie, Kinder, Pazifismus, schöpferische Entfaltung – das ist alles schön und gut. Aber lasst uns ehrlich sein: Sie hatte vollkommen recht. 

    Nawalny wählte den Weg Gandhis, Dadin wählte den Weg des Kriegers 

    Die Bedeutung von Ildar Dadin wird unterschätzt. Ich denke, mit der Zeit wird er in den Pantheon der Helden unserer Zeit aufsteigen, ebenso wie Nawalny. Sie werden beide zu Symbolen des Widerstands gegen den Putinismus werden (Dadin bevorzugte den Begriff „Raschismus“). Beide sind heldenhaft in diesem Kampf gefallen. Nur dass der eine den Weg des Satyagraha gewählt hat, der Gewaltlosigkeit, und der andere Buschido, den Weg des Kriegers. Vielleicht wird man ihn einmal den „Dadin-Weg“ nennen, wie man es mit dem repressiven Gesetz gemacht hat. Auf dieser hohen Note könnte man den Nachruf beenden, aber in Dadins Geschichte gibt es ein letztes Kapitel, das nicht weniger unbequem und widerspenstig ist als sein ganzes Leben. 

    Kurz vor Dadins Tod hatte ein guter Freund von mir, der ihn flüchtig persönlich kannte, über einen Messenger Kontakt mit ihm aufgenommen. Auf das floskelhafte „Wie-geht-es-dir“ brach es aus Dadin heraus. Ich glaube, er fühlte sich von allen vergessen, und so ließ er alles, was sich angestaut hatte, bei dieser Gelegenheit raus. Es war die grausame, unerbittliche Wahrheit über den Krieg. Dadin litt zutiefst. Seine Ehre, sein Gewissen und seine Menschenwürde waren konfrontiert mit der „Wahrheit des Schützengrabens“, und er konnte sie nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Diese Wahrheit besteht darin, dass in der ukrainischen Armee der gleiche Scheiß los ist wie in der russischen. Demütigung, Korruption, Dummheit, Grausamkeit und die Selbstdarstellung der Kommandeure, die die Tatsachen vor der Obrigkeit verbergen. Mit einem Wort (das Dadin selbst verwendet): derselbe sowok wie auf der feindlichen Seite. Aber er betonte auch den einen prinzipiellen Unterschied: Dass nämlich die Ukrainer einen Befreiungs- und die Russen einen Besatzungskrieg führen. Ich kann hier aus verschiedenen Gründen nicht das gesamte Gespräch veröffentlichen, aber ein Zitat möchte ich bringen: 

    „Ich kann nicht als Sklave kämpfen“ 

    „Man muss den Raschismus bekämpfen. Denn wenn man nicht gegen das Böse kämpft, dann stellt man sich dem Bösen durch seine Untätigkeit in den Dienst, man ergibt sich ihm. Aber meine Menschenwürde sagt mir, dass ich nicht als Sklave kämpfen kann.“ 

    Vielleicht ist das Tragischste an der Geschichte, dass Dadin kurz vor seinem Ende offenbar bereute, in die Legion eingetreten und in den Krieg gezogen zu sein. Ja, das ist eine für viele unbequeme, bittere Wahrheit, die unter Umständen ein gefestigtes Weltbild zerstört, in dem das Licht gegen die Dunkelheit kämpft, aber schon aus Respekt vor Ildar muss ich diesen Teil der Wahrheit ebenfalls erzählen. Über ein Jahr lang kämpfte er in den Sturmtruppen an vorderster Front. Er war zweifellos emotional ausgezehrt und in einem depressiven Zustand, das geht aus seinen Worten hervor. Vielleicht war es eine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie es in solchen Fällen vorkommt, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, Dadins natürlicher, angeborener Instinkt für (Un-)Gerechtigkeit war untrüglich. 

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  • Mit Terror gegen Terror

    Mit Terror gegen Terror

    Der Terror ist zurück in Russland: Am Abend des 22. März 2024 dringen bewaffnete Männer in den Konzertsaal Crocus City Hall am Stadtrand von Moskau und töten mindestens 137 Menschen. Es ist das blutigste Attentat seit den Terrorattacken der 2000er Jahre wie etwa den Geiselnahmen im Dubrowka-Theater 2002 oder in der Schule von Beslan 2004

    Zu der Tat hat sich die Terrororganisation Islamischer Staat bekannt. Gleichzeitig deuten Kreml und Staatsmedien auf eine angebliche Spur in die Ukraine, jedoch ohne dafür Beweise zu liefern. In russischsprachigen Sozialen Medien spekulieren außerdem viele User, ob nicht sogar der Inlandsgeheimdienst FSB dahinter steckt, und sehen eine Parallele zu den Explosionen von Wohnhäusern 1999

    Am Sonntag, zwei Tage nach dem Anschlag, wurden vier der mutmaßlichen Täter dem Moskauer Basmanny-Gericht vorgeführt. Alle trugen offensichtliche Spuren von Misshandlung und Folter: Blutergüsse, Schürfwunden, eine geschwollene Wange, einer der Beschuldigten wurde gar im Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht, ein anderer hat einen Verband über dem Ohr. Zuvor kursierten auf Telegram Aufnahmen, wonach einem der mutmaßlichen Täter bei einem Verhör ein Ohr abgeschnitten und ihm in den Mund geschoben wurde. Eine andere Aufnahme soll einen Beschuldigten zeigen, der mit heruntergelassener Hose auf dem Boden liegt und mit Strom an den Genitalien gefoltert wird. Von einem CNN-Journalisten auf die Folterspuren der Beschuldigten angesprochen, sagte Kremlsprecher Dimitri Peskow: „Ich lasse diese Frage unbeantwortet.“

    Was so eine zur Schau gestellte Brutalität bedeutet und was sie über den russischen Staat verrät, fragt der Politologe Kirill Rogow in einem Kurzkommentar auf Facebook. Kirill Rogow ist Direktor des Portals Re:Russia und Gastwissenschaftler am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien.

