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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Debattenschau № 51: Ukraine bannt russische Internetseiten

    Debattenschau № 51: Ukraine bannt russische Internetseiten

    Zensur oder Sicherheitsmaßnahme? In einem Dekret hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Anfang der Woche angekündigt, dass mehrere russische Internetseiten, darunter Soziale Netzwerke und Email-Provider, in der Ukraine gesperrt werden – für mindestens drei Jahre. Betroffen sind unter anderen das russische Facebook-Pendant VKontakte, Odnoklassniki, die Suchmaschine Yandex oder der Email-Provider mail.ru – sie gehören zu den Top-10 der beliebtesten Seiten in der Ukraine.

     

    Quelle: TNS Ukraine

    Die überraschende Ankündigung entfachte entsprechend aufgeregte Debatten in der Ukraine und auch in Russland. Vor allem seitens der ukrainischen Zivilgesellschaft und junger liberaler Politiker hat das Vorhaben viel Kritik geerntet. Sie sehen die Meinungsfreiheit bedroht. Befürworter dagegen bewerten es als notwendigen Schritt für die nationale Sicherheit und zur Abgrenzung gegenüber Russland. All diese Argumente werden auch in russischen Medien diskutiert: dekoder bringt Debatten-Ausschnitte aus beiden Medienlandschaften.

    Blog Ukrainska Pravda: Sicherheitslücke füllen

    Der Westukrainer Maksym Sawanewskyj, Online-Experte und Leiter der PR-Agentur PlusOneDa, unterstützt im Blog der Ukrainska Pravda das Verbot vor allem aus Sicherheitsgründen:

    [bilingbox]Es ist kein Geheimnis, dass alle bedeutenden IT-Firmen in Russland von den Geheimdiensten kontrolliert werden oder Informationen mit ihnen austauschen. Die Leute verstehen oft nicht, welche Fülle an Informationen sie den Sozialen Netzwerken übergeben: Informationen über Chats, Freunde, Vorlieben – alles, was man liked, teilt und kommentiert; Webseiten, die man besucht. […]~~~Ні для кого не секрет, що всі значущі ІТ-компанії Росії так чи інакше контролюються або обмінюються інформацією з російськими спецслужбами.

    Люди часто не усвідомлюють, який масив інформації вони передають соцмережам:

    – інформація про коло друзів

    – переписка з ними

    – ваші уподобання – що ви лайкаєте, поширюєте, коментуєте

    – сайти, які ви відвідуєте […][/bilingbox]

     

    erschienen am 16.05.2017

    Meduza: Tipps vom russischen Staats-TV

    Beim Exilmedium Meduza wundert man sich, dass ausgerechnet der staatliche Fernsehsender Rossija 24 in seinem Programm erklärt hat, wie man mit Hilfe von Anonymizern und anderen Tricks die Sperren umgehen kann:

    [bilingbox]Ungeachtet dessen, dass ein föderaler [russischer – dek] Fernsehsender die Benutzung von Anonymizern empfiehlt, werden diese in Russland aktiv bekämpft. Roskomnadsor beispielsweise fordert, dass Anonymizer keinen Zugang zu Seiten geben dürfen, die offiziell in der Russischen Föderation gesperrt sind – und natürlich blockiert die Behörde Anonymizer.

    Hervorzuheben ist, dass die Anleitung für die Ukrainer auf einem Kanal gezeigt wurde, der seit 2014 in der Ukraine verboten ist.~~~Невзирая на то, что федеральный телеканал советует пользоваться анонимайзерами, в России с ними активно борются. Роскомнадзор, в частности, требует, чтобы анонимайзеры закрывали доступ к сайтам, официально заблокированным в РФ — и, конечно, блокирует сами анонимайзеры.
    Отдельно следует отметить, что инструкцию для украинцев показали на телеканале, который с 2014 года запрещен на Украине.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.05.2017

    Vedomosti: Doppelte Standards

    Auch im Wirtschaftsblatt Vedomosti sprechen Pawel Aptekar und Nikolay Epplée von einer widersprüchlichen Haltung russischer Offizieller zum Thema Internetsperren:  

    [bilingbox]Wenn es um Russland geht, wird oft das „souveräne Recht des Staates“ betont, „die Informations-, Technologie- und Wirtschaftspolitik im nationalen Segment des Netzes ,Internet‘ zu bestimmen“. Werden in den Ländern Zentralasiens den jeweiligen Regierungen gegenüber kritische russische Internetseiten blockiert, tun russische Offizielle so, als wüssten sie von nichts. Wenn aber die Ukraine russische Internetseiten sperrt, dann ist das natürlich „politisch motivierte Zensur“.~~~Когда дело касается России, важно «суверенное право государства определять информационную, технологическую и экономическую политику в национальном сегменте сети «Интернет». Когда в странах Центральной Азии происходит блокировка российских интернет-ресурсов, критически настроенных к властям этих стран, российские официальные лица как бы не в курсе. Но если российские ресурсы блокирует Украина, это, конечно, «цензура по политическим мотивам».[/bilingbox]

