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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • „Am stärksten ist die Selbstzensur”

    „Am stärksten ist die Selbstzensur”

    Der Anschlag auf Tatjana Felgengauer vor rund einem Monat war ein Schock für die unabhängige russische Medienlandschaft. Ein Mann war in das Redaktionsgebäude eingedrungen und hatte die Moderatorin schwer verletzt. In einem nach der Tat veröffentlichten Video machte der Attentäter wirre Aussagen, er sprach auch von einer „telepathischen Verbindung“ zu Felgengauer.

    Tatjana Felgengauer ist Moderatorin und stellvertretende Chefredakteurin von Echo Moskwy. Mehrheitsaktionär des Sender ist die staatsnahe Gazprom-Media Holding, zu der etwa auch der TV-Sender NTW gehört. Dennoch gilt Echo als kremlkritisch. Nicht zuletzt deswegen gab es zahlreiche Stimmen, die nach dem Anschlag die öffentliche Hetze gegen kritische Journalisten für das Attentat mit verantwortlich machten: Etwa durch den Fernsehmoderator Wladimir Solowjow, der in einer Radiosendung gefordert hatte, kritischen Journalisten „das Maul zu stopfen”.

    Einen Monat nach dem Attentat spricht The New Times mit Alexej Wenediktow, Chefredakteur von Echo Moskwy, über das Attentat, die Sicherheit von Journalisten in Russland, Selbstzensur und politische Umbrüche.

    Alexej Wenediktow, Chefredakteur von Echo Moskwy / © Valerij Ledenev/flickr.com
    Alexej Wenediktow, Chefredakteur von Echo Moskwy / © Valerij Ledenev/flickr.com
    The New Times: Nach dem Angriff auf Tatjana Felgengauer wurde in Sozialen Netzwerken viel darüber geschrieben, dass der Hass, den die staatlichen Sender und Moderatoren wie Kisseljow und Solowjow schüren, solche Straftaten befördere…

    Alexej Wenediktow: Lassen Sie uns das Ganze aus dem keck-publizistischen in den dröge-juristischen Diskurs übertragen. Ich habe den Ermittlern meine Überlegungen bezüglich Anstiftung mitgeteilt. Anstiftung fällt unter Paragraph 33 Strafgesetzbuch, sprich, es ist eine Straftat. Nun ist es an den Ermittlern zu ermitteln – oder auch nicht, das hängt wohl davon ab, wie überzeugend ich war. Wir haben denen alle nötigen Unterlagen zur Verfügung gestellt, die aus unserer Sicht belegen, dass es sich um Anstiftung handelt.

    Es gibt einige sehr ernsthafte Fragen, zum Beispiel: Woher kannte dieser Mistkerl [Boris Griz, der Attentäter Tatjana Felgengauers – Anm. d. Red.] die genaue Uhrzeit, wann Tatjana das nahe beim Wachschutz liegende Büro verließ und wann sie dorthin ging [in das Büro, wo das Attentat stattfand – Anm. d. Red.]? Weder Zeit noch Ort waren typisch für Tatjana. Dennoch ist dieser Mensch genau drei Minuten nach Ende meines Meetings hier hochgekommen. Diese Frage ist nicht geklärt und die Ermittler gehen dem nach.

    Unser Beruf geht in diesem Land mit einem ernsthaften Risiko einher

    Die Sache ist also nicht so einfach – es war nicht einfach irgendein Verrückter, der irgendwo hinkommt und jemanden in den Hals sticht, nein. Wir verlassen uns darauf, dass der Ermittler für äußerst wichtige Angelegenheiten diesen Fall auch wie eine äußerst wichtige Angelegenheit behandelt – wenn ihn schon Bastrykin [Leiter des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation – Anm. d. Red.] höchstpersönlich damit beauftragt. Deswegen bleibt uns nur zu beobachten und abzuwarten. Ich möchte nochmals betonen, dass wir in jeder Hinsicht mit den Ermittlern kooperieren und dies auch weiterhin tun werden. Wir werden sehen, was letzten Endes in den Prozess Eingang findet.

    Vielleicht sollten die Journalisten geschlossen etwas unternehmen?

    Wir können nichts unternehmen, weil unser Beruf in diesem Land mit einem ernsthaften Risiko einhergeht. In den letzten 15 Jahren ist der Beruf des Journalisten in der Statistik der zivilen Berufsgruppen, was die Zahl der Toten und Verletzten betrifft, auf Rang zwei gerückt – gleich hinter den Bergarbeitern. Hinzukommt, dass Attentate auf Journalisten kaum aufgeklärt werden.

    Was passiert denn gerade? Ist es so etwas wie eine Systemkrise der Medien, die sich auch auf Russland auswirkt? Oder ist das eine spezifisch russische Situation?

    Selbstverständlich betrifft das nicht nur Russland. Dennoch ist, wie wir sehen, das Berufsrisiko in unserem Land wesentlich höher. Obwohl der Vorfall von Charlie Hebdo zeigt, dass unser Beruf in keinem Land geschützt ist. Denn ein Journalist rührt unweigerlich an Interessen von Machtstrukturen, wenn er Informationen oder investigative Recherchen veröffentlicht. Ganz egal, um welche Machtstrukturen es sich dabei handelt – ob Politik, Wirtschaft, Ballett oder Sport. Sind seine Informationen wahr, ist es umso gefährlicher. Denn hier gibt es nur eine Lösung: „Ihnen die verdammten Mäuler stopfen“, wie gewisse Personen beim staatlichen Radiosender gern sagen. Nun ja, jetzt hat sich einer gefunden – mit ’nem Messer in den Hals. Ganz einfach.

    Vielleicht sollten sich die Journalisten irgendwie selbst schützen?

    Das ist unmöglich. Wie hätte man Charlie Hebdo schützen können?

    Was ist zurzeit stärker, die Zensur oder der ökonomische Druck auf die Medien?

    Wissen Sie, ich denke, am stärksten ist die Selbstzensur. Denn die Bedrohung des eigenen Lebens, der Gesundheit, der Familie, die Angst, den Job zu verlieren – das alles zwingt Journalisten zur Selbstzensur.

    Vor allem nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der Sache mit der Krim ist bei uns die Luft geradezu vergiftet mit Hasstiraden. Es ist eine Atmosphäre, nicht des Krieges, denn einen Krieg gibt es scheinbar nicht, sondern einer Hysterie, die alle vergiftet – nicht nur diejenigen, die brüllen, sondern auch diejenigen, die sich dieses Gebrüll anhören.

    Ich denke, seriöse Journalisten sollten als Inhibitoren fungieren, sprich, diese Vergiftung eindämmen, indem sie die Situation analysieren, vernünftige Fragen stellen und die Situation von verschiedenen Standpunkten aus beleuchten. Das passiert kaum.

    Die Luft ist bei uns vergiftet mit Hasstiraden

    Wenn die Journalisten von Echo Moskwy früher einfach nur den schlichten Auftrag hatten zu informieren, aufzuklären und zu unterhalten, wie alle anderen Medien auch, so ist unser Auftrag nun, die Toxizität zu senken, die Vergiftung zu verzögern, denn auch auf uns wirkt dieses Gift. Wir existieren ja nicht im luftleeren Raum, laufen nicht mit Sauerstoffmasken durch die Gegend.

    Und natürlich ist es meine Aufgabe als Chefredakteur, die Journalisten an ihre berufliche Pflicht zu erinnern. Ich bin mir sicher, dass der Vorfall mit Tatjana viele Journalisten erschreckt hat, in unserer Redaktion und in anderen. Das ist eben jener Preis, den nicht jeder zu zahlen bereit ist – dafür, dass man das sagt, wozu man das Recht hat, wozu dir dein Beruf das Recht gibt und die Meinungsfreiheit.

    Deswegen denke ich, ist die Selbstzensur das größte Problem – zumindest für unseren Radiosender. Wir haben keine Zensur, keine ökonomischen Einschränkungen seitens unserer Aktionäre. Vor 17 Jahren hatte ich ein Gespräch mit unserem Aktionär, ich meine damals mit Gazprom. Wir haben damals ein Modell ausgearbeitet, demzufolge wir auch alles Negative über Gazprom senden, allerdings unter der Bedingung, dass wir uns zeitnah um Kommentare bemühen. Das ist die einzige Einschränkung, die aber inzwischen nicht mehr besonders relevant ist. Deswegen ist für mich die Selbstzensur das Wichtigste, wogegen ich hier kämpfe. Die gibt es, und gegen die kämpfe ich.

    Mich würde interessieren, wie das aussieht.

    Nun, ich kriege mit, wenn gewisse Nachrichten ausgelassen oder bestimmte Personen nicht eingeladen werden. In solchen Fällen bestelle ich den betreffenden Mitarbeiter zu mir und frage ostentativ: Erklären Sie mir, warum Sie diese Nachricht für unwichtig halten, obwohl sie mir ziemlich wichtig erscheint. Was ist das für ein Argument „Vielleicht sollten wir lieber nicht …“? Das passiert selten, aber es kommt vor. Und die, die damit nicht zurechtkommen, würden Echo verlassen müssen. Das sage ich ihnen ganz direkt. Aber bislang kommen alle damit zurecht. Jeder für sich. Das Wichtigste ist, mit sich selbst zurechtzukommen, seine Ängste zu überwinden, die eigenen Horrorszenarien loszuwerden. Angst darf hier kein Ratgeber sein.

    Angst darf kein Ratgeber sein

    Wie stehen Sie zu der Änderung des Mediengesetzes, den ausländischen Agenten? Wird es in Russland am Ende der Präsidentschaftswahlen überhaupt noch freie Medien geben?

    Streng genommen tangiert die Gesetzesänderung mit den ausländischen Agenten die russischen Medien überhaupt nicht, kein bisschen.

    Es ist aber so formuliert, dass es auf jeden angewendet werden kann.

    Nein, eigentlich nicht. Das Problem liegt woanders. Ich denke, das Agentengesetz ist eine Nebelkerze, um von einer ganz anderen Änderung abzulenken, über die bei derselben Abstimmung entschieden wurde. Eine Änderung, die der staatlichen Medienaufsichtsbehörde erlaubt, jede – wie es dort heißt – Organisation, die Informationen verbreitet, außergerichtlich zu schließen. Ich betone: außergerichtlich. Grob gesagt, kann es die Webseite vom Roten Kreuz sein oder die Site der bulgarischen Botschaft oder auch jeder Messenger … Das ist es, was gerade unter den Empörungsrufen zum Agentengesetz durchgewunken wurde.

    Passiert das alles nur, weil die Wahlen anstehen?

    Die Wahlen gehen vorbei, und wir alle wissen doch, wie sie in etwa ablaufen werden – unabhängig davon, wer zugelassen wird und wer nicht. Sehen Sie mal, die dritte – die formal dritte – Amtszeit von Präsident Putin war offenkundig reaktionär. Was kommt bei der vierten? Wie geht es weiter? In welche Richtung wird er sich bewegen? Doch wohl kaum in die liberale, vermutlich nicht einmal in die konservative. Vom Reaktionären gibt es nur zwei Wege: entweder zurück zum Konservativismus oder geradewegs in den Obskurantismus. So sieht’s nämlich aus.

    Für wie wahrscheinlich halten Sie militärische Umstürze in Russland?

    Von Umstürzen erfahren wir immer, wenn Menschen auf die Senatskaja Ploschtschad gehen oder wenn einer eine Tabakdose gegen die Schläfe kriegt oder wenn meinetwegen der 93-jährige Mugabe plötzlich erfährt, dass alle seine Mitstreiter gegen ihn sind. Aber man hat keinen Gradmesser, um die Wahrscheinlichkeit zu messen.

    Was mich betrifft, so bin ich der Meinung, dass Wladimir Putin im Augenblick trotz allem ein Garant für den Erhalt von Macht und Reichtum seiner Truppe ist, mehr noch: der ganzen Jelzin-Truppe. Deswegen sehe ich die Wahrscheinlichkeit für Umstürze als eher gering an. Aber vielleicht bin ich blind.

     

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    Debattenschau № 60: Medien als „ausländische Agenten“

  • Debattenschau № 60: Medien als „ausländische Agenten“

    Debattenschau № 60: Medien als „ausländische Agenten“

    Im Rekordtempo und einstimmig hat die Duma am 15. November 2017 eine Änderung im Mediengesetz verabschiedet: Demnach sollen Medien, die Geld aus dem Ausland erhalten, den Status eines ausländischen Agenten erhalten können. 
    Erklärt wurde der eilige Beschluss damit, dass man habe „symmetrisch“ reagieren müssen: Die USA hatten zuvor den russischen Auslandssender RT als ausländischen Agenten eingestuft. Betroffen sind Auslandssender wie die Deutsche Welle oder Voice of Amerika – aber nicht nur.
    Das eilig verabschiedete Gesetz – das der Präsident noch unterschreiben muss – ist jedoch so formuliert, dass nicht nur ausländische, sondern auch inländische Medien, die Geld aus dem Ausland erhalten, betroffen sein könnten.

    Ist das neue Gesetz auch Druckmittel gegen unabhängige, russische Medien? Wie weit wird die Meinungs- und Pressefreiheit dadurch eingeschränkt? Oder ist alles nur eine adäquate Antwort auf US-amerikanisches Vorgehen?
    dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte, die vor allem in den Sozialen Medien geführt wurde.

    Interfax: Im Informationskrieg

    Waleri Fadejew, Sekretär der Gesellschaftskammer, hält das neue Gesetz für unabdingbar, wie er der unabhängigen Nachrichtenagentur Interfax sagte:

    [bilingbox]Meine persönliche Einstellung, nicht als Sekretär der Gesellschaftskammer, sondern als Journalist: Wenn es keinen Informationskrieg (gegen Russland) geben würde, wäre er gar nicht notwendig, dieser Krieg, den nicht wir angezettelt haben. Dies ist eine notgedrungene Entscheidung, aber sie ist richtig.~~~Мое личное отношение, не как секретаря Общественной палаты, а как журналиста: если бы не было информационной войны (против России), это было бы не нужно, той войны, которую не мы развязали. Это решение вынужденное, но правильное.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Znak: Auge um Auge

    Das Portal Znak zitiert den bekannten Journalisten Oleg Kaschin, der sicher ist, dass das neue Gesetz nicht nur ausländische Medien bestraft:

    [bilingbox]Normalerweise gelingt es Russland nicht unbedingt, „Auge um Auge“ so wörtlich zu nehmen – egal ob übertriebene Gegensanktionen von Lebensmitteln oder etwas Real-Satire, wie „das Verbot der Einreise eines amerikanischen Generals, der sowieso nicht zu uns wollte“. Verschlechtert das die Gesamtsituation? Noch vor fünf Jahren wäre es schnurzpiepegal gewesen. 

    Erinnern wir uns, wie Putin ungefähr im Jahr 2000 Jelzins Erlass, Radio Svoboda vergünstigte Mieten zu geben, außer Kraft gesetzt hat – das hat doch überhaupt niemand mitbekommen. Svoboda hat damals keine große Rolle gespielt. Innerhalb der letzten drei Jahre sind sie, genau wie die russische BBC oder die Deutsche Welle tatsächlich zu wichtigen russischen Medien geworden, für die nicht unsere schlechtesten Journalisten arbeiten. Ihr Publikum ist stark angewachsen und investigative Aufhänger […] sind heute an der Tagesordnung. 
    In dieser Situation unterscheidet sich die Rolle der BBC nicht sonderlich von der von RBK. Das heißt die Einschränkungen für Ausländer werden zu Einschränkungen für Russen.~~~Обычно все-таки у России не получается так буквально брать око за око — либо чрезмерные «антисанкции» с едой, либо что-нибудь карикатурное типа «запрет на въезд американскому генералу, который к нам и так не собирался». Ухудшит ли это ситуацию? Лет пять назад было бы плевать. Можно вспомнить, как Путин чуть ли не в 2000 году отменил указ Ельцина о льготной аренде для радио «Свобода» — этого же вообще никто не заметил, «Свобода» тогда большой роли не играла. А в последние три года и она, и русская BBC, и DW фактически стали важными российскими СМИ, там работают многие наши не последние журналисты, очень выросла их аудитория, и информационные поводы, […] сейчас случаются регулярно. В этой ситуации роль ВВС не сильно отличается от роли РБК, то есть ограничение для иностранцев станет ограничением для русских […].[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Facebook: Die pure Dummheit – von allen Seiten

    Der Journalist Alexey Kovalev kritisiert auf Facebook auch die USA.

    [bilingbox]Klar, dass das Auftauchen von RT auf der amerikanischen Liste zu einer völlig unverhältnismäßigen Reaktion und zu weiteren Bomben auf Woronesh führt. Also zu einer Hetze gegen Echo Moskwy oder noch eher zur Hetze gegen eine kleine und regionale Website, deren stellvertretender Chefredakteur beispielsweise auf einem internationalen Forum der Deutschen Welle war. […] 
    Auch die amerikanische Reaktion ist absolut unverhältnismäßig. Und von der Flut von Lügen und der Hysterie zu diesem Thema im russischen Fernsehen werden einem die Ohren klingen. Pure Dummheit, von allen Seiten.~~~Понятно, что попадание RT в американский список вызовет совершенно неадекватную реакцию и очередную бомбёжку Воронежа, то есть травлю условного Эха, или даже скорее маленького регионального сайта, чей замглавред съездил на международный форум Дойче Велле, допустим. […] И американская реакция […] абсолютно неадекватна истинному масштабу, и от потоков вранья и истерики из российского телика по этому поводу тоже уши вянут. То есть какая-то тотальная глупость со всех сторон.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Meduza: Punktuelle Gegenmaßnahmen

    Das unabhängige Exilmedium Meduza hat den Vizesprecher der Duma Pjtor Tolstoj interviewt. Er war Leiter der Gruppe, die die Gesetzesänderung ausarbeitete. Im Interview versucht er die Kritik zu wiederlegen, es handele sich um einen Gummiparagraphen:

    [bilingbox]Was die Gesetzesänderung angeht, so gibt es eine Begrenzung: Als ausländischer Agent können ausländische Medien eingestuft werden – oder auch [Medien], die Geld aus dem Ausland erhalten. Wir als gesetzgebende Kraft geben der Exekutive die Möglichkeit, in Bezug auf einige Medien punktuell Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

    Das betrifft nicht alle, es ist nicht allgemeingültig, es ist kein direktwirkendes Gesetz, sondern ein Rahmen, innerhalb dessen das Justizministerium handeln kann.~~~Внутри поправок есть ограничитель: иностранным агентом может быть признано иностранное средство массовой информации — или [СМИ] получающее деньги из-за рубежа. Мы как законодатели даем возможность исполнительной власти принимать точечные — ответные — меры в отношении некоторых средств массовой информации. Это не касается всех, это не носит всеобщий характер, это не закон прямого действия, это рамка, внутри которой Минюст может действовать.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Echo Moskwy: Abschreckung als Standard

    Galina Timtschenko dagegen – sie ist ehemalige Chefredakteurin von Lenta.ru und inzwischen Geschäftsführerin vom Exilmedium Meduza – fürchtet im Radiosender Echo Moskwy weitreichende Konsequenzen:

    [bilingbox]Das Furchtbare daran ist, dass wir nichts vorhersagen können. Wir verstehen einfach nur sehr sehr gut, dass es eine willkürliche Rechtssprechung gibt. Wen man zum Feind erkoren hat, den bekämpft man bis aufs Blut. Wen nicht, nun, der kommt davon. Das ist Standard, dass mit Abschreckung gearbeitet wird.~~~Весь ужас в том, что мы не можем прогнозировать ничего. Мы просто прекрасно понимаем, что есть избирательное правоприменение. Кого назначат врагами, с тех и будут драть три шкуры. Кого не назначат — ну, пронесет. Это очень стандартная ситуация с запугиванием.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Kommersant FM: Schwierige Zeiten

    Auch Dimitri Drise, Politkommentator bei Kommersant FM, zeichnet ein düsteres Szenario für Medien, die den Status ausländischer Agent haben.

    [bilingbox]Durchaus verständlich, dass nicht jeder zu solchen Publikationen beitragen will [die den Status eines ausländischen Agenten haben – dek], Interviews geben, Nachrichten kommentieren oder der einen oder anderen Veranstaltung Raum geben – das riskiert nicht jeder. Denn man könnte ihn der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Agenten beschuldigen und solche Probleme braucht niemand. Besonders in unseren schwierigen Zeiten.

    […]

    Und was die Meinungsfreiheit in Russland betrifft – daran wird sich nichts ändern. Offiziell. Es wird zwar schon immer diskutiert: Gibt es bei uns diese Freiheit oder nicht. Nun – je schlechter das Verhältnis zum Westen, desto größer die Gefahr, dass sie kaum noch vorkommt.~~~Понятно, что сотрудничать с таким изданием — давать ему интервью, комментировать новости или допускать на те или иные мероприятия, например на освещение выборов, — рискнет не каждый. Ведь могут обвинить в сотрудничестве с иностранным агентом – проблемы никому не нужны. Тем более, в наше сложное время.

    […]

    А что касается свободы слова в России – здесь ничего не изменится. Официально. Собственно, всегда была дискуссионной тема, есть у нас эта свобода или нет. А так – чем хуже отношения с Западом, тем больше угроза, что прилетит по касательной.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Novaya Gazeta: US-Gesetz ist nur ein Vorwand

    In der renommierten unabhängigen Novaya Gazeta zieht Politikredakteur Kirill Martynow Parallelen zum Kalten Krieg:

    [bilingbox]Für ein Verbot ausländischer Medien im heutigen Russland hätte es gar keines speziellen Anlasses bedurft – besser gesagt, jeder Anlass hätte genügt. Sogar wenn die USA in Bezug auf RT nichts unternommen hätten – irgendjemand möchte ganz sicher wieder in unsere großartige Epoche zurück, in der Störsender und Stimmen um Einfluss auf die Geisteshaltung der Landleute wetteiferten.

    Bekanntermaßen haben die Stimmen einst haushoch gesiegt, und wie es scheint, wird jedes beliebige Verbot heutzutage den Einfluss ausländischer Berichterstattung auf Russland nur verstärken.~~~[…] возможно, для запрета иностранных СМИ в нынешней России и не требовался специальный повод — точнее, подошел бы любой. Даже если бы американцы ничего не предприняли в отношении RT, кому-то все равно очень хочется вернуться в нашу великую эпоху, где глушилки и «голоса» спорили в своем влиянии за умы соотечественников. Как известно, «голоса» тогда победили с разгромным счетом, и, кажется, любой нынешний запрет будет лишь усиливать влияние иностранного вещания на Россию.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Facebook: Bomben auf Woronesh

    Das Gesetz ist nur der Anfang, meint der Journalist Wassili Gatow und zeichnet auf Facebook ein düsteres Zukunftsbild für Medien in Russland.

    [bilingbox]Leider werden die Bomben auf Woronesh dieses Mal ein paar konkrete Menschen treffen (von denen viele meine Freunde sind), die für westliche Medien arbeiten. Ich bin fast hundertprozentig überzeugt, dass die Duma die Arbeit für „unerwünschte Organisationen“ (Medien eingeschlossen) zu einem strafrechtlichen Vergehen erklärt.

    Merkt euch diesen Post.~~~К сожалению, „бомбить воронеж“ в этот раз будут по конкретным, немногочисленным людям (многие из которых мои друзья), которые работают на западные СМИ. Я почти с 100% уверенностью могу сказать, что Дума сделает уголовным преступлением работу на „нежелательную организацию“ (и СМИ, к ним приравненные).

    Запомните этот пост.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    Facebook: Der ausländische Agent ist ein Prachtkerl

    Sergei Medvedev, eine der profiliertesten liberalen Stimmen des Landes, versucht den Begriff des Agenten zu einem Trotzwort zu machen, ihn positiv umzudeuten. Auf Facebook untermauert er seinen Anspruch mit Vorbildern.

    [bilingbox]Ich bin ein ausländischer Agent. Ich denke, dass es überhaupt keine Schande, ja, dass es sogar eine Ehre ist, im heutigen Russland ein ausländischer Agent zu sein. Es ist ein besonderes Qualitätsmerkmal einiger weniger unabhängiger, hochwertiger und freier Institutionen in einem unfreien Land: das Lewada-Zentrum, Memorial und jetzt, wie es scheint, auch die westlichen Medien in Russland.

    Historisch wurde seit jeher alles „originär Russische“ mittels aufholender Modernisierung oder imitativer Westernisierung von westlichen Agenten in unser Land gebracht – vom Wodka bis zur Matrjoschka, von der Kalaschnikow bis zu Kirkorows Liedern. Fürst Wladimir und Fürstin Olga waren ebenso ausländische Agenten, wie Zar Peter und Katharina die Große […]. Ausländische Agenten haben den Kreml und die Magnitka gebaut, Jewgeni Onegin und Ein Held unserer Zeit geschrieben. Der ausländische Agent ist ein Prachtkerl. Sei wie ein ausländischer Agent.~~~Я иностранный агент. Думаю, что совершенно не зазорно, а очень почетно называться в России сегодня иностранным агентом, это своеобразный знак качества на немногих неангажированных, качественных и свободных институциях в несвободной стране — Левада-Центр, Мемориал, теперь, видимо, западные СМИ в России. Исторически, все „исконно русское“ в нашу страну догоняющей модернизации и имитационной вестернизации, было принесено иностранными агентами, от водки до матрешки, от автомата Калашникова до песен Киркорова. Иностранными агентами были Князь Владимир и княгиня Ольга, Петр и Екатерина. Иностранные агенты построили Кремль и Магнитку, написали „Евгения Онегина“ и „Героя нашего времени“. Иностранный агент молодец. Будь, как иностранный агент.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2017

    dekoder-Redaktion

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  • Wladimir Solowjow

    Wladimir Solowjow

    „ … die wichtigste Aufgabe, für die wir auf dieser Erde existieren und für die allein wir leben können, ist der Kampf für die Gerechtigkeit, für das, was richtig ist. Und richtig ist, wenn du keinen bettelarmen Nachbarn hast, […] weil du ihm zu essen gegeben hast.“1 Dieser moralische Appell kommt von einem der bekanntesten und zugleich kontroversesten Fernsehmoderatoren Russlands: Wladimir Solowjow. In seinen Sendungen verurteilt der Entertainer immer wieder ausdrücklich die Korruption2, in einem seiner Bücher nennt er Russland gar ein Reich der Korruption.3 Dennoch bezeichnete er russische BürgerInnen, die dem Protest-Aufruf des Oppositionspolitikers Nawalny am 12. Juli 2017 in Moskau gefolgt waren, als „eine Menge von Assis“, „protzige Arschlöcher“ und „ewige zwei Prozent Scheiße“.4

    Durch seine Arbeit als Talkmaster beim staatlichen Fernsehsender Rossija-1 ist Solowjow es gewohnt zu provozieren, als Schiedsrichter aufzutreten und die journalistische Objektivität anderer, vorrangig westlicher Journalisten, anzuzweifeln.

    Bekannt für seinen durchdringenden Blick und seinen eigentümlichen Kleidungsstil – Moderator Wladimir Solowjow / Foto © kremlin.ru/wikimedia unter CC BY-SA 4.0
    Bekannt für seinen durchdringenden Blick und seinen eigentümlichen Kleidungsstil – Moderator Wladimir Solowjow / Foto © kremlin.ru/wikimedia unter CC BY-SA 4.0

    Zunächst wies nichts auf eine journalistische Karriere Solowjows hin: 1963 in Moskau geboren, wollte Wladimir Solowjow zuerst an der Moskauer Ingenieur- und Physikhochschule studieren, wo er nach eigenen Angaben aufgrund seiner jüdischen Abstammung nicht aufgenommen wurde.5 Schließlich absolvierte er sein Studium zum Hütteningenieur am Moskauer Institut für Stahl und Legierungen mit Auszeichnung. Im Anschluss daran promovierte er am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen an der sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.

    Anfang der 1990er Jahre zog er in die USA und unterrichtete ein Semester lang Ökonomie an der Universität in Alabama. Dort engagierte er sich auch politisch, indem er Geld und Unterschriften für George Bush senior sammelte.6 Nach seinem zweijährigen Aufenthalt in den USA kehrte er nach Russland zurück, wurde als Unternehmer tätig und betrieb beispielsweise eine Firma, die Lichttechnik für Diskotheken herstellte.7

    Vom Unternehmer zum TV-Moderator

    Seine Medienkarriere begann Solowjow – mittlerweile Vater von acht Kindern – 1997, und zwar beim Radio. Von Beginn an spezialisierte er sich vor allem auf Interviews sowie auf politische Talkshows. So moderierte er bereits ab 1999 zusammen mit Alexander Gordon die Talkshow Prozess auf ORT. Gleichzeitig war er Moderator der Sendung Strasti po Solowjowu (dt. Die Solowjow-Passion) auf TNT, in der er Politiker und Kulturschaffende interviewte. 
    Es folgten weitere Talkshows auf den Sendern TV-6 und NTW. Für seine Interviews, unter anderem mit George W. Bush, wurde er 2005 mit dem wichtigsten russischen TV-Preis TEFI als bester Interviewer ausgezeichnet. Für seine Sendungen jedoch erntete Solowjow teilweise Kritik, da darin immer wieder dieselben Personen auftraten.

    Auch er selbst war nicht unumstritten. Im Winter 2008/2009 schadeten Werbekampagnen seinem Image: Unter anderem warb er im Internet für die „Kabbalaschule von Wladimir Solowjow“ und für „Magenballons“, mithilfe derer er abgenommen haben soll.8

    2017 geriet Solowjow, nachdem er die Demonstrierenden am 12. Juni 2017 unter anderem als „Kinder von Korrumpierten“ bezeichnet hatte, selbst in einen Korruptionsskandal: Ihm wurde vorgeworfen, Aufträge über einige hundert Millionen Rubel von der Sberbank für „Beratertätigkeiten“ angenommen zu haben. Diese sollen nicht dokumentiert und mutmaßlich mit Hilfe des Ehemanns seiner Tochter beschlossen worden sein.9 Zudem wurde ihm seine Leidenschaft für Immobilien zum Verhängnis: Er besitzt mehrere Häuser und Wohnungen im Wert von über 40 Millionen Dollar – was angesichts seiner relativ niedrigen Einkünfte als ein Hinweis auf Korruption gedeutet wurde.10

    Talkmaster und Manipulator

    Seit 2010 moderiert Solowjow die Sendung Polni kontakt (dt. Vollkontakt) beim Radiosender Vesti-FM und arbeitet beim staatlichen Fernsehsender Rossija-1. Als Moderator einiger Sendungen, vor allem der quotenstarken Talkshow (Woskresni) Wetscher s Wladimirom Solowjowym (dt. (Sonntag-)Abend mit Wladimir Solowjow) ist er im russischen Fernsehen sehr präsent.

    In seinen Sendungen agiert er wie ein Schiedsrichter und betont gerne, dass er selbst bestimmt, worüber die Gäste reden. Diese Rolle spiegelt sich auch in den Namen seiner Sendungen wider: Neben Vollkontakt moderiert er seit 2002 die politische Talkshow Pojedinok (dt. Duell) – ein Fernsehduell nach dem Beispiel von Wahlkampfdebatten.11

    Solowjow hat einen eigentümlichen Kleidungsstil: Meistens trägt er ein schwarzes oder sehr dunkles Hemd oder einen sogenannten Frentsch, bis zum Hals zugeknöpft, und weite schwarze Hosen. Seine schwarz-grauen Haare sind stets kurz geschoren, und sein durchdringender Blick in die Kamera wird von vielen als streng und bedeutungsschwer empfunden.

    In seinen Talkshows, in denen der Fokus auf den aktuellsten Themen der vergangenen Woche liegt, zeigen sich die Eloquenz, die Ironie und der Zynismus des Moderators. Solowjow versteht es, die jeweiligen KontrahentInnen in seinen Sendungen zu provozieren, mit Hilfe von Wortspielen liberal gesinnte Teilnehmer geschickt zu diffamieren, und er liebt es zu polarisieren.12 In seinen Büchern und Sendungen tritt er als Vertreter traditionell-konservativer und patriotischer Werte auf.13 Wenn nötig, legt er seinen Gästen auch Sätze in den Mund, die sie gar nicht gesagt haben und manipuliert damit gekonnt das Bewusstsein des Publikums.14

    Solowjows Feindbilder

    Zielscheibe in seinen Sendungen sind die Liberalen und der Westen. Darüber hinaus werden in seinem Buch Wragi Rossii (dt. Feinde Russlands), das 2011 erschien, weitere Feindbilder deutlich: Oppositionspolitiker wie der ermordete Boris Nemzow, Eduard Limonow oder Garri Kasparow stehen in einer Reihe mit Oligarchen, korrupten Beamten, Nationalisten und Pädophilen.15

    Solowjow ist einer der Journalisten, die die Politik des Kreml stets unterstützen. So erhielt er bereits einige Auszeichnungen, unter anderem 2014 den Alexander-NewskiOrden für „hohe Professionalität und Objektivität in der Berichterstattung über die Republik Krim“.16
    Auch seine Einstellung zum Ukraine-Krieg stimmt mit dem offiziellen Tenor überein. Er vertritt die Meinung, dass „in Noworossija Antifaschisten gegen Faschisten kämpfen“.17 Wegen dieser Haltung steht er seit 2014 auf der Sanktionsliste der Ukraine.

    Höhepunkt in der Karriere von Wladimir Solowjow waren zwei Exklusiv-Interviews mit dem russischen Präsidenten, die er 2015 führte. Eines davon wurde Teil des propagandistischen Dokumentarfilms Präsident.18 In diesem Film behauptet Solowjow zweieinhalb Stunden lang mit donnerndem Pathos, dass Russland unter Putins langjähriger Präsidentschaft wieder zu einer Großmacht geworden sei.

    Multitalent und Verwandlungskünstler

    Gelegentlich tritt Solowjow auch als Film- und Theaterschauspieler sowie als Sänger auf – er gab bereits zwei Soloalben heraus.19 Außerdem ist er Autor mehrerer Bücher zu gesellschaftlichen und politischen Themen, wie beispielsweise dem 2009 erschienenen Buch My – Russkije! S nami Bog! (dt. Wir sind Russen! Gott ist mit uns!). Neben seinen künstlerischen Aktivitäten ist Solowjow auch sportlich umtriebig: Er spielt in der Fußballmannschaft der russischen Regierung, hat den schwarzen Gürtel in Karate und interessiert sich für Bodybuilding und Autos.20

    Mittlerweile zählt Solowjow neben Dimitri Kisseljow zu den effektivsten und einflussreichsten Akteuren der russischen Medienwelt. Dabei wird er sehr kontrovers beurteilt: Einerseits tut er sich durch scharfe Polarisierungen und Provokationen hervor, er diffamiert öffentlich gerne sogenannte „Feinde“. Andererseits appelliert er oft an die Gerechtigkeit und das Gewissen und traut sich, auch dem Präsidenten unbequeme Fragen zu stellen.21 Zudem gibt er sich zwar antinationalistisch, bezeichnet sich aber zugleich als „russischen Patrioten“. Wegen dieser Anpassungsfähigkeit und Vielseitigkeit sprechen viele von Solowjow als einem „Chamäleon“.22


    1. Vsoloviev.ru: My russkie! S nami Bog ↩︎
    2. vgl. Vsoloviev.ru: Kniga: Imperija korrupcii ↩︎
    3. Solov’ev, Vladimir (2012): Imperija korrupcii: Territorija russkoj nacional’noj igry, Moskau ↩︎
    4. Radiovesti.ru: Bunt mažoro ↩︎
    5. Lenta.ru: Solov’ev, Vladimir ↩︎
    6. Ebenda ↩︎
    7. vgl. 24smi.org: Vladimir Solov’ev ↩︎
    8. vgl. Lenta.ru: Solov’ev, Vladimir ↩︎
    9. vgl. Noodleremover.news: Veduščij Vladimir Solov’ev, reklamno-kollektorskoe agentstvo Sberbanka ↩︎
    10. Moscow-post.ru: O sravnitel’no čestnych sposobach zarabatyvanija deneg V. Solov’evym ↩︎
    11. In den ersten zwei Jahren lief die Show auf TVS, 2003 bis 2009 wurde sie unter dem Namen K bareru! (dt. Zur Barriere! – eine Anspielung auf die Barriere beim Schießen) auf NTW ausgestrahlt. Seit 2010 läuft die Talkshow wieder unter dem Titel Poedinok (dt. Duell) auf Rossija-1. ↩︎
    12. So charakterisierte Solov’ev beispielsweise am Ende der Sendung Poedinok vom 04.04.2014 die Kluft zwischen den westlichen und russischen Werten folgendermaßen: „Im Westen sind die Werte oftmals Geilheit und Lust, und in Russland sind die Werte die Abstammung und der Staat.“ ↩︎
    13. vgl. Vsoloviev.ru: Istorija v real´nom vremeni ↩︎
    14. vgl. Čerepova (2015): Rol´ televisionnych političeskich tok-šou v propagande novoj rossijskoj ideologii, in: Žurnalistskij ežegodnik, S. 56 ↩︎
    15. Krupaspb.ru: Tjomnye sily nas zlobno gnetut … ↩︎
    16. vgl. Vedomosti.ru: Za vzjatie Kryma ↩︎
    17. vgl. Argumenty i fakty: Logika zverja ↩︎
    18. vgl. Radiovesti.ru: Interv’ju s Prezidentom – Olimpiada dlja žurnalista ↩︎
    19. Solov’inye treli (dt. Nachtigallenschlager, eine Anspielung auf seinen Nachnamen Solov’jev, abgeleitet von Nachtigall) und Volšebnik (dt. Der Zauberer) ↩︎
    20. Jourdoum.ru: On Chameleon ↩︎
    21. vgl. Youtube: Solov’ev zadal neudobnyj vopros Putinu ↩︎
    22. vgl. zum Beispiel Youtube: On chameleon ↩︎

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  • Stone: The Putin Interviews

    Stone: The Putin Interviews

    Zwölf Mal haben sie sich getroffen, zwischen Juli 2015 und Februar 2017: Der russische Präsident Wladimir Putin und der US-amerikanische Kinoregisseur Oliver Stone. Nun wurden The Putin Interviews Mitte des Monats im russischen Staatsfernsehen gezeigt. Auch international war das Stone-Interview zu sehen, so im US-Fernsehen und für das deutschsprachige Publikum auch auf einzelnen Sparten des Bezahlsenders Sky

    Anschließend sorgte im russischen Web eine kurze Filmszene für Häme, in der Kreml-Pressesprecher Dimitri Peskow in unbequemer Haltung mit Mikrofon-Angel über der Schulter zu sehen war. Außerdem entfachte das Bildmaterial einiger Blogger Diskussionen: Ein Video, das Putin dem Regisseur auf dem Smartphone zeigte, dokumentiere nicht, wie behauptet, den russischen Kampf gegen Terroristen in Syrien, sondern US-Soldaten im Einsatz gegen Taliban in Afghanistan.

    Alexej Kowaljow, der den Medienblog Lapschesnimalotschnaja betreibt, hat sich die vier Stunden Putin-Interview für The New Times angesehen. 

    „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – Oliver Stone und Wladimir Putin / Foto © Screenshot aus dem Film „The Putin Interviews“
    „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – Oliver Stone und Wladimir Putin / Foto © Screenshot aus dem Film „The Putin Interviews“

    Putin und der Kreml haben ein ziemlich gravierendes Imageproblem. So absurd es auch klingen mag: Trotz eines nahezu unerschöpflichen Budgets und der vollen Kontrolle über alle Medien im Land fehlt es an Leuten, die Wladimir Putin loben.

    Selbstverständlich gibt es eine ganze Armee von Leuten, die nichts anderes tun. Aber wenn Putin wieder einmal von einem Experten oder Moderator gelobt wird, der sein Gehalt von Putin bezieht, noch dazu auf einem Sender, der ebenfalls Putin gehört, wirkt das sogar für den leidenschaftlichsten Anhänger wenig überzeugend.

    Deswegen ist der neue Film von Oliver Stone The Putin Interviews ein ungeheures Glück für hunderte von Menschen in den Büros der Agitprop-Kommandozentralen: Vier Stunden liebedienerische Propaganda, die auch noch vollkommen aufrichtig gemeint ist und das Budget gerade mal mit ein paar läppischen Millionen für die Verleihrechte belastet. Ein besseres Geschenk kann es für die Wahlkampagne gar nicht geben.

    So absurd es auch klingen mag: Im Land fehlt es an Leuten, die Wladimir Putin loben

    Kein Zweifel: Oliver Stones Film und nicht der alljährliche Direkte Draht mit Wladimir Putin hat den offiziell noch nicht eröffneten Wahlkampf eingeläutet. Es genügt ein Blick darauf, wie viel Aufmerksamkeit und Sendezeit diesem Film schon jetzt durch die russischen Staatsmedien zukommt. Wochenlang waren Hunderte von Mitarbeitern in Dutzenden von Redaktionen damit beschäftigt, aus buchstäblich jeder Sekunde des vierstündigen Films (vier Folgen à 60 Minuten) eine Schlagzeile zu machen. 

    Diese Propagandakampagne führt zu bemerkenswerten Szenen der Selbstentblößung. Die Schlagzeile „Putin erklärte, dass der Staat in Russland die Medien nicht kontrolliere“ erschien beispielsweise auf der Seite des staatlichen Medienunternehmens Rossija Sewodnja (dt. Russland heute), der ehemaligen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, die durch einen Erlass Putins aufgelöst worden war.

    Oliver Stones Film hat den offiziell noch nicht eröffneten Wahlkampf eingeläutet

    Doch eine noch krassere Diagnose verdient der Macher von The Putin Interviews Oliver Stone. Der dreifache Oscarpreisträger und Regisseur steht politisch jenen Linken nahe, die man für gewöhnlich als „tankies“ beschimpft. Ein historischer Begriff, mit dem ursprünglich Mitglieder der britischen Kommunistischen Partei verspottet wurden, die 1956 den Einmarsch sowjetischer Truppen in Ungarn unterstützt hatten. Seitdem bezeichnet er Menschen, die autoritären Regimes anhängen, seien sie noch so blutig, solange sie nur antiwestlich oder antiimperial und so weiter sind.

    Ein Tankie kann also jeder Linke sein, der die Freiheiten und Privilegien im Westen genießt, wo er auch lebt, gleichzeitig aber als leidenschaftlicher Anhänger und Verteidiger irgendeines Saddam Hussein auftritt. Ganz nach dem Prinzip: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Diese Ideologie geht meist einher mit Verschwörungstheorien, Antisemitismus (Tankies vertreten fast immer radikal antiisraelische Positionen) und einem moralischen Relativismus im Sinne von: Egal was diese Regime tun, Amerika/der Westen ist schlimmer.

    Stone ist einer von ihnen. Hinter ihm liegt ein langer und konsequenter Weg zu The Putin Interviews. Kennedy wurde nicht von Lee Harvey Oswald ermordet, sondern fiel einer Verschwörung des CIA mit dem militärisch-industriellen Komplex der USA zum Opfer. Davon handelt JFK, einer der bekanntesten von Stones Filmen. Die jüdische Verschwörung in den Medien – darum ging es kürzlich bei einem Fernsehauftritt von Stone. Stones gesamte Filmkarriere der letzten zehn Jahre (Mein Freund Hugo, Ukraine on Fire) ist eine leidenschaftliche, aufrichtige und unkritische Apologie höchst zweifelhafter Regime.

    Stones gesamte Filmkarriere der letzten zehn Jahre ist eine Apologie höchst zweifelhafter Regime

    Deswegen ist The Putin Interviews auch keine Auftragsarbeit des Kreml, sondern ein folgerichtiger Ausdruck der politischen und künstlerischen Haltung eines Regisseurs, der zweifellos als einer der begabtesten und bekanntesten unter seinen amerikanischen Kollegen gelten kann. Und diese Haltung lässt den Hauptprotagonisten des Films, Wladimir Putin, sogar moderater und vernünftiger wirken als seinen Interviewer. Interviewer ist in der Tat zu viel gesagt. Als journalistische Gattung setzt das Interview gewisse Standards voraus, an die sich zu halten Stone erst gar nicht versucht.

    Tatsache ist, dass Oliver Stone den gesamten Film über nicht mit Putin spricht, sondern mit sich selbst. Stone hält ausschweifende Monologe wie: „Sie klingen so, als sei die Wall Street ihr Freund, dabei frage ich mich, ob die Wall Street Russland nicht vernichten möchte?“ Oder: „Viele gebildete Menschen sind der Meinung, das Ziel der USA sei, die russische Wirtschaft zu zerstören.“ Oder: „Gab es in der amerikanischen Geschichte denn je eine Zeit, in der Russland den USA nicht als Feind präsentiert wurde?“

    Wladimir Putin wirkt moderater und vernünftiger als sein Interviewer

    Willst du Putin dazu bringen, deine antiwestlichen Kampfreden zu korrigieren, braucht es dafür wirklich ein oscarwürdiges Talent. Putin war beispielsweise gezwungen zu erklären, dass es keinerlei formale Verpflichtung gebe, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Selbst wenn Stone Putin nicht mit seinem selbst für Putin allzu radikalen Antiamerikanismus irritierte, warf er ihm bestenfalls sogenannte Softbälle zu – unverfängliche und bequeme Fragen, die den Interviewpartner keinesfalls in eine Sackgasse führen. Wenn Sie wissen möchten, was eine Softball-Frage ist, sehen Sie sich ein beliebiges Interview mit Putin im Staatsfernsehen an. Sogar die angesehensten Moderatoren der staatlichen Sender werden nicht gebraucht, um Fragen zu stellen, sondern dienen zur Dekoration für Putins Monologe.

    Aber natürlich ist Stone viel talentierter als die meisten russischen Fernsehmacher. Außerdem würde niemand einem Kameramann von Vesti je erlauben, Putin aus einem Winkel zu filmen, bei dem seine Glatze oder sein Bäuchlein zu sehen sind, geschweige denn seine Finger, die nervös die Armlehne kneten. Deswegen wirkt Putin hier auch viel lebendiger, als der Cyborg aus dem russischen Fernsehen. Genau dafür wurde Stone in englischsprachigen Kritiken übrigens gelobt – die Authentizität des Streifens.

    Putin wirkt hier viel lebendiger als der Cyborg aus dem russischen Fernsehen

    Und natürlich würden dem Ersten Kanal bei der Montage niemals solche Fauxpas unterlaufen, die passiert sind, weil Stone tatsächlich rein gar nichts über Russland weiß, nicht mal auf Wikipedia-Niveau: Als sie auf das Thema internationaler Terrorismus kommen, liefert Stone Putin abermals eine enthusiastische Vorlage, woraufhin Putin erzählt, die CIA habe tschetschenische Kämpfer finanziert. Gleichzeitig laufen im Hintergrund Bilder vom Nord-Ost und aus Beslan ab. Offenbar hat niemand Oliver Stone erklärt, dass bei mindestens einem dieser tragischen Ereignisse der russischen Geschichte am Tod der meisten Geiseln nicht die Terroristen schuld sind. Völlig unabhängig davon, wer sie finanziert.

    Tatsache ist, Putin und Russland nehmen im Weltbild eines Oliver Stone und anderer anti-westlicher Linker eine untergeordnete Position ein, sie sind quasi Dekoration für ihren Hass gegen das Establishment der USA. Deswegen braucht Stone Putins Antworten auch gar nicht unbedingt, meistens ist die Antwort schon in der Frage enthalten.

    Letzten Endes ist aus einem epischen vierstündigen Streifen über den widersprüchlichsten, mächtigsten, weisesten und erfahrensten Politiker, der völlig zu Unrecht vom Westen verleumdet wird – so hatte sich der Macher das gedacht – eine selbstentblößende Autobiografie zweier in die Jahre gekommener verwirrter Menschen geworden. Beide haben sich hoffnungslos in einem Netz aus längst veralteten und widersprüchlichen ideologischen Dogmen verheddert.

    Oliver Stone wettert mit so viel Feuer gegen die ‚Hegemonie Amerikas‘, dass Putin sich genötigt sieht, ihn zu bremsen

    Oliver Stone wettert mit so viel Feuer gegen die „Hegemonie Amerikas“ (die auf jeden Fall alles andere als frei von Sünde ist), dass Putin sich genötigt sieht, ihn zu bremsen. Putin gibt solche Interviews schon seit 18 Jahren, sein Panzer ist kugelsicher.

    Alle Versuche von Reportern, seien sie noch so forsch und frech, ihn mit irgendeiner Frage zu kriegen, scheitern und enden mit Anfall von Untertänigkeit in den russischen Medien, nach dem Motto: „Da hat Putin es dem West-Journalisten aber gezeigt.“ Er vermag es, auf die direkteste Frage mit einer offenkundigen Lüge zu antworten, sodass seinem Gegner nichts anderes übrigbleibt, als mit offenem Mund dazusitzen.

    Denn Putin hat nichts zu befürchten. Es gibt niemanden, der „es ihm zeigen“ könnte. Seine Chancen bei der Wahl hängen nicht davon ab, ob er die Wahrheit sagt oder lügt. Wahrscheinlich weiß er sogar intuitiv um das ulkige Brandolini-Gesetz: Das Widerlegen von Unsinn erfordert erheblich mehr Energie als die Erfindung. Als Putin dann ganz unumwunden behauptet: „In Russland mischt sich der Staat nicht in die Arbeit der Medien ein“, sieht man, dass er wohl schon selbst daran glaubt. Und das ist der mit Abstand unheimlichste Moment des gesamten Films.

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  • Dimitri Kisseljow

    Dimitri Kisseljow

    Der Journalist Dimitri Kisseljow spielt im gelenkten russischen Staatsjournalismus eine zentrale Rolle. 2008 wurde er Vizedirektor der staatlichen Medienholding WGTRK. Seit 2014 leitet er die staatliche Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja.

    Nach seinem Studium der Skandinavistik an der Universität Leningrad begann Dimitri Kisseljow (geb. 1954) seine journalistische Karriere beim sowjetischen Staatsfernsehen. In den 1990er Jahren galt er als Sprachrohr der liberalen Post-Perestroika-Bewegung und moderierte die populäre Talkshow Tschas Pik (Rushhour). Wie viele andere enttäuschte Liberale auch, wandte er sich nach den wilden 1990ern zunehmend von der Vorstellung eines demokratischen Russlands ab. Inzwischen vertritt er eine konservative, orthodoxe und autokratische Ideologie.

    Seine patriotische Weltanschauung trägt Kisseljow vor allem über den Sender Rossija 1 ins Volk, wo er seit 2012 den sonntäglichen Nachrichtenrückblick Westi nedeli moderiert. Dort verkörpert Kisseljow die neue Art der schrillen Propaganda: Er steht für Aussagen wie die, dass man die Herzen von Homosexuellen „vergraben und verbrennen“ solle, oder die Drohung, dass Russland die USA jederzeit in „radioaktive Asche verwandeln“ könne. Die russische Opposition diskreditiert er ebenso regelmäßig wie die ukrainische Maidan-Bewegung, die er als faschistische Verschwörung des Westens darstellt.

     

     

    Über Ethik im Journalismus: Kisseljow in den 1990er Jahren.

    Gleichzeitig lobt Kisseljow besonders Wladimir Putin: So hielt er zum Beispiel an dessen Geburtstag 2012 eine zwölfminütige Eloge auf den Präsidenten, in der er Putin positiv mit Stalin verglich1. Kisseljow beurteilte bei einem Treffen mit den Mitarbeitern der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti die Idee der Objektivität im Journalismus als einen „Mythos“ und stellte dem entgegen, dass gerade staatliche Medienagenturen und ihre Redaktionspolitik der „Liebe zum Vaterland“ verpflichtet sein müssten.2

    Nach der Angliederung der Krim und der Eskalation des Ukraine-Konflikts, hat die EU Kisseljow, als einzigen Journalisten, auf ihre Sanktionsliste gesetzt.

    Kisseljow in der Sendung „Der direkte Draht mit Wladimir Putin“ 2014 - Foto © Kremlin.ru
    Kisseljow in der Sendung „Der direkte Draht mit Wladimir Putin“ 2014 – Foto © Kremlin.ru

    Der einst mit Kisseljow befreundete Schriftsteller Viktor Jerofejew schrieb Ende 2013: „Kisseljow hatte sich in letzter Zeit hervorgetan durch schonungslose und bewusst provokative Kritik an allem, was der Kreml bekämpft.“3 Im Jahr 2014 wurde Kisseljow zum Leiter der staatlichen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja ernannt, die für eine kremlfreundliche Medienberichterstattung auch über Russlands Grenzen hinaus sorgen soll. Somit ist Kisseljow nicht nur zu einem der bekanntesten Fernsehgesichter in Russland geworden, sondern auch zu einem der einflussreichsten Akteure in der kreml-finanzierten Berichterstattung. Deswegen und aufgrund seiner umstrittenen Aussagen wird Kisseljow in westlichen Medien oft als „Chefpropagandist des Kreml“ bezeichnet.


    1. Kommersant: Vladimira Putina pozdravili po televizoru ↩︎
    2. Rbk: D. Kisseljėv naučit Rossiju segodnja ljubit Rodinu ↩︎
    3. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Russland in der Offensive ↩︎

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  • Triumph der Propaganda über den Journalismus

    Triumph der Propaganda über den Journalismus

    Der Kampf gegen Fake News ist derzeit allerorten ein großes Thema. Auf der Website des russischen Außenministeriums sollen nun unter der Rubrik „Nedostowernie Publikazii“ (dt. „Unglaubwürdige Publikationen“) Fake News ausländischer Medien und Politiker entlarvt werden. Am gestrigen Mittwoch, 22. Februar 2017, ging die Rubrik online. Abgebildet ist jeweils der Screenshot eines nicht-russischen Textes, darüber ein roter Stempel mit Schriftzug „Fake“. Unter den einzelnen Screenshots steht: „Die in diesem Text verbreiteten Informationen entsprechen nicht den Tatsachen“. Auf eine tiefergehende Analyse der einzelnen Materialien scheint das Ministerium zunächst zu verzichten.

    Stanislaw Kutscher nimmt die Initiative des Ministeriums zum Anlass, um auf Kommersant FM den journalistischen Umgang mit Fakten zu hinterfragen – nicht nur in Russland, sondern auch im Westen.

    Die neue Rubrik auf der Website des russischen Außenministeriums soll Fake News entlarven / © Screenshot der Site www.mid.ru/nedostovernie-publikacii
    Die neue Rubrik auf der Website des russischen Außenministeriums soll Fake News entlarven / © Screenshot der Site www.mid.ru/nedostovernie-publikacii

    Als ich 1989 mein Studium am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO) begann, war ich unangenehm überrascht, dass der Fachbereich Internationale Journalistik umbenannt worden war in Fachbereich für Informations- und Propagandaarbeit. Uns wurde damals geradeheraus gesagt, das sei ein Erfordernis der Zeit: Der Westen nutze die Perestroika, um die UdSSR zu zerstören, daher brauche man keine Journalisten, sondern Propagandisten, die fähig sind, das Vaterland im Informationskrieg gegen den Westen zu verteidigen.

    „Manipulation der öffentlichen Meinung“, „Informations-Sabotage“, „Rhetorik und Psychologie der Massenpropaganda“ – all diese Begriffe lernte ich schon im ersten Semester. Ich hoffte allerdings naiv, dass dieses Wissen schon bald nutzlos sein würde. Doch das Gegenteil ist der Fall.

    Ein Vierteljahrhundert später bin ich Zeuge eines beispiellosen Triumphs der Propaganda über den Journalismus. Nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. Jedoch muss ich zugeben, dass im neuen Jahrtausend gerade mein Vaterland die Gesetze vorgab für diesen Trend, der für jede gesunde Gesellschaft gefährlich ist.

    „Es herrscht Krieg, die Zeiten des unparteiischen Journalismus sind vorbei“, so versicherte es mir mit funkelndem Blick 2014 ein alter Kamerad, der einst ein hervorragender Reporter war. „Von welcher Objektivität kann denn hier überhaupt die Rede sein, wenn dein Land angegriffen wird?!“

    Diese Haltung wurde in Russland gegen Ende 2013 zur Norm. Denn nach jahrelanger Militarisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins war die These des „von Feinden umzingelten Vaterlandes“ für die Mehrheit im Land bereits ein Grundprinzip.


    Was soll’s, dann gab es den gekreuzigten Jungen halt nicht! Aber es hätte ihn ja durchaus geben können!

    „Was soll’s, dann gab es den gekreuzigten Jungen halt nicht! Aber es hätte ihn ja durchaus geben können! In Kiew gibt es ja tatsächlich Faschisten! Wieso sollten wir uns da für irgendwas entschuldigen?“ Dieses Zitat aus meiner Konversation mit einem Mitarbeiter des Ersten Kanals offenbart den Clou des „Journalismus“ zu Zeiten des neuen Kapitels im historischen Konflikt zwischen Moskau und Kiew – oder weiter gefasst: zwischen Russland und dem Westen. Fakes, Verdrehungen von Fakten, Inszenierungen und absichtliche Akzentverschiebungen gelten nicht mehr als Schwindelei, Verrat am Beruf oder Ausdruck von Unprofessionalität, sondern höchstens als unvermeidliche Abstriche, die man für die gute Sache im Dienst am Vaterland in Kauf nimmt.

    Besessenheit vom Kampf gegen Feinde, innere oder äußere, ist eine ansteckende Krankheit. Nach Maidan, Krim und Donbass ist die Zeit des ehrlichen Journalismus auch für die Ukraine vorbei. „Von welcher Unparteilichkeit kann denn hier überhaupt die Rede sein, wenn dein Land angegriffen wird?!“ Diese Worte wiederholen nun meine Kiewer Kollegen. Und nicht nur die Kiewer! „Wenn ich davon überzeugt bin, dass Putin böse ist, was macht es dann für einen Unterschied, mit welchen Mitteln ich meine Leser davon überzeuge? Wichtig ist das Ergebnis!“ Das entstammt meinem Streit mit einem einst glänzenden liberalen Journalisten, der sich vor aller Augen verwandelt hat in einen nicht minder glänzenden Publizisten, gar Politkommissar.

    Mittlerweile schreibt jeder Hinz und Kunz im Westen über die Notwendigkeit der Gegenpropaganda

    Die US-amerikanische Presse hat sich am längsten gehalten. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat man sich dort weit weniger um Russland gekümmert, als es die russischen Propagandisten gewollt hätten. Die Gefahr der russischen Propaganda ist dort erst seit vergangenem Jahr ein richtiges Thema, seit dem dortigen Wahlkampf. Mittlerweile schreibt jeder Hinz und Kunz im Westen über die Notwendigkeit der Gegenpropaganda, voller Vorwürfe gegen die eigenen Regierungen und gegen sich selbst: Man hätte  die „Moskauer Informations-Aggression“ verpennt.

    „Von welcher Objektivität kann denn hier überhaupt die Rede sein, wenn unser Land angegriffen wird?!“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich derlei Worte bald aus dem Mund befreundeter amerikanischer und europäischer Journalisten hören werde.

    Der Westen ist natürlich kein zusammengehöriges Land, und alle westlichen Medien in eine zentral gelenkte Propagandamaschine umzuwandeln, ist schlichtweg unmöglich. Aber man kann erreichen, dass Journalisten zu Propagandisten werden und sich als Teil „der großen Sache im Widerstand gegen Moskau“ fühlen, das geht.

    Kein Krieg kommt ohne Mythen und Lügen aus

    Die Propaganda beschreitet triumphierend den Planeten. Die Nachfrage nach Websites und Experten für die Schaffung und Enthüllung von Fake News wächst eifrig. Kein Krieg kommt ohne Mythen und Lügen aus. Also macht Maria Sacharowa alles ganz richtig.

    Ein Dieb gehört ins Gefängnis, und die Menschen kümmert es nicht, wie ich ihn einbuchte. Komm, lass uns gleich hier hundert Leute fragen, was ihr Herz erreicht: meine Lügen oder deine Wahrheit?“ [So streiten die beiden Protagonisten Sheglow und Scharapow in einem sowjetischen Spielfilm – dek]

    Die russischen Machthaber und mit ihnen die Propaganda haben zwischen den streitenden Sheglow und Scharapow gewählt. Nun trifft auch der Rest der Welt seine Wahl.

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  • Funkstille

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    Doshd heißt auf Deutsch Regen. Es sind mehrere Tropfen, die nach offiziellen ukrainischen Angaben nun das Fass zum Überlaufen brachten: Die Ausstrahlung des unabhängigen russischen Fernsehsenders Doshd über Kabel wurde in der Ukraine verboten. Über Internet und Satellit dagegen kann der Sender weiter kostenpflichtig empfangen werden.

    Entschieden wurde dabei nach formalen Kriterien: Unter anderem waren Journalisten des Senders ohne offizielle ukrainische Erlaubnis auf die Krim gereist, außerdem hatte der in Moskau registrierte und ansässige Kanal Landkarten gezeigt, die, entsprechend der russischen Verfassung, auch die Krim als Teil Russlands abbildeten. Zudem habe der Sender an Neujahr zwei Komödien ausgestrahlt, in denen russische Silowiki zu positiv dargestellt würden.

    Auch Letzteres ist in der Ukraine per Gesetz untersagt, schon zuvor war deswegen die Ausstrahlung einiger sowjetischer oder russischer Filme nicht gestattet worden, ebenso existiert eine Verbotsliste „antiukrainischer“ Bücher. Seit der Krim-Angliederung durch Russland und dem Krieg im Donbass gibt es immer wieder Vorstöße in diese Richtung.

    Wurden sie bislang schon viel diskutiert, brach im Fall von Doshd nun eine besonders heftige Debatte aus – hauptsächlich unter unabhängigen Medienschaffenden der beiden Länder. Denn Doshd ist nicht irgendein Sender. In einer weitgehend staatlich kontrollierten Medien- und TV-Landschaft ist Doshd der unabhängige russische Fernsehsender, der es auch in Russland nicht leicht hat: Im Frühjahr 2014 hatten mehrere Satelliten-Anbieter den Kanal aus ihrer Angebotspalette genommen, seitdem ist er nur noch über Internet und einige lokale Betreiber erreichbar.

    Trifft es mit Doshd nun genau die Falschen? Ja, meint Kirill Martynow. Und erklärt in der Novaya Gazeta, warum das Verbot dennoch unausweichlich gewesen sei.
    Die Zeitung befragte außerdem verschiedene ukrainische Journalisten zu dem Fall – einzelne davon bildet dekoder ebenfalls ab.

    Die Ausstrahlung des unabhängigen Fernsehsenders „Doshd“ über Kabel ist in der Ukraine nun verboten / Foto © youtube
    Die Ausstrahlung des unabhängigen Fernsehsenders „Doshd“ über Kabel ist in der Ukraine nun verboten / Foto © youtube

    Die Ukraine hat die Übertragung des Senders Doshd aufgrund einer formalen Rechtsverletzung verboten. Es ging um die positive Darstellung von Vertretern russischer Behörden wie Polizei, Geheimdienst oder Armee. Sofort wurde dieser Skandal zu instrumentalisieren versucht, und zwar von denen, die in den vergangenen drei Jahren den Konflikt zwischen unseren beiden Ländern angeheizt haben. Am meisten sind gerade jene über die Pressefreiheit im Nachbarland beunruhigt, die von der Vernichtung der Ukraine träumen und von der Vernichtung des Senders Doshd und überhaupt aller Lebensformen, die sich äußerlich von Prochanow und Dugin unterscheiden.

    Man hätte Doshd nicht verbieten sollen, denn seine Existenz auf dem Territorium der Ukraine hat den nationalen ukrainischen Interessen nicht im geringsten widersprochen. Natürlich muss der aus Moskau sendende Doshd russische Gesetze befolgen, weshalb er etwa entsprechende Karten zeigt (mit der Krim als Teil Russlands), und zuweilen vom Leben russischer Silowiki erzählt. Aber kein einziger Zuschauer in Kiew dürfte wohl Zweifel daran gehabt haben, dass er es zum einen mit einem russischen Sender und zum anderen mit einem Sender zu tun hat, der eine konsequente Anti-Kriegs-Position vertritt.

    Die Existenz des Senders Doshd ist für die Ukraine nur von Nutzen, wie überhaupt alle von Nutzen sind, die in Russland für friedliche Koexistenz und Einhaltung internationaler Vereinbarungen zwischen den Ländern stehen. Russisch-ukrainische Kultur- und Bildungsprojekte sind heute nötiger denn je, denn in jedem Fall werden wir ja auch weiterhin Nachbarn bleiben müssen. Schließlich beginnt östlich von Charkiw kein großer Ozean. Allerdings weiß fast niemand in den beiden Ländern, wie man solche Projekte realisieren kann – zu viel gegenseitiger Hass hat sich aufgestaut.

    Die Tragödie unserer derzeitigen Situation besteht darin, dass Russland insgesamt von den Ukrainern als feindliches und aggressives Land angesehen wird. Die Fragen, ob du ein guter Mensch bist oder welche politischen Ansichten du hast, treten in den Hintergrund. Auch dafür gibt es objektive Gründe: Die Russen haben die Krim und ein wenig nationale Größe bekommen, die Ukraine aber haben sie verloren. Das sollte man ruhig zugeben – es ist ja genug Zeit vergangen seit dem Beginn unserer „geopolitischen Erfolge“, um daraus nun auch mal ein paar Schlüsse zu ziehen.

    Aus der Frage nach dem Status der Krim folgt: Man muss sich entscheiden, wie man die Karten zeichnet. Das ist nicht das Werk der Ukrainer

    Es gibt drei schlichte Tatsachen. Erstens: Die Ukraine ist ein eigenständiges und anderes Land. Zweitens: Dieses Land wird sich in absehbarer Zukunft bei seinen politischen Entscheidungen niemals an Moskau orientieren. Und drittens: Ein Teil des ukrainischen Territoriums wird nicht von Kiew kontrolliert, die Ukraine sieht sich deshalb als kriegführenden Staat und führt entsprechende Regeln ein. Hört auf, euch darüber zu wundern: Die nette Kolonial-Ukraine, wo ihr so gerne im Sommer Urlaub gemacht habt, gibt’s nicht mehr. Aus diesen drei Fakten und insbesondere aus der Frage nach dem Status der Krim folgt, dass es unmöglich ist, russische und ukrainische Gesetze gleichzeitig zu befolgen und in beiden Ländern zu arbeiten. Man muss sich entscheiden, wie man die Karten zeichnet. All das ist nicht das Werk der Ukrainer.

    Die Geschichte mit dem Doshd-Verbot in Kiew kann noch – so wollen wir hoffen – einen glücklichen Ausgang nehmen. Weitaus schwieriger ist es, sich die Perspektiven der russisch-ukrainischen Beziehungen im Ganzen vorzustellen. Wie werden wir in fünf oder zehn Jahren gemeinsam in einem Osteuropa leben, mit der Krim und den Kriegserfahrungen im Gepäck? Alles deutet darauf hin, dass der Weg zurück zu einer freundschaftlichen Koexistenz, wenn er denn überhaupt möglich ist, lang und schwierig sein wird. Es wäre gut, dies schon jetzt zu verstehen und sich keinen unnötigen Illusionen hinzugeben.

    Und gut wäre auch, wenn all die Kämpfer für die ukrainische Pressefreiheit, die auf ihren Moskauer Sofas sitzen, ebenso aktiv für dieses in der Verfassung verankerte Recht innerhalb ihres eigenen Landes kämpfen würden. Medien sollten weder in der Ukraine noch in Russland geschlossen oder verboten werden. Aber sollen doch die Ukrainer ihre Probleme lösen, und wir kümmern uns um unsere eigenen. Das ist das Beste, was wir im jetzigen Moment tun können, in einer Zeit, in der das Gefühl der geopolitischen Größe uns nach und nach wieder verlässt.


    Es gab zahlreiche Reaktionen in Medien und sozialen Netzwerken, darunter auch viel Unverständnis für diese Entscheidung in Kiew. Die Novaya Gazeta hat nachgefragt, lässt zum Warum gewichtige Stimmen für ein solches Verbot aus der ukrainischen Öffentlichkeit zu Wort kommen – wir haben drei davon ausgewählt:

    Mustafa Najem, Parlamentarier und Journalist

    [bilingbox]Ich mag diesen Fernsehsender, mir gefällt er gut. Seinerzeit setzte er einen gewissen Trend, und was sie gemacht haben, war immer qualitativ hochwertig. Andererseits haben wir es real mit Kriegszeiten und mit Beziehungen zwischen zwei Ländern zu tun. Und ob es uns gefällt oder nicht, der Fernsehsender Doshd hat seinen Sitz in Russland.

    Als ehemaliger Journalist verstehe ich wohl, dass Doshd gezwungen ist, die Gesetze der Russischen Föderation zu achten, sonst drohen ihnen noch größere Repressionen als die, denen sie schon früher ausgesetzt waren. Es ist offensichtlich, dass sie ihre Inhalte den Gesetzen anpassen müssen, was Territorialfragen betrifft, insbesondere die Geschichte mit der Krim. Und gleichzeitig müssen sie sich an die Verfassung der Russischen Föderation halten. Aber andererseits gibt es auch die Verfassung der Ukraine, derzufolge die Verbreitung solcher Informationen über die Krim schlichtweg einen Verstoß darstellt.

    Darin besteht der Konflikt zwischen den beiden Ländern, und Doshd ist in diesem Fall ein Opfer dieses Konflikts.

    Als Politiker verstehe ich, wie die Entscheidung aus der Perspektive des ukrainischen Staates begründet ist.

    Natürlich wären für den ukrainischen Zuschauer alternative Informationen über das, was in Russland passiert, notwendig und nützlich. Solche, die er nicht aus ukrainischen oder russischen Staatsmedien erhält. Das würde sogar gewisse Chancen auf Wiederannäherung bieten. Aber hier muss man einen wichtigen Punkt verstehen. Sehen sie, ich mag Piter, ich habe dort Freunde und würde gern öfters dort sein. Das ist mein persönliches Bedürfnis. Aber in Anbetracht der heutigen Situation verstehe ich, dass ich dort nicht sein kann. Das ist die Politik. Wir alle sind Opfer dieser Geschichte.~~~Я люблю этот телеканал, мне он нравится. В свое время они задали некий тренд, и то, что они делали, имело высокое качество. С другой стороны, есть реальность военного времени и реальность отношений между двумя странами. И хоти мы этого признавать или нет, телеканал «Дождь» является резидентом Российской Федерации.

    Будучи журналистом в прошлом, я понимаю, что они вынуждены выполнять законы Российской Федерации, иначе им грозят еще большие репрессии, чем применялись в отношении них раньше. Очевидно, что они должны согласовывать то, что касается территорий, в частности истории с Крымом. А также должны соблюдать Конституцию Российской Федерации. Но, с другой стороны, есть конституция Украины, по которой распространение информации подобного характера о Крыме является просто нарушением уже ее конституции.

    Как политик, с точки зрения страны я понимаю обоснованность этого решения.

    Конечно, украинскому зрителю нужна и была бы полезна альтернативная информация о том, что происходит в России. Полученная не от государственных СМИ Украины и не от государственных СМИ России. Она бы даже дала какой-то шанс на воссоединение. Но здесь нужно понимать важный момент. Смотрите, я люблю Питер, у меня там друзья, и я хотел бы бывать там часто. Конечно, лично мне это нужно. Но видя сегодняшнюю ситуацию, я понимаю, что там я быть не могу. Это политика. Мы все являемся жертвой этой истории.[/bilingbox]

    Witali Portnikow, Kommentator bei Radio Svoboda Ukraine

    [bilingbox]Für mich ist die Sache mit dem Sendeverbot für Doshd in der Ukraine eindeutig.

    Aber sagen Sie mir bitte, warum hatte Doshd überhaupt eine Sendeerlaubnis?

    Warum haben russische Fernsehsender, seit die Krim okkupiert wurde und der Krieg im Donbass begonnen hat, hier überhaupt irgendwelche Möglichkeiten, Sendungen auszustrahlen? Die politische Einstellung des Senders spielt überhaupt keine Rolle! Eine Entscheidung über die Rückgabe einer Sendelizenz kann erst dann getroffen werden, wenn die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt und die Kriegsverbrecher verurteilt sind.~~~У меня нет никаких вопросов о запрете вещания телеканала «Дождь» на территории Украины.

    Почему российские телеканалы с момента оккупации Крыма и начала войны в Донбассе имеют хоть какие-то возможности для вещания здесь? Не имеет никакого значения политическая позиция телеканала! Решение о возвращении лицензии возможно только после восстановления территориальной целостности Украины и совместного осуждения военных преступников.[/bilingbox]

    Pawel Kasarin, Journalist

    [bilingbox]Ich würde nicht sagen, dass die Entscheidung sehr verwunderlich ist. Sie entspricht dem Gesetz und war unausweichlich. Aber ich würde gerne etwas betonen – immer wenn jemand eine Parallele zieht zwischen der Ukraine und der russischen Medienaufsicht, vergisst er dabei Folgendes: Auch drei Jahre nach dem Beginn von Krieg und Aggression ist der ukrainische Staat nicht dazu übergegangen, das Internet zu regulieren. Und die Zuschauer, die bislang Doshd gesehen haben, können den Sender auch jetzt über einen kostenpflichtigen Zugang im Netz gucken.~~~Я не готов говорить, что здесь есть что-то удивительное. Это было закономерно и неизбежно. Только я бы хотел уточнить, что всякий раз, когда проводят параллели между Украиной и Роскомнадзором, все забывают такую вещь: украинское государство спустя три года после начала войны и агрессии не дало себе права регулировать интернет. Те зрители, которые смотрели «Дождь», они и сейчас могут купить платную подписку и смотреть его в интернете.[/bilingbox]

    Übersetzung dieser Kommentare durch dekoder-Redaktion

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    Journalisten in der Provinzfalle

    Es war ziemlich aufsehenerregend für einen Sender aus der Provinz. Als der für seine ungewohnt kritische Berichterstattung bekannte Fernsehkanal TV2 in Tomsk vor zwei Jahren noch ums Überleben kämpfte, gab es Solidaritätsproteste mit vielen Hundert Teilnehmern. Aber es half nichts: Plötzlich verlor er seine Lizenz, lebt inzwischen nur noch im Internet fort.

    Der Fall TV2 warf damals ein seltenes Schlaglicht auf den Zustand der Medien jenseits der russischen Hauptstadt. Unter welchen Bedingungen arbeiten sie? Das Medienprojekt dv.land lässt vier Macher von Zeitung und Radio zu Wort kommen, die kaum weiter von Moskau entfernt sein könnten: aus der Armur-Region im Fernen Osten direkt an der chinesischen Grenze.

    Blagoweschtschensk – größte Stadt und Verwaltungssitz der Oblast Amur / Foto © Wikipedia unter CC BY-SA 4.0
    Blagoweschtschensk – größte Stadt und Verwaltungssitz der Oblast Amur / Foto © Wikipedia unter CC BY-SA 4.0

    Jelena Pawlowa, Chefredakteurin der Zeitung Amurskaya Pravda:

    Eines der Hauptprobleme des Regionaljournalismus ist, dass es im Medienbereich an Gründern fehlt, die wirklich an einer Weiterentwicklung der Medien interessiert sind. Alle nutzen Fernsehsender oder Zeitungen vor allem zur Durchsetzung eigener politischer oder wirtschaftlicher Interessen, was zwar nachvollziehbar ist, sich aber unweigerlich auf die Qualität des Content auswirkt.

    Zweitens gibt es mindestens drei Formen der Zensur: durch die Gründer, aus Gefälligkeit Freunden gegenüber und Selbstzensur.

    Aus diesen ersten beiden Punkten folgen ein dritter und vierter: der Mangel an brisanten politischen und wirtschaftlichen Materialien, Themen und Sendungen, ebenso wie fehlende  Ambitionen bei den Chefredakteuren und folglich auch in den Redaktionsteams.

    Ignoriert werden dürfen auch nicht die niedrigen Einnahmen der Medien sowie die geringe Vergütung journalistischer Arbeit.

    Die Arbeit des Chefredakteurs einer Regionalzeitung ist ein ewiger Balanceakt zwischen den Interessen des Gründers, den Meinungen und der Loyalität der Journalisten und dem eigenen Gewissen. Er gelingt nicht immer. Aber in solchen Situationen versuche ich immer, dem Gründer meine Position und die der Redaktion klarzumachen. Und den Journalisten sage ich immer ganz ehrlich, wenn ich etwas nicht durchbringen konnte oder kann.

    Fairerweise muss gesagt werden: Es gibt nicht nur bei den Regierungsmedien Interessenskonflikte mit den Gründern

    Unter diesen Bedingungen haben die Regionalmedien nur eine einzige Aufgabe: die schwierige Krisenzeit zu überleben und dabei die Contentqualität sowie das professionelle Team und die Leserschaft zu halten.

    Sicher, wer bei regierungsnahen Zeitungen beschäftigt ist, weiß, dass über eine Reihe unerwünschter Themen nicht berichtet werden soll. Mit der Zeit bildet sich sogar eine Selbstzensur heraus. Doch wie die stellvertretende Chefredakteurin der Rossiskaja Gaseta, die legendäre Journalistin Jadwiga Bronislawowna Juferowa, völlig zu Recht sagt: „Bei einer Regierungszeitung zu arbeiten bedeutet nicht, ein Herz und eine Seele mit den Machthabern zu sein.“ Wir arbeiten, diskutieren, kommen dann überein oder auch nicht, aber wir bemühen uns immer, einander zuzuhören.

    Die Selbstzensur ist für mich überhaupt einer der größten Feinde des Journalismus, besonders im Regionalen. Aber wenn du professionell arbeitest, erledigen sich Fragen und Ängste. Ich versuche, hohen Beamten immer klarzumachen, dass Problemthemen aufgegriffen werden müssen – aber das muss professionell geschehen und beide Seiten dürfen nicht hysterisch werden.

    Fairerweise muss auch gesagt werden, dass es nicht nur bei den Regierungsmedien Interessenskonflikte mit den Gründern gibt.

    Ich beobachte regelmäßig, dass Kollegen aus privaten Zeitungen oder Agenturen einseitig über brisante Themen berichten, dass sie Nachrichten, die für den Gründer unbequem sind, rasch von der Website entfernen und negative Kommentare  löschen.


    Tatjana Udalowa, Dozentin für Journalismus an der Staatlichen Amur-Universität, Moderatorin der Radiosendung Echo Moskwy w Blagoweschtschenske:

    Das größte Problem der regionalen Medien ist die Verflechtung von Journalismus und Regierung. Journalisten und Medienmanager mischen sich oft in die Regierungskreise und arbeiten mit ihnen zusammen; das Gleiche gilt auch für Medien, die Teil der Regierung sind und zu irgendeiner Abteilung einer staatlichen oder kommunalen Behörde gehören. Also gliedern sich Medien oder Medienmanager ins System ein.

    An zweiter Stelle steht das Problem, dass den Machthabern und sehr oft auch den Journalisten selbst die Funktion des Journalismus nicht klar ist. Die Machthaber begreifen nicht, dass Journalisten nicht deswegen kritisieren müssen, weil sie am klügsten sind oder am besten wissen, wie man einen Staat, eine Stadt, einen Rajon oder eine Oblast regiert, wie man unterrichtet und heilt, sondern deswegen, weil das ihre Funktion, ihre Aufgabe ist. Weil die Gesellschaft ob dieser Kritik auf eigene Fehler und Versäumnisse der Regierung aufmerksam wird und etwas dagegen unternehmen möge.

    Der Fluss Amur – natürliche Grenze zu China / Foto © yourgeography.info
    Der Fluss Amur – natürliche Grenze zu China / Foto © yourgeography.info

    Nur verschweigt man bei uns Fehler lieber, als dass man sie behebt. Wo kein Kläger, da kein Problem. Auf höchster Ebene merkt niemand was, also behelligen die von oben einen auch nicht wegen irgendwelcher Probleme vor Ort.

    Es fehlt das Verständnis dafür, dass jemand regieren und jemand anderes von der Seite draufschauen muss, mit den Leuten spricht, sich erkundigt, wie es bei ihnen läuft, mit Experten redet, das alles zusammenführt und schließlich etwas Kritisches schreibt. Dann nimmt die Regierung es – zumindest der Theorie nach – zur Kenntnis und behebt den Fehler. Aber die Regierenden verstehen diese Prinzip einfach nicht. Sollte es dereinst mal funktionieren, wird alles wunderbar.

    Alle weiteren Probleme kann man auf diese beiden Punkte zurückführen: Die Journalisten hören auf, tief in notwendige Themen einzusteigen und qualitativ anspruchsvolle Analysen zu schreiben, weil die Themen nicht offen behandelt werden dürfen. Deswegen ist das allgemeine Medienniveau niedriger, als es sein könnte. Es gibt Journalisten, die gut analysieren können, aber sie können sich nicht immer erlauben das umzusetzen, entweder weil sie begonnen haben, sich der Regierung anzudienen oder weil sie einfach für die Medien arbeiten, in denen Umfang und Schnelligkeit für das Erscheinen des Materials wichtiger sind als das tiefe Eindringen in ein Thema.

    An vierter Stelle steht ein Problem des allgemeinen Niveaus, gar nicht mal so sehr der schreiberischen Fähigkeiten der Journalisten,  sondern eher des Horizonts. Es wäre wünschenswert, er wäre breiter – denn mit ihm steht und fällt natürlich auch das Schreiben. Meine Einschätzung der journalistischen Ausbildung hier in der Region ist vermutlich nicht ganz korrekt, aber es ist doch bedauerlich, dass sie so kärglich ist.

    Ich habe den Eindruck, dass das Hauptproblem der Amurer Medien ihre Abhängigkeit von den lokalen Eliten ist

    Es gibt keine Lehrgänge, keine Wettbewerbe, und wenn es welche gibt, stehen die Regierung oder große Firmen dahinter. Es gibt keine professionellen Analysen, keine gegenseitige Prüfung der journalistischen Arbeiten , etwa von Mitarbeitern landesweiter  Medien, wie früher, als es Wettbewerbe gab – beim Fernsehen zum Beispiel mit dem TEFI-Preis –, und die Schule Internews, die Journalisten aus den Regionen einlud.

    Bei  solchen Wettbewerben finden Workshops statt, man analysiert die Arbeiten mit Hilfe von Profis. Natürlich sind auch sie Journalisten, die manchmal Fehler machen, Dinge übersehen und so weiter, aber immerhin war es ein Blick von außen, von Leuten, die die vielen „Aber“ deiner Region nicht kennen, die nüchtern auf deine Arbeit blicken und sagen: Schau mal, das da ist nicht ganz gelungen, und bei jenem gibt es folgende Fehler, aber insgesamt hat deine Arbeit das und das Niveau. Bei uns gibt es nur den Lehrstuhl für Journalismus der Staatlichen Amur-Universität, andere Möglichkeiten – Weiterbildungen, begleitende Lehrgänge – fehlen.


    Marius Schimkus, Chefredakteur von ASN24:

    Wenn man an die ruhmreichen alten Zeiten denkt, ist es nicht weit bis zu dem Schluss, das Gras sei früher grüner gewesen. Meiner Einschätzung nach stehen dem Journalismus in der Oblast Amur in den letzten Jahren immer weniger Geld und immer weniger Freiräume zur Verfügung. Der Anzeigenverkauf wird immer schwieriger. Die Situation der Zeitungen ist überhaupt betrüblich. Sich technologisch weiterzuentwickeln, ist bei den lokalen elektronischen Medien einfach ausgeblieben – vielleicht hat man gerade mal angefangen, Push-Nachrichten zu versenden.

    Ich habe den Eindruck, das Hauptproblem der Amurer Medien ist ihre Abhängigkeit von den lokalen Eliten. Bei einem so strengen Zensurfilter ist es  Journalisten nicht möglich, ein objektives Bild der Welt an die Leser heranzutragen, sie können nicht über Probleme berichten, um die Rechtsschutzorgane oder entsprechende staatliche Stellen auf sie aufmerksam zu machen. Stattdessen gibt es in den lokalen Nachrichten massenhaft Berichte darüber, dass irgendein hohes Tier irgendwohin gereist ist, jemanden getroffen oder irgendwelche Anweisungen gegeben hat. So entsteht ein schönes Bild für Moskau.

    Das zweite Problem ist das geringe Prestige des Berufs. Nicht weil das verletzend wäre, sondern weil man den Journalisten durchaus begründet vorwirft, sie würden die Beamten bedienen, und sie verächtlich als Journalistenpack oder sogar Nuttenjournalisten bezeichnet.

    Das dritte Problem ist der Braindrain. Sobald sich die hoffnungsvollen Jungtalente die ersten Beulen geholt haben, kratzen sie sich am Kopf, packen ihren Koffer und gehen ins westliche Ausland. Oder wechseln den Beruf. Es bleiben diejenigen, die ein gemütliches Plätzchen zu schätzen wissen oder die in drei Jahren ohnehin in Rente gehen, oder vielleicht Heimatliebende der Gegend hier. Letztlich ändern sich die Medien über die Jahre  nicht, sie setzen auf die ewiggleichen Formate mit den ewiggleichen Protagonisten.

    Das vierte Problem ist, so scheint mir, dass die meisten Amurer Medien kaum neue Formate für die Informationsvermittlung einsetzen. Das hängt größtenteils mit den knappen Budgets zusammen – an Longreads oder Infografiken ist nicht zu denken, wenn nicht mal Geld für die Gehälter da ist. Aber zum Teil liegt es meiner Meinung nach auch daran, dass weder die Redaktionen noch die Leser wirklich an einer Entwicklung interessiert sind. Unsere Versuche beispielsweise, Partner für Native Advertising zu finden, scheiterten in den meisten Fällen an tiefem Unverständnis. Die Kunden sind nicht bereit, für solche Texte zu zahlen. Aber ein Interview „Iwan Iwanowitsch, was ist das Erfolgsgeheimnis Ihrer Betonblöcke?“, das läuft.

    Das fünfte Problem ist, dass ein Praktikum bei einem seriösen landesweiten Medium für junge Journalisten fast unerreichbar ist. Dafür braucht man direkte Kanäle zu Kollegen und Geld für teure Flugtickets. Das Problem mit den Kontakten wird mit dem Weiterbildungsprogramm der Volksfront für Russland zwar etwas entschärft, aber die finanzielle Seite bleibt eine fast unüberwindbare Hürde. In vielen Medien hängen Redaktionspolitik und tägliche Berichterstattung von Vereinbarungen zwischen dem Gründer, Regierungsvertretern und der Geschäftswelt ab. In der Praxis läuft das darauf hinaus, dass bestimmte Themen gezwungenermaßen übergangen werden und gewisse Personen nicht kritisiert werden dürfen. Das kann man schwerlich als Kompromiss  bezeichnen: Die Redaktionen verlieren Themen und das Vertrauen ihrer Leser, doch bekommen nichts dafür – vom Gehalt einmal abgesehen.

    Die Oblast Amur liegt im russischen Fernen Osten an der chinesischen Grenze
    Die Oblast Amur liegt im russischen Fernen Osten an der chinesischen Grenze

    Es ist kein Geheimnis: Das Massenpublikum reagiert am stärksten auf negative Nachrichten. Unfälle, Mord, Entführungen. Im Fall regionaler Medien kommt meiner Einschätzung nach noch hinzu, dass die Menschen Informationen ablehnen, die aus offiziellen, von Staatspfründen lebenden Medien stammen. Und dann greift eine einfache Regel: Wenn die Medien Informationen nicht liefern, dann suchen die Menschen in Sozialen Netzwerken, Chatdiensten und Foren danach. Die Gruppen Verkehrsstreifen-Kontrolle und Verkehrsstreifen-Aufsicht beispielsweise sind wohl deswegen entstanden, weil die Verkehrspolizei keine hilfreichen Informationen bereitstellte. Dieser, nennen wir sie, Protestwelle schließen sich dann auch oppositionelle Bewegungen an.

    Ehrlich gesagt bin ich ziemlich pessimistisch – jedenfalls wenn es um  Journalismus in der Oblast Amur geht. Man müsste eine kleine, aber stolze, unabhängige Redaktion von  zwei bis drei Leuten zusammenstellen und dann qualitativ ordentlichen Content machen, aber hier in der Region solche Mitarbeiter zu finden, ist fast unmöglich.


    Maxim Jermakow, Korrespondent, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung BAM, Vorstandsmitglied der Sektion Amur des russischen Journalistenverbands:

    Die Arbeit des Chefredakteurs eines regionalen Massenmediums geht damit einher, dass es bei heiklen Themen immer einen Kommentar braucht, in dem die Regierungsposition zu lesen ist. Außerdem gehört es auch zur Politik eines Staatsmediums, die Regierungstätigkeiten, ihre Entscheidungen, Programme und Projekte zu erläutern.

    Provinzialität kommt bei den Medien hier im Fernen Osten immer seltener vor. Die regionalen Medien (sowohl die gedruckten als auch die elektronischen) suchen stets neue Modelle und schicken ihre Mitarbeiter auf Seminare außerhalb der Region. Inzwischen werden auch neue Richtungen weiterentwickelt – Grafiken, Kolumnen, eine enge Verbindung zwischen der Zeitung und ihren Auftritten in den Sozialen Netzwerken.

    Die Stadt Tyndra ist Sitz der Wochenzeitung BAM / Foto © Wikipedia unter CC BY-SA 3.0
    Die Stadt Tyndra ist Sitz der Wochenzeitung BAM / Foto © Wikipedia unter CC BY-SA 3.0

    Natürlich gibt es auch Probleme: Personalmangel, hohe Druckkosten, die schlechte Erreichbarkeit mancher Ortschaften und die große Distanz zwischen ihnen, was die Organisation eines eigenen Abo-Diensts und den Vertrieb erschwert, dann gibt es noch die Verspätungen der russischen Post und schlechte Internetverbindungen.

    Das Niveau der Journalistenausbildung ist ziemlich schlecht, weil es in der Abteilung für Journalismus der regionalen Hochschule an Dozenten mit erstklassigem Know-How mangelt. Ich will nicht ausschließen, dass man zum Erhalt der städtischen und regionalen Zeitungen irgendwann eine einzige Medienholding gründet.

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  • VKontakte

    VKontakte

    Immer wieder hört man auch im westlichen Internet von einem russischen Projekt namens VKontakte (VK) munkeln. Dort, heißt es, sei alles chaotischer, rauer – aber auch freier. Manche sehen in VK gar eine Fluchtmöglichkeit aus facebook und allgemein aus dem „überregulierten“ europäischen Netz. Tatsächlich ist auf VK im Vergleich zu seinem amerikanischen Konkurrenten viel mehr erlaubt, mit daraus resultierenden Diskussionen um Copyright-Verletzungen, Daten- und Minderheitenschutz.

    VKontakte (sprich: fkontaktje, wörtlich „in Kontakt“) selbst bezeichnet sich schlicht als „Europas größtes soziales Netzwerk mit mehr als 100 Millionen aktiven Nutzern“. Das Unternehmen markiert damit ungeachtet der räumlichen und sprachlichen Verortung in Russland seine Positionierung im globalen Web.1 VK ist auch in Ländern des postsowjetischen Raums mit einem hohen russischsprachigen Bevölkerungsanteil beliebt, etwa in Belarus, der Ukraine oder Kasachstan. Laut Alexa Internet Ranking gehört das Netzwerk, das seinen Hauptsitz in St. Petersburg am traditionsreichen Newski-Prospekt hat, zu den Top Zwanzig der globalen digital player.2

    VKontakte wurde im Jahr 2006, in der Boomzeit der social-media-Anwendungen, von den Brüdern Nikolaj und Pawel Durow gegründet. Zwei Jahre später, mit der Öffnung facebooks für russischsprachige User, stellte sich VK auch der ausländischen Konkurrenz, als deren Analogon oder sogar Klon es gilt.3 

    Ein „russischeres“ Netzwerk

    VK wird von den russischen Usern aufgrund seiner größeren Anarchie und weniger starken Normiertheit geschätzt.4 Das Netzwerk gilt im Vergleich zu facebook als „russischer“, wobei dies nicht mit einer patriotischen Gesinnung gleichzusetzen ist, sondern mit etablierten Kommunikationsnormen. Viele russische Internet-User bedienen sich zudem verschiedener social networks gleichzeitig, halten Profile auf dem „russischeren“ VK und dem „westlicheren“ facebook und stellen damit ein flexibles Identitätsmanagement unter Beweis.

    VK verfügt über rund 80 Spracheinstellungen, darunter auch ins Deutsche, daneben existieren für die russischsprachige Community ein sowjetisches und ein zaristisches Design, Relikte eines Faibles des unkonventionellen Firmengründers Pawel Durow für Aprilscherze. Ersteres enthält beispielsweise die Navigationspunkte „Meine Genossen“ oder „Emigration“.

    Seine besondere Popularität verdankt VK der Möglichkeit, digitale Daten und Content in großem Umfang auszutauschen und zu konsumieren. Daraus ergeben sich zahlreiche Konflikte im Bereich des Copyright. Russische und ausländische Firmen, insbesondere aus dem Musikbereich, klagen regelmäßig gegen die Plattform wegen Verletzung von Urheberrechten.

    VKontakte gilt im Vergleich zu facebook als „russischer“
    VKontakte gilt im Vergleich zu facebook als „russischer“

    Ein kontroverses Thema stellt auch der Datenschutz dar. Dies bezieht sich auf das Hacken von Nutzer-Profilen und die Auswertung der Profile durch staatliche Institutionen sowie durch wirtschaftliche und private Akteure. VK wird zudem oft die Verbreitung von Pornographie, Hassrede und Rassismus vorgeworfen.

    Unlängst berichten insbesondere deutsche Medien über die verstärkte Nutzung des Netzwerks durch deutsche neonazistische Kreise, die aus facebook „auswandern“, da dort hetzerische und verfassungswidrige Beiträge strikter gelöscht werden.5

    Russland ist mit dem Internet-Business nicht mehr vereinbar

    Von früh an begleiten die Entwicklung des Netzwerks Diskussionen um das Verhältnis zum russischen Geheimdienst FSB, der dieses angeblich sogar finanziell unterstützt haben soll.6 Im Zuge der Proteste 2011 bis 2013 bekam Pawel Durow Anfragen von Seiten der Sicherheitsdienste zur Blockierung einzelner User-Accounts und Gruppen.7Durow, der als bekennender Anhänger eines deregulierten Internets gilt, twitterte schließlich eine provokative Absage an weitere Begehrlichkeiten von Seiten staatlicher Institutionen: ein Foto, auf dem ein Hund mit Hoodie den Ermittlern die Zunge herausstreckt.8 Der Konflikt verschärfte sich im Winter/Frühjahr 2013/2014 im Zuge der pro-europäischen Proteste in Kiew.9 Der FSB verlangte die Löschung der Accounts von Maidan-Aktivisten. Durow lehnte dies ab.10

    Bereits Ende des Jahres 2013 verkaufte er seinen Anteil an VK und verließ Russland, das „leider mit dem Internet-Business nicht mehr vereinbar sei“.11 Inwiefern dabei auch ein Prozess gegen Durow wegen eines mutmaßlichen Verkehrsdelikts eine Rolle spielte,12 durch den möglicherweise Druck gegen ihn aufgebaut wurde, blieb im Unklaren. Aktuell ist das Netzwerk im Besitz der russischen Medienholding Mail.Ru Group, deren Haupt-Anteilseigner der kremlnahe Unternehmer Alischer Usmanow ist. Die Änderungen in der Eigner- und Führungsstruktur werden oft als Versuch interpretiert, die digitalen Netzwerke von Seiten des Kreml stärker zu kontrollieren.13

    Verflechtung der Kommunikation und Politik

    VK spiegelt die Charakteristika und Probleme der russischen Netzgesellschaft sowie die intensive Verflechtung von Politik und digitaler Kommunikation in Russland wider.14 Dies betrifft vor allem Fragen der – direkten oder indirekten – staatlichen Kontrolle der Netzkommunikation, des Datenschutzes, des Minderheitenschutzes oder des Schutzes des geistigen Eigentums.

    Besonders symptomatisch ist in diesem Kontext der deklarierte staatliche Schutz von Minderheiten vor Hassrede und Rassismus. Dies vollzieht sich vor dem Hintergrund einer fragwürdigen Definition des Begriffes Extremismus in der russischen Gesetzgebung (Extremismusparagraphen 280 und 282).15 Zunehmend werden Einträge in sozialen Netzwerken als extremistisch qualifiziert und User sogar zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Anzahl von Verurteilungen ist im Zeitraum von 2012 bis 2015 um das Dreifache gestiegen. Rund die Hälfte der Verfahren betreffen Posts in VK, da das Unternehmen bereitwilliger mit den russischen Behörden zusammenarbeitet als facebook oder Twitter.16


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  • Verkehrsregeln für russische Medien

    Verkehrsregeln für russische Medien
    Pressefreiheit in Russland – wo verläuft die Linie?  Quelle – fishki.net, gesehen bei Ilya Krasilshchik

    RBC galt lange Zeit als das Investigativmedium Russlands. Mit fundierter Wirtschaftsberichterstattung und Recherchen etwa über Korruption bei Prestige-Bauprojekten, zu Putins familiärem Umfeld oder dem Vorgehen Russlands in Syrien und im Donbass sorgte RBC immer wieder für Aufsehen.

    2009 hatte der Oligarch Michail Prochorow die RBC-Medienholding, zu der ein Onlinemagazin, eine Printausgabe, aber unter anderem auch ein Fernsehsender gehören, in seine Onexim-Group aufgenommen. Unter Direktor Nikolaj Molibog und der neuen Chefredaktion war RBC seit 2013 zum führenden Investigativmedium in Russland aufgestiegen.

    Offensichtlich hatte sich RBC dabei jedoch zu weit vorgewagt: Nach Steuerrazzien in Prochorows Onexim-Group im April kam Mitte Mai der Schlag – die dreiköpfige Chefredaktion des Investigativmediums löste sich auf. Chefredakteur Maxim Soljus war entlassen worden, die beiden anderen, Jelisaweta Ossetinskaja und Roman Badanin, gingen aus Solidarität mit ihm ebenfalls [dekoder bildete die Debatte darüber ab].

    An ihre Stelle traten Jelisaweta Golikowa und Igor Trosnikow, die zuvor unter anderem für die staatliche Nachrichtenagentur TASS gearbeitet hatten. Als die beiden Ende vergangener Woche auf einer Redaktionssitzung anmahnten, im Journalismus seien „Verkehrsregeln“ zu beachten und es dürfe dabei eine gewisse „Linie“ nicht übertreten werden, gelangte ein Mitschnitt an die Presse, eine Abschrift davon wurde veröffentlicht (auch auf Englisch). Es folgte eine Diskussion über Meinungsfreiheit, aber auch darüber, inwiefern andere Medien korrekt handelten, wenn sie die Ausschnitte veröffentlichen.

    Oleg Kaschin kommentiert die Debatte auf slon.ru – und zeichnet das Verhältnis zwischen Macht und Medien im Russland unter Putin nach.

    Eine der größten unabhängigen Zeitungen Russlands hat einmal eine kleine Meldung aus der französischen Le Monde abgedruckt: Die Franzosen schätzten das Privatvermögen des russischen Premiers auf mehrere Milliarden Dollar und die russischen Journalisten befanden diese Information der Veröffentlichung würdig. Auweia, der Premierminister und die Präsidialverwaltung waren da anderer Meinung. Ein privates Blatt hätte das eigentlich getrost ignorieren können, doch plötzlich hieß es, der Hauptaktionär der Zeitung, ein großer russischer Konzern, sei nicht bereit, wegen irgendwelcher Journalisten einen Konflikt mit den Behörden zu riskieren, und wählte zwischen dem Premierminister und dem Chefredakteur der Zeitung, ohne groß zu zögern. Das Geld in den Portemonnaies der Staatsspitze zu zählen, ist für große Medien demnach tabu: doppelt durchgezogene Linie.

    Der Chefredakteur wurde entlassen, gefolgt von praktisch allen leitenden Redakteuren der Zeitung (die später ein neues unabhängiges Medium gründeten), die Zeitung wurde verkauft, der neue Inhaber musste neue Leute suchen – und übrig blieb im Grunde nur der Name.  

    Ein Denkmal für die zerschlagene Medienwelt

    Von Interesse sind vermutlich auch Ort und Zeit der Handlung. Der in dem französischen Beitrag erwähnte Premierminister hieß Viktor Tschernomyrdin, die Zeitung Izvestia, ihr Chefredakteur war Igor Golembiowski, der Aktionär Lukoil. Der Skandal, der die Izvestia beinahe ihre ganze Belegschaft gekostet hat, ereignete sich im April 1997, vor fast 20 Jahren.

    Wahrscheinlich war es der erste Konflikt dieser Art: Die Regierung übt über einen privaten Eigentümer Druck auf die Medien aus, der private Eigentümer sieht sich gezwungen nachzugeben, der Chefredakteur wird entlassen, ein Teil der Journalisten folgt ihm. Diese Technik, die sich unter Putin eingeschliffen hat und jetzt von allen nur noch mit ihm assoziiert wird, kam schon vor seinem Regierungsantritt erstmals zum Einsatz. Und wenn irgendwann mal jemand ein Denkmal setzen will für die unabhängige Presse Russlands, zerschlagen vom Kreml, dann muss dort als erstes Datum das Jahr 1997 eingraviert sein.

    Damals gab keiner der Redaktion die Schuld

    Es wäre jedoch nicht zutreffend zu behaupten, dass bei jenem Zusammenstoß mit der Izvestia alles genauso gewesen ist wie später bei anderen Medien. Das heißt, den Konflikt gab es genauso wie heute, den Druck auf den Aktionär, die Entlassung des Chefredakteurs, den Abgang der Belegschaft, doch etwas war anders: Niemandem in den anderen Medien fiel es in Berichten über den Skandal und in Kommentaren ein, die Schuld am Geschehenen dem Chefredakteur und seinem Team zuzuschieben.

    Golembiowski und seine Mitarbeiter verhielten sich genau wie alle „einzigartigen Journalistenteams“, die folgten, von Jewgeni Kisseljows NTW bis zu Galina Timtschenkos Lenta, doch niemand buhte, niemand lachte sie aus und vor allem sagte niemand, sie hätten ja nunmal wirklich gegen Abmachungen verstoßen, verbotenes Terrain betreten und würden nur zu Recht bestraft. Das gab es ganz bestimmt nicht.  

    „Einzigartiges Journalistenteam“ wurde zum Mem, zum Witz

    „Einzigartiges Journalistenteam“ – um diesen Terminus hat dann erst die Ära Putin jene Technik bereichert, mit der unabhängige Medien zerschlagen werden: Das war im Jahr 2001, der Fall NTW. Vom „einzigartigen Team“ sprach als erstes das Team selbst, als es sich auf eigenen Wunsch hin mit Wladimir Putin traf. Fast zeitgleich begannen diejenigen Medien, die von der Attacke nicht betroffen waren (und die übrigens nicht mehr so waren wie 1997, sondern eine inzwischen maximal kremlloyale Izvestia), die Wörter „einzigartiges Journalistenteam“ bei jeder Gelegenheit zu wiederholen und verwandelten sie innerhalb kürzester Zeit in ein Mem, in einen Witz. Der Begriff selbst schrumpfte durch den aktiven Gebrauch sehr schnell auf seine Abkürzung UShK zusammen (Unikalnyi shurnalistski kollektiw) – es war unmöglich, diese Abkürzung ernsthaft zu verwenden.

    Was ist ein UShK? Das sind Journalisten, die sich viel zu viel aufbürden, die sich dem Glauben an die eigene historische Mission verschrieben haben, obwohl sie in Wirklichkeit bloß die Interessen ihres Eigentümers bedienen, im Fall des damaligen NTW die von Wladimir Gussinski.

    Berechnendes Verfahren oder psychologische Projektion?

    Vermutlich wird man heute nicht mehr feststellen können, was das genau war: eine aufoktroyierte politische Technik, die es ermöglichte, den öffentlichen Unmut über die Zerschlagung des Senders NTW im Keim zu ersticken oder aber eine psychologische Projektion der Journalisten aus anderen Medien? Denen daran lag, in erster Linie sich selbst zu beweisen, dass die Abhängigkeit der Redaktionspolitik vom Eigentümer, die Einmischung der Staatsmacht in die Redaktionspolitik, die Loyalität, die in totale Unterwürfigkeit übergeht – dass dies allgemeine Gegebenheiten sind, die keine Ausnahmen kennen.

    Indem sie sich über die UShKs lustig machte, erklärte die journalistische Gemeinschaft der 2000er Jahre: „Einzigartige Teams“ gibt es nicht, wir sind alle gleich, und die, die so tun, als wären sie anders als wir, werden wir immer hassen und mehr als jede Zensur.

    Heute scheint es, als sei genau das (und nicht etwa die Absetzung der ziemlich langweiligen Sendung Itogi) das wichtigste Ergebnis der NTW-Zerschlagung: Die Regierung hat nicht nur gelernt, mit den Medien fertig zu werden, die nicht ihrem direkten Einfluss unterliegen, sondern auch, die Solidarität der restlichen journalistischen Gemeinschaft zu beschneiden. Denn die zeigte sich gern bereit, sich von den „einzigartigen Teams“ zu distanzieren.

    Kaum jemand spricht mehr von Meinungsfreiheit

    Zum Zeitpunkt der Zerschlagung von RBC (denn die Entlassung von drei der drei Chefredakteure der Mediengruppe ist natürlich nichts anderes als eine Zerschlagung, besonders, wenn man bedenkt, dass es eben diese Chefredakteure waren, die ein nicht besonders einflussreiches Medium mit schwierigem Ruf zur führenden unabhängigen Mediengruppe in Russland gemacht hatten, und dass auch das jetzige Team von eben jenen Chefredakteuren zusammengestellt wurde, die man in diesem Frühjahr entlassen hat) war diese Technik bereits zur Perfektion gebracht. Kaum jemand spricht noch von Meinungsfreiheit, schon gar nicht erlaubt sich irgendwer, die Worte „einzigartiges Team“ in den Mund zu nehmen, und innerhalb der Branche wird erbittert darüber gestritten, ob die Mitschrift eines Treffens zwischen dem zerschlagenen Kollektiv und den neuen aus einer staatlichen Agentur herangeholten Redaktionsleitern in andere Medien durchsickern darf.

    Ein Problem der Gesellschaft, nicht nur der Medien

    Wahrscheinlich ist es aber so, dass das, was im Moment ein Problem der journalistischen Welt zu sein scheint, in Wirklichkeit ein Problem der Gesellschaftsstruktur insgesamt ist:

    Loyalität gegenüber der Staatsmacht, die zu Unterwürfigkeit wird, das Akzeptieren von Regeln, die die Staatsmacht im Alleingang aufstellt und verändert und die Befolgung dieser Regeln; die Alternativlosigkeit zu dieser Staatsmacht und die faktische Unmöglichkeit einer nicht-marginalen Unabhängigkeit von ihr – es wäre seltsam, wenn in einem solchen Koordinatensystem ein vollwertiger Journalismus, eine journalistische Ethik und Gemeinschaft existierten.

    Jeder journalistische Streit ist heute ein Streit um den Umgang mit der Staatsmacht: sich fügen, sich widersetzen oder davonrennen?

    An einzigartigen Journalistenteams gibt es in Russland heute genau eines. Nur ist es riesengroß und auf verschiedene Medien versprengt, aber das hat keine Bedeutung: Medien, die man jederzeit aus dem Kreml anrufen und anbrüllen kann, unterscheiden sich nur in Details voneinander.

    Jeder journalistische Streit ist heute ein Streit um den Umgang mit der Staatsmacht: Soll man mit ihr koexistieren, gegen sie ankämpfen oder vor ihr davonrennen? So formuliert ist die Frage, was vom Durchsickern der RBC-Mitschrift zu halten ist, vielleicht weniger schwierig zu beantworten – versucht es mal.

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