    Einer der Beschuldigten wurde dem Haftrichter am Sonntag im Rollstuhl und mit sichtbaren Blessuren vorgeführt / Foto © Imago, SNA

    Zu den verbreiteten Mythen über Putin gehört, dass er Judo betrieb und dort eine Technik gelernt habe, bei der man den Angriff des Gegners dazu nutzt, die Energie seines Angriffs gegen ihn anzuwenden. Dieser Quatsch wurde hunderte Male wiederholt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass da wenig Wahres dran ist. Dabei hat Putin wirklich eine ganz spezielle Art, auf Krisen zu reagieren, das ist tatsächlich sein Markenzeichen. Und das ist es wert, dass man sich das mal genauer anschaut. 
     
    Die Technik besteht in Folgendem: Wenn eine Krise deine Schwäche aufdeckt, muss die Wut des Vergeltungsschlags auf den losgelassen werden, der sich in Reichweite befindet. Das ist in der Regel nicht der, der für deine Schwäche verantwortlich ist. Doch das spielt keine Rolle. Denn vor allem die Heftigkeit und Wirksamkeit des Schlages sollen den Eindruck deiner Schwäche aufheben, der durch die zuvor erlittene Niederlage entstanden ist. Das ist der Sinn dieser Technik. 

    Die Wucht des Vergeltungsschlags soll nicht den Gegner beeindrucken, sondern den Zuschauer

    Wenn du einen Schlag einstecken musstest, schlage einfach den, dem du in diesem Moment eine verpassen kannst. Und werde wieder Sieger. Dass der Zorn in die völlig falsche Richtung losgeht, ist egal. Die Leute merken das nicht. Sie werden dich als Gewinner sehen und nicht als Verlierer. Das bedeutet: Die Wucht des Vergeltungsschlags soll nicht den Gegner beeindrucken und erschrecken, sondern den Zuschauer. 
     
    So auch nach dem Geiseldrama im Moskauer Dubrowka-Theater und der gescheiterten Befreiungsoperation, bei der durch die Inkompetenz der Sicherheitskräfte viele Kinder ums Leben kamen. Putin ging damals plötzlich auf die Leitung des Senders NTW los und beschuldigte sie, die Befreiungsaktion gestört zu haben. Dasselbe geschah nach dem Terroranschlag in Beslan, bei dem mehr als 330 Menschen ums Leben kamen und Putin daraufhin die Gouverneurswahlen in Russland abschaffte. 
     
    Wir werden noch erfahren, wer zur Vergeltung ins Visier genommen wird nach der Demütigung Putins, der gewarnt wurde und den Schlag trotzdem nicht abgewehrt hat. Teilweise ist die Logik des Vergeltungsschlags jedoch bereits jetzt erkennbar. 

    Putins hauptsächliche Reaktion sind tägliche Episoden von öffentlichem Sadismus 

    Putins hauptsächliche Reaktion auf diesen schrecklichen Terroranschlag sind sich Tag für Tag wiederholende Episoden von öffentlichem Sadismus gegenüber denjenigen, die als Verdächtige im Zusammenhang mit dem Terroranschlag festgenommen wurden. Im Prinzip stammt die gesamte Bildsprache dieser Episoden von den islamistischen Terroristen selbst – das Aufschlitzen von Kehlen und Enthauptungen vor laufender Kamera, die Zurschaustellung von Menschen, die bis an die Grenzen des Erträglichen gefoltert werden. All dies hat die doppelte Funktion, den Terror so darzustellen, wie er ist: als Mechanismus der Einschüchterung, und die Schaffung der Geschlossenheit im Hass. Die von der Präsidialadministration angeregte Errichtung von „spontanen Gedenkorten“ in russischen Städten (wie nach der Ermordung Nawalnys), ergänzt nur das Programm des kollektiven Hasses. Der Terror ist eine Manifestation des Hasses. Terror und Hass bilden das Gegenstück zum Gesetz, sie heben es auf, indem sie etwas über das Gesetz stellen.  
     
    Dieser öffentliche Terror wendet sich gleichermaßen gegen sein Objekt [die Terroristen – dek], wie auch gegen diejenigen, die die Unumstößlichkeit des offiziellen Narrativs in Zweifel ziehen. Der Terror richtet sich gegen die russischen Bürger, weil er den Hass als Antwort normal werden lässt. Auch auf ihre Fragen und ihr Nichteinverständnis. Auch in Bezug auf den Terroranschlag.  

    Denn nach allem, was wir in den letzten Tagen erfahren haben, befremdet Folgendes am meisten: Wenn ihr diese Leute schon so schnell gefasst habt und die so naiv und ungeschickt waren, um richtig vom Tatort zu fliehen – wie kommt es dann, dass ihr den Terroranschlag nicht verhindern konntet? Es liegt doch auf der Hand, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Aber die Bilder vom demonstrativen Sadismus sind dazu da, diese Frage emotional zu verwischen.  

    Und ihr sprecht von Judo. Ich verstehe nicht, was das mit Judo zu tun hat. 

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  • Die Leere, die Nawalny hinterlässt

    Die Leere, die Nawalny hinterlässt

    Alexej Nawalny wurde heute in Moskau beerdigt. Zum Trauergottesdienst im Bezirk Marjino und zur anschließenden Beisetzung auf dem Borissowski-Friedhof kamen Zehntausende Menschen. Hunderttausende verfolgten die Ereignisse online im Livestream. Auf Telegram nimmt die inzwischen im Exil lebende russische Journalistin Olga Beschlej Abschied – von Nawalny und einem Teil ihrer Lebensgeschichte.

    So wie hier in Sankt Petersburg fanden in ganz Russland spontane Gedenkveranstaltungen für Alexej Nawalny statt. Auch zu seiner Beerdigung kamen zehntausende Menschen / Foto © IMAGO / ZUMA Wire

    die erste politische Erschütterung in meiner Jugend war der Mord an Anna Politkowskaja: Ich war damals gerade erst fürs Studium nach Moskau gezogen, und Politkowskaja war für mich ein Beispiel an journalistischem Mut und beruflicher Hingabe

    ich weiß noch, wie ich mit einer Freundin Blumen zu ihrem Haus auf der Lesnaja Straße brachte, und schon damals war da dieses starke Gefühl von Verlorenheit und Verstörtheit

    ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass der Mord im Interesse der Regierung organisiert worden war, und ich dachte voll Besorgnis an die Zukunft des von mir gewählten Berufs

    der Mord an Boris Nemzow war in anderer Art ein Schlag: Boris Jefremowitsch war oft in der Redaktion der Zeitschrift, bei der ich arbeitete, wir hatten oft telefoniert und sogar zusammen Korrekturen an seinen Artikeln vorgenommen

    ich kannte ihn oberflächlich, aber ich kannte ihn

    und bis heute wünsche ich, ich könnte die Fotos von der Großen Moskwa-Brücke ungesehen machen

    nach dem Tod von Alexej Nawalny lebe ich in innerer Taubheit: ich sage, schreibe, tue was, aber kann meine Gefühle weder benennen noch beschreiben 

    ein riesiger Teil meines Lebens war mit Nawalny verbunden: journalistische Arbeit bei Demonstrationen, Berichterstattung bei Wahlkampagnen und Strafprozessen

    ich hatte die Möglichkeit politisch teilzuhaben, weil Nawalny, Nemzow, Jaschin (und viele andere Menschen, die ich jetzt nicht aufzähle, an die ich aber natürlich denke) Politik gemacht haben in einem unfreien Land, trotz allem und ungeachtet dessen

    ich glaube, dass es in Russland Änderungen zum Besseren geben wird: das Regime wird zusammenbrechen

    aber das Russland, von dem ich geträumt habe, wird es nicht mehr geben: Menschen, mit denen ich Wandel und Zukunft assoziiert habe, wurden entweder ermordet oder verlieren im Lager ihre Gesundheit oder sind auf der ganzen Welt verstreut, und mir ist bewusst, dass nicht alle zurückkommen wollen oder können

    es wird etwas anderes

    meine Hoffnung ist stark wie nie und ich unterstütze sie in den Menschen um mich herum, denn das ist es, was jeder von uns tun kann im Gedenken an Alexej Nawalny und die anderen Opfern des Regimes – die Hoffnung bewahren, nicht verzweifeln, einander Mut machen

    ja, irgendwas tun! Egal was

    für den Erhalt der Zivilgesellschaft, die Wahrung unserer Werte und den Zusammenhalt der Menschen

    doch zusammen mit Nawalny ist ein Teil von mir heute vergangen

    und von ihm nehme ich Abschied

    an dieser Stelle ist jetzt Leere

    doch nicht für immer 

    ja, es wird etwas anderes kommen

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    Latyschka

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    Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat am 30. November die „internationale LGBT-Bewegung“ zur „extremistischen Organisation“ erklärt. Menschen aus der Community sehen sich in Russland schon seit Jahren mit immer restriktiveren Gesetzen konfrontiert. Im Juni etwa wurde – angeblich zum Schutz vor ausländischer Einflussnahme – ein Gesetz beschlossen, das geschlechtsangleichende Operationen verbietet. Zuvor wurde das seit 2013 bestehende Verbot „homosexueller Propaganda“ ein weiteres Mal verschärft

    Der Politikwissenschaftler Sergej Medwedew erinnert auf seiner Facebook-Seite an einen Auftritt des russischen Pop-Duos Tatu vor 20 Jahren, bei dem die beiden Sängerinnen „Fuck War“-Shirts getragen und sich auf der Bühne geküsst haben: „Dafür würden sie heute 20 Jahre bekommen. We’ve come a long way baby“.

    Obwohl das Urteil offiziell erst 2024 in Kraft treten soll, gab es in Moskau bereits einen Tag nach der Verkündigung erste Razzien in Clubs und Saunen. In Sankt Petersburg hat der bekannte Szeneclub Central Station vorsorglich den Betrieb eingestellt. Welche weiteren Folgen von dem Verbot zu befürchten sind, darüber schreibt Kirill Martynow, Chefredakteur der Novaya Gazeta Europe, in einem Kommentar auf Twitter.

    Symbolbild © ITAR-TASS/imago images

    Ich habe den Eindruck, dass nicht allen meinen Landsleuten klar ist, was heute passiert ist. Die Entscheidung des Obersten Gerichts bezüglich LGBTQ-Personen wird für noch mehr Leid und Demütigung queerer Menschen sorgen. Sie ist zudem ein fundamentaler Verstoß gegen die Rechtsgrundlagen des Staates (oder zumindest gegen das, was davon noch übrig war). Und das betrifft uns alle, sogar die Homophoben. Russland schießt sich, wie Dimitri Rogosin [an einem Schießstand 2015 – dek], selbst ins Knie. 

    Das Urteil beraubt die Menschen ihrer Grundrechte, allein dafür, dass sie existieren

    Warum auch Homophobe unter dem „Extremismus“-Urteil leiden werden? Weil es seit dem 30. November 2023 in Russland rechtens ist, Menschen dafür zu verfolgen, wer sie sind. Jetzt muss ein Mensch nicht an politischen Aktionen teilnehmen oder Mitglied einer politischen Organisation sein, um verfolgt zu werden. Wenn Homosexuelle per se zu Mitgliedern einer extremistischen Bewegung erklärt werden, kann es jederzeit auch andere Gruppen treffen. Wie das Apartheidsregime in Südafrika oder die Nürnberger „Rassengesetze“ in Nazi-Deutschland beraubt das Urteil des Obersten Gerichts Menschen ihrer Grundrechte, allein dafür, dass sie existieren. Ramsan Kadyrow behauptete nach zahlreichen Fällen von Folter und Morden an queeren Menschen, in Tschetschenien gebe es keine Schwulen. Jetzt tut das Oberste Gericht das Gleiche für ganz Russland.

    Wie im Fall des „Röhm-Putschs“ in Nazideutschland, hängt auch der gegenwärtige Verstoß gegen die Rechte von Millionen Menschen in Russland mit einem politischen Machtkampf zusammen: Putin droht keine Gefahr von innen, aber gerade vor den Wahlen braucht er „Geschlossenheit“ gegen die „westlichen Agenten“. Der Duma-Abgeordnete Andrej Guruljow schlug einmal vor, 20 Prozent der russischen Bevölkerung, die Putin nicht mögen, zu vernichten. Nun ist seine Idee gar nicht so weit weg von der Wirklichkeit. Sie fangen einfach mit LGBT an.

    Staatlich geförderte Hetze

    Kommen wir zu konkreten Auswirkungen. Was gerade passiert, kann auf zweierlei Weise interpretiert werden. In einem gemäßigten Szenario werden die LGBTQ-Gegner mit Beginn des neuen Jahres, wenn das Urteil des Obersten Gerichts in Kraft tritt, wie schon bei den anderen Kampagnen gegen „Extremismus“ vorgehen: mit Bußgeldern für Symbole, Strafverfahren gegen „Anstifter“ und „böse Gesetzesbrecher“. Das hieße: Wer nicht auffällt, überlebt. 

    Das Problem dieses gemäßigten Szenarios ist, dass queere Menschen eine enorm große „extremistische Organisation“ sind und die staatliche Hetzkampagne gegen sie in einer homophoben Gesellschaft betrieben wird. Das bedeutet, dass das Oberste Gericht – und natürlich auch Putin, es ist ja seine Kampagne – einen gigantischen Raum für Willkür eröffnen. Menschen werden denunziert, bedroht und erpresst werden. Das alles gab es in der Geschichte der Diskriminierung queerer Menschen schon sehr oft. Der Unterschied liegt bloß darin, dass der Hass und die Hetze nun staatlich gefördert werden und in einer Gesellschaft stattfinden, die vor nicht allzu langer Zeit relativ offen war.

    Es entsteht ein regelrechter Markt der Gewalt, der staatlich befördert wird

    Menschen, die sich nie mit der Geschichte des Kampfes von queeren Menschen für ihre Rechte befasst haben, verstehen oft nicht, wozu es Veranstaltungen wie den CSD gibt. Ihre wesentliche Funktion liegt darin, homosexuelle Menschen sichtbar zu machen, damit sie niemand damit erpressen kann „allen zu erzählen, was sie machen“. Ein offener Umgang mit sexueller Orientierung gibt in einer freien Gesellschaft Schutz gegen Gewalt und Erniedrigung.  

    Ich habe große Angst um die Menschen. Sie können wie in Tschetschenien zusammengeschlagen oder vergewaltigt werden, denn die Täter wissen, dass die Opfer die Straftat nicht anzeigen werden, um nicht auf die Liste der „Extremisten und Terroristen“ zu kommen. Es entsteht ein regelrechter Markt der Gewalt, der de facto staatlich befördert wird. 

    Tausende weitere Menschen werden aus Russland fliehen – Menschen, die bis zuletzt auf Veränderungen gehofft hatten und im Land geblieben waren.

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  • Shamans Kampf

    Shamans Kampf

    Entschlossen schreitet Jaroslaw Dronow in Lederstiefeln über den Roten Platz, auf der Brust prangt ein Holzkreuz, den linken Arm ziert eine Armbinde mit der russischen Trikolore. „Wahrheit und Stärke sind auf unserer Seite, stolz wird unsere Nation alles überleben“, singt der als Shaman bekannte Popstar dazu in seinem Lied My (dt. Wir). Neben der offenkundigen Nähe zur NS-Ästhetik sorgte in den Sozialen Netzwerken für Diskussionen, dass die Veröffentlichung des Songs ausgerechnet mit dem Geburtstag Adolf Hitlers zusammenfiel.

    Der 31-jährige Dronow hat die Gnessin-Musikhochschule in Moskau abgeschlossen und gilt als Shootingstar der patriotischen Popmusik in Russland. Seine Karriere erlebte einen steilen Aufschwung mit dem Song Wstanem (dt. Wir erheben uns). Das Lied ist Gefallenen im Großen Vaterländischen Krieg gewidmet, erschien einen Tag vor Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine und wurde oft darauf bezogen interpretiert – entsprechend der russischen Propaganda, die schon seit 2014 versucht, die russische Aggression gegen die unabhängige Ukraine in Bezug zum sowjetischen Kampf gegen Hitlerdeutschland zu setzen. 

    Shamans neuester Song heißt Moi boi, was sich mit „Mein Kampf“ (russ. Moja borba) übersetzen lässt und auch so in den deutschen Untertiteln auf YouTube angezeigt wird, wie Social-Media-User sogleich bemerkten. Der Politikanalyst Alexander Baunow hat sich den Clip dazu angeschaut und seine Gedanken zu den Propaganda-Mechanismen dahinter auf Facebook notiert. 

    Der Sänger Shaman Dronow hat einen neuen Clip aufgenommen – Mein („Kampf“ durchgestrichen) Gefecht –, bei dem der empfindsame Betrachter eine Träne vergießen soll, angesichts eines Sammelsuriums von Bildern unrasierter, schießender Männer in Tarnuniform und zerstörter Gebäude und Straßen. Und die Zuschauer tun das auch folgsam.

    Betroffenheit angesichts der Zerstörung – und Mitgefühl für die Verursacher

    Dass die zerstörten Gebäude und Straßen zu eben jenen Städten gehören, die von den Männern in Tarnuniform beschossen werden, und dass die tränenvergießenden Zuschauer sowohl mit dem einen wie mit dem anderen mitfühlen sollen, verstört diese nicht im Geringsten. Hauptsache, die Melodie ist anrührend, die Stimme mitreißend und unser Junge auf der Bühne hübsch. Und mit den „Helden“ mitzufühlen und sich den Anblick der Leiden zu Herzen zu nehmen, das ist für den Zuschauer erhebend: Es belegt, dass er ein guter Mensch ist, und dass auch die Sache, die ihm am Herzen liegt, gut und gerecht ist. 

    Die Bilder der Ruinen in dem Clip ließen sich durch Aufnahmen von der Kathedrale und dem Haus der Wissenschaftler in Odessa ergänzen [die Russland am Tag der Veröffentlichung des Posts mit Raketen beschossen hat – dek]. Letzteres war ein Anwesen der Grafen Tolstoi, und seine Räumlichkeiten haben als Kulisse gedient: Sie waren die Räume des Schlosses von Versailles in Die drei Musketiere, dem vom feinfühligen Zuschauer geliebten, guten alten sowjetischen Film. Man könnte den Clip mit einem offenen Ende versehen, das allmonatlich mit neuen Bildern von Ruinen bestückt wird. Das dürfte für den aufmerksamen Betrachter zu keinerlei kognitiven Dissonanzen führen, und es wird ihn auch nicht in eine geistige Sackgasse manövrieren. Schließlich wird hier alles vom Herzen entschieden.