     

    erschienen am 17.05.2017

    Echo Moskwy: Eine Identitätsfrage

    Alexander Baunow, Chefredakteur von Carnegie.ru, sieht im Interview mit Echo Moskwy die Entscheidung vor allem in der ukrainischen Identitätsfrage begründet:

    [bilingbox]Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Staatsmacht und öffentliche Meinung [in der Ukraine – dek] mehr oder weniger einigen können, ist der: Die Ukraine ist nicht Russland. […]

    Bei der ganzen Geschichte geht es darum, dass dieses Land tatsächlich spürt: Es kann seine Identität nicht aufbauen, solange es in engem Kontakt mit Russland steht, weil die Ähnlichkeit so groß ist, das Gravitationszentrum aber aufgrund der unterschiedlichen Masse in jedem Fall in Richtung Moskau rückt. Der gemeinsame russisch-ukrainische Raum sollte deswegen so wenig wie möglich gemein haben.~~~главный вектор всех сил, на котором более-менее сошлись власти и общественное мнение – что Украина не Россия. […]
    Это все история про то, что действительно это страна чувствует, что свою идентичность, находясь в тесных связях с Россией, она не может построить в связи с тем, что сходство велико, а центр тяжести из-за разности масс все равно, так или иначе, будет откатываться в сторону Москвы. Этого общего российско-украинского пространства поэтому должно быть как можно менее общим.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.05.017

    Nowoje Wremja: Poroschenkos Pseudo-Patriotismus

    Serhij Leschtschenko, einer der führenden liberalen Politiker der Ukraine und Abgeordneter des Block Petro Poroschenko, kritisiert in der ukrainischen Nowoje Wremja das Vorhaben heftig:

    [bilingbox]Das wird alles übel enden. Denn Poroschenkos Plan ist es, die öffentliche Aufmerksamkeit zu verschieben: vom Kampf gegen Korruption hin zu einem Pseudo-Patriotismus. Er wird immer neue Ideen haben, um die Illusion zu erzeugen, dass ausgerechnet er der wichtigste Schutzschirm gegen die russische Aggression ist. Und parallel wird er Szenarien zur Vernichtung des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine und zur Diskreditierung von Korruptionsbekämpfern vorantreiben. […]

    Hauptsache ist, möglichst laut über „Moskaus Hand“ zu schimpfen und alle, die nicht einverstanden sind, als „Putins Agenten“ zu bezeichnen.~~~Все это плохо закончится. Потому что идея Порошенко – перевести фокус общественной дискуссии: с борьбы с коррупцией на тему псевдопатриотизма. Он будет выдумывать все новые и новые идеи, призванные создать иллюзию, что именно он – главный заслон от российской агрессии. И параллельно будет продвигать сценарий уничтожения НАБУ и дискредитации антикоррупционеров.
    […] Главное – погромче кричать о „руке Москвы“ и называть „агентами Путина“ всех несогласных. [/bilingbox]

     

    erschienen am 16.05.2017

    Facebook: Social-Media-Flüchtlinge

    Oleksij Tschupa, Poetry-Slammer aus der Ostukraine, gehört zu denen, die die Aufregung wegen des Verbots eher lächerlich finden und ironisch kommentieren:

    [bilingbox]Ein wahrlich hartes Schicksal haben die Ukrainer. Nicht nur, dass viele von ihnen im Laufe ihres Lebens die Stadt oder das Land, ihren Beruf oder ihre Sprache wechseln müssen – jetzt sind sie auch gezwungen, ihr bevorzugtes Soziales Netzwerk zu wechseln. Ach du meine Güte. Schande dem Diktator Poroschenko. […] Wenn es Flüchtlingslager für die Flüchtlinge aus VKontakte und Odnoklassniki geben wird – sagen Sie mir Bescheid, ich werde ihnen ein Brötchen überweisen.~~~Справді трагічна доля випала українському народові. Мало того, що багатьом доводить упродовж життя змінювати місто та країну проживання, доводиться кілька разів за життя змінювати професію чи мову спілкування, так тепер ще й змушені будуть змінювати пріоритетну соцмережу.
    Лышенько-лышенько
    Ганьба диктаторові Порошенку.
    […]
    Коли з’являться табори для біженців із ВК та ОК – дайте знати, перекажу їм булочку.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.05.2017

    Sekret Firmy: Infrastruktur fehlt

    Sergej Petrenko, Ex-CEO des ukrainischen Yandex, äußert im Interview mit dem russischen Business-Portal Sekret Firmy Zweifel in Bezug auf die Umsetzbarkeit des Vorhabens:

    [bilingbox]Anders als Russland verfügt die Ukraine nicht über die Infrastruktur für derartige Blockierungen. Es gibt kein Roskomnadsor oder eine andere Stelle, wo eine Liste der zu sperrenden Seiten veröffentlicht wird. […] 
    Die einzig reale Möglichkeit für eine solche [Sperrung] wäre es, die 1500 Provider (oder wieviele wir hier haben) abzuklappern und sie davon zu überzeugen, bestimmte IP-Adressen zu sperren. Ich weiß nicht mehr, wieviele IP-Adressen Yandex genau hat, aber ein paar Zehntausend sind es sicher.~~~Дело в том, что у Украины, в отличие от России, нет инфраструктуры для таких блокировок. Нет Роскомнадзора или другого места, где публикуется общий список адресов, которые нужно заблокировать. […]
    Единственный реальный способ это сделать — ногами обойти 1500 (или сколько там у нас) провайдеров и уговорить их заблокировать определённые IP-адреса. Я не помню, сколько именно IP-адресов у «Яндекса», но несколько десятков тысяч точно есть.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.05.2017

    dekoder-Redaktion, Inga Pylypchuk

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  • Debattenschau № 50: Terroranschlag in St. Petersburg

    Debattenschau № 50:  Terroranschlag in St. Petersburg

    Am 3. April, um 14.40 Uhr Ortszeit explodierte in der St. Petersburger Metro eine Bombe. In der Station Ploschtschad Wosstanija soll ein weiterer Sprengsatz gefunden worden sein, der entschärft wurde. Nach offiziellen Angaben kamen dabei 14 Menschen ums Leben, über 50 wurden verletzt.

    Unmittelbar nach der Tat häuften sich in Sozialen Netzwerken Mutmaßungen und Schuldzuweisungen – der IS stünde hinter dem Anschlag, Terroristen aus dem Kaukasus, oder gar das russische Regime selbst.

    REN TV veröffentlichte das Foto eines Verdächtigen im Kaftan und mit Bart – der Mann ging schließlich selbst zur Polizei, um klarzustellen, dass er an der Tat nicht beteiligt war.  

    Präsident Putin, der sich zu Gesprächen mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in St. Petersburg aufhielt, wollte unmittelbar nach der Tat noch nicht von einem Terroranschlag sprechen und trat zunächst nicht an die Öffentlichkeit. Erst spätabends besuchte er den Tatort und legte Blumen nieder.

    Was man am Morgen nach der Katastrophe weiß, ist nicht viel. Die Generalstaatsanwaltschaft spricht von einem Terroranschlag. Laut Interfax stammt der mutmaßliche Attentäter ursprünglich aus Kirgisistan und habe Verbindungen zu radikalen Islamisten. Fontanka veröffentlichte den Namen des Verdächtigen, er soll Akbarshon Dshalilow heißen und aus dem kirgisischen Osch stammen. Die kirgisischen Behörden bestätigten unterdessen die Information, dass es sich dabei um den mutmaßlichen Attentäter handele.

    Kommersant veröffentlichte einen Bericht, in dem es heißt, die russischen Geheimdienste seien über den drohenden Anschlag informiert gewesen. Ein Syrienheimkehrer mit Verbindungen zum IS habe sie darüber informiert, sogar Nummern übergeben. Nach dem ersten Anschlag hätten die Geheimdienste die Telefone der Terroristen blockiert und so die zweite Explosion verhindert.

    In russischen Medien und Sozialen Netzwerken wird diskutiert: Wer steckt dahinter – der IS oder das Regime selbst? Haben die Geheimdienste versagt? Und welche innenpolitischen Folgen hat der Anschlag? 

    Vedomosti: Schrauben werden angezogen

    Für das liberale Wirtschaftsblatt Vedomosti ist ziemlich klar, wer versagt hat – und es fürchtet vor allem innenpolitische Folgen:

    [bilingbox]Terroranschläge gibt es in vielen Ländern, man kann sich vor ihnen heutzutage nicht schützen. […] In dieser Hinsicht sind wir anderen Ländern ähnlich. […] Der Unterschied ist jedoch, dass bei uns die Geheimdienste keinerlei öffentliche Verantwortung übernehmen. […] [Die Antiterror-Rhetorik] kann praktisch genutzt werden, um schon existierende Ansätze weiterzuentwickeln: die Unterdrückung zivilgesellschaftlicher Aktivität unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Extremismus, die Stärkung der Geheimdienste, Verschärfung der Internetkontrolle.~~~Теракты происходят в разных странах, полностью защититься от них сегодня нельзя […]. В этом смысле мы похожи на другие страны, […]. Нашим отличием является отсутствие публичной ответственности спецслужб […]
    Теоретически в повестке сейчас нет таких радикальных инициатив, для поддержки и объяснения которых власти нужна была бы жесткая антитеррористическая риторика. Практически она может быть использована для развития уже имеющихся заделов – угнетения гражданской активности под предлогом борьбы с экстремизмом, усиления спецслужб, усложