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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Administrative Ressource

    Administrative Ressource

    Am 24. März 20061 fuhr der Polit-Stratege Wladislaw Surkow in eine unscheinbare Nebenstraße im Moskauer Stadtteil Kitaj-Gorod. Hier, unweit der FSB-Zentrale an der Lubjanka, befand sich das Hauptquartier der Russischen Partei des Lebens. Surkows Mission war es, diese winzige Öko-Partei des Putin-Vertrauten Sergej Mironow mit einigen anderen kleineren Gruppen zu einer Mitte-Links-Partei mit Wachstumspotential zusammenzuführen. Mit ausdrücklicher Unterstützung des Präsidenten sollte so eine neue loyale Kraft geschaffen werden, die in kontrollierter Konkurrenz zur Regierungspartei steht und diese möglicherweise eines Tages würde ersetzen können. Ein, wie Surkow es ausdrückte, zweites Standbein der Macht.2 Es soll hier nicht um die Partei Gerechtes Russland gehen, die infolge dieser Aktion entstand – sondern darum, was Surkow dort eigentlich tat, an diesem Freitag in Kitaj-Gorod.

    Der Kreml-Berater – damals war Surkow stellvertretender Chef der einflussreichen Präsidialadministration – bediente sich des sogenannten administratiwny ressurs (dt. Administrative Ressource). Dieser relativ unscharfe Begriff wird im politischen Diskurs Russlands und anderer post-sowjetischer Staaten oft verwendet. Er ist mitunter schwer von einfacher Korruption zu unterscheiden, da die Nutzung der Administrativen Ressource oft nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Folgen hat. Im weitesten Sinne bezeichnet er eine Art Amtsbonus: Einen Vorteil, den Amtsinhaber aus ihrer formalen Machtposition ziehen und gegenüber Mitbewerbern und Kontrahenten in Wirtschaft und Politik einsetzen können. In diesem Fall nutzte Surkow die hohe Organisationsfähigkeit der staatlichen Behörden und die informellen Verbindungen zwischen Mironow und Putin, um die politische Landschaft im Sinne der Regierung zu beeinflussen.

    Die Administrative Ressource (im Russischen meist abgekürzt: „adminressurs“) ist also das Potential von Vertretern der Exekutive auf allen Verwaltungsebenen, organisatorische und finanzielle Ressourcen innerhalb des Staatsapparates für die eigenen Zwecke zu nutzen. Dazu zählen die Mehrheitsbeteiligung des Staates an den größten Fernsehsendern ebenso wie die Möglichkeit, Polizei, Sicherheitsdienste, Gerichte und zahlreiche Lizenzierungsbehörden für Einflussnahme auf den politischen Prozess zu missbrauchen.3 Durch Einsatz dieser Instrumente werden unter anderem Wählerstimmen mobilisiert und unerwünschte Kandidaten und Gruppen eingeschüchtert oder ganz aus dem Rennen genommen – zum Beispiel durch plötzliche polizeiliche Ermittlungen.

    Die vielen Gesichter des adminressurs

    Ein Beispiel: Im September 2013, kurz vor den Bürgermeisterwahlen in Moskau, häuften sich die Berichte, dass Rentner Anrufe von der Pensionsverwaltung erhielten. Die Beamten stellten den Senioren einen Präsentkorb mit Nahrungsmitteln in Aussicht – wenn sie ihn spätestens bis zum Tag vor den Wahlen abholen würden.4 Bediente sich der amtierende (und später wiedergewählte) Bürgermeister Sergej Sobjanin seiner Behörden, um eine wichtige Wählergruppe mithilfe von Geschenken von sich zu überzeugen?

    Ein weiteres Beispiel: Im April 2016 durchsuchte die Steuerfahndung Büros der ONEXIM-Gruppe von Michail Prochorow. Der Firmengruppe gehört unter anderem das Investigativportal RBC. Das Medium war, so interpretierten es zahlreiche Beobachter, in seiner Berichterstattung zu weit gegangen und wurde durch den Einsatz der Steuerbehörde nun subtil darauf hingewiesen. Die Chefredaktion musste gehen.

    Schließlich ein Fall, den die Organisation Golos im August 2016 aufdeckte: Von 241 Firmen, die im Jahr 2015 über eine Million Rubel an die Partei Einiges Russland gespendet hatten, erhielten 80 im Laufe des Jahres staatliche Aufträge im Gegenwert von mehr als dem Zehnfachen des gespendeten Betrags.5 Über den Umweg von Unternehmen, die für ihre Spenden „belohnt“ wurden, gelangten so effektiv Staatsmittel in die Kassen der Regierungspartei. Hier überschneiden sich Korruption und Nutzung der Administrativen Ressource.6

    Die Sache hat System

    All diese Fälle von Parteigründungen und indirekter -finanzierung über Wahlgeschenke bis hin zum gezielten Einsatz der Steuerfahndung zeigen, wie breit das Spektrum der Administrativen Ressource ist. Wie zentral dieses Phänomen ist, wird jedoch noch einmal deutlicher, wenn man es in einen breiteren analytischen Zusammenhang stellt.

    Der Politikwissenschaftler Richard Sakwa sieht Russland als „dualen Staat“: Einerseits strukturiere die Verfassung das politische Geschehen, indem sie demokratische Verfahren als Legitimationsgrundlage politischer Handlungen definiere und Normen der Rechtsstaatlichkeit setze. Formal müssen sich alle Akteure daran orientieren. Andererseits werde diese konstitutionelle Ordnung ständig durch informelle Praktiken der Exekutive samt ihrer Beamtenschaft konterkariert: Diese parallele Existenz von zwei widersprüchlichen Funktionsprinzipien – dem demokratisch-konstitutionellen und dem informell-„parastaatlichen“ – hemme die Entwicklung hin zu offenem demokratischem Wettbewerb, schütze aber zugleich auch vor einem Abgleiten in vollumfänglichen Autoritarismus.7

    Begriff und Gebrauch der Administrativen Ressource zeigen genau diese Doppelbödigkeit, die Hybridität der russischen Politik. Regime, die keinen Wert auf demokratische Legitimation legen, müssen sich keiner komplexen legalistischen Mittel bedienen, um ihre Ziele zu erreichen. Die russische Verfassung hingegen – und das Bedürfnis, nach außen auf demokratische Verfahren innerhalb des Landes verweisen zu können –  zwingt die Eliten dazu, ihre politischen Ziele wenigstens formal innerhalb der geltenden Regeln zu verfolgen. Daher die Parteigründungen auf Initiative des Kreml, daher die Steuerfahndung, und daher auch die Wichtigkeit der Wahlen – an deren Ausgang auch aufgrund des Einsatzes der Administrativen Ressource kaum ein Zweifel besteht.


    1. Vielleicht auch am 26. – die Quellen widersprechen sich hier. Für einen Auszug aus dem geleakten Gesprächsprotokoll des Treffens siehe: Kommersant: Stenogramma-minimum ↩︎
    2. March, Luke (2009): Managing opposition in a hybrid regime: Just Russia and parastatal opposition, in: Slavic Review 68(3), S. 504-527, hier S. 511 ↩︎
    3. Siehe etwa Hale, Henry (2005): Regime Cycles: Democracy, Autocracy and Revolution in Post-Soviet States, in: World Politics 58(1), S. 133-165, hier S. 144; Blakkisrud, Helge (2011): Medvedev’s New Governours, in: Europe-Asia Studies, 63(3), S. 367-395, hier S. 386 ↩︎
    4. Slon.ru: Moskovskaja mėrija zadarivaet pensionerov produktovymi naborami ↩︎
    5. Rbc.ru: «Golos» obnaružil schemu skrytogo finansirovanija «Edinoj Rossii» ↩︎
    6. Eine Einführung in die Begrifflichkeit und auch die wirtschaftliche Dimension der Administrativen Ressource gibt der Ökonom Rustem Nureew hier: Administrativnyj resurs i ego ėvoljucija v postsovetskoj Rossii ↩︎
    7. Sakwa, Richard (2010): The dual state in Russia, in: Post-Soviet Affairs, 26(3), S. 185-206 ↩︎

    Diese Gnose wurde gefördert von der Robert Bosch Stiftung.

    Weitere Themen

    Presseschau № 30: RBC – Medium unter Druck

    Präsidialadministration

    Dimitri Peskow

    Jedinaja Rossija

    Wladislaw Surkow

    Polittechnologie

  • FAQ zur Dumawahl 2016

    FAQ zur Dumawahl 2016

    Am 18. September 2016 wird in Russland die Staatsduma gewählt, das Unterhaus des russischen Parlaments. Aber was heißt „wählen” in Russland? dekoder gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen:

    DIE DUMA

    1. Was überhaupt ist die Duma?

    2. Was macht die Duma eigentlich? Entscheidet Putin nicht eh alles selbst?

    3. Warum wird die Duma als „durchgedrehter Drucker“ bezeichnet?

    DIE WAHL

    1. Steht das Ergebnis der Wahl nicht sowieso schon fest?

    2. Warum geht dann überhaupt jemand wählen?

    3. Was haben Karusselle, Reigen und Kreuzfahrten mit den Wahlen zu tun?

    4. Wieso wird der ehemalige Vorsitzende der Wahlkommission Wladimir Tschurow auch  „Zauberer“ genannt?

    5. Es gibt 2016 doch einige Neuerungen im Wahlmodus. Machen diese die Wahl nicht auch demokratischer?

    6. Nach der letzten Wahl gab es 2011/12 heftige Proteste. Ist damit in diesem Jahr wieder zu rechnen?

    7. Wenn es ihr angeblich doch nur darum geht, an der Macht zu bleiben, warum führt die Regierung dann Wahlen durch?

    8. Warum gilt Einiges Russland  als Machtpartei, obwohl Putin gar kein Mitglied ist?​

    9. Gibt es denn eine richtige Opposition in Russland?

    10. Was gehen uns im Westen die Wahlen in Russland an?


    DIE DUMA

    1. Was überhaupt ist die Duma?

    Die Staatsduma ist das Unterhaus des russischen Parlaments, sie ist also mit dem Deutschen Bundestag vergleichbar. Die 450 Abgeordneten, die im Gebäude am Ochotny Rjad im Herzen Moskaus arbeiten, dürfen offiziell ansonsten ausschließlich wissenschaftlichen oder künstlerischen Tätigkeiten nachgehen. Sie werden in der kommenden Legislaturperiode alle Gesetzesentwürfe – die sowohl von ihnen selbst als auch von anderen Staatsinstanzen eingebracht werden – besprechen, redigieren, annehmen oder ablehnen.

    Allerdings gehört die Duma zu denjenigen politischen Institutionen, die am wenigsten Vertrauen im Volk genießen. An manchen Tagen scheint die Duma nur zur Hälfte besetzt, und viele Abgeordnete stimmen für ihre fehlenden Kollegen ab. Auch die Tatsache, dass viele Millionäre im Parlament sitzen, dürfte zum schlechten Ruf der Duma beitragen.

    Es ist also denkbar, dass die bisherige kleine Duma-Riege der populären Stars, Sportler, Filmleute und Playboy-Sternchen diesmal erweitert wird, um die unpopuläre Duma populärer zu machen. Manche Kandidaten der Regierungspartei Einiges Russland, die aus den Reihen der nationalpatriotischen Dachorganisation Volksfront rekrutiert werden, sollen außerdem mehr Bürgernähe in die Volkskammer bringen. ­­­

    2. Was macht die Duma eigentlich? Entscheidet Putin nicht eh alles selbst?

    So einfach ist das nicht. Zwar ist das Regierungssystem Russlands (semi)präsidentiell – der Präsident hat hier also das verfassungsmäßige Recht, an der Duma mit Hilfe eines Ukas vorbei zu regieren. Allerdings tut er das aber weitaus seltener, als beispielsweise noch sein Vorgänger Boris Jelzin.

    Das sogenannte „System Putin“ zeichnet sich dennoch durch eine Art politische Deckungsgleichheit von Präsident, Parlament und anderen Staatsorganen aus. Bei schwach ausgeprägter Gewaltenteilung zählt nicht nur die Machtpartei Einiges Russland zum politischen Lager des Präsidenten. Auch der Großteil der parlamentarischen Opposition steht hinter ihm. Deshalb wird diese oft auch als Systemopposition bezeichnet.

    Da dem Präsidenten also eine starke eigene Mehrheit in der Duma zur Verfügung steht, kann er sich meistens darauf verlassen, dass die dort getroffenen Entscheidungen seinem politischen Kurs entsprechen.

    3. Warum wird die Duma als „durchgedrehter Drucker“ bezeichnet?

    Die Duma beschließt Gesetze – in den vergangenen Jahren sogar so viele Gesetze, dass es ihr den sarkastischen Beinamen des „durchgedrehten Druckers“ einbrachte. Ihren Rekord von 2007 bis 2011 mit durchschnittlich circa 395 Gesetzen pro Jahr konnte sie mit entsprechenden 363 Gesetzen in der Legislaturperiode 2011 bis 2016 allerdings nicht toppen. Zum Vergleich: Der Deutsche Bundestag verabschiedete zwischen 2009 und 2013 durchschnittlich circa 138 Gesetze pro Jahr.

    Der „Drucker“ gilt auch deshalb als „durchgedreht“, weil er eine Menge repressiver Gesetze produziert.

    Doch allein die schiere Menge ist ein wichtiges Indiz für rechtsstaatliche Defizite: Da Bürger sich ständig an die fortwährenden Neuerungen anpassen müssen, bewirkt die Gesetzesschwemme eine instabile Rechtslage.

    Außerdem haben Bürger ob der Schnelligkeit kaum die Möglichkeit, den Gesetzgebungsprozess konsequent zu verfolgen und gegebenenfalls darauf einzuwirken. Wie auch in anderen (semi)autokratischen Systemen fallen Entscheidungen oft plötzlich und überraschend. Das schafft ein Klima der Unsicherheit und zementiert Machtstrukturen.