    „Wir sind hier Helden wie auch Opfer“

    Bei der ästhetischen Verarbeitung dieses Krieges durch das Massenpublikum gibt es die Besonderheit, dass positive Bilder (etwa unrasierte Helden) sich mit der eigenen emotionalen Welt verbinden, einer positiven, guten Welt. Negative Bilder hingegen (zerstörte Gebäude etwa) gehören zu einer fremden Welt, einer Welt des Schlechten und Bösen. Was soll da unklar sein? Die Helden sind positiv, die Ruinen negativ. Wir fühlen mit den Guten mit, sind stolz auf sie. Und wir haben Mitgefühl mit den Opfern des Bösen, der Anblick der Trümmer schmerzt uns – alles logisch.

    Shaman gilt als Shootingstar der patriotischen Popmusik in Russland / Foto © Komsomolskaya Pravda/Russian Image/imago images
    Shaman gilt als Shootingstar der patriotischen Popmusik in Russland / Foto © Komsomolskaya Pravda/Russian Image/imago images

    Das funktioniert wie eines der [propagandistischen – dek] Erklärungsmuster, dessen Logik genauso aufgebaut ist wie in dem Clip: Wir Slawen haben unter einem Krieg zu leiden, der in unsere russischen, slawischen Lande ein weiteres Mal durch fremde, feindliche Mächte getragen wurde – durch die Amerikaner und Europäer. Wir sind hier sowohl Helden wie auch Opfer. Wir schießen, und wir beklagen die Zerstörungen, die bei uns allen ferne, fremdländische Feinde angerichtet haben. Die Kathedrale ist also durch diese zerstört worden, wird aber unweigerlich zur nächsten Strophe wiederauferstehen.

    Diese Übersetzung wurde gefördert durch:

     

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  • Prigoshins Aufstand gegen den Kreml: Was war das?

    Prigoshins Aufstand gegen den Kreml: Was war das?

    Am 24. Juni hat der Kreml die wohl schwersten 24 Stunden seiner jüngsten Geschichte erlebt. Plötzlich schien ein großes Blutbad vor Moskau oder gar ein Bürgerkrieg im Land möglich. Wagner-Chef Jewgeni Prigoshin hatte am frühen Morgen des 24. Juni das Militärhauptquartier in Rostow am Don unter Kontrolle gebracht, seine Miltärkolonne konnte im Laufe des Tages nahezu ungehindert mehrere hundert Kilometer Richtung Hauptstadt vorrücken. Putin sprach von Verrat und kündigte „unausweichliche Strafen“ für die Organisatoren und Beteiligten des bewaffneten Aufstandes an.

    Dem vorausgegangen war ein Konflikt zwischen der Wagner-Truppe und dem russischen Verteidigungsministerium, der sich seit Monaten zuspitzte. Während der Kämpfe um die ostukrainische Stadt Bachmut beschuldigte Prigoshin mehrfach öffentlichkeitswirksam Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimow und beklagte, dass sie den Wagner-Truppen absichtlich Munition vorenthalten würden. Am 10. Juni ordnete Schoigu an, dass alle „Freiwilligenverbände“ bis zum 1. Juli Verträge mit dem Verteidigungsministerium abschließen müssen, was Prigoshin – wohl um seine Söldner-Firma fürchtend – entschieden ablehnte. Am Abend des 23. Juni behauptete Prigoshin schließlich, die russische Armee habe Wagner-Camps im Hinterland beschossen. Dabei seien zahlreiche Kämpfer ums Leben gekommen. Für diese (unbestätigten) Vorfälle kündigt Prigoshin eine Antwort an.

    Der von ihm als „Marsch der Gerechtigkeit“ bezeichnete Marsch auf Moskau endet keine 24 Stunden später damit, dass Prigoshin seine Militärkolonne zurückzieht und in Rostow unter dem Jubel der Schaulustigen in einen SUV steigt, der ihn nach Belarus bringen soll. Er hat offiziell unter Vermittlung von Alexander Lukaschenko eine Einigung mit dem Kreml erzielen können, die ihm Straffreiheit und eine Ausreise gewährt.

    Nach diesen turbulenten Ereignissen fragen viele: Was war das eigentlich? Ein versuchter Putsch? Alles eine große Inszenierung (mit mehreren abgeschossenen Helikoptern, mindestens zehn Toten und einem massiven Imageschaden für Putins Machtvertikale)? Tatjana Stanowaja sieht darin eher einen Akt der Verzweiflung Prigoshins, dessen Flucht nach vorne womöglich eine Spur zu groß geraten ist. Die Politikwissenschaftlerin ist Senior Fellow beim Carnegie Russia Eurasia Center und hat 2018 das Analysezentrum R.Politik gegründet. dekoder hat ihre Einschätzung auf Twitter aus dem Englischen übersetzt.

    Unten nun eine kurze Beschreibung von Prigoshins Meuterei und den Faktoren, die ihren Ausgang mitbestimmten. Wir Beobachter haben zunächst wichtige Details verpasst – aufgrund einer mageren Informationslage und Zeitmangels für eine tiefgehende Analyse. Hier nun die Sichtweise, die derzeit am plausibelsten erscheint.

    Prigoshins Aufstand war kein Greifen nach Macht und kein Versuch, den Kreml zu übernehmen. Es war ein Akt der Verzweiflung – Prigoshin wurde aus der Ukraine gedrängt und war somit unfähig, Wagner so aufrechtzuerhalten wie vorher, während der Staatsapparat sich gleichzeitig gegen ihn stellte. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ignorierte Putin ihn und unterstützte öffentlich seine gefährlichsten Widersacher. 

    Prigoshins Ziel war es, Putins Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und eine Diskussion über die Bedingungen zu erzwingen, wie seine Aktivitäten aufrechterhalten werden könnten: eine klar definierte Rolle, Sicherheitsgarantien und Finanzierung. Das waren keine Forderungen, die auf einen Staatsstreich abzielten, es war Prigoshins verzweifelte Offerte, um sein Unternehmen zu retten, in der Hoffnung, dass seine Verdienste bei der Eroberung Bachmuts (dafür brauchte er sie!) berücksichtigt würden und seine Anliegen bei Putin ernsthafte Aufmerksamkeit erregen würden. Jetzt sieht es so aus, dass diese Verdienste Prigoshin halfen, mit dem Leben davonzukommen, aber ohne eine politische Zukunft in Russland (zumindest solange Putin an der Macht ist).

    Prigoshin wurde von Putins Reaktion überrascht und war nicht vorbereitet auf seine plötzliche Rolle als Revolutionär. Er hatte auch nicht damit gerechnet, dass Wagner Moskau erreichen würde; dort hätte seine einzige Option darin bestanden, den Kreml zu stürmen – eine Aktion, die zweifelsohne ihn und seine Kämpfer ausgelöscht hätte.

    Die Teile der [politischen] Elite, die dazu fähig waren, wandten sich an Prigoshin, doch zu kapitulieren. Das verstärkte wohl bei ihm das Gefühl des drohenden Untergangs. Ich denke jedoch nicht, dass es Verhandlungen auf oberster Ebene gab. Lukaschenko unterbreitete Prigoshin ein von Putin gebilligtes Rückzugsangebot unter der Bedingung, dass Prigoshin Russland verlässt und Wagner aufgelöst wird.

    Meines Erachtens war Prigoshin nicht in der Position, um Forderungen zu stellen (wie den Rücktritt von Shoigu oder Gerassimow – den viele Beobachter heute erwarten. Wenn das geschieht, ist der Grund dafür ein anderer.) Nach Putins Ansprache am Morgen des 24. Juni war Prigoshins vorrangiges Ziel, eine Möglichkeit zum Ausstieg zu finden. Die Situation hätte unausweichlich in den folgenden Stunden zu Toten geführt. Möglich ist, dass Putin Prigoshin Sicherheit versprach, unter der Bedingung, dass er ruhig in Belarus verweilt.

    Ich bleibe bei meiner Aussage, dass Putin und dem Staat ein schwerer Schlag versetzt wurde (der erhebliche Nachwirkungen auf das Regime haben wird). Doch ich möchte betonen, dass das Image für Putin immer zweitrangig war. Abgesehen von Äußerlichkeiten hat Putin das Wagner- und Prigoshin-Problem tatsächlich gelöst, indem er Ersteres aufgelöst und Letzteren verjagt hat. Die Situation wäre viel schlimmer gewesen, wenn sie in einem Blutbad an Moskaus Stadtrand geendet hätte. 

    Und: Nein, Putin braucht weder Wagner noch Prigoshin. Er kann es mit eigenen Kräften schaffen. Davon ist er nun mit Sicherheit überzeugt. Viele weitere Details werde ich morgen Abend [Montag] in meinem Bulletin veröffentlichen.

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  • Das russische Koordinatensystem

    Das russische Koordinatensystem

    Während russische Angriffe in der Ukraine täglich Menschen töten und das Land immer weiter zerstören, kreist die russische Perspektive auf den Krieg vor allem um sich selbst: Im Staatsfernsehen wird die Invasion in einer Täter-Opfer-Umkehr gerechtfertigt und als Selbstverteidigung Russlands gegen die NATO dargestellt. Oppositionelle, die den Krieg ablehnen, machen sich häufig nicht bewusst, dass mit dieser vermeintlich „persönlichen Haltung“ nicht alles gesagt ist: Der Status als Aggressor hat Russlands Ansehen und Position in der Welt nachhaltig verändert. Um die Auswirkungen des Kriegs jenseits der persönlichen Befindlichkeit zu erkennen, empfiehlt der russische Journalist Maxim Trudoljubow den Russen, sich und ihr Land von außen zu betrachten.

    Gehen wir mal aus uns heraus. Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, wird im russischen Diskurs häufig hermetisch betrachtet – aus dem Inneren des Russki Mir, der russischen Welt, heraus und mit Verweisen auf Eckpunkte aus der Geschichte Russlands. Die Menschen reden darüber, wie sich der Krieg auf ihr Leben auswirkt, streiten über seine Bedeutung für die russische Kultur, für die Emigrierten und die Verbliebenen, für die Zukunft – auf persönlicher und nationaler Ebene.

    Aber der von Russland entfachte Krieg ist nicht nur ein Kapitel der russischen Geschichte, sondern auch eines der ukrainischen, der europäischen und der Weltgeschichte. Den Großteil des Leids bekommt die Ukraine ab. Sollte jemand das moralische Recht haben, sich abzuschotten, dann sind es die Ukrainer. Für diejenigen Russen, die in Sicherheit sind und sich frei fühlen – ob ausgereist oder nicht – ist eine solche Konzentration auf sich selbst nicht angebracht. Dass die Propagandisten das machen, ist ja klar. Sie fokussieren auf das in ihren Augen „gute“ Nationale. Aber oft (nicht immer, natürlich) machen die freien Russen dasselbe, nur unter anderem Vorzeichen. Die einen wie die anderen irren umher im russischen Wald. Aus dem herauszukommen es längst an der Zeit ist.

    Irren umher im russischen Wald

    Russen, die wenigstens ein bisschen Sinn zum Reflektieren haben, sollten lernen, sich nicht nur durch das nationale oder imperiale Prisma zu betrachten. Ein anderer Blickwinkel auf sich selbst, der sich anbietet, ist der ukrainische.

    Es gibt eine große ukrainische Kultur, die jetzt eine Wiedergeburt erfährt. Man kann Serhij Zhadans Tagebuch lesen. Es gibt eine große Kultur, die vor dem Krieg entstand. Darüber diskutiert man in der Ukraine. Es gibt auch bereits Umfragen zur Beziehung von Ukrainern zu Russen und Russland.

    Betrachtet eure Äußerungen und öffentlichen Handlungen aus der Perspektive der Ukrainer. Sogar denen, die gegen den Krieg sind, kann das zu Demut verhelfen. Es bedeutet, sich selbst mit den Augen eines Menschen zu sehen, der täglich mit dem Tod konfrontiert ist – in den Nachrichten, in der Nachbarschaft, in der Familie. Stellt euch vor, wie das Dilemma „gehen oder bleiben“ für Ukrainer aussieht, und der russische Streit zwischen Ausgewanderten und im Land gebliebenen Russen verliert seine Wichtigkeit. 

