Platon Lebedew

Der vom Auftreten her eher unscheinbare aber höchst erfolgreiche Geschäftsmann begleitete seinen schillernden Kollegen Michail Chodorkowski durch den Boom des Erdölkonzerns YUKOS sowie durch die Strafprozesse gegen das Unternehmen. Zu Beginn der 2000er Jahre einer der reichsten Männer Russlands, war Lebedew von 2003 bis 2014 in einer Strafkolonie inhaftiert. Im Gegensatz zu Chodorkowski verfolgt er keinerlei politische Projekte.

Platon Leonidowitsch Lebedew wurde 1956 in Moskau geboren. Er absolvierte die renommierte Plechanow-Wirtschaftsakademie und erwarb dort im Jahr 1981 seinen Abschluss als Volkswirt. Im selben Jahr trat er in den Staatsdienst ein und begann für die Außenhandelsabteilung Zarubeschgeologija des Sowjetischen Ministeriums für Geologie zu arbeiten. Über eine Bekanntschaft mit dem Softwareingenieur Leonid Newzlin wechselte Lebedew 1998 zu einem der Zentren für wissenschaftlich-technische Jugendprojekte (NTTM), das Michail Chodorkowski im gleichen Jahr gegründet hatte.

Aus dem NTTM entstand die MENATEP-Bank, die 1990 als eine der ersten privaten Banken der Sowjetunion registriert wurde und deren Währungs- und Finanzabteilung Lebedew zwischen 1988 und 1992 vorstand. Die in den Jahren der Perestrojka geknüpften Verbindungen zu politischen Eliten bescherten der MENATEP-Bank eine hervorragende Position bei der Privatisierung von staatseigenen Unternehmen nach der Auflösung der Sowjetunion. Seit 1993 war Lebedew Vorstandschef der Bank, bis er im Jahr 1996 zum Ölunternehmen YUKOS wechselte, das MENATEP im November 1995 bei einer Privatisierungsauktion ersteigert hatte. Die 1997 gegründete MENATEP-Group stieg als Großaktionär bei YUKOS ein, Lebedew selbst hielt sieben Prozent der Anteile1 und wurde 1998 Vize-Vorstandsvorsitzender bei YUKOS.

Das Magazin Forbes schätzte Lebedews Vermögen im Jahr 2004 auf 1,8 Milliarden US-Dollar,2 er gehörte damit zur Klasse der russischen Superreichen. Anders als sein Kollege Chodorkowski, der mit 15 Milliarden US-Dollar zu dieser Zeit der reichste Mann Russlands war, fiel Lebedew jedoch nicht durch öffentlichkeitswirksame Auftritte oder politisches Engagement auf.

Im Kontext der YUKOS-Affäre geriet Lebedew noch vor Michail Chodorkowski juristisch unter Druck. Am 2. Juli 2003 wurde er im Krankenhaus festgenommen und einen Tag später mit einer juristisch zumindest zweifelhaften Begründung3 in Untersuchungshaft überstellt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete auf Betrug und Steuerhinterziehung bei der Privatisierung des Düngemittelherstellers Apatit im Jahr 1994.4 Im Mai 2005 wurden Chodorkowski und Lebdew wegen Steuerhinterziehung zu neun (nach Revision acht) Jahren Haft verurteilt. Die Justiz ließ Unternehmen mit ähnlicher Vorgeschichte unbehelligt und die Verteidigung beklagte mehrfach Verfahrensfehler.5 Die Mehrheit der Beobachter unterstellte folglich bei dem Prozess politische Ziele.6

Im Jahr 2010 wurden Chodorkowski und Lebedew erneut angeklagt: Von 1998 bis 2003 sollten sie als „organisierte kriminelle Gruppe“ 218 Millionen Tonnen Öl unterschlagen haben.7 Infolge des zweiten Prozesses stufte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Lebedew und Chodorkowski als politische Häftlinge ein.8 Nachdem Putin Chodorkowski im Winter 2013 überraschend begnadigt hatte, wurde auch Lebedew im Januar 2014 auf Beschluss des obersten Gerichts vorzeitig aus der Haft entlassen. Im Gegensatz zu Chodorkowski, der mit Unterstützung der Bundesregierung nach der Haftentlassung ins Schweizer Exil umzog, blieb Lebedew jedoch – kaum medial beachtet – in Russland und erklärte, weiterhin unternehmerisch tätig sein zu wollen.


1.Chodorkowski, Michail, Natalja Geworkjan (2012): Mein Weg: Ein politisches Bekenntnis. München
2.Usatoday.com: Forbes billionaire list
3.Luchterhandt, Otto (2005): Rechtsnihilismus in Aktion – Der Jukos-Chodorkowskij-Prozess in Moskau, S. 29ff. In: Osteuropa 55 (7), S.7–37
4.Für Näheres zu Vorwurf und Prozess siehe Luchterhandt, Otto (2005): Rechtsnihilismus in Aktion
5.Pleines, Heiko (2004): Die Jukos-Affäre eskaliert erneut. In: Russland-Analysen 2004 (34), S. 10–11
6.Pleines, Heiko (2005): Die Jukos-Affäre im Überblick. In: Russland-Analysen 2005 (54), S. 2–4
7.Lebedew wurde zu sechs weiteren Jahren Haft verurteilt. Nach Einschätzung des Professors für Ostrecht Otto Luchterhandt widerspricht das zweite Urteil dem ersten. Siehe Luchterhandt, Otto (2013) Interview mit der Landeszeitung Lüneburg auf Presseportal.de: Putin wird jedes Amtsjahr gefährlicher
8.Pressemeldung von Amnesty International, 31. Mai 2011: Russian businessmen declared prisoners of conscience after convictions are upheld

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