    DIE WAHL

    1. Steht das Ergebnis der Wahl nicht sowieso schon fest?

    Wahrscheinlich werden die meisten Wähler ihre Stimme für die Regierungspartei Einiges Russland abgeben. Und das hat zwei wichtige Gründe:

    Da der Großteil der Medienlandschaft Russlands staatlich kontrolliert wird, werden die meisten Medien den Wahlkampf der Machtpartei Einiges Russland unterstützen und ihr zum Triumph verhelfen. Die Staats- und staatsnahen Medien, vor allem TV-Sender, bieten nur staatstreuen Akteuren Präsenz beziehungsweise Sendezeiten. Deshalb lernt die Mehrheit der Wähler schlicht keine anderen Wahlinhalte kennen.

    Neben dieser medialen Ressource verfügt Einiges Russland auch über die sogenannte Administrative Ressource – einen Amtsbonus, der Möglichkeiten bietet, eigene Regeln durchzusetzen und somit auch den Wahlausgang zu beeinflussen. Diese Gründe sprechen dafür, dass die Machtpartei also mit höchster Wahrscheinlichkeit gewinnen wird.

    ​2. Aber warum geht dann überhaupt jemand wählen?

    Die offizielle Wahlbeteiligung bei Parlamentswahlen liegt meist zwischen 55 und 65 Prozent. Damit liegt Russland im osteuropäischen Durchschnitt. Dass viele Menschen zur Wahl gehen, obwohl sie sicher sind, dass es keine Überraschungen geben wird, kann viele Gründe haben:

    Die Partei Einiges Russland  ist weniger beliebt als der Präsident, da sie aber als Machtpartei gilt, wählen die Unterstützer von Präsident und Regierung mehrheitlich Einiges Russland. Da außerdem zurzeit viel von äußeren Bedrohungen die Rede ist, kann eine solche Wahl einen demonstrativen Schulterschluss mit der nationalen Führung ausdrücken. Zusätzlich werden in staatlichen Einrichtungen wie Kasernen, Schulen oder Behörden und auch in manchen Unternehmen Wahlempfehlungen für die Regierungspartei ausgesprochen.

    Wähler, die sich politischen Wandel wünschen, diskutieren dagegen häufig, ob es sich unter den gegebenen Umständen überhaupt lohnt, zur Wahl zu gehen. Dabei unterscheiden sich die Positionen: Die einen glauben, dass Beteiligung an den Wahlen die zunehmend undemokratischen Institutionen legitimiert, die anderen finden, dass man jede noch so kleine Gelegenheit nutzen sollte, die eigene Stimme einzubringen.

    3. Was haben Karusselle, Reigen und Kreuzfahrten mit den Wahlen zu tun?

    Bei der Dumawahl 2011 gab es zahlreiche Hinweise auf organisierte Form von Wahlfälschungen: Karussell (oder Kreislauf) nennt sich eine Methode, die sehr häufig kritisiert wurde. Dabei wird dem Wähler ein Anreiz geboten, einen bereits ausgefüllten Stimmzettel in die Wahlurne zu stecken und den leeren dem Karussell-Organisator zu übergeben. Dieser füllt den leeren Zettel aus und übergibt ihn dem nächsten Wähler.

    Kreuzfahrten (oder Bächlein bzw. Reigen) werden demgegenüber mit gefälschten Unterlagen durchgeführt. Diese entbinden den Wähler vom Wahlbezirk und ermöglichen ihm so eine mehrfache Stimmabgabe in verschiedenen Wahlbezirken. Die Kreuzfahrt-Organisatoren sorgen dafür, dass die Wähler (zumeist in Bussen) vom einen zum anderen Wahllokal gebracht werden. Das Entgelt für diese Wahlfälschungsmethoden, die gemeinhin unter dem Begriff Karussell subsumiert werden, erhalten die Wähler im Nachhinein.

    4. Wieso wird der ehemalige Vorsitzende der Wahlkommission Wladimir Tschurow auch  „Zauberer“ genannt?

    „Sie sind ja fast ein Zauberer“, lobte Dimitri Medwedew den Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission Wladimir Tschurow, nachdem dieser bemerkt hatte, dass seine Prognose zur Dumawahl 2011 näher am Endergebnis lag, als die Prognosen von zehn Meinungsforschungsinstituten. Der Spott über die Zauberkräfte Tschurows entlud sich in anschließenden Protesten, die eine Untersuchung der Wahlfälschungsvorwürfe forderten.

    Tschurow wurde zu einem sarkastischen Abziehbild der Manipulationen, die Metapher des Zauberns wurde scheinbar aufs Engste mit der Zentralen Wahlkommission verknüpft – bis März 2016, als Tschurow überraschenderweise durch Ella Pamfilowa, ehemals Vorsitzende der Menschenrechtskommission, ersetzt wurde.

    5. Es gibt 2016 doch einige Neuerungen im Wahlmodus. Machen diese die Wahl nicht auch demokratischer?

    Die Dumawahl 2016 läuft – wie schon zwischen 1993 und 2003 – wieder nach dem sogenannten Grabenwahlprinzip ab. Das ist eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahl. Dabei hat jeder Wahlberechtige zwei Stimmen: eine für einen Kandidaten im lokalen Wahlkreis und eine für eine Parteiliste. Die Wahlen von 2007 und 2011 dagegen waren nach reiner Verhältniswahl erfolgt, das heißt: die Duma wurde ausschließlich durch Parteilisten besetzt.

    Eine weitere Änderung in diesem Jahr ist die Absenkung der Sperrklausel von sieben auf fünf Prozent. Obwohl dies den kleineren Parteien den Einzug ins Parlament erleichtern soll, wird damit gerechnet, dass sie dennoch an der Einzugshürde scheitern werden. Die Rückkehr des Grabenwahlsystems bietet zugleich einen Vorteil für die Machtpartei Einiges Russland: In den Wahlkreisen reicht die einfache Mehrheit aus, um den Sitz zu erringen, die Stimmen für die anderen Kandidaten gehen verloren.

    Während diese Neuerungen also eher Vorteile für Einiges Russland bringen werden, spricht zurzeit viel dafür, dass die Wahl freier ablaufen wird als 2011. Präsident Wladimir Putin hat Stabilität und Vertrauen der Bürger zu Schlüsselfaktoren in der Entwicklung Russlands erklärt. Auch andere wichtige Hinweise deuten darauf hin, dass die politische Elite des Landes ein neuerliches Bolotnaja-Szenario der Jahre 2011/12 vermeiden will. Der zu erwartende Triumph von Einiges Russland wird diesmal wohl nicht von Wahlfälschungsvorwürfen überschattet.  

    Vor allem die Ernennung Ella Pamfilowas zur Leiterin der Zentralen Wahlkommission stellt eine Wahl ohne Fälschungen in Aussicht. Pamfilowa, die zuvor das Amt der Menschenrechtsbeauftragten bekleidete, hat sich mehrmals als eine scharfe Kritikerin der politischen Situation Russlands gezeigt. Oppositionelle Kräfte begrüßten die Quasi-Absetzung ihres Vorgängers Wladimir Tschurow. Sie äußerten aber zugleich die Skepsis, dass mit der Personalentscheidung nur eine demokratische Kulisse geschaffen werde, hinter der ein unfaires System aus Filtern und Barrieren bestehe, das echte politische Konkurrenz verhindere.

    6. Nach der letzten Wahl gab es 2011/12 heftige Proteste. Ist damit in diesem Jahr wieder zu rechnen?

    Ein Wiederaufflammen der politischen Proteste von 2011/12 ist unwahrscheinlich. Denn zurzeit wird vieles dafür getan, um Wahlfälschungen wie 2011 zu vermeiden. Die meisten Wahlberechtigten begrüßen tatsächlich den aktuellen politischen Kurs, viele sehen dazu keine Alternative, einige sind im Zuge der autoritären Konsolidierung unpolitisch geworden und gehen gar nicht erst wählen.

    Diejenigen, die sich aus demokratischen Erwägungen gegen den Kurs des „Systems Putin“ stellen, rufen zu Wahlboykotten auf. Doch die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor unterbindet die Aufrufe teilweise, in dem sie die entsprechenden Internet-Ressourcen blockt.

    Nicht zuletzt weil die Wahl auf einen Termin kurz nach den Sommerferien vorverlegt wurde, dürfte die Wahlbeteiligung niedrig bleiben – und damit die faktische Legitimität der Duma schmälern.

    7. Wenn es ihr angeblich doch nur darum geht, an der Macht zu bleiben, warum führt die Regierung dann Wahlen durch?

    Formal ist Russland eine repräsentative Demokratie – und in einer solchen finden Wahlen statt. Zwar wurde die demokratische Substanz der Verfassung in den vergangenen 15 Jahren abgebaut, unter anderem durch Politisierung der Justiz, staatliche Kontrolle von Medien, Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten und repressive Gesetze. Doch niemand in der Regierung hat ein Interesse daran, die Wahlen als solche abzuschaffen.

    Sie dienen erstens zur formalrechtlichen Legitimierung der Wahlsieger.

    Zweitens können dadurch frische Kandidaten der Regierungspartei ins Parlament geholt werden – und so weniger effektive oder unpopuläre Abgeordnete ersetzen.

    Drittens sind die Wahlen und die damit verbundenen öffentlichen Auseinandersetzungen ein guter Stimmungstest: Regierungen benötigen Unterstützung in der Bevölkerung und müssen daher wissen, was im Volk so los ist.

    8. Warum gilt Einiges Russland als Machtpartei, obwohl Putin gar kein Mitglied ist?

    Vordergründig geht es um eine machttragende Partei, also eine Partei, die in der Duma die meiste Macht hat. Einiges Russland ging aus den Parlamentswahlen 2003, 2007 und 2011 als jeweils stärkste Kraft hervor. Sie ist außerdem mit über zwei Millionen Mitgliedern die zahlenmäßig größte Partei Russlands.

    Doch ist der Begriff mehrdeutig, und die synonyme Verfestigung von Einiges Russland und Machtpartei verweist darauf, dass diese politische Kraft auch machtnah ist. Da die politische Macht durch die Person des Präsidenten verkörpert wird, und Einiges Russland sich nur sehr selten als uneinig mit ihm zeigt, wird die Machtpartei oft als ein Zustimmungsinstrument des „Systems Putin“ gesehen, das dazu da sei, dem präsidentiellen Kurs weitere Legitimität zu verleihen.​

    9. Gibt es denn eine richtige Opposition in Russland?

    Der Begriff der Opposition funktioniert in Russland anders als in Westeuropa. Zwar gibt es auch in Russland die begriffliche Trennung zwischen Parteien, die gerade an der Regierung sind und solchen, die sich in der Opposition befinden. Legt man diesen formalen Maßstab an, dann sind alle Parteien außer Einiges Russland zurzeit Oppositionsparteien. Allerdings wird häufig noch eine weitere Differenzierung vorgenommen: die drei parlamentarischen Oppositionsparteien KPRF, LDPR und Gerechtes Russland gelten als Systemopposition; das heißt, dass diese Parteien ihren nachgeordneten Platz akzeptiert haben und zum „System Putin“ – dem einheitlichen politischen Lager des Präsidenten – gehören.

    Viele kleinere, liberale, kommunistische und nationalistische Parteien dagegen bilden die Nicht-System-Opposition. Diese fordert Wladimir Putin und die Regierung offen heraus. Die Unterscheidung ist allerdings weniger trennscharf als der Begriff suggeriert.

    10. Was gehen uns im Westen die Wahlen in Russland an?

    Wie spätestens die Ukraine-Krise gezeigt hat, ist die Stimmungslage innerhalb Russlands und sind die damit zusammenhängenden politischen Entscheidungen für Europa und die Welt von großer Bedeutung. Wer daran interessiert ist, dass sich die Spannungen zwischen Russland und dem Westen langfristig wieder abbauen, der kommt nicht umhin, sich mit den innerrussischen Entwicklungen zu beschäftigen – nicht zuletzt, um angemessen reagieren zu können: Das Erstaunen über Russlands harsches Vorgehen in der Ukraine-Krise zeigt auch, dass viele in Europa sich nur unzureichend mit Russland beschäftigt hatten. Deswegen sind die Wahlen, die Beziehungen zwischen den politischen Kräften und der Fortgang der politischen Diskussionen in Russland für westeuropäische Beobachter ebenso wichtig wie Entwicklungen in Frankreich oder den USA.

    Text: dekoder-Redaktion
    Veröffentlicht am 18.08.2016

     


    Dieser Text wurde gefördert von der Robert Bosch Stiftung.

  • Wahlen, na und?!

    Wahlen, na und?!

    Stell dir vor, es sind Wahlen und keinen interessiert’s. Was sind dann die Gründe dafür? Auf Poslednije Tridzat – einem Portal, das die Entwicklung seit der Perestroika in den Blick nimmt – analysiert Gleb Tscherkassow die kurze demokratische Tradition in Russland: Präsidentschaftswahlen gab es erstmals vor 25 Jahren. In den 1990er und 2000er Jahren sei die direkte Teilnahme der Bürger am politischen Prozess mehr und mehr durch Polittechnologien ersetzt worden, meint Tscherkassow. Für den stellvertretenden Chefredakteur des Kommersant tragen allerdings nicht nur korrupte oder autokratische Politiker die Schuld, sondern vor allem auch die Bürger selbst.

    Nach einer kleinen politischen Kampagne wurde Boris Jelzin 1991 zum Präsidenten der RSFSR gewählt – eine Briefmarke erinnert an seinen Wahlsieg / Bild © gemeinfrei
    Nach einer kleinen politischen Kampagne wurde Boris Jelzin 1991 zum Präsidenten der RSFSR gewählt – eine Briefmarke erinnert an seinen Wahlsieg / Bild © gemeinfrei

    Ein gutes Bild für die Geschichte der Wahlen im zeitgenössischen Russland ist das alte Gleichnis vom Vater, der seinen in Wohlstand und Müßiggang aufgewachsenen Sohn ausschickt, um Geld zu verdienen. Die Mutter hat mit ihrem Herzensjungen Mitleid und gibt ihm heimlich Geld: Da, gib das dem Vater, sag ihm, du hättest es selbst verdient. Der Sohn gibt dem Vater das Geld, und der wirft es ins Feuer. Der Sohn zuckt mit den Schultern, bekommt am nächsten Tag wieder Geld von der Mutter und sieht es wieder verbrennen. Schließlich hat die Mutter kein Geld mehr und der Sohn muss es wirklich selbst verdienen. Als er ein paar Münzen nach Hause bringt, wirft der Vater sie wieder in den Ofen. Der Sohn schreit auf und beginnt, das Geld aus der heißen Kohle zu scharren. Da sagt der Vater: „Jetzt sehe ich, dass du das Geld selbst verdient hast.“

    Freie Wahlen entsprachen Flügen in andere Galaxien

    1987 entsprachen direkte, gleiche und freie Wahlen in etwa Flügen in andere Galaxien: Irgendwann ja, aber nicht in absehbarer Zukunft, weil es unmöglich ist. Bereits zehn Jahre später hatte jeder Bürger das Recht, die gesamte Regierung zu wählen, von der lokalen Selbstverwaltung bis zum Präsidenten.

    Was in anderen Ländern jahre- und jahrzehntelang erkämpft wurde, bekam die russische Bevölkerung mit  – nach historischen Maßstäben – minimalem Aufwand.

    Michail Gorbatschow wurde im März 1990 auf einem Kongress der Volksdeputierten zum Präsidenten der Sowjetunion gewählt. Boris Jelzin wurde 1991 bereits in allgemeinen Wahlen zum Präsidenten der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) gewählt, nach einer kleinen politischen Kampagne und einem Referendum über die Einführung des Präsidentenamtes.

    Von den Wahlen erwartete man Wunder

    Das sind wohl die einzigen Beispiele dafür, dass sich die Bürger für ihr Wahlrecht einsetzten. Genau deswegen gelten die späten 1980er und frühen 1990er Jahre auch als Zeit eines außergewöhnlichen politischen Elans. Die Konzentration von Ereignissen führte zu Hoffnungen, die in einem anderen Moment nicht hätten entstehen können.

    Von den Wahlen erwartete man Wunder. Es schien, als würde es genügen, bestimmte Gesetze zu erlassen, damit alles sehr gut würde. Vielleicht sogar ausgezeichnet. Und um diese Allheil bringenden Gesetze zu erlassen, brauchte man nur die Richtigen zu wählen.

    Man wählte. Die Gewählten versuchten anfänglich sogar, die Allheil bringenden Gesetze zu erlassen. Das unvermeidliche Ausbleiben der gewünschten Ergebnisse führte man darauf zurück, dass man doch nicht ganz die Richtigen gewählt hatte.

    Als sich die Hoffnungen nicht erfüllten, begann man den Wahlen fernzubleiben, und zwar ohne damit besonderen Widerstand leisten zu wollen. Es heißt, das habe unter Wladimir Putin begonnen, aber den Präzendenzfall gab es schon während der Regierungszeit seines Vorgängers Boris Jelzin:

    1993 wurden beide Kammern der Föderationsversammlung durch Direktwahlen bestimmt. 1995 war die Präsidialverwaltung aber sehr interessiert daran, ihre Beziehungen zu den regionalen Eliten zu verbessern. Aus diesem Grund entstand ein Gesetzesentwurf, der vorsah, den Föderationsrat durch regionale Gouverneure und Vorsitzende der Regionalparlamente zu ergänzen. Die Öffentlichkeit nahm das gleichgültig hin. Das System zur Bildung des Oberhauses, sprich des Föderationsrats, hat sich seither mehrmals geändert, aber von Direktwahlen war nie mehr die Rede.

    Die Öffentlichkeit nahm alles gleichgültig hin

    Auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion war Russland beinahe das einzige Land, in dem regionale Regierungsoberhäupter, meist heißen sie Gouverneure, direkt gewählt wurden. Zunächst in den Jahren 1993 bis 2004; seit 2012 ist das nun wieder so. Die Erinnerung an öffentliche Kampagnen für die Einführung der Gouverneurswahlen beziehungsweise gegen ihre Abschaffung fällt schwer. Es gab nämlich keine. Es heißt zwar, dass man sich auf dem Bolotnaja Platz 2011 unter anderem für die Gouverneurswahlen einsetzte. Falls es diese Forderung tatsächlich gab, war sie sicherlich keine der vorrangigen.

    Dasselbe gilt für die Abschaffung der Einerwahlkreise: Ohne Trauer nahm man 2004 die Abschaffung zur Kenntnis, ohne Freude 2012 die Wiedereinführung.

    Würde man die Dumawahlen abschaffen, gäbe es wohl kaum Protest

    Die Abschaffung direkter Bürgermeisterwahlen, die im Moment flächendeckend stattfindet, stößt zwar auf Widerstand, der aber in keinem Verhältnis zur Bedeutung des Prozesses steht. Öffentliche Anhörungen, zwei, drei Kundgebungen, ein paar Artikel und Blogeinträge.

    Gut möglich, dass es keine großen Proteste geben würde, wenn sich morgen herausstellt, dass die Dumawahlen  leider aus irgendeinem Grund abgeschafft werden müssten. Warum sollte man denn groß Lärm schlagen?

    Übrigens hat sich die große Masse der Bürger schon lange bevor man den Wahlen fernblieb vom alltäglichen politischen Engagement verabschiedet. Das Verständnis dafür, dass das Einwerfen des Wahlzettels nur ein winziger Teil einer großen Aufgabe ist, verlor sich in den frühen 1990er Jahren beinahe sofort.

    An der Aufstellung der Kandidaten mitwirken, ihre Programme diskutieren, Unterstützung organisieren, Stimmen verteidigen, gegen Wahlverstöße protestieren – mit all dem haben sich zu wenige Bürger über zu kurze Zeit befasst. Alles war so schnell gegangen, dass man das Gefühl hatte, es gebe nichts weiter zu tun und man brauche sich nur noch an den Früchten der Demokratie zu erfreuen. Und als diese Früchte ausblieben, war man enttäuscht.

    Politisches Engagement als Synonym für Idiotie

    Politisches Engagement wurde allzu bald zu einem Synonym entweder für prinzipienloses Karrieredenken oder für offenkundige Idiotie. Aus diesem Grund führten die Polittechnologen ihre Kampagnen schon Mitte der 1990er Jahre lieber ohne Aktivisten durch. Mit angeheuerten Helfern ging es einfacher.

    In Wirklichkeit hat der rasante Aufschwung der Polittechnologie über die vergangenen 25 Jahre in Russland damit zu tun, dass ein Ersatz für politisch engagierte Bürger hermusste. Wo es keine Begeisterung gibt, braucht es Instrumente und die Fähigkeit, die Massen zu lenken. Die besten Polittechnologen gingen aus der demokratischen Welle hervor, nur galten die Werte, die ihnen in den späten 1980er Jahren noch am Herzen lagen, bereits zehn Jahre später nur noch bedingt.

    Eigentlich haben dieselben Leute die Wahlen eingeführt, die sie später zu Grabe trugen. Dahinter steckte keine Absicht, man entschied sich nicht bewusst dafür, die Wahlen in einen Wettlauf der Beschaffung von Geld und Technologie zu verwandeln. Die Werte änderten sich schleichend, nach und nach. Es ist kein Zufall, dass die Polittechnologen aus den späten 1980er Jahren beinahe immer nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Umgebung überzeugen mussten, dass ihr Kandidat, ihre politische Kraft gar nicht so schlecht sei, letzten Endes vielleicht sogar besser als die anderen.

    Eigentlich haben dieselben Leute die Wahlen eingeführt, die sie später zu Grabe trugen

    Die Kriege der begeisterten Söldner konnten nicht ewig weitergehen. 2011 war der Anstieg des politischen Engagements deswegen so fühlbar, weil Tausende Menschen nicht einfach nur an Kundgebungen teilnahmen oder Wahllokale aufsuchten, sondern Wahlkommissionen beitraten und so ihre Bereitschaft zeigten, sich über längere Zeit politisch zu engagieren. Vielleicht wird das alles im Sande verlaufen. Möglich ist aber auch, dass der wiedererwachte Wunsch, wenigstens ein bisschen Kraft und Zeit in den politischen Umbau zu stecken, früher oder später Früchte tragen wird.


    Diese Übersetzung wurde gefördert von der Robert Bosch Stiftung.

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    FAQ zur Dumawahl 2016

  • Duma: Masse statt Klasse?

    Duma: Masse statt Klasse?

    Die kritische Internet-Community nennt sie oft den „durchgedrehten Drucker“, der massenhaft Gesetze ausspuckt: die russische Staatsduma. Die Volkskammer der sechsten Legislaturperiode (seit der Verfassungsreform von 1993, mit der das Parlament eingeführt wurde) hat Ende Juni ihre Arbeit beendet. Nach der parlamentarischen Sommerpause stehen im September 2016 Neuwahlen an.

    Nach heftigen Wahl-Protesten hatte die sechste Staatsduma im Dezember 2011 ihre Arbeit aufgenommen und in der Zeit bis Ende Juni 2016 mehr Gesetze beschlossen, als in jeder Legislaturperiode zuvor. Der Paukenschlag kam vor der letzten Sitzung: Das umstrittene Anti-Terrorpaket mit womöglich verheerenden Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit, nach der initiierenden Abgeordneten auch JarowajaGesetz genannt, wurde durchgewunken.

    Es ist nicht der einzige umstrittene Gesetzesentwurf der vergangenen Legislaturperiode: Das Dima-Jakowlew-Gesetz, das unter anderem US-Amerikanern die Adoption russischer Kinder verbietet, ein weiteres Gesetz, das homosexuelle „Propaganda“ unter Strafe stellt, das NGO-Agentengesetz, wonach NGOs nicht mit ausländischen Geldern finanziert werden dürfen, sowie die rechtlichen Grundlagen für die Angliederung der Krim 2014 – das sind nur einige der Neuerungen, die zwischen 2011 und 2016 verabschiedet wurden.

    Zur finalen Sitzung fand Präsident Wladimir Putin lobende Worte und dankte den Abgeordneten unter anderem für ihre „konsolidierende Unterstützung“ zum Wohle Russlands.

    Doch welch politisches Klima bleibt nach so viel Gesetzesnovellen und -änderungen? Wie sehr kann die Duma parlamentarischen Kompetenzen nachgehen? Die renommierte Politologin Ekaterina Schulmann zieht auf Vedomosti kritische Bilanz.

    Präsident Wladimir Putin dankt den Duma-Abgeordneten für ihre „konsolidierende Unterstützung“ zum Wohle Russlands – Foto © kremlin.ru
    Präsident Wladimir Putin dankt den Duma-Abgeordneten für ihre „konsolidierende Unterstützung“ zum Wohle Russlands – Foto © kremlin.ru

    Russlands sechste Staatsduma hat ihre Arbeit für die laufende Legislaturperiode abgeschlossen. Fünf Jahre und neun Sitzungsperioden liegen hinter uns, mit über 6000 zur Prüfung vorgelegten Gesetzesentwürfen und 1816 neuen Gesetzen, 383 davon allein in der letzten Sitzungsperiode.

    Pro Sitzungsperiode hat die Staatsduma in der sechsten Legislaturperiode  zwischen 150 und 380 Gesetze verabschiedet. Zum Vergleich: Der Kongress der Vereinigten Staaten hat seit Januar 2015 183 Gesetze beschlossen; in der zweijährigen Legislaturperiode werden in den USA zwischen 175 und 279 neue Gesetze verabschiedet.

    „Je verdorbener der Staat, desto mehr Gesetze hat er“

    Was macht den Gesetzgebungsprozess derart schnell? Und warum bringen gerade semiautokratische Regime so viele Gesetze hervor? Dafür gibt es dreierlei Gründe – zwei schlechte und einen eher guten.

    Der erste Grund für die ungesunde gesetzgeberische Produktivität ist allgemeiner Natur und betrifft nicht nur das gegenwärtige politische System Russlands: Eine instabile Rechtslage ist per se gut für den Staat und schlecht für den Bürger. Es ist der Staat, der jedes neue Gesetz implementiert, und unabhängig von dessen Inhalt ist ein Teil des Verwaltungsapparats jeweils damit beschäftigt, es umzusetzen und Verstöße zu ahnden. Jedes neue Gesetz bedeutet neue Befugnisse und neue Möglichkeiten. Den Bürger seinerseits schützt bekanntlich Unwissenheit vor Strafe nicht – und die fortwährende Änderung der Regeln, nach denen er lebt, macht ihn in jedem Moment zum potentiellen Gesetzesbrecher. „Corruptissima re publica plurimae leges“, heißt es bei Tacitus: Je verdorbener der Staat, desto mehr Gesetze hat er.

    Jedes Gesetz der Beginn eines Feuerwerks von Überraschungen

    Zweitens funktioniert der Entscheidungsprozess in einem System, das sich von der Außenwelt abschottet und nur einem immer enger werdenden Kreis von Akteuren und Einflussgruppen zugänglich ist, nach zwei Prinzipien: Schnelligkeit und Geheimhaltung – eine Entscheidung muss plötzlich und unerwartet fallen. Dementsprechend werden bei solchen Entscheidungen, auch den gesetzgeberischen, weder unabhängige Expertenmeinungen noch die öffentliche Meinung zugelassen.

    Einmal in der Welt, entspricht die Entscheidung dann oft nicht den Erwartungen ihrer Initiatoren; ihre Umsetzung bewirkt ein nicht endenwollendes Feuerwerk von Überraschungen – umgehend werden Nachbesserungen erforderlich: Bis zu 85 Prozent der Gesetzesinitiativen, die die Duma prüft, sind keine im eigentlichen Sinne neuen, sondern Abänderungen schon bestehender Gesetze. Die Verabschiedung eines Gesetzes ist im russischen System nicht das Ende, sondern der Anfang der Diskussion über die „Regelung“ einer Branche oder Sphäre.

    Viele Gesetze – besser als viele Dekrete

    Und damit kommen wir zum dritten Grund, in dem man mit einigem guten Willen die positive Seite der parlamentarischen Stoßarbeit sehen kann: In vielen (lateinamerikanischen, nahöstlichen) Autokratien, die Russland typologisch ähneln, werden sämtliche aktuellen Fragen des politischen Lebens durch Dekrete oder Erlasse des Staatsoberhaupts gelöst. Das Parlament hat rein dekorative Funktion – nicht in dem Sinn, dass es „nichts mitzureden hat“, wie man in Russland sagt, sondern dass es gar nichts mitzureden gibt: Es gibt keinen Bedarf an neuen Gesetzen.

    In Russland ist dieses „Dekretrecht“ relativ schwach ausgebildet; die Zahl und das Gewicht der Fragen, die qua Erlass des Präsidenten entschieden wurden, sind nach der Regierungszeit Boris Jelzins unter Wladimir Putin gesunken (siehe z. B. Thomas Remington: Presidential Decrees in Russia: A Comparative Perspective, New York 2014).

    Das heißt, statt eines rein formalen Parlaments mit einem ersten Mann an der Spitze, der die Strahlen seiner Gnade via Ukas aussendet, haben wir ein Parlament, das eine große Zahl von Gesetzen beschließt – die ihrerseits eine noch größere Zahl von gesetzlichen Bestimmungen nach sich ziehen.

    Doch auch unter den gegenwärtigen Bedingungen werden Gesetze offener formuliert und diskutiert als Präsidentenerlasse. Und selbst eine noch so streng reglementierte und zentralisierte Duma ist allemal transparenter als jedes Ministerium – von der Präsidialadministration ganz zu schweigen.

    Kaum ein gutes Wort

    Über die nun zu Ende gegangene sechste Legislaturperiode wird kaum jemand ein gutes Wort verlieren. Der Präsident rechnete ihr in seiner Abschlussrede eine Reihe legislativer Maßnahmen als Verdienst an, mit denen sie nur sehr am Rande zu tun hatte, insbesondere die sogenannte rechtliche Integration der Krim.

    Aus einem anderen Blickwinkel kann man das scheidende Parlament dafür loben, dass es das Interesse der Bürger und der Medien für den Gesetzgebungsprozess verstärkt hat, ja, dass es die Bürger des Landes zu ersten Аnsätzen von Rechtsbewusstsein gezwungen hat. Und sei es nur in Form der permanenten Sorge, es könnte schon wieder die nächste Scheußlichkeit beschlossen worden sein. Die früher nur von einschlägigen Spezialisten und Duma-Mitarbeitern frequentierte Parlaments-Internetseite ASOZD gehört mittlerweile zu den populärsten im Runet.

    Russland und der Welt vorgeführt, wie man Gesetze eben nicht diskutiert

    Abgesehen davon war der sechsten Staatsduma nichts zu schade, um Russland und der Welt vorzuführen, wie man Gesetze eben nicht diskutiert und verabschiedet und wie es in einem funktionierenden Parlament nicht zugehen sollte: Gesetzesprüfungen im Eilverfahren durchpeitschen, parlamentarische Verfahrensweisen missachten und zentrale Debatten unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, Kompetenzen an die Exekutive abgeben, die damit verbundene Rechenschaftspflicht aber behalten, Abgeordnete der Fraktions- und Parteiführung unterwerfen und Elemente eines imperativen Mandats einführen – das sind Sünden gegen den Parlamentarismus.

    Die Verabschiedung einer ganzen Reihe von repressiven, expropriatorischen, rückwärtsgewandten und im Wortsinn volksfeindlichen Gesetzen war erst deren Folge.

    Drei Gruppen schädlicher Gesetze

    Rekapitulieren wir, welche Art von Schaden die scheidende Duma Russlands Rechtssystem im einzelnen zugefügt hat. Das Massiv der verabschiedeten Gesetze lässt sich nach Quantität und Schädlichkeit in drei Gruppen unterteilen:

    Die erste Gruppe, das sind überaus medienwirksame neue Gesetze, die am meisten Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es geht dabei um konkrete Verbote, also Rechtsnormen, die bestimmte Handlungen untersagen: die Teilnahme an Demonstrationen, das Verunglimpfen der Staatsführung im Internet, den Besitz von Medienunternehmen (für Ausländer), die Entgegennahme von Spenden aus dem Ausland (für NGOs).

    Zu dieser Gruppe gehören auch diverse Verschärfungen im Straf- und im Strafvollzugsrecht: die Einführung von neuen Straftatbeständen und neuem Strafmaß im Strafgesetzbuch, die Verlagerung von bestimmten Tatbeständen aus dem Verwaltungs- ins Strafrecht.

    Den konkreten Verboten schließen sich konkrete Geldabgaben an: diverse neu eingeführte Steuern und Abzüge, die Erhöhung von Verbrauchssteuern und Gebühren, das Einfrieren vermögensbildender Rentenanteile, die Umverteilung von Staatseinnahmen weg von den Bürgern hin zum Verwaltungsapparat.

    So verheerend die Verbote und Geldabgaben für diejenigen sind, die sie zu spüren bekommen: Was die Gesundheit des Rechtssystems und ihre Auswirkungen angeht, sind sie eher punktuell und wieder gutzumachen. Rechtsnormen dieser Art lassen sich leicht aufheben, und der Schaden, den sie anrichten, ist reparabel.

    Nicht die Härte der Gesetze ist das Problem – sondern ihre Vagheit

    Doch diese Kategorie eher stumpfer gesetzgeberischer Werkzeuge wird erweitert durch Gesetze, die auf subtilere Weise Schaden anrichten: das sind Rechtsnormen, die Kompetenzen und Vollmachten in die unteren Etagen der Verwaltungspyramide verlagern.

    Der zentrale Hebel der Repression in Russlands Regierungspraxis ist nicht die Härte der Gesetze, sondern deren Vagheit.

    An der Mehrzahl der neuen strafrechtlichen Normen – dem Extremismusgesetz, dem Betrugsparagraphen, den Bestimmungen des NGO-Gesetzes über ausländische Agenten – lässt sich das gut ablesen. Was ist Extremismus, worin unterscheiden sich unternehmerische von betrügerischen Aktivitäten, wann liegt eine politische Tätigkeit vor, was hat man unter Propaganda nichttraditioneller Familienwerte zu verstehen?

    Die betreffenden Gesetze sind entweder so allgemein formuliert, dass sie sich auf alles mögliche anwenden lassen, oder so nebulös, dass man überhaupt nicht versteht, was gemeint ist. In der Praxis bedeutet das, dass die Ausdeutung der jeweiligen Rechtsnorm delegiert wird – an den Abschnittsbevollmächtigten, den Ermittler, den Gerichtsgutachter, den Mitarbeiter des Justizministeriums.

    Am Ende profitiert die Exekutive

    Die Duma, die sich den Ruf des größten Gendarms und Schutzherrn unserer Zeit erworben hat, stattet auf diese Weise also keineswegs sich selbst mit immer größeren Befugnissen aus, sondern die Mitarbeiter der Exekutive und des Justizvollzugs.

    Dasselbe gilt für die Gesetze zur verschärften Kontrolle von Internet, Telekommunikation, Handelsketten oder Mobilfunkanbietern – überall profitiert am Ende die Struktur der Exekutive, deren Verordnung oder Dienstanweisung den jeweiligen Bereich reguliert, während das Gesetz nur auf die nachgeordnete Vorschrift verweist.

    Nachdem die Duma die Hoheit über Sanktionen wie Finanzen also der Exekutive überlassen hat, was bleibt ihr noch?

    Die gegenwärtige Lage konservieren

    Die dritte Kategorie gesetzgeberischer Neuerungen ist die Gruppe der konservativen Gesetze – konservativ nicht im Sinn des Schutzes „traditioneller Werte“, worin auch immer diese bestehen, sondern ganz wörtlich: Rechtsnormen, die darauf abzielen, die gegenwärtige Lage zu konservieren. Dazu gehören sämtliche Änderungen des Wahlgesetzes, Neuregelungen der Teilnahme an der Wahl, des Wahlkampfs, der Finanzierung, der Debatten, des Status des Abgeordneten und sogar, seltsamerweise, der Möglichkeit des Mandatsentzugs.

    So komplex und chaotisch diese Novellierungen auch waren (allein die 2014 verabschiedete neue Fassung des Gesetzes „Über die Wahlen der Abgeordneten der Staatsduma“ wurde schon achtmal geändert), so schlicht ist doch das Ziel, dem all diese Filter, Barrieren und Verbote dienen: Sie sollen denen, die im System sind, maximale Privilegien sichern, und gleichzeitig allen neuen, Systemfremden, als „Outsider” wahrgenommenen Elementen den Zugang dazu erschweren.

    Schweres Erbe

    So hat die Duma ihrer sechsten Legislaturperiode mithin die politische und wirtschaftliche Freiheit der Bürger eingeschränkt, sie hat die Exekutive mittels vage formulierter neuer Gesetze mit neuen Befugnissen ausgestattet und zum eigenen Vorteil die Zeit angehalten: Das ist, kurz gesagt, ihr gesamtes gesetzgeberisches Erbe.

    Von dem Stigma zweifelhafter Legitimität, das ihr von Anfang an anhaftete, suchte sie sich zu befreien, indem sie sich einer außenpolitischen Agenda anschloss, die sie nicht selbst formuliert hatte und auf die sie keinerlei Einfluss hatte.

    Dem Brauch der permanenten Korrektur folgend wird das nächste Parlament die Novellen der sechsten Staatsduma wiederum überarbeiten. Wie eine Sisyphusarbeit mutet dies umso mehr deshalb an, weil diejenigen, die die Gesetze beschlossen haben, weitgehend identisch sind mit denen, die sie aufheben.

    Noch die einfachste Aufgabe für die Zukunft dürfte sein, zuvor verschärfte oder detaillierter ausformulierte Rechtsnormen wenn nötig wieder „abzumildern“ oder zu „entbürokratisieren“ – eine neue Regierung oder politische Führung kann sich auf diese Weise leicht den Ruf von „Reformern“ erwerben (selbst wenn sie aus denselben Personen besteht wie zuvor).

    Schwerer wird es – falls überhaupt irgendjemand darin eine Notwendigkeit sieht –, das Ungleichgewicht zwischen den Gewalten zu korrigieren und einem verantwortungsvollen Parlament zumindest einen Teil seiner Kompetenzen zurückzugeben; noch schwerer bis unmöglich: seinen Ruf halbwegs wiederherzustellen.

    In dieser Hinsicht droht uns das Erbe der sechsten Legislaturperiode noch lange erhalten zu bleiben.

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  • Was bekommt der Wähler?

    Was bekommt der Wähler?

    Am 18. September 2016 sind Duma-Wahlen: sowohl für die Opposition als auch für die Regierungspartei Einiges Russland eine wichtige Wegmarke im aktuellen politischen Geschehen.

    Während die untereinander recht zerstrittene liberale Opposition eine Chance aufgreifen möchte, im Parlament vertreten zu sein, geht es für die Regierung darum, ihren Stand zu wahren. Zwar hat sie spätestens seit der Eingliederung der Krim einen sicheren Rückhalt in der Bevölkerung. Dennoch ist ihre Legitimität nach den umfassenden Wahlfälschungen 2011 und den massenhaften Protesten 2011/12 zumindest angekratzt. Dazu kommt die sich verschärfende Wirtschaftskrise, die sich mittlerweile auch auf die Sozialleistungen und die Renten auswirkt.

    Tatjana Stanowaja, Leiterin der Analyse-Abteilung am Zentrum für Politische Technologien, analysiert auf Slon.ru das politische Programm der Regierungspartei – und sieht vor allem einen großen Fehler.

     „Geld haben wir keins, aber haltet durch“ – Dimitri Medwedew auf der Krim. Foto © Dmitry Astakhov/TASS
    „Geld haben wir keins, aber haltet durch“ – Dimitri Medwedew auf der Krim. Foto © Dmitry Astakhov/TASS

    Bald sind Wahlen. Doch die Regierung lässt sich sichtlich Zeit damit, nach der Krim ein neues Programm auszuarbeiten – ein Programm mit einem zukunftsweisenden politischen Vorschlag.

    Der Kreml ist mit Außenpolitik beschäftigt, die Wirtschaft überlässt man Theoretikern, die offenbar unfähig sind, sich zu einigen, und in der Innenpolitik herrscht ein Kampf unter Gleichen: um die Rangordnung, nicht um Ideen.

    Die Wahlen scheinen zum planmäßigen Routineakt zu werden, und wer immer auch gewinnt, es wird jemand aus dem Putin-Lager sein. Sich in dieser Situation etwas Neues auszudenken, grandiose Pläne und Projekte zu ersinnen, dazu fehlt es an Geld genauso wie an Lust. Es ist nicht nur eine programmatische Krise, es ist ein programmatisches Vakuum.

    Man kann natürlich sagen, formal führe die Regierung ihr traditionelles Programm fort: Patriotismus, Souveränität, Erfüllung sozialer Verpflichtungen, Mai-Dekrete (an die man sich plötzlich erinnert), behutsamer Kampf gegen Korruption und sogar eine Entwicklungsstrategie für die nächsten 20 Jahre. Das ist es, was die politische Elite schon die ganzen vergangenen vier Jahre bei Wahlen vorgeschlagen hat. Packen wir noch – beide recht frisch – Krim nasch und die Importsubstitutionen dazu. Dem Volk gefällt’s. Und formal ist das natürlich ein Programm. Aber faktisch nicht.

    Die Ideologie der „belagerten Festung“, Isolationstendenzen, Abstriche in der Ukraine, die schwache Verhandlungsposition gegenüber dem Westen bei zunehmender hurra-patriotischer Rhetorik – all das ist eine Art Anpassung der Elite an die neue Wirklichkeit, in der für das einfache Volk praktisch kein Platz bleibt.  

    Buchstäblich das gesamte Programm von heute betrifft den staatlichen, nicht den privaten Bereich. Was hat die Regierung bei den Wahlen heute der Großmutter und dem Großvater, dem Arbeiter und Bauern, dem Angestellten und Unternehmer de-facto denn anzubieten?

    Das aktuelle politische Programm, mit dem die Staatsmacht zur Wahl antritt, ist diktiert von den Umständen und der objektiven Realität, in der zu leben die Regierungselite gezwungen ist. Die Schlüsselpunkte dieses Programms bedeuten, dass der Vertrag zwischen Gesellschaft und Staatsmacht neu geschrieben werden muss.

    Soziale Askese

    Punkt eins dieses Vertrags ist die soziale Askese. „Geld haben wir keins, aber haltet durch“, so lautet eine absolut nicht zufällige rhetorische Entgleisung  Dimitri Medwedews, die umgehend Wladimir Putins Unterstützung fand. Die Rentenerhöhung erfolgt nach dem Prinzip „was übrig bleibt“, die Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst kommt irgendwann später.

    Am Essen zu sparen ist gesund, echt russisch und richtig patriotisch. Der TV-Sender Erster Kanal berichtet dann, wie die westliche Konsumgesellschaft mit ihrer zu 70 % übergewichtigen Bevölkerung vor sich hin fault. „Friss Ananas, Bourgeois, und Haselhuhn, wirst bald deinen letzten Seufzer tun“ – das ist im heutigen Russland durchaus aktuell.

    Geld haben wir keins, und das wird sich auch nicht ändern: Diese Botschaft sendet die Regierung dem Volk, ohne sich dafür zu genieren oder sie wenigstens schön zu verpacken. Und noch ist das Volk bereit mitzumachen.

    „Putinisierung” der Elite

    Punkt zwei ist die Putinisierung der Elite. Bis 2014 sah die Machtkonstruktion des Regimes so aus: Auf der einen Seite stand Putin als alleiniger Herrscher, der das gesamte System legitimierte, auf der anderen Seite das Volk, das damit einverstanden war. Nach 2014, als gegen Russland Sanktionen verhängt wurden, wandelte sich „Putin“ von einem Personen- zu einem System-Phänomen. Zum nationalen Leader gesellt sich die „politisch verantwortliche Elite“, Putins Patrioten.

    Immer bemüht, seine Mitstreiter vor Sanktionen zu bewahren, muss Putin seine Legitimität nun mit einer beachtlichen Anzahl von Personen in seinem Umfeld teilen: mit den Rotenbergs, den Kowaltschuks, mit Timtschenko und Roldugin. Gern und freimütig teilt Putin seine Legitimität mit Leuten, die sehr bald zu renommierten Plünderern der Erfolge seiner Ära werden könnten.

    Für den einfachen Menschen hat diese einseitige Abänderung des Gesellschaftsvertrags auch eine ganz praktische Bedeutung. Die zeigt sich  etwa am Phänomen des Systems Platon, das öffentlich und unmissverständlich vom Präsidenten unterstützt wird.             

    Der Krieg

    Punkt drei ist der Krieg: Ein nicht erklärter hybrider Krieg gegen Russland, angezettelt von den Ländern des Westens beziehungsweise von den USA und ihren willenlosen Bündnispartnern. Man könnte meinen, genau hier gehe es um staatliche Interessen. Aber nein, hier doch gerade nicht. Der Staat stellt sich da ganz fest hinter die Interessen des Durchschnittsrussen, um ihn vor dem zersetzenden Einfluss des Westens zu beschützen.

    Beschränkungen bei Auslandsreisen, Rechenschaft über ausländische Konten bei der Steuerbehörde, verschärftes Strafmaß bei Teilnahme an Protestaktionen, strafrechtliche Verfahren wegen Weiterverbreitung von Beiträgen in sozialen Netzwerken, Kündigung von Arbeitsplätzen aufgrund politischer Meinungen, das Sperren von Websites der Nicht-System-Opposition, eine kritische Einschränkung von Qualitätsjournalismus zu Politik und Wirtschaft: Der Krieg aus dem Fernsehen greift langsam aber sicher auf das Privatleben zwar nicht aller, aber vieler über.

    Natürlich will heute keine Mehrheit gegen Putin protestieren. Auch vor fünf Jahren wollte sie das nicht – hätte aber protestieren können. Ja, heute verachtet die Mehrheit die Liberalen – aber vor fünf Jahren konnte man noch wählen zwischen hurra-patriotischen Medien und einer [unabhängigen – dek] Qualitätspresse. Wenn man sich heute in seiner Auswahl einschränkt, dann nicht mehr freiwillig, sondern gezwungenermaßen.

    Perfektionierung des Systems

    Der vierte Punkt ist, dass man das bestehende System perfektioniert, anstatt es zu verändern. Gleich wird’s mit der Wirtschaft bergauf gehen, das Schlimmste liegt hinter uns (und überhaupt war das nicht unsere Schuld), die Inflation sinkt. In der Politik läuft der demokratische Wettbewerb auf vollen Touren: zwischen der Gesamtrussischen Nationalen Front (ONF) und Einiges Russland (ER), innerhalb der Partei ER selbst, zwischen ONF und unabhängigen Kandidaten für Putin, zwischen unabhängigen Kandidaten für Putin und ER. Beinahe ein perfektes politisches System, beinahe eine effiziente Wirtschaft. „Bei uns ist alles gut“, das sagt Putin dem Volk seit drei Jahren.    

    So mancher könnte glauben, auf dem Programm stünden Reformen, doch das ist ein Irrtum: die Einbeziehung Kudrins in den Wirtschaftsrat ist nicht mehr als eine Suche nach politisch schönen Ideen. Sie zeugt aber nicht von irgendeinem Willen zur Veränderung.

    Objektiv gibt es kein einziges Signal, nicht den winzigsten Hinweis darauf, dass Putin zu einer tatsächlichen Transformation des Systems bereit wäre: zu Justizreformen, dem Schutz der Eigentumsrechte, zur Entwicklung von wirtschaftlichem Wettbewerb, zur Auflösung der Monopole  und realer Privatisierung (statt Minderheitsanteile an Freunde und Bündnispartner zu verkaufen).

    Nicht nur, dass der konservative Trend dem reformativen nicht weicht, er gewinnt vielmehr noch an Stärke dazu. Seine relative Vervollkommnung lässt sich für den gewöhnlichen Russen leicht in eine bodenständigere und einfachere Form bringen. Das bedeutet dann ungefähr Folgendes: Radikale Veränderungen wird es in eurem Leben keine  geben, auf den Staat könnt ihr nicht zählen. Sogar die Renten sollte man besser selber ansparen – es geht also um die Konkurrenz zwischen verschiedenen Szenarien von Gegenreformen des Rentensystems.  

    Dummköpfe und Straßen

    Schließlich Punkt fünf – der einfachste und vertrauteste: Er betrifft Dummköpfe und Straßen. Die Dummköpfe – das sind Sündenböcke, die strafrechtlich und öffentlich zur Verantwortung gezogen werden. Sie helfen dem Regime dabei, Ballast abzuwerfen: verfolgte Gouverneure, verhaftete Bürgermeister, mit Geldstrafen belegte Unternehmer, die Gehälter nicht auszahlen. Hinzu kommt als Drauf- und Dreingabe auf jeden Fall die Festnahme von Ganoven, wie die des Sohns vom Lukoil-Vizepräsidenten.

    Diese lokal begrenzten Einzelfälle werden künstlich hochstilisiert und dem Regime zu Gute gehalten. Doch so ist es nicht: Das Regime ist nicht nur nicht bereit, Korruption systematisch zu bekämpfen. Es hält das sogar für gefährlich.         

    Abschließend die Straßen. Doch in Kombination mit den Dummköpfen will einfach kein schönes Bild entstehen: Nicht nur die Demokratie westlicher Ausprägung kann sich in Russland nicht festsetzen, auch dem Asphalt gelingt das nicht. Das hindert aber niemanden daran, die Straßensanierung zur nationalen Idee 2016 zu erklären, auch wenn die Dimensionen kleiner werden (2007 gab es die „Nationalen Projekte“, 2012 die Mai-Dekrete).

    Und wenn es keine Proteste gegen Platon gegeben hätte, wäre man nicht einmal bis zu den Straßen gekommen: Erst die Reaktionen darauf erzeugten den Wirbel um die Straßen, der dann die Regionen erfasst hat. Nach dem Direkten Draht mit Putin, bei dem die Straßensanierung endgültig zur Idée fixe wurde, wurde demonstrativer Feuereifer auf diesem Gebiet zur Grundvoraussetzung für das politische Überleben regionaler und lokaler Obrigkeiten. Straßen wird es vielleicht nie geben, Baustellen dafür überall.

    Das Besondere an den Wahlen 2016 wird sein, dass die Staatsmacht mit einem Programm zum Schutz staatlicher Interessen antreten wird, wodurch die Interessen der Bürger praktisch vollständig verdrängt werden. Die Wähler sind weg und ihre Probleme ebenso – sogar sich zu beklagen wird gefährlich. Ein echtes Programm wurde durch ein notdürftiges Lunchpaket ersetzt, das nur minimale politische Notwendigkeiten erfüllt.

    Versprechen wird man aber wie immer viel, großzügig und vor allem abstrakt. 2016 wird das Jahr, in dem sich der Unterschied zwischen dem Fernsehrussland und dem echten Russland deutlich herausbilden wird; zwischen einem angekündigten Programm und einem, das objektiv zustande kommt. So beginnt der moralische Verschleiß des Regimes.

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  • Vorwahlen

    Vorwahlen

    Der russische Begriff praimеris ist ein Lehnwort aus dem amerikanischen Englisch (primaries) und bezeichnet in Russland von Parteien durchgeführte Vorwahlen. Sie werden auch als Volks- oder vorläufige Abstimmung bezeichnet und dienen zur Ermittlung von Kandidaten auf lokaler, regionaler oder föderaler Ebene. Die Vorwahlen sind ein Import aus westlichen politischen Systemen, sie haben auch regimestabilisierende Funktionen: Die Vorwahlen von Einiges Russland tragen zur Legitimierung nach außen und innen bei und dienen für Kandidaten und Regionaladministrationen als Testlauf für die Dumawahlen im September 2016. Um Proteste zu vermeiden soll der Wahlsieg der Regierungspartei sichergestellt werden, und zwar so, dass dafür, wenn überhaupt, nicht mehr als ein Mindestmaß an Wahl-Manipulation durchgeführt werden muss.

    In Russland traten die Vorwahlen zum ersten Mal 2006 in Erscheinung, als die Junge Garde, die Jugendorganisation von Einiges Russland, das Projekt „Politfabrik“ ausrief, um Nachwuchs für die große Politik zu rekrutieren. Auf föderaler politischer Ebene führte Einiges Russland schließlich vor den Dumawahlen 2007 erstmals Vorwahlen durch. Im November 2009 verankerte der Parteitag verpflichtende Vorwahlen auf allen Ebenen im Statut der Partei. Umgesetzt wurde diese Regelung allerdings nur halbherzig, und der Weg in die politische Praxis war mit Unregelmäßigkeiten und Skandalen gepflastert.1

    Erst die Talfahrt der Zustimmungswerte von Einiges Russland (s. Grafik 1) verlieh den Vorwahlen im Parlamentswahlkampf 2011 erneut Aufschwung. Allerdings erwiesen sich die Vorwahlen damals als nicht verbindlich2: Ein Fünftel aller Sieger fand sich nicht in der finalen Parteiliste wieder. Lediglich in acht von 80 Fällen stimmten die regionalen Dumawahllisten mit den Ergebnissen der Vorwahlen überein. 

    Die Ausgangslage für Einiges Russland vor den Dumawahlen 2016 dagegen ist dank höherer Zustimmungswerte (Grafik 1) und sorgfältiger polittechnologischer Vorbereitung durch Wjatscheslaw Wolodins Abteilung für Innenpolitik in der Präsidialadministration deutlich günstiger. So wurden etwa die Parlamentswahlen in das Sommerloch vorverlegt, Wahlkreiszuschnitte wurden verändert und die Bedingungen für unabhängige Wahlbeobachtungen erschwert.3

    Grafik 1: Einiges Russland in Meinungsumfragen 2008 – 2016. Quelle: FOM

    Vorwahlen mit neuem Zuschnitt

    Die Vorwahlen wurden als eine „vorläufige Abstimmung“ über Einiges Russland-Kandidaten unter dem Motto „Offenheit, Konkurrenz, Legitimität“ auf den 22. Mai 2016 angesetzt. Zum ersten Mal waren alle wahlberechtigten Russen aufgerufen (offene primaries), über die knapp 2780 Kandidaten abzustimmen, die sich auf dem eigens dafür eingerichteten Webportal registrierеn konnten.

    Nach offiziellen Angaben belief sich die Beteiligung bei den Vorwahlen auf 10 Millionen bzw. 9,5% der Wahlberechtigten. Der Prozess war von zahlreichen Manipulationsvorwürfen begleitet, wobei sich bemerkenswerterweise Kremlsympathisanten gegenseitig beschuldigten4: Bei den Wahlbeobachtern von Golos gingen 99 Beschwerden ein, der Generalsekretär der Partei Sergej Newerow verzeichnete gar über 400 Klagen.

    Dennoch lassen sich einige regimestabilisierende Funktionen ausmachen: Zum einen dienen Vorwahlen der externen und internen Legitimierung. So waren laut dem Politikberater Jewgeni Mintschenko Wahlbeteiligung und Konkurrenz in den Wahlbezirken höher als beispielsweise in Frankreich und Kanada.5 Zudem verzichtete die systemische Opposition auf Vorwahlen, die primaries der nicht-systemischen Demokratischen Koalition um Kassjanow und Nawalny am 28. und 29. Mai waren im Ausmaß bedeutend geringer. Somit hat Einiges Russland zumindest ein diskursives Monopol auf Wählernähe.6

    Protesten die Grundlage entziehen

    Zum anderen bieten sich  für die Präsidialadministration trotz des ressourcenintensiven Ablaufs Vorteile: Vorwahlen dienen im Hinblick auf die Parlamentswahlen als Testlauf, durch den wählbare Kandidaten herausgesiebt und Loyalität von Regionaladministrationen (v.a. der Gouverneure und Bürgermeister), sowie ihre Fähigkeiten zur Wählermobilisierung auf die Probe gestellt werden können. Denn allzu grobe Wahlmanipulationen sollen bei den Dumawahlen verhindert werden, um Protesten – wie nach den Parlamentswahlenswahlen 2011 – präventiv die Grundlage zu entziehen.  

    Der kremlnahe Polittechnologe Dimitri Badowski geht davon aus, dass die Einiges Russland-Fraktion in der kommenden Legislaturperiode um bis zu 60 % erneuert wird.7 Die Vorwahlen führen somit zu mehr Wettbewerb in der Partei und zwischen Kandidaten. Sie rütteln jedoch nicht am Grundprinzip elektoraler Autokratien, wonach der Prozess intransparent und das Ergebnis vorhersehbar ist.

    Regionen gewinnen an Bedeutung

    Die Vorwahlen zeigen8 aber, dass auch aufgrund des neuen Wahlgesetzes9 die Regionen wieder stärker an Bedeutung gewinnen: Regionaladministrationen waren bei den praimeris bemüht, ihre Kandidaten gegenüber föderalen Schwergewichten ohne lokalen Bezug zu stützen. Zwar bieten die Einerwahlkreise auch Chancen für einige Oppositionskandidaten. In der neuen Duma wird sich aber vor allem das Lobbypotential der Regionen – auch dank der Vorwahlen – deutlich verstärken.


    1. Slider, D. (2010): How united is United Russia? Regional sources of intra-party conflict. In: Journal of Communist Studies and Transition Politics, 26(2), S. 257-275 ↩︎
    2. Panov, P., & Ross, C. (2016): Levels of Centralisation and Autonomy in Russia’s ‘Party of Power’: Cross-Regional Variations. In: Europe-Asia Studies, 68 (2), S. 232-252 ↩︎
    3. Kynev, A. (2016): Instituzionalno-polititscheskie osobennosti rossijskich wyborow 2016 goda. Komtitet graschdanskich iniziatiw: https://komitetgi.ru/analytics/2802/. ↩︎
    4. Kommersant.ru: Edinorossy žalujutsja sami na sebja ↩︎
    5. Minchenko.ru: Institut provedenija predvaritel’nykh vyborov – mirovoj opyt ↩︎
    6. Carnegie.ru: Kak, začem i počemu: pričiny i uroki prajmeriz «Edinoj Rossii» – 2016 ↩︎
    7. Rbc.ru: Prajmeriz «Edinoy Rossii» proigrali okolo 50 deputatov Gosdumy ↩︎
    8. Znak.com: Predvaritel’naja očistka: «Edinaja Rossija» snimet s prajmeriz rjad kandidatov: spisok familij ↩︎
    9. Es gilt wie schon bis 2003 das Grabenwahlsystem: Die eine Hälfte der 450 Parlamentsmandate wird über Parteilisten, die andere in Einerwahlkreisen vergeben. ↩︎

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    Staatsduma

    Die Entwicklung des russischen Parteiensystems

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    Jedinaja Rossija

    Wjatscheslaw Wolodin

  • Nicht-System-Opposition

    Nicht-System-Opposition

    Das Verhältnis der verschiedenen oppositionellen Gruppen in Russland zueinander und zum politischen System ist kompliziert – und eng mit der Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen unter Präsident Putin verbunden. Entscheidend sind die Jahre von 2000 bis 2007: In dieser Zeit wurden Parteien- und Wahlgesetze reformiert und das Parteiensystem insgesamt wurde stabiler. Mit anderen Worten: Es erstarrte – zu einem hierarchischen Gebilde aus der dominanten Regierungspartei Einiges Russland und drei weiteren Parteien, die sich mit ihrem nachgeordneten Platz im System weitgehend arrangierten.

    Diese Umbildung lässt sich auch durch den Bedeutungswandel des Begriffs der „systemischen“ beziehungsweise „nicht-systemischen“ Opposition nachvollziehen. Während er zunächst Gruppen bezeichnete, die die formalen demokratischen Regeln ablehnten, wird er jetzt für Akteure verwendet, die im „System Putin” keine Rolle spielen und daher nur am Rande des politischen Prozesses vorkommen.

    Noch in den 1990er Jahren wurden in Russland diejenigen Parteien als nicht-systemische oder extrasystemische Opposition bezeichnet, die die „Spielregeln und die normative Begründung”1 des politischen Systems nicht anerkannten – also die demokratische Verfassung selbst von Grund auf ablehnten.2 Dazu zählten unter anderem die 1993 gegründete Nationalbolschewistische Partei sowie zahlreiche rechtsextreme und kommunistische Splittergruppen.

    In den 2000er Jahren bildete sich dann nach und nach eine klare Parteienhierarchie heraus. Die Regierungspartei Einiges Russland konnte sich mit viel Unterstützung des Kreml auf allen Ebenen als dominante politische Kraft etablieren – bis zu dem Punkt, an dem Wahlergebnisse vollkommen vorhersehbar wurden. Mit dem Wandel des Parteiensystems wandelte sich auch der Begriff der sistemnaja/nesistemnaja opposizija, der systemischen und der nicht-systemischen Opposition.

    ZWEI LAGER(?)

    Klassischerweise werden zwei Lager unterschieden: Da ist zunächst die so genannte Systemopposition. Sie besteht aus der KPRF, der LDPR und der Partei Gerechtes Russland (gelegentlich wird auch noch die liberale Kleinpartei Rechte Sache dazugezählt).

    Diese Parteien nehmen regelmäßig an Wahlen teil und erringen Mandate – wenn auch nie eine Mehrheit. Für dieses Privileg mussten sie den Preis reduzierter Unabhängigkeit zahlen: Kritische Rhetorik wird geduldet, weitergehende Handlungen dagegen – wie etwa Bündnisse mit radikalen Oppositionsgruppen – ziehen Repressionen nach sich.

    Auf der anderen Seite steht die Nicht-System-Opposition. Anders als noch in den 1990er Jahren umfasst der Begriff dabei heute auch viele Gruppen, die ausdrücklich die parlamentarische Demokratie als Organisationsform von Politik unterstützen. Auch was ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung betrifft, unterscheiden sich einige dieser Gruppen nicht besonders von der eher zentristisch positionierten Regierungspartei.

    Doch was eint dann überhaupt die Nicht-System-Opposition, der heute so verschiedene Gruppen wie die Partei PARNAS von Kassjanow und die Fortschrittspartei Alexej Nawalnys einerseits und die Nationalbolschewisten von Eduard Limonow andererseits zugerechnet werden?

    Das einfachste Erkennungsmerkmal ist die Nicht-Teilnahme an Wahlen. Die meisten Gruppen, die der Nicht-System-Opposition zugerechnet werden, sind von der Teilnahme an den formalen Institutionen ausgeschlossen: Sei es, weil ihnen die Registrierung als Partei aufgrund der restriktiven Regeln oder vermeintlicher formaler Fehler versagt wurde, oder weil sie (wie etwa Garri Kasparows Anderes Russland) eine Registrierung ablehnen – da eine solche aus ihrer Sicht die nichtdemokratischen Institutionen legitimieren würde.3

    KEINE FUNKTION IM „SYSTEM PUTIN”

    Der Begriff nicht-systemisch macht dabei noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Die marginalisierten Parteien der Nicht-System-Opposition sind für das Funktionieren des hierarchischen Modells unerheblich. Man kann sagen,sie haben im „System Putin” keine Funktion. Dagegen werden die parlamentarischen Oppostionsparteien oft als Stützen des Regimes betrachtet, weil sie unzufriedene Wähler auffangen, die andernfalls zu umstürzlerischen Alternativen abwandern könnten.

    Diese Unterscheidung von zwei „Klassen“ russischer Opposition ist allerdings etwas simpel. Es gibt immer wieder Versuche einzelner Gruppierungen an Wahlen teilzunehmen, obwohl sie sie für undemokratisch halten. Beispielhaft steht dafür das Ergebnis Alexej Nawalnys bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen im Jahr 2013, als er aus dem Stand 27 % der Stimmen erhielt.

    Zudem ist der Übergang zwischen Regimeeliten und Anführern der Nicht-System-Opposition fließender als es die begriffliche Darstellung vermuten lässt. Michail Kassjanow, der heute der höchst putinkritischen Partei PARNAS vorsteht, war unter Putin Ministerpräsident – bevor er 2003 wegen seiner abweichenden Position in der YUKOS-Affäre in Ungnade fiel und 2004 entlassen wurde.

    EHER KRITIKER PUTINS ALS KRITIKER DES SYSTEMS

    Der Begriff der Nicht-System-Opposition ist aus diesen Gründen nur bedingt tauglich, zu einer differenzierten Beschreibung des russischen politischen Lebens beizutragen. Er suggeriert eine Distanz zum politischen System, die nicht auf alle Beteiligten zutrifft. Zahlreiche Akteure, die mit diesem Begriff erfasst werden, sind weniger Kritiker des politischen Systems als vielmehr Kritiker Wladimir Putins. Sie mit Gruppen zusammenzufassen, die eine wie auch immer geartete Revolution anstreben, erscheint kaum sinnvoll. Zumindest aber zeigen der Begriff und sein Bedeutungswandel anschaulich, wie fundamental sich die politische Landschaft Russlands in den vergangenen 15 Jahren verändert hat – obwohl die Institutionen größtenteils die gleichen geblieben sind.


    1. Schmidt, Manfred G. (2010): Anti-System-Partei, in: Wörterbuch zur Politik, Stuttgart, S. 35 ↩︎
    2. Bolshakov, Ivan (2012): The Nonsystemic Opposition. In: Russian Politics and Law 50(3): 82–92 ↩︎
    3. Kasparov.ru: Oppozicija: Novaja Sistema Koordinat ↩︎

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    Die Entwicklung des russischen Parteiensystems

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    KPRF

    Michail Kassjanow

    Alexej Nawalny

  • Die kurze Geschichte der Demokratischen Koalition

    Im April 2015 war sie angetreten, um bei den Dumawahlen 2016 eine geeinte, breite Front gegen die Kreml-Partei Einiges Russland zu bilden. Doch nur knapp ein Jahr nach ihrem Entstehen zerbrach Russlands Demokratische Koalition wieder. Zu der hatten sich Parteien der nicht-systemischen Opposition zusammengeschlossen – also diejenigen Oppositionsparteien, die nicht in der Duma vertreten sind. Darunter waren auch einige Gruppen, denen bereits bei der offiziellen Registrierung als politische Partei immer wieder Steine in den Weg gelegt werden.

    Iwan Dawydow analysiert die Hintergründe in The New Times.

    Da lachen sie noch – Vertreter der Demokratischen Koalition im Dezember 2015. Am Mikrofon Alexej Nawalny, links daneben Michail Kassjanow (PARNAS), ganz links Wladimir Milow (Demokratische Wahl). Foto © Juri Martjanow/Kommersant
    Da lachen sie noch – Vertreter der Demokratischen Koalition im Dezember 2015. Am Mikrofon Alexej Nawalny, links daneben Michail Kassjanow (PARNAS), ganz links Wladimir Milow (Demokratische Wahl). Foto © Juri Martjanow/Kommersant

    Anfang Mai hat sich endgültig gezeigt: Die Demokratische Koalition um die Partei PARNAS ist gescheitert. Und daran sind keineswegs nur Intrigen des hinterlistigen Kreml schuld.

    Das Scheitern dieser Koalition hat natürlich Folgen: vermindertes Vertrauen der potentiellen Wähler in die nicht-systemische Opposition; verlorene Zeit, die die Kandidaten, die behindert worden waren, nun aufholen müssen, wenn sie im Wahlkampf noch irgendwie in Erscheinung treten wollen; schwindende Chancen, dass Abgeordnete mit einer vom Kreml unabhängigen Position in die siebte Staatsduma einziehen werden.

    Der Start

    Am 27. Februar 2015 wurde in Moskau Boris Nemzow, der Ko-Vorsitzende der Partei PARNAS, ermordet. Daraufhin unternahmen zahlreiche Oppositionspolitiker den Versuch, vor der anstehenden großen Wahlperiode die kremlkritischen Bewegungen in einer Koalition zu vereinen. Im Herbst 2015 standen Wahlen in elf Regionen an, im Herbst 2016 folgen nun die Wahlen zur Staatsduma.

    Als die Oppositionellen mit den Verhandlungen über die Bildung einer Koalition begannen, waren sie in einer Krisensituation: Die Demonstrationen in den Städten, die den Kreml 2011/12 so beunruhigt hatten, waren komplett abgeflaut. Putins Beliebtheitswerte wuchsen dank der Krim-Euphorie und weiterer „geopolitischer Erfolge“ unablässig.

    EINE CHANCE, DIE KRISE ZU ÜBERWINDEN

    Lässt man einmal die systemischen Oppositionsparteien außer Acht und auch die Partei Jabloko, die den Ruf hat, notorisch kompromissunfähig zu sein, dann hatte die Opposition „außerhalb des Systems“ Folgendes zu bieten: Parteien, bei deren Namen und Programmen selbst ihre Anhänger durcheinanderkamen sowie eine Handvoll landesweit bekannter Politiker.

    Die Bildung einer Koalition war eine Chance, die Krise zu überwinden. Und – allen russischen politischen Traditionen zum Trotz – gelang es den Oppositionellen, sich zu einigen.

    Am 17. April 2015 unterzeichneten die Partei PARNAS, mit Michail Kassjanow an der Spitze, und Nawalnys Fortschrittspartei ein Koalitionsabkommen. Am 20. April schlossen sich ihnen die Parteien Demokratische Wahl (Wladimir Milow), Bürgerinitiative (Andrej Netschajew) und auch die nicht-registrierte Partei des 5. Dezember und die Libertäre Partei an. Michail Chodorkowskis Offenes Russland gab seine Unterstützung der Demokratischen Koalition bekannt.

