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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Editorial: Buch mit bewegten Bildern

    Editorial: Buch mit bewegten Bildern

    Eine reine News-Seite sollte dekoder.org nie sein. Zwar informieren wir auch über aktuelle Entwicklungen in und um Russland: über die gemischten Gefühle ob des gigantischen Umsiedlungsprogramms in Moskau etwa, oder die Diskussionen um die ukrainischen Internetsperren. Doch übersetzen wir ebenso sowjetische Familienschicksale aus dem Zweiten Weltkrieg und andere zeitlose Geschichten. dekoder ist auch „so etwas wie ein Buch über Russland“: ein Buch, das – ganz wie das Land selbst – einlädt zum Stöbern, Staunen und Sich-Verlieren.
     
    Damit dabei die Übersicht nicht verloren geht (das Buch wird immer dicker, inzwischen finden sich über 500 Artikelübersetzungen, Debattenschauen und Gnosen darin!), haben wir damit begonnen, alte, aber nach wie vor höchst lesenswerte Texte in Dossiers zu bündeln. 
    Themen, die immer wieder eine Rolle spielen, sind zum Beispiel der Große Vaterländische Krieg 1941–1945 oder die Medienlandschaft in Russland – während der mittlerweile bald zwei Jahre dekoder sind dazu eine Vielzahl unterschiedlichster Materialien zusammengekommen. Weitere Dossiers folgen in Kürze.
     
    Das virtuelle Russland-Buch wird nicht nur sortierter, sondern auch bunter. Als der gerade freigelassene Ildar Dadin von Foltererlebnissen während seiner Haft berichtete oder als der russische Diplomat Wladimir Safronkow neulich im UN-Sicherheitsrat mit einem wenig diplomatischen Tonfall für Empörung sorgte, stand für uns fest: Das lässt sich nicht in Texten beschreiben, das muss man sehen. Nun freuen wir uns, mit den Videobotschaften des Oligarchen Alischer Usmanow unser erstes untertiteltes dekoder-Video präsentieren zu können. Auch das soll kein Einzelfall bleiben – Anlässe gibt es ja genug: bewegte Bilder für bewegte Zeiten.
     
    Wer kein Kapitel verpassen möchte, der kann sich bequem jeden Freitag über die neuesten Zuwächse im dekoder-Buch informieren lassen – über unseren Newsletter.
     
    Es grüßt herzlich
     
    Daniel Marcus
    Social-Media-Redakteur 

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    Editorial: Unser Geist …

    Editorial: dekoder-Gnosmos

    Editorial: Übers Übersetzen

    Editorial: Wenn es kompliziert wird

    Editorial: Lesen, Wischen, Recherchieren

    Editorial: Popcorn!

  • Editorial: Popcorn!

    Editorial: Popcorn!

    Das ist doch nur ein Film. Diesen harmlosen wie unwahren Satz hat sicher jeder schon mal gesagt. Doch einige Filme überdauern ihre Zeit, verkörpern eine Strömung, werden Klassiker oder kleine Meilensteine. Bei dekoder tauchen wir in diesem Jahr in die russische und sowjetische Filmwelt ein und stellen jeden Monat solch einen Film vor: In unserem monatlichen Visual-Format dekoder Kino.

    Es gibt zahlreiche Filme zu entdecken, die künstlerisch, filmgeschichtlich und popkulturell reizvoll sind. Im deutschsprachigen Raum sind sie oft weniger geläufig. Diese Lücke wollen wir füllen. Aelita aus den 1920er Jahren etwa, hat als erster Science Fiction der Sowjetunion Einfluss auf das gesamte Genre. Deutlich stand er unter expressionistischem Eindruck und soll umgekehrt auch Fritz Langs Metropolis Inspiration gegeben haben. Kulturelles Zeitdokument ist der abgründige 1990er-Jahre-Thriller Brat, der sich gekonnt beim US-Actionkino bediente und mit seinem Protagonisten Danila Bragow eine streitbare Identifikationsfigur schuf.

    Wir wollen zeigen, was sowjetisches sowie gegenwärtiges russisches Kino ausmacht. Filme sind dabei auch Prisma der Gesellschaft und kulturelle Codes. Werte und Ideen ihrer Zeit finden darin einen verdichteten Ausdruck, zeigen zudem gesellschaftliche Beschränkungen und Grenzen der Kunst. 
    In der Sowjetunion waren viele Filme Eingriffen ausgesetzt oder lange Jahre unter Verschluss. Regisseur Andrej Tarkowski, als Meister des traumwandlerischen Erzählens, erging es Zeit seines Lebens so. International gefeiert, eckte er mit seiner Kunst zuhause stets an. Im April wäre er 85 Jahre alt geworden und wir haben den Monat seinem endzeitlich inszenierten, philosophischen Klassiker Stalker aus dem Jahr 1979 gewidmet. 

    Wieder andere Filme werden ohne kulturpolitisches Tamtam oder einen Eklat zum Publikumsliebling und erzählen einfach brillant etwas über ihre Zeit. Das zeigt etwa die sowjetische Verwechslungskomödie Ironija Sudby ( dt. Ironie des Schicksals) aus den 1970ern, aus der Filmzitate in die Alltagssprache übergegangen sind. Wir haben den Silvesterklassiker zum Jahreswechsel vorgestellt, als Start ins dekoder-Kinojahr.

    Gefördert von der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. entschlüsseln Wissenschaftler aus Slawistik und Filmwissenschaft nun jeden Monat einen anderen Film im dekoder Kino. Im Mai betritt die Kleine Vera die Filmbühne. Das Melodram aus dem Jahr 1988 ist von Bildern und Stimmungen der Perestroika geprägt, in der zarte Hoffnungen einer jungen Generation auf neue Chancen mit Abhängigkeit, Trostlosigkeit und Gewalt kollidieren. 

    dekoder Kino wird auch durch verschiedene frühere Sowjetrepubliken führen.

    Bei allen Filmen, die wir in diesem Format präsentieren, ist uns wichtig, dass sie auch legal im Internet zugänglich sind – mindestens mit englischen Untertiteln, um schnell und direkt ein Tor in diese Welt zu eröffnen. Jedenfalls einen ersten Spalt breit. Weiterschauen, Recherchieren, Entdecken, Kaufen, Verschenken – und hoffentlich abendelang Versinken kann dann jeder selbst.

    Dabei viel Freude, wünscht

    dekoder-Mitarbeiterin Mandy Ganske-Zapf

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    Editorial: Gnose und Gnu

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    Editorial: Wenn es kompliziert wird

    Editorial: Lesen, Wischen, Recherchieren

  • Editorial: Lesen, Wischen, Recherchieren

    Editorial: Lesen, Wischen, Recherchieren

    Liebe dekoder-Leserinnen und -Leser,

    normalerweise melden sich an dieser Stelle die redaktionellen Macher von dekoder zu Wort – für das heutige Editorial wurden wir gebeten, einige Zeilen beizusteuern – was wir sehr gerne tun!

    Wir sind das Palasthotel, Gesellschaft für digitale Pracht mbH. Wir sind die technischen Macher, die dem dekoder-Team beim Aufbau der Seite geholfen haben. Vor allem bei der Programmierung und Realisation der Seite mit dem Content-Management-System Drupal, aber auch konzeptionell und gestalterisch, um die von Herausgeber Martin Krohs im Artikel Unser Geist so wunderbar beschriebene Idee von Assoziationen, Querverweisen und mehrdirektionalen Diagonalen im Internet in eine reale und responsive, also auch mobil vollständig benutzbare Webseite zu verwandeln.

    Für die kombinierte Darstellung der zentralen Artikel und ihrer weiterführenden Begriffserklärungen (Gnosen) entwickelten wir ein Design, das sich an die Bedienung alter Mikrofiche-Lesegeräte anlehnt, bei denen der Benutzer den Mikrofilm unter dem Objektiv hin- und herschiebt. Auf dekoder.org verschiebt der Leser die Spalten Medien und Gnosen und kann bequem zwischen Inhalten wechseln. Um dieses ungewöhnliche Design zu realisieren, haben wir das ein klein wenig unflexible Drupal nicht nur mit unserer OpenSource-Eigenentwicklung Grid ausgestattet, mit dem Redaktionen möglichst komfortabel Landingpages mit statischen sowie dynamischen Inhalten bestücken können. Sondern wir haben mittels jQuery und Ajax auch dafür gesorgt, dass die beiden Inhaltsbereiche (links Medien, rechts Gnosen) animiert hin und her verschoben werden können. Javascript sorgt dann für das asynchrone Nachladen von Inhalten sowie entsprechende Animationen.

    Damit sich die dekoder-Redaktion hinter dem Vorhang, also im Innern des Redaktionssystems, im täglich größer werdenden Meer aus verknüpften Artikeln und Gnosen trotzdem möglichst gezielt und genau bewegen kann, zeigt ein sich permanent selbst aktualisierendes Modul alle bereits bestehenden Verweise zwischen verschiedenen Inhalten an. Dabei werden Querverbindungen nicht nur manuell, sondern auch vollautomatisiert hergestellt: Ein von uns gebauter Autolinker durchsucht die Texte in Echtzeit auf Schlagwörter aus Gnosen-Titeln und verlinkt sie entsprechend. Ungewollte Autoverlinkungen können dabei natürlich auch ausgeschlossen werden – um zu vermeiden, dass Sie als Leser etwa im Wort SchaFSBock einen Link auf den russischen Inlandsgeheimdienst FSB angeboten bekommen. Die Redaktion kann sich also meist auf das reine Erstellen neuer Inhalte konzentrieren, um das hypertextuale Netz immer noch dichter und größer aufzuspannen.

    Wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen, Wischen, Recherchieren, Assoziieren – und sich einfach mal Verlieren!

    Sascha Hagemann
    Palasthotel, Gesellschaft für digitale Pracht mbH 

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    Editorial: Gnose und Gnu

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    Editorial: Wenn es kompliziert wird

    Editorial: Popcorn!

  • Editorial: Wenn es kompliziert wird

    Editorial: Wenn es kompliziert wird

    Sei es die europäische Flüchtlingskrise, sei es der Ukraine-Konflikt: Wenn fundamental gegensätzliche Narrative das Gespräch erschweren oder gar unmöglich machen – was ist da die Rolle der Medien? Um Fragen wie diese ging es auf der n-ost Medienkonferenz On the Tightrope. Journalism in a polarized Europe, zu der an diesem Wochenende in Moskau mehr als 100 Teilnehmer zusammenkamen. Wir von dekoder waren als Medienpartner dabei und haben in unserem Workshop Curate, Translate, Contextualize intensiv darüber diskutiert, inwiefern ein Nationalgrenzen überschreitender Journalismus eine Antwort auf die Herausforderungen für einen Dialog sein kann. 

    Vor allem aber haben wir viele spannende Menschen kennengelernt – darunter nicht wenige, die wir auch schon auf dekoder übersetzt haben: Etwa Irina Prochorowa, die neulich im Meduza-Interview eine neue politische Sprache forderte. In ihrem Diskussionsbeitrag betonte sie, dass totalitäre Ideen derzeit in Ost wie West attraktiv und populär werden, und rief zu einer gemeinsamen Anstrengung auf, um sie zu überwinden: „Russland und Europa“, sagte sie, „sitzen im selben Boot.“

    Alexey Kovalev, der Nudelentferner, berichtete über die Anfänge seines Projekts InoSMI.ru, das ausländische Medienartikel ins Russische übersetzt und inzwischen – ohne ihn – Teil der staatlichen Medienagentur Rossija Sewodnja ist. Von Dmitry Okrest konnten wir uns nochmal ausführlich schildern lassen, was Besucher im militärpatriotischen Park Patriot erwartet. Und daheim bei Olga Beshlej (die mit dem riesigen rosa … und der hassgeliebten Studienkameradin aus Lettland) haben wir – ganz nach sowjetischer Tradition – bis spät in die Nacht philosophisch-politische кухонные разговоры, Küchengespräche, geführt. 

    Die großen Probleme konnten in diesen drei Tagen nicht geklärt werden. Viele der Panel-Diskussionen schienen die Kommunikationsschwierigkeiten eher zu veranschaulichen als zu lösen. Und dennoch ist es gut zu wissen, dass es so viele Menschen gibt, die sich auch in einer derart polarisierten Welt und allen oft ernüchternden Resultaten zum Trotz immer wieder zusammensetzen, um nach einer gemeinsamen Sprache zu suchen – Menschen, denen gerade aufgrund der bestehenden Deutungs- und Meinungsunterschiede an einem tieferen Verständnis der Lage gelegen ist.

    „Russland und Europa sitzen im selben Boot.“ (Irina Prochorowa)
    „Russland und Europa sitzen im selben Boot.“ (Irina Prochorowa)

    Das nehmen wir dankbar mit, um auch weiterhin mit unseren Artikelübersetzungen, Gnosen und Presseschauen einen Beitrag zu leisten dafür, dass Ost und West füreinander lesbar werden. Mehr und mehr bemühen wir uns, dabei neben den Text auch das Bild zu stellen: Mit unseren Infografiken haben wir im vergangenen Monat ein neues Format eingeführt, um Informationen unmittelbar visuell darzustellen. 

    Die Grafiken zeigen etwa, wie sich Putins Umfragewerte über die letzten Jahre entwickelt haben, wie sich die neu gewählte und in dieser Woche konstituierende Duma zusammensetzt oder welche statistischen Anomalien der Physiker Sergej Schpilkin bei der Dumawahl festgestellt hat. Bei fast allen Darstellungen lässt sich dabei allerlei klicken, auseinander- und zusammenschieben oder auswählen – es war uns wichtig, dass die Grafiken viele interaktive Möglichkeiten bieten, was technisch gesehen mitunter unerwartet kompliziert war. Aber so ist es eben mit der Interaktion: Es ist nicht immer einfach, sie in Gang zu bringen. Doch wenn sie einmal funktioniert, dann lohnt sie sich.

    Es grüßen aus Moskau

    Social-Media-Redakteur Daniel Marcus und Gnosen-Redakteur Leonid Klimov

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    Editorial: Gnose und Gnu

    Editorial: Es geht los

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    Editorial: dekoder-Gnosmos

    Editorial: Übers Übersetzen

    Editorial: Lesen, Wischen, Recherchieren

    Editorial: Popcorn!

  • Editorial: Übers Übersetzen

    Editorial: Übers Übersetzen

    Was ist nötig, liebe Leserinnen und Leser, damit diejenigen von euch, die kein Russisch können, die Texte bei dekoder lesen können? Genau, die Artikel müssen übersetzt werden. 

    Wir bei dekoder übersetzen in mehrfacher Hinsicht. Denn Übersetzen, das meint auch ein Auswählen, ein Auslassen, ein Hinzufügen und ein Einordnen: Es beginnt mit unserer Textauswahl, geht weiter mit dem Kuratieren der Texte und endet mit dem Erstellen von Gnosen und Blurbs. Aber all das würde nichts nützen, wenn nicht vorher eine Übersetzerin oder ein Übersetzer den einzelnen Text im ganz herkömmlichen Wortsinn vom Russischen ins Deutsche übersetzen würde. Der September ist nun der Monat, wo in immer breiteren Kreisen an das Übersetzen gedacht und nicht zuletzt das Übersetzen gefeiert wird: Denn am 30. September ist der Internationale Übersetzertag.

    Unser Anliegen ist es, euch mit jeder Veröffentlichung einen interessanten und gut übersetzten Text zu bieten, den man gern liest und der euch russische Realitäten näherbringt, ohne das Relief des Fremden abzuflachen. Dafür braucht es entsprechende Übersetzer – und das sind spannende Wesen: Sie müssen einerseits genau sein, wie nur irgendwas, und andererseits geradezu freiheitsliebende Anarchisten, die alle Regeln über Bord zu werfen imstande sind, wenn es nötig ist – ungefähr in diese Worte fasste das mal eine Kollegin. Wir haben solche bei uns im Boot.

    Im September wird dekoder nun auch beginnen, visuell zu übersetzen: Infografik heißt das Zauberwort, das komplexe Wirklichkeiten in Bilder fasst. Ihr werdet sie bald bei uns entdecken!

    Wie immer bringt der neue Monat auch neue Bilder auf unserem dekoder Visual – vielleicht unser einziges Format, bei dem wir gar nichts übersetzen: Wir klappen einfach ein Fenster auf, durch das man direkt nach Russland hineinschauen kann. Diesmal auf die Fischer der Insel Sachalin, nördlich von Japan im Ochotskischen Meer, mit denen der Fotograf Oleg Klimov auf See gefahren ist. 

    Aber zurück zum Übersetzen. Den Monat des Internationalen Übersetzertags wollen wir außerdem zum Anlass nehmen, die Biografien unserer Übersetzerinnen und Übersetzer auf unserer Seite zu ergänzen. So erfahrt ihr mehr über den Menschen, aus dessen Feder die deutsche Veröffentlichung geflossen ist.

    Noch nie habe ich einen Text geschrieben, in dem das Wort Übersetzen so oft vorkam. Aber es ist ein schönes Wort. Wir bei dekoder danken allen, die für uns übersetzen, für die wunderbare Zusammenarbeit. Ein Hoch aufs Übersetzen, auf die, die es tun, und auf die, die es wertschätzen! 

    Und last but not least: dekoder gibt es heute genau seit einem Jahr! Hurra!

    Herzlich,
    eure dekoder Übersetzungsredakteurin
    Friederike Meltendorf

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    Editorial: Gnose und Gnu

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    Editorial: dekoder-Gnosmos

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    Editorial: Popcorn!

  • Editorial: dekoder-Gnosmos

    Editorial: dekoder-Gnosmos

    Bei unserer Gnosen-Umfrage, liebe Leser, konntet Ihr zwischen drei Themen auswählen: Ella Pamfilowa, Sowjetmensch und Russische Rockmusik. Die meisten Likes haben entschieden – und hier ist sie nun, die Gnose zu einem zentralen Phänomen der politischen Kultur der UdSSR: dem Sowjetmenschen.

    Normalerweise wählen wir  unsere Gnosen-Themen so aus: Wir scannen den journalistischen Artikel, den wir übersetzen, auf Begriffe und Formeln, die einer Entschlüsselung bedürfen. Für manche davon reicht eine lexikalische Notiz: die nennen wir Blurb, das ist ein kleines Textfenster, das aufspringt, wenn Ihr mit der Maus drauf geht. Weiterführende Begriffe dagegen, die wir zu Knotenpunkten unseres dekoder-Wissensnetzes machen wollen, lassen wir „vergnosen“. Konkret heißt das: Wir beauftragen Experten, einen Artikel darüber zu schreiben. Und tragen so das Wissen aus den Forschungszimmern der Institute in den öffentlichen Raum des Internets.

    Der Weg, den wir nun mit der Umfrage eingeschlagen haben, ging nun nicht vom Artikel zur Gnose, sondern andersherum: Ihr habt einen dieser Knotenpunkte ausgewählt, und wir fragten als Autor für die Gnose über den Sowjetmenschen Benno Ennker (geb. 1944) an – einen Osteuropahistoriker mit Lehraufträgen in St. Gallen und Tübingen, der schon seine Doktorarbeit zum Thema Leninkult geschrieben hat. Wir konnten uns sicher sein, dass der Wissenschaftler das Thema sowohl mit Leidenschaft als auch mit nötiger Distanz beleuchten wird. Außerdem haben wir zur Gnose einen Artikel gefunden – den wir Euch morgen präsentieren werden. 