    Betrachtet eure Äußerungen aus der Perspektive der Ukrainer

    Es gibt einen Blickwinkel, der die großen globalen Prozesse berücksichtigt – auf wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer oder auf Gender-Ebene. Keine Diktatur kann große Veränderungen aufhalten. Das Bemühen, wirklich zu verstehen, wo Russland in diesen Prozessen steht – was gebremst und was beschleunigt wird – hilft uns, unseren Blick im Endeffekt wieder auf uns selbst zu richten. Es ist wichtig zu erkennen, welche Folgen die Handlungen des russischen Staates und der russischen Gesellschaft (auch die Migration) auf andere Gesellschaften haben und wie sie dort wahrgenommen werden.

    Die russische Geschichte ergibt isoliert von anderen „Geschichten“, Zusammenhängen, Vergleichen keinen Sinn. Das gilt für die Geschichte jeder Nation. Doch gerade im Fall Russlands hat sich Selbstbezogenheit, die Illusion eines „nationalen Schicksals“ oder „Sonderwegs“ als unglaublich mächtiger Kulturfaktor erwiesen, der letztlich diesen Krieg vorbereitet hat.

    Die Selbstbezogenheit hat letztlich diesen Krieg vorbereitet

    Wenn man glaubt, dass alles auf der Welt wegen, für oder gegen Russland passiert – und das ist Putins Credo –, so kann das im Krieg gipfeln. Allein die Annahme, Russland sei das Zentrum der Welt und nicht nur einer von vielen Teilen im globalen Geschehen, fördert die Zustimmung zum Krieg und seine Akzeptanz. Gesellschaft und Staat sind von diesem Gift geschädigt. 

    Ein Koordinatensystem mit ausschließlich russischen Koordinaten, Autoren, Texten und historischen Daten gibt es nicht mehr. Wir dürfen keine Angst haben und sollten der Fratze, die Russland der Welt zugewandt hat, furchtlos ins Gesicht sehen. Das geht nur von außen – von innen ist sie nicht zu sehen. Und dann wird eine Diskussion zur Vielschichtigkeit der russischen Kultur sinnvoller – wenn es noch Wörter gibt.

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  • „Es gibt Gesetze, die niemand befolgen muss”

    „Es gibt Gesetze, die niemand befolgen muss”

    „Wenn ihr könnt, geht jetzt.“ Mit diesen Worten wandte sich der russische Bestsellerautor Dmitry Glukhovsky kürzlich an die Menschen in seiner Heimat. Anlass ist eine Gesetzesänderung, mit der noch leichter zum Krieg gegen die Ukraine eingezogen werden kann als bisher: Einberufungsbescheide können künftig elektronisch über das staatliche Serviceportal Gosuslugi zugestellt werden. Ferner dürfen Empfänger eines solchen Bescheides das Land nicht mehr verlassen. Das Gesetz wurde bereits in beiden Kammern des Parlaments angenommen. In Sozialen Medien wird befürchtet, dass dies als Vorbereitung einer neuen Mobilmachung diene. „Es ist ein Gesetz über das Recht des Staates, einen jeden per Mail zum Tode zu verurteilen – ohne Recht auf Einspruch oder Möglichkeit zur Flucht“, schreibt Glukhovsky weiter.

    Der Schriftsteller ist nicht nur für seine Metro-Romane bekannt, sondern auch für seine scharfe Kritik an den politischen Verhältnissen in Russland. Wegen seiner Äußerungen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde Glukhovsky am 21. März in Moskau angeklagt. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Am heutigen Donnerstag (13. April) wird die Verhandlung fortgesetzt. Gegen die Vorwürfe wehrte sich Glukhovsky in einem Brief an das Gericht, den er auch auf Facebook veröffentlichte.

    Update: Am 7. August 2023 wurde Glukhovsky in Abwesenheit zu acht Jahren Strafkolonie verurteilt

    „Seit Langem ist Russland nichts Zerstörerisches und Entmenschlichenderes passiert als der Krieg gegen die Ukraine“ / Foto © picture alliance / TT NYHETSBYRÅN | Henrik Montgomery/TT
    „Seit Langem ist Russland nichts Zerstörerisches und Entmenschlichenderes passiert als der Krieg gegen die Ukraine“ / Foto © picture alliance / TT NYHETSBYRÅN | Henrik Montgomery/TT

    Ich bin nicht in Russland, aber ich stehe in Russland vor Gericht. Gestern fand die erste Sitzung statt. 

    Angeklagt bin ich nach dem neuen Artikel 207 Absatz 3. De facto ist das ein Gesetz zur Kriegszensur, abgefeimt wie immer im Putin-Russland: Das „Gesetz über die Verbreitung wissentlicher Falschinformationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation“.
    Hier der Brief, den ich an das Basmanny-Gericht [in Moskau – dek] geschickt habe:

    „Wozu dienen Gesetze?

    Gesetze dienen dazu, die Schwachen vor den Übergriffen der Starken zu schützen und die Starken vor der Versuchung, sich an den Schwachen zu vergreifen. Gesetze dienen dazu, Verbrecher zu bestrafen und neue Verbrechen zu verhindern. Dazu, das Schlechte im Menschen auszumerzen und das Gute blühen zu lassen.

    Es gibt nichts, das wichtiger und kostbarer wäre als euer Leben. Dieses Leben gehört nur euch und sonst niemandem. Niemand hat das Recht, es euch wegzunehmen. Niemand hat das Recht, die Menschen, die ihr liebt, zu töten. Und niemand hat das Recht, euch zu befehlen, völlig unschuldige Menschen umzubringen.

    Wenn ein Gesetz erlassen wird, das von mir verlangt, unschuldige Menschen zu töten, dann ist es meine Pflicht, dieses Gesetz zu brechen. Wenn ein Gesetz erlassen wird, das von mir verlangt, das Töten unschuldiger Menschen zu vertuschen, ist es meine Pflicht, dieses Gesetz zu brechen. Wenn ein Gesetz erlassen wird, das verbietet, die Wahrheit darüber zu sagen, dass andere unschuldige Menschen töten – ein solches Gesetz sollte niemand befolgen.

    Wenn ein Gesetz von mir verlangt, das Töten unschuldiger Menschen zu vertuschen, ist es meine Pflicht, dieses Gesetz zu brechen

    Es spielt keine Rolle, ob die Mörder Soldaten unseres Landes sind. Es spielt keine Rolle, ob sie den Befehl ihrer Kommandanten oder ihres Oberbefehlshabers ausführen. Ein Soldat, der einen unschuldigen Menschen tötet, ist ein Verbrecher. Sogar schlimmer als ein gewöhnlicher Verbrecher, denn dahinter steht ein riesiger Gewaltapparat, dem das Opfer nichts entgegensetzen kann.

    Wozu braucht es einen Strafrechtsparagrafen über die ,Verbreitung wissentlicher Falschinformationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation‘? Er soll verbieten, die Wahrheit über die Morde und Gräuel zu sagen, die unsere Soldaten auf ukrainischen Boden begehen. Über Folter, Vergewaltigungen, illegale Hinrichtungen. Diese Folter und Vergewaltigungen sind dokumentiert. Die Leichen, deren Hände auf dem Rücken mit dem weißen Band gefesselt waren, die die russischen Soldaten ukrainischen Bürgern zu tragen befohlen, sind exhumiert. Es sind Fakten. Es ist bereits geschehen. Die Wahrheit lässt sich nicht verbieten. Man kann nur versuchen, sie zu vertuschen, um weiter ungestraft zu morden, foltern und vergewaltigen.

    Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen

    Seit Langem ist Russland nichts Zerstörerisches und Entmenschlichenderes passiert als der Krieg gegen die Ukraine. Mein Land hat ein anderes Land überfallen, das einst ein Bruderland war, ohne jeden Grund und Anlass. Es hat Panzer geschickt, um die ukrainische Hauptstadt einzunehmen. Es hat Flugzeuge geschickt, um ukrainische Städte zu bombardieren. Es hat unzählige Menschenleben vernichtet. Dutzende von Städten dem Erdboden gleichgemacht. Es hat entgegen jedem internationalen Recht ukrainische Gebiete annektiert und zu seinem Eigentum erklärt.

    Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen. Sein Grauen und seine Sinnlosigkeit sind zu offensichtlich. Aber die, die ihn entfesselt haben – Wladimir Putin und sein engstes Umfeld – können nicht zurück. Denn nach allen Gesetzen der Menschlichkeit sind sie echte Verbrecher und fürchten deswegen die Strafe für diese Verbrechen.

    Doch in Russland herrscht heute das Gesetz des Stärkeren. Mit Gewalt werden Menschen gebrochen, mit Gewalt wird das Gesetz gebeugt, um vor Gericht das Recht zu erpressen, die Schwachen weiterhin zu brechen und das Gesetz weiterhin nach Belieben zu beugen. Das ist der Grund, warum in Russland menschenfeindliche Gesetze erlassen werden.

    Die Wahrheit ist verboten

    Man verbietet, den Krieg Krieg zu nennen, und ordnet an, ihn stattdessen als ,militärische Spezialoperation‘ zu bezeichnen, um sich weder von den eigenen Bürgern noch vor allen anderen für die unzähligen ukrainischen Opfer und die sinnlos geopferten russischen Soldaten rechtfertigen zu müssen. Man stopft jedem den Mund, der es wagt, ein Wort darüber zu verlieren. Die es doch tun, sperrt man für zehn oder fünfzehn Jahre ins Gefängnis.

    Man verbietet, die Wahrheit als Wahrheit zu bezeichnen und die Lüge als Lüge. Man verankert diese Verkehrung im Gesetzestext, indem man erwiesene Fakten als ,wissentliche Falschinformation‘ bezeichnet. Man erlaubt Morde an Unschuldigen. Man befiehlt, sie zu vertuschen. Man schafft die Strafe für die Verbrecher ab. Und spornt sie an, neue Verbrechen zu begehen.

    Die Staatsmacht zwingt uns in kürzester Zeit den Glauben auf, dass das unvorstellbar Böse normal und wünschenswert ist. Sie zwingt uns, die Grundprinzipien der Moral zu vergessen, die uns unsere Eltern von Klein an beibringen. Sie gewöhnt uns an die Lüge und ans Morden.

    Der Zweck besteht darin, in der neuen Generation von Russen die Selbstachtung zu vernichten

    Das Verbot, die Wahrheit auszusprechen, und die Aufforderung, öffentlich Lügen zu verbreiten, hat einen Zweck. Der Zweck besteht darin, in der neuen Generation von Russen die Selbstachtung zu vernichten. Ihren menschlichen Kern zu brechen, sie zu zwingen, aus Angst vor einer ungerechten Strafe auf sich selbst zu spucken, eigenständig ihre moralischen Grundfesten mit Füßen zu treten – ihr natürliches Verständnis davon, was menschliches Gesetz ist.

    Seit Langem ist Russland nichts Zerstörerisches und Entmenschlichenderes passiert als der Krieg gegen die Ukraine. Weil es der russischen Macht nicht gelungen ist, die Ukrainer zu entmenschlichen, entmenschlicht sie die eigenen Staatsbürger. 

    Selbsterhaltungstrieb der Staatsmacht

    Auch wenn die Verwüstungen in der Ukraine mit bloßem Auge, ja sogar aus dem Weltraum, zu sehen sind, – so ist folgendes zu konstatieren: Die Zerstörung, die der russische Apparat aus reinem Selbsterhaltungstrieb in der Seele der Nation, in der DNA unserer Gesellschaft losgetreten hat, gefährdet, auch wenn noch unsichtbar, die Existenz Russlands.

    Um sich heute selbst zu erhalten, zerstört die russische Staatsmacht die wunderschöne, aufblühende Ukraine und sie zerstört Russland, meine Heimat. Ich kann es nicht verhindern, aber ich kann auch nicht schweigen.

    Ich bin überzeugt, dass ich die Wahrheit sage, wenn ich die Verbrechen der russischen Armee in der Ukraine klar benenne. Ich bin überzeugt, dass das Verteidigungsministerium und die oberste Führung der Russischen Föderation gelogen haben und lügen, um diesen grausamen, sinnlosen Krieg zu rechtfertigen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass sie es sind, die an Russland und seiner Zukunft Verbrechen begehen, und nicht ich.

    Es gibt Gesetze, die niemand befolgen muss. Und ich werde sie nicht befolgen.”


    Dmitry Glukhovsky lebt seit 2022 im Exil. Im Mai 2023 erscheint sein neuester Roman Outpost – Der Aufbruch in deutscher Übersetzung von den dekoder-Übersetzerinnen Jennie Seitz und Maria Rajer.

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