    Dabei sein ist alles?

    Unter den mit der Demokratischen Koalition sympathisierenden Politologen und Journalisten begann ein Streit: Sollten die Oppositionellen überhaupt an den Wahlen teilnehmen?

    Die Argumente derer, die gegen eine Teilnahme sind, brachte Fjodor Krascheninnikow für The New Times auf den Punkt: „An Wahlen sollte man nur teilnehmen, wenn eine Chance auf Erfolg besteht und wenn man Vertrauen in die Wahlkommission hat. Andernfalls spielt die Opposition durch die Teilnahme an den Wahlen nur den Machthabern in die Hände – sie legitimiert sowohl die Wahlen als auch das gewählte Machtorgan.

    Wenn man sich einverstanden zeigt, beim Hütchenspiel mitzumachen, macht man damit nicht nur den Hütchenspieler reich, sondern führt auch zufällige Passanten in die Irre: Sie sehen, dass da ein anständiger Mensch mitspielt, und schließen daraus, dass wohl alles rechtens zugeht.“

    DIE WAHLEN ALS HÜTCHENSPIEL

    Es gibt aber auch starke Argumente für eine Teilnahme an den Wahlen. Denn die Machthaber brauchen nicht nur einfach Oppositionelle, die an den Wahlen teilnehmen. Sie brauchen Oppositionelle, die verlieren.

    Und das bedeutet, dass die Machthaber während des Wahlkampfs alle nur denkbaren Verstöße zulassen werden, um eine Niederlage der Opposition sicherzustellen, einfach weil sie nicht anders handeln können.

    Ob nun aber solche Skandale dazu beitragen, den Wahlprozess zu legitimieren, darüber ließe sich streiten. Wichtiger ist, dass man selbst bei aussichtslosen Wahlen die Gelegenheit bekommt, größere Bekanntheit zu erlangen und das eigene Wahlprogramm an diejenigen Wähler heranzutragen, die nicht lesen, was die Opposition in den sozialen Netzwerken schreibt.

    VORWAHLEN: KOMPLIZIERTES PROZEDERE

    Unterdessen hat sich gezeigt, dass das Prozedere von Vorwahlen kompliziert und selbst für treue Wähler wenig attraktiv ist. Außerdem greift die Antikorruptionsagenda in den Regionen einfach nicht: Wie Ilja Jaschin, der stellvertretende Vorsitzende von PARNAS, nach mehr als einem Dutzend Treffen mit Bewohnern von Kostroma erzählt, hörten die Omas in den Höfen seinen Erzählungen über die Mehreinnahmen der Osero-Mitglieder zwar interessiert zu. Aber die Nachricht, dass Beamte und der Machtelite nahestehende Bürger in Russland stehlen, ist für Bürger, deren Leben sich fern der Machtzirkel abspielt, keine große oder besonders erschütternde Nachricht.

    Der Weg zum Scheitern

    Für die Mitglieder der Demokratischen Koalition selbst stellte sich die Frage nicht, ob sie an den Wahlen teilnehmen sollten oder nicht. Sie konzentrierten sich auf die Vorbereitung des Wahlkampfs.

    Ihre Listen sollten mit Hilfe von Vorwahlen aufgestellt werden. Im Dezember 2015 wurde bekannt, dass die ersten drei Plätze auf der Liste schon vergeben waren. Den ersten bekam der Vorsitzende von PARNAS, Michail Kassjanow, der zweite und dritte waren für „russlandweit bekannte Leute“ reserviert, deren Namen nicht genannt wurden.

    Ilja Jaschin verkündete damals, das sei eine „bewusste Entscheidung der ganzen Koalition“. Die Vorwahlen hätten am 23. und 24. April stattfinden sollen. Später verschob man sie „aus technischen Gründen“ auf Ende Mai.

    Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass das Problem nicht Störungen auf der Vorwahlen-Website waren. Es war das geringe Interesse am Verfahren, auf das die Vertreter von PARNAS bestürzt reagierten.

    Man hatte in der Koalition damit gerechnet, dass rund 100.000 Personen an den Vorwahlen teilnehmen würden, doch nach Informationen, die The New Times vorliegen, hatten sich zwei Wochen vor Abstimmung nur rund 6000 Wähler auf der Website registriert.

    Es gab Gerüchte, PARNAS erwäge, die Liste doch nicht auf der Grundlage von Vorwahlen aufzustellen. Damals sagte Alexej Nawalny gegenüber The New Times: „Die Fortschrittspartei kann im Falle einer Nichtanerkennung der Vorwahlen nicht in der Koalition verbleiben.“

    Der letzte Schlag war der Film Kassjanows Tag, den NTW am 1. April ausstrahlte: Dass kompromittierendes Material über sie verbreitet und in ihrem Privatleben herumgeschnüffelt wird – daran sind Oppositionelle ja gewöhnt, sollte man meinen. Doch durch die scharfen Bemerkungen, die Natalja Pelewina, eine Parteigenossin Michail Kassjanows, in dem Film über andere Mitstreiter aus dem Bündnis machte, fühlten sich manche Mitglieder der Demokratischen Koalition ernsthaft vor den Kopf gestoßen.

    KLEINLICHER ZANK UND SCHULDZUWEISUNGEN

    Zunächst machte Ilja Jaschin von PARNAS Kassjanow den Vorschlag, er möge auf seinen ersten Listenplatz verzichten und gleichberechtigt mit allen anderen an den Vorwahlen teilnehmen. Kassjanow lehnte ab. „Als Zeichen des Protests“ zog Jaschin seine Kandidatur für die Vorwahlen zurück.

    Später wiederholte Alexej Nawalny die Forderung Jaschins. Darauf folgten lange und offenbar selbst für die Mitglieder der Koalition uninteressante Streitereien darüber, wer als erster welche Abmachungen verletzt hat. Demokratische Wahl und die Fortschrittspartei verließen die Koalition, die dann aufhörte auf zu existieren.

    Der vergessene Wähler

    Was bleibt übrig statt einem Wahlbündnis der Opposition? Kleinlicher Zank und eine Reihe gegenseitiger Schuldzuweisungen.

    Die Kleinlichkeit ist das Traurigste an der ganzen Geschichte. Es ist ja für niemanden ein Geheimnis, dass die PARNAS-Liste ohnehin nicht durchkommen wird. Falls jemand Chancen hatte, waren es die Abgeordneten aus einzelnen Einerwahlkreisen mit einer vornehmlich gebildeten städtischen Bevölkerung.

    Doch die Koalitionsmitglieder interessierten sich nicht für die Einerwahlkreise, sondern konzentrierten sich auf das Gefeilsche um die Listenplätze. Sie kämpften, als hätten sie bereits die Duma-Mehrheit inne, als wäre ihnen bei den kommenden Wahlen der Sieg sicher und es ginge nur noch darum, wie man die Mandate aufteilen soll.

    WAS ERFÄHRT DER WÄHLER DENN ÜBER DIE OPPOSITION?

    Was hat ein potentieller Wähler letztlich über die Opposition erfahren? Ein neuer Wähler, kein treuer, der ergeben die Blogs der Koalitionsleader liest? Nur das, was Pelewina in dem NTW-Film über ihre Kollegen gesagt hat und was man lieber nicht laut wiederholt.

    Die Mitglieder der Koalition, die beschlossen hatten, mit der Regierung Wahlen zu spielen, haben die wichtigsten Teilnehmer an diesem Spiel übersehen: die Wähler. Sie haben sich mit Fragen zur Vorgehensweise herumgeschlagen, statt den Wählern zu erklären, warum man eigentlich für die Opposition stimmen soll. Und zwar sowohl bei den Vorwahlen als auch bei den Dumawahlen.

    Dem Wähler ist doch egal, wer wen hintergangen hat und wer immer noch mit weißer Weste und stolzem Blick dasteht. Den Wähler interessiert, was ihm die Leute, die „in der realen Politik“ mitmischen wollen, neben Schockmeldungen über die Reichtümer der Brüder Rotenberg tatsächlich anzubieten haben.

    Der offizielle Wahlkampf hat noch nicht begonnen, noch bleibt Zeit, die Fehler auszubügeln. Aber dazu gilt es über den eigenen Schatten zu springen, die eigene Makellosigkeit in Frage zu stellen, den schmachvollen Erfahrungen Rechnung zu tragen.  

    Und es ist überhaupt nicht gesagt, dass das für die Anführer der nicht-systemischen Opposition eine lösbare Aufgabe ist.

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  • Die Entwicklung des russischen Parteiensystems

    Die Entwicklung des russischen Parteiensystems

    Gemeinhin gilt der Machtantritt Wladimir Putins zur Jahrtausendwende als historischer Wendepunkt in der jüngsten politischen Geschichte Russlands – auch bezüglich des Parteiensystems. Hatten sich in der politischen Landschaft zuvor zahlreiche Parteien, Wahlallianzen und politische One-Hit-Wonder getummelt, so schnitt Putin diesen Pluralismus auf ein Minimum konformer Scheinalternativen zurück. Seither bestimmt er ohne ernsthafte Konkurrenz die Politikgestaltung.

    So viel Wahres in dieser klassischen Erzählung steckt, so lässt sie doch einiges außer Acht. Um die fundamentale Umbildung der Parteienlandschaft zu ermöglichen, brauchte es mehr als autoritäre Ambitionen – das historische Erbe der Sowjetunion, die spezielle Struktur der russischen Verfassung und nicht zuletzt ein weit verbreitetes Bedürfnis nach einer Stabilisierung der politischen Verhältnisse waren wichtige Einflussgrößen auf dem Weg zum heutigen hierarchischen Parteiensystem.

    Die historisch orientierte politische Soziologie erklärt die Entstehung von Parteien als Prozess jahrzehntelanger Kämpfe zwischen Gruppen mit diametral entgegengesetzten Interessen – Arbeiter und Kapitaleigner, Säkulare und Kleriker, Stadt- und Landbewohner. Wie sich diese Konflikte jeweils in Parteien übersetzen, liegt laut dieser „Cleavage-Theorie“ darin begründet, wie Gesellschaften jeweils mit zentralen historischen Momenten umgegangen sind – etwa der Reformation, der französischen Revolution und der Industrialisierung.1

    Hier zeigt sich bereits, dass sich solche Theorien auf Russland nicht einfach übertragen lassen – schließlich waren hier ganz andere Umwälzungen von Bedeutung. Die zweifellos wichtigste, die Revolution von 1917, hatte allerdings weniger eine klare Konfliktlinie als vielmehr die Auslöschung des öffentlichen politischen Kampfes zur Folge.2 So ist es nicht verwunderlich, dass Parteien im heutigen Russland etwas grundlegend anderes sind als in westeuropäischen Staaten. Auch damit lässt sich erklären, wie die Parteienlandschaft im Laufe der 2000er zu dem werden konnte, was sie ist.

    Parteienlandschaft der 1990er Jahre

    Als während der Perestroika die politischen Gruppen aus dem Boden schossen und sich nach dem Zerfall des Staates zu Parteien vereinigten, konnte sich kaum eine auf etablierte Strukturen stützen.3 Die Kombination aus fehlender gesellschaftlicher Verwurzelung und dem zielgerichteten Einsatz von Medien für politische Grabenkämpfe führte dazu, dass viele politische Projekte hochgradig personenfixiert und außerdem oft kurzlebig waren. In den 1990er Jahren war die politische Landschaft derart wechselhaft, dass die Hälfte der Wähler ihre Partei auf dem Stimmzettel der nächsten Wahlen nicht mehr wiederfand.4

    Die Verfassung von 1993 tat ihr Übriges. Sie konzentrierte die Macht in den Händen des Präsidenten und sah keine aktive Rolle für Parteien in der Regierungsbildung vor.
    Auch die Wahlgesetze waren teilweise nicht förderlich für die Entwicklung von starken, unabhängigen Parteien: Die Möglichkeit der unabhängigen Kandidatur, verbunden mit schwachen nationalen Parteiorganisationen, führte dazu, dass sich viele aufstrebende Politiker an Unternehmer oder regionale Verwaltungschefs wandten, um Unterstützung für ihre Kampagnen zu erhalten. Dies schuf nicht nur entsprechende Loyalitäten und Unübersichtlichkeit im Parlament, sondern führte auch zu einer weiteren Marginalisierung von Parteien im politischen Betrieb.

    Die Vielfalt der politischen Alternativen wurde nicht beschränkt; gleichwohl war dieser Pluralismus aufgrund fehlender identifikationsstarker Parteien (die KPRF ausgenommen) kein Zeichen für eine funktionierende Demokratie. Im Gegenteil: Politik galt und gilt noch immer als schmutziges Geschäft, der Machtkampf als politisches Theater ohne Bezug zur Lebensrealität der Menschen, Politiker gelten grundsätzlich als korrupt und eigennützig.

    Reformen der frühen Putin-Ära

    Einige Beobachter begrüßten daher die Reformen der frühen Putin-Ära als ernsthafte Bemühungen, aus den zahllosen Gruppen ein stabiles Parteiensystem nach europäischem Muster zu formen.5 Andere hingegen sahen bereits im Jahr 2001 voraus, dass sich Russland abermals in Richtung der Ein-Parteien-Herrschaft bewegen könnte6 – und sie sollten Recht behalten.

    Der neue Ministerpräsident Wladimir Putin gab kurz vor den Parlamentswahlen 1999 seine Unterstützung für die Partei Einheit bekannt. Diese war wie zahlreiche andere Parteien ideologisch weitgehend unbestimmt und nicht in der Gesellschaft verwurzelt, doch Putins Popularität verhalf ihr zu einem ersten Sieg.7 Rasch wurde sie zur Basis der neuen „Partei der Macht“ – Einiges Russland.