    Dekodieren, das hieß in diesem Fall: In Zusammenarbeit mit dem Autoren zerlegten wir die so vielfältige Chiffre des Sowjetmenschen in ihre Einzelteile, übersetzten ihren Kontext und fügten alles zu einer systematischen, gut verständlichen Analyse zusammen.

    Der Sowjetmensch ist einer der zentralen Bezugspunkte, mit denen wir Russland entschlüsseln können. So eröffnet die Gnose viele neue Blickwinkel innerhalb unseres „Gnosmos“: etwa zum Begriff des Liberalen, der im Russischen schon seit Sowjetzeiten eine negative Bedeutung hat. Auch der Anpassungsdruck der Kommunalka – einer Lebensform der Sowjetmenschen im Kleinen – lässt sich besser verstehen, wenn man den Anpassungsdruck auf den Sowjetmenschen im Großen kennt.

    Schon bald werden wir außerdem zeigen, wie die Kraft der Rockmusik daran mitwirkte, den Mythos über diesen Idealmenschen ins Wanken zu bringen. Wir werden uns auf den Sowjetmenschen beziehen, wenn wir Euch bald den großen Unterschied zwischen Russen und Russländern präsentieren. Deshalb möchten wir Euch für Eure Auswahl danken!

    Wenn Ihr Euch durch den dekoder „Gnosmos“ klickt, werdet Ihr außerdem viele weitere solcher Bezüge, Querverweise und Ergänzungen entdecken.

    Wir wünschen Euch viel Freude beim Lesen,

    Eure dekoder Gnosenredakteure
    Anton Himmelspach und Leonid A. Klimov

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    Editorial: Gnose und Gnu

    Editorial: Es geht los

    Editorial: Unser Geist …

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  • Editorial: Unser Geist …

    Editorial: Unser Geist …
    Foto © Theaucitron
    Foto © Theaucitron

    … liebe dekoder-Leser, funktioniert ja meist ziemlich anarchisch. Nur selten hangelt er sich zielstrebig von einem Gedanken fort zum nächsten. Seine Bewegung gleicht eher dem Gang über ein lockeres Wolkenfeld: Da ist zwar manchmal ein gezielter Sprung von einem wattigen Gebilde zum nächsten angesagt, an anderen Stellen aber wollen so viele Assoziationen, Erinnerungen, Vermutungen andocken, dass es einen nach rechts und links und noch in mehrere Diagonalen zugleich weiterzieht.

    Im Zeitalter der papierenen Bücher und der Bibliotheken war es eine mühsame Sache, solchen Querverbindungen des Geistes zu folgen. Man musste sich durch Fußnoten, Verweisapparate und Bibliographien kämpfen, es dann mit Zettelkatalogen und Bibliothekaren aufnehmen, und wenn man schließlich die nächste ersehnte Gedankeninsel in den Händen trug, war der Grund, aus dem man sie aufsuchen wollte, vielleicht schon fortgeweht.

    Das Internet macht es uns heute viel einfacher, in alle Richtungen zugleich zu lesen – so, wie die Dynamik unseres Geists und unseres Hirns es uns vorschlägt. Der Hyperlink hat aus dem Text das gemacht, was er ursprünglich schon einmal gewesen sein sollte: eine Textur, ein Gewebe, in dem die Fäden in Kreuzform ineinandergelegt sind.

    Das muntere Sprießen des Netzes bringt aber auch eine Gefahr mit sich: die nämlich, von den allseits lockenden Linkkaskaden fortgetragen zu werden. Jeder hat ja schon erlebt, wie sich ein neugieriger Klick auf eine vermeintlich notwendige Zusatzinfo hinterrücks in eine ausgewachsene Prokrastinations-Sitzung verwandelte. Nicht, dass nicht auch das gelegentlich produktiv sein könnte. Aber will man bei einem Thema bleiben, dann ist eben das richtige Verhältnis zwischen grob angepeiltem Kurs und seitlichen Sprung- und Abzweigungsmöglichkeiten entscheidend.

    Sie ahnen, worauf ich hinaus will. Natürlich können Sie einen journalistischen Artikel hernehmen und immer dann, wenn ein Begriff Ihre Aufmerksamkeit erregt oder ein Fakt nach Überprüfung ruft, ein weiteres Browserfenster öffnen und dort Google oder Wikipedia befragen. Aber nicht nur bekommen Sie dabei Material höchst unterschiedlicher Güte geboten, das Sie zunächst selbst wieder auf seine Verlässlichkeit überprüfen müssen. Sie laufen auch Gefahr, sich nach einiger Zeit nicht auf einer tragfähigen und für Ihre Frage relevanten Gedankenscholle wiederzufinden, sondern weit abseits, in irgendeinem Wolkenkuckucksheim.

    Deshalb ist bei dekoder die Grundidee, dass sich alles bereits beieinander befindet, was man für den Ritt durch ein Thema benötigt: Der Haupt-Text, der zu einem Ziel will, und der Kon-Text, der sich beidseits von ihm aufbauscht. Auf  langgestreckten Wolkenbahnen kann man so seiner eingeschlagenen Richtung folgen und dennoch den Bedürfnissen des lesenden Geistes nach dem Links und dem Rechts, dem Kreuz und dem Quer nachgehen: Man hat gewissermaßen das Beste beider Welten.

    In solchen hybriden Textformen steckt viel Zukunft, davon bin ich überzeugt. Stand das vielleicht mit dahinter, als dekoder Ende Juni in Köln mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde? Der renommierte Preis geht an „herausragende Beiträge, die demonstrieren, wie das Internet oder Apps für aktuelle Formen des Online-Journalismus und der Informationsvermittlung eingesetzt werden können“. Die Auszeichnung jedenfalls ist gerade für ein so junges Medium wie dekoder von hochmotivierendem Wert.

    Eine flüssige Juli-Lektüre wünscht –  egal ob längs, kreuz oder quer – Ihr

    Martin Krohs
    Herausgeber

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  • Editorial: Es geht los

    Editorial: Es geht los

    Liebe dekoder-Leser,

    начинается, es geht los, und das in vielerlei Hinsicht: Nicht nur die Sommersonne lacht endlich vom Himmel, auch bei dekoder tut sich viel Neues und Erfreuliches. 

    Aufmerksame Leser haben’s längst bemerkt: Seit Mai sieht unsere „Presseschau“ ganz anders aus. Das Format erscheint nun in loser Folge zu jeweils nur einem, dafür aber besonders wichtigem Thema – wie etwa der Freilassung Sawtschenkos, den Entwicklungen beim unabhängigen Investigativmedium RBC oder dem Tag des Sieges.

    Zu jedem Thema bringen wir mehrere und unterschiedliche Stimmen: aus staatlichen wie unabhängigen Medien, aber auch Social Media und Blogs. Dazu stellen wir übersetzte Textausschnitte: In einer Box können Sie jeweils zwischen dem Original-Absatz und seiner Übersetzung hin und her schalten (und unseren Übersetzern auf die Finger gucken). Diese Änderungen geben uns die Möglichkeit, den Fokus zu weiten und die russischen Medien-Debatten zu einzelnen, aktuellen Themen für Sie in ihrer ganzen Breite abzubilden. 

    Zu den Besonderheiten von dekoder zählt sein hybrides Format, der Mix aus Artikeln und Gnosen. Das spiegeln auch Sie uns immer wieder, wenn Sie uns etwa auf neue Gnosen-Themen aufmerksam machen. Diesen Dialog mit Ihnen wollen wir in Zukunft ein bisschen weiter treiben: In den nächsten Tagen werden wir eine kleine Umfrage auf Facebook starten, welche Gnose Sie auf dekoder gerne lesen möchten. Wir freuen uns schon auf Ihre Vorschläge!  

    Und weil Festivals mindestens so zum Sommer gehören wie pivo und moroshenoje (Bier und Eis), gibt es bei uns diesen Monat Sommer, Sonne, Groove satt – in unserem aktuellen Visual von Fotograf Nikita Shokhov. Er hat die besondere Festival-Mischung aus Sex, Drugs and Rock’n’Roll mit direktem Blick eingefangen: nackte, tanzende Körper, ausgelassenes Feiern und die Stille abseits am See.

    Aufregend wird es für uns nochmal am Monatsende: Am 24. Juni wird der Grimme Online Award in Köln vergeben. dekoder ist nominiert – drücken Sie uns also die Daumen und wir freuen uns, wenn Sie hier bis einschließlich 16. Juni für uns abstimmen. Herzlichen Dank!

    In jedem Fall: Auch Ihnen einen spannenden Sommeranfang mit viel Rock’n’Roll, pivo und moroshenoje,

    Ihre Tamina Kutscher
    Chefredakteurin

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    Editorial: Gnose und Gnu

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  • Editorial: Gnose und Gnu

    Editorial: Gnose und Gnu
    Foto © R4vi/flickr.com
    Foto © R4vi/flickr.com

    Wieso eigentlich Gnose? Was soll das heißen? Wieso benutzt ihr so ein seltsames Wort?

    Zugegeben, „Gnose“ war zu Anfang einfach interner dekoder-Slang. Bei uns gibt es ja zwei Typen von Inhalten: übersetzte russische Medienartikel (die wir sinnvollerweise einfach „Artikel“ nennen) und wissenschaftliche Erklärungstexte von Forschern aus Universitätsinstituten. Wie soll man die nennen, im alltäglichen Redaktionsbetrieb, um nicht durcheinanderzukommen? „Wissenschaftliche Hintergrundtexte“? „Erklärstücke“? „Kontextinformationen“? Alles sperrig und nicht wirklich gut, vor allem, wenn das journalistische Pendant einen so griffigen und kurzen Namen hat.

    Also musste etwas anderes her, und das ist eben das Wort Gnose. Wie Dia-gnose, wie Pro-gnose, nur ohne Vorsilbe. Das Wort passt perfekt, es kommt von griechisch gnosis, Erkenntnis, und das ist ja, was diese Texte liefern sollen: Einsicht in ein spezifisches Thema, wissenschaftlich fundiert, knapp und gut lesbar.

    Der Ausdruck hat sich bei uns in kürzester Zeit eingebürgert. Wir haben eine Gnosenredaktion (Jan Matti und Leonid), wir reden von „Gnosisten“ (die Autoren der Gnosen – Standardfrage: „Haben wir einen Gnosisten für Thema XY?”), Artikel gehen erst online, wenn sie vollständig vergnost sind, und demnächst werden wir die Gnosennavigation auf dem Site verbessern (ja, hier ist ein update geplant, um die Gnosen besser zugänglich zu machen!).

    Uns selbst fällt schon überhaupt nicht mehr auf, dass das Wort irgendwie ungewöhnlich sein könnte. Also benutzen wir es auch nach außen hin. Es existiert ja sonst auch tatsächlich kein besonders passender Name für diese Textform (an der wir gemeinsam mit den Gnosisten immer weiter arbeiten, damit sie noch gnosiger wird: inhaltlich vielfältiger, anschaulicher, „aromatischer“ …).

    Nun gibt es Leute, die nicht gern gn sprechen am Wortbeginn. Man kann das auch verstehen, die Anlautung erfordert Gaumendruck. Außerdem ist gn in unserem phonologischen Ökosystem recht selten. Doch gerade deshalb möchten wir euch bitten, wohlwollend mit ihm umzugehen. Wie mit einem bedrängten Tier der Savanne – sagen wir: einer südafrikanischen Kuhantilope. Der knappe Bestand an gn ist unbedingt schützenswert. Also: Gnade dem Gnu! (und dem gnatzigen Gnom aus dem Gneis, denn auch der hats nicht leicht). (Und den Gnosen natürlich auch.)

    Damit auch für heute gnug …

    Ihr Martin Krohs
    Herausgeber

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