    Bei der nachfolgenden Reorganisation des Parteiensystems waren vor allem drei Faktoren ausschlaggebend:

    Erstens dünnten restriktive Änderungen im Parteien- und Wahlgesetz das Feld politischer Alternativen nach und nach aus. Zwischen 2005 und 2009 reduzierte sich die Zahl der registrierten Parteien von 37 auf 6.8

    Zweitens unterstützte der Kreml gezielt die Schaffung kleiner linker Parteien, die der KPRF die Wählerstimmen abspenstig machen sollten. So entstand zunächst der linksnationale Rodina-Block und später die sozialdemokratische Partei Gerechtes Russland.

    Drittens schließlich wurde die Registrierung von Parteien und Kandidaten, die die hohen gesetzlichen Hürden überwunden hatten, oft vorgeblich aus formalen Gründen nicht erteilt.9

    Hierarchisches Parteiensystem: Einiges Russland an der Spitze

    So bildete sich bis etwa 2007 ein hierarchisches Parteiensystem heraus, in dem Einiges Russland unangefochten die Politik bestimmt. In den Parlamenten sind außerdem die KPRF, die LDPR und Gerechtes Russland vertreten, die sich in einem diffizilen Balancespiel aus rhetorischer Opposition und de-facto-Loyalität bewegen.

    Dieses Dilemma wird als Preis dafür betrachtet, dass sie in den politischen Institutionen mitspielen und die Vorteile dieses privilegierten Status genießen dürfen. Sie wirken zugleich als Puffer der Regierungspartei, indem sie unzufriedene Wähler auffangen und von umstürzlerischen Alternativen fernhalten. Liberale Gruppen wie die Partei Jabloko oder PARNAS dümpeln hingegen an den Rändern des politischen Systems.

    Wenn auch nach den Protesten der Jahre 2011 und 2012 die Regeln zur Registrierung von Parteien wieder etwas gelockert wurden: Im Kreml muss man sich zurzeit keine Sorgen machen, dass das etablierte Arrangement in naher Zukunft ernsthaft gestört werden könnte. Zu fest ist die Kontrolle der politischen Meinungsbildung (und Desinformation) über kremltreue Medien, zu schwach und zerstritten sind liberale und andere alternative Strömungen.

    Politischer Wandel ist – wenn überhaupt – eher von innen zu erwarten, etwa durch Verlagerungen der Interessen und Loyalitäten innerhalb der Regierungspartei und dem engsten Zirkel der Macht.


    1. Für die klassische „Cleavage-Theorie“ siehe: Lipset, Seymour Martin / Stein, Rokkan (1967): Party systems and voter alignments: cross-national perspectives, Free Press ↩︎
    2. Der politische Kampf fand innerhalb der KPdSU statt und gelangte selten an die Öffentlichkeit. ↩︎
    3. Eine Ausnahme bildete die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF), die im Jahr 1992 aus der Vereinigung reaktivierter KPdSU-Lokalgruppen entstand. Die meisten anderen Parteien mussten von vorn beginnen. ↩︎
    4. Rose, Richard (2001): How floating parties frustrate democratic accountability, in: Brown, Archie (Hrsg.): Contemporary Russian Politics – A Reader, Oxford, S. 215–222 ↩︎
    5. Siehe dazu den Artikel von Vladimir Gelman, der auch insgesamt einen guten Überblick über die Wandlung des Parteiensystems gibt: Gelman, Vladimir (2006): From ‘Feckless Pluralism’ to ‘Dominant Power Politics’? The Transformation of Russia’s Party System, in: Democratization, 13(4), S. 545-561 ↩︎
    6. McFaul, Michael (2001): Explaining Party Formation and Nonformation in Russia Actors, Institutions, and Chance, in: Comparative Political Studies, 34(10), S. 1159-1187 ↩︎
    7. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die geschickt lancierte Diffamierungskampagne in regierungstreuen Medien gegen die Herausforderer Jewgeni Primakow und Juri Lushkow. Siehe dazu die Gnose zur Partei Einiges Russland. ↩︎
    8. Golosov, Grigorii (2014): Co-optation in the process of dominant party system building: the case of Russia, in: East European Politics, 30(2), S. 271-285 ↩︎
    9. Gelman, Vladimir (2008): Party Politics in Russia: From Competition to Hierarchy, in: Europe-Asia Studies, 60(6), S. 913-930 ↩︎

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    Staatsduma

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  • Staatsduma

    Staatsduma

    Als Staatsduma wird das 450 Abgeordnete umfassende Unterhaus der Föderalen Versammlung Russlands bezeichnet. Im Verhältnis zu Präsident und Regierung nimmt die Duma verfassungsmäßig im internationalen Vergleich eine schwache Stellung ein. Insbesondere das Aufkommen der pro-präsidentiellen Partei Einiges Russland führte dazu, dass die parlamentarische Tätigkeit zunehmend von Präsident und Regierung bestimmt wurde.

    Russlands Parlament, die Föderale Versammlung, ist in zwei Kammern organisiert. Als Oberhaus vertritt der Föderationsrat die Regionen. Das Unterhaus wird als Staatsduma (Gosudarstwennaja Duma) bezeichnet. Die Namensgebung weist auf die historische Vorgängerin hin, die von 1905 bis zur Oktoberrevolution 1917 als Staatsduma des Russischen Imperiums tagte.

    In drei Schritten zur Dominanz der Exekutive

    Am 12. Dezember 1993 fanden die Wahlen zur ersten postsowjetischen Duma und gleichzeitig das Referendum über die Verfassung der Russischen Föderation statt. Dies war die endgültige Abkehr vom Obersten Rat und damit vom Sowjetparlamentarismus, der keine Gewaltenteilung kannte.

    Die Beziehungen im Dreieck zwischen Präsident, Regierung und Duma lassen sich in drei Phasen einteilen. Sie unterscheiden sich  im Hinblick darauf, inwieweit der Präsident durch parlamentarische Fraktionen und Gruppen unterstützt wird: 1994 bis 1999 waren die pro-präsidentiellen Parteien in der Minderheit, 2000 bis 2003 konnte Putin eine Koalition aus vier Fraktionen schmieden, seit 2004 dominiert Einiges Russland die Duma.1

    Grafik 1: Fraktionen und Gruppen in den Legislaturperioden I bis VI (1994-2016)2

    Die gesamte erste Phase, und auch Teile der zweiten, waren durch ein schwach institutionalisiertes Parteiensystem3 gekennzeichnet: Den pro-präsidentiellen Parteien der Macht standen eine Vielzahl anderer Fraktionen und Gruppen gegenüber. In der zweiten Duma stellten die Kommunisten gar die meisten Abgeordneten (s. Grafik 1). Dennoch regierte Jelzin nicht einfach mit Präsidialerlassen am Parlament vorbei, sondern handelte Unterstützung für Gesetzesvorhaben aus, in dem er beispielsweise im Gegenzug bestimmten Interessensgruppen bei der Haushaltsplanung entgegenkam4.

    Mit den Parlamentswahlen von 1999 änderte sich das Bild. Die neu kreierte Regierungspartei Einheit erlangte zwar nur knapp 17 Prozent der Mandate, zusammen mit drei weiteren Fraktionen setzte sie jedoch die von Präsident und Regierung eingebrachten Gesetze weitgehend um. Mit den Wahlerfolgen der Einheit-Nachfolgerin Einiges Russland in den Jahren 2003 und 2007 wurde in Phase drei der Übergang zu einem dominanten Parteiensystem mit einem Parlament, das weitgehend von der Exekutive bestimmt wird, vollzogen. Die Politikwissenschaftlerin Petra Stykow spricht daher bei der Staatsduma von einer „institutionalisierten, autoritären Legislative“.5

    Auswirkungen auf die Funktionen des Parlaments

    Die Ausübung der verfassungsmäßig garantierten Kernfunktionen fällt in den drei Phasen entsprechend unterschiedlich aus.

    Erstens: Die Ernennung des Regierungschefs. Im Unterschied zu vergleichbaren politischen Systemen werden in Russland Regierungsposten nicht an parlamentarische Parteien vergeben6, sondern Präsidenten bestellen Technokratenregierungen. Allerdings muss die Duma zustimmen, wenn der neugewählte Präsident den Regierungschef ernennt. Während Jelzin noch zu Eingeständnissen gezwungen war (zur Auflösung der Duma nach der dritten Ablehnung kam es allerdings nie), wurden Putins Ministerpräsidenten ausnahmslos mit deutlichen Mehrheiten bestätigt.

    Zweitens: Misstrauensvoten gegen die Regierung. Abstimmungen wurden 1994, 1995, 2001, 2003 und 2005 lanciert. Lediglich 1995 nach der Geiselnahme in Budjonnowsk kam eine Mehrheit von 241 Stimmen zustande – allerdings gestattet es die Verfassung auch hier dem Präsidenten, das Misstrauensvotum zu ignorieren. Die Duma kann außerdem ein komplexes Verfahren zur Amtsenthebung des Präsidenten einleiten, sollte der Verdacht bestehen, dass sich der Präsident einer schweren Straftat schuldig gemacht hat. 1998 lancierte die Fraktion der Kommunisten ein solches Verfahren gegen Jelzin, jedoch fand keiner der fünf zur Abstimmung gebrachten Anklagepunkte die nötige Zweidrittel-Mehrheit für die Weiterleitung an den Föderationsrat und das Verfassungsgericht.

    Drittens: Die Gesetzgebung, das Hoheitsrecht der Duma. Grafik 2 veranschaulicht, dass zwischen 1994 und 1999 die Hälfte bis ein Drittel der von Präsident und Regierung initiierten Gesetzesentwürfe nicht die Unterstützung der Duma fanden. Mit dem Siegeszug von Einiges Russland ändert sich das Bild: Exekutive Gesetzesentwürfe scheitern nur noch in Ausnahmefällen. Umgekehrt verhält es sich mit präsidentiellen Vetos: In den 1990er Jahren legte Jelzin durchschnittlich gegen 15 bis 25 Prozent der Gesetze, die von der Staatsduma verabschiedet wurden, Widerspruch ein. Unter Putin starb das Veto im Laufe der Zeit aus.
     

     


    Grafik 2: Erfolgsrate von Präsident und Regierung in der Duma, Quelle: Autor

     

     


    Grafik 3: Veto russischer Präsidenten, Quelle: Autor

    Allgemein lässt sich festhalten, dass sich mit dem Übergang in die Putin-Ära die Abwesenheit von Abgeordneten bei Abstimmungen verringert und die Fraktionsdisziplin erhöht hat. Auch die Anzahl der Gesetze und die Geschwindigkeit, mit der diese verabschiedet werden, hat sich gesteigert.

    Die Duma als Faktor der Regimestabilität

    In den Medien kursiert der angebliche Ausspruch des ehemaligen Vorsitzenden Boris Gryzlov, dass die Duma „kein Ort für Diskussionen“7 sei. Der Volksmund sieht in ihr gar einen „durchgedrehten Drucker“, der Gesetze am laufenden Band ausspuckt. Als „autoritäre, institutionalisierte Legislative“ kann die Duma nicht mehr ihrer horizontalen Kontrollfunktion8 gegenüber Präsident und Regierung nachkommen. Dies macht die Kammer jedoch nicht bedeutungslos, denn bürokratische Verteilungskämpfe um Ressourcen innerhalb der Exekutive werden auch in und mit der Duma ausgetragen9. Wenn Ministerien etwa um Ressourcen konkurrieren, können diesen loyal gesinnte Abgeordnete Gesetze verzögern oder Änderungen beantragen.

    Nach den Protesten 2011/2012 wies die Gesetzgebung vor allem in den Bereichen Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einen zunehmend repressiven Charakter auf. Ein Beispiel dafür ist das Gesetz über ausländische Agenten10. Mit anhaltender Wirtschaftskrise nehmen außerdem Gesetze überhand, die über Steuern und andere Abgaben Eigentum von Bürgern und Unternehmern „konfiszieren“. Die Politologin Ekaterina Schulmann11 argumentiert, dass es immerhin besser sei, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, als ins Gefängnis zu wandern. Sicher ist jedenfalls, dass die Duma auch nach den Wahlen 2016 eine wichtige Rolle dabei spielt, Repression und Konfiskation ins Gleichgewicht zu bringen und somit über Regimestabilität und -wandel mitentscheiden wird.


    1. Chaisty, P. (2014): Presidential dynamics and legislative velocity in Russia, 1994–2007, in: East European Politics, 30(4), S. 588-601 ↩︎
    2. Interaktive Quelle zum Weiterklicken: Ria Novosti: 20 let Gossudarstvennoj dumy ↩︎
    3. Stykow, P. (2008): Die Transformation des russischen Parteiensystems: Regimestabilisierung durch personalisierte Institutionalisierung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, S. 772-794 ↩︎
    4. Remington, T. F. (2007): The Russian Federal Assembly, 1994–2004, in: The Journal of Legislative Studies, 13(1), S. 121-141 und: Troxel, T. A. (2003): Parliamentary Power in Russia, 1994-2001 ↩︎
    5. Stykow, P. (2015): Parlamente und Legislativen unter den Bedingungen „patronaler Politik“: Die eurasischen Fälle im Vergleich, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, S. 396 – 425 ↩︎
    6. University of Oxford: The Coalitional Presidentialism Project ↩︎
    7. Gryzlov wurde von den Medien nicht korrekt zitiert, allerdings ist die plakative Phrase fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses über die Duma geworden. Hier das Originalzitat von Gryzlov ↩︎
    8. Whitmore, S. (2010): Parliamentary oversight in Putin’s neo-patrimonial state: Watchdogs or show-dogs?, in: Europe-Asia Studies, 62(6), S. 999-1025 ↩︎
    9. ben.noble.com: Rethinking ‚rubber stamps‘: Legislative Subservience, Executive factionalism, and policy-making in the Russian state duma ↩︎
    10. Inzwischen existiert eine Liste mit Gesetzen, die aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit nach Meinung eines Expertenkomitees rückgängig zu machen sind. ↩︎
    11. Vedomosti: Čto lučše: kogda sažajut ili kogda razdevajut? ↩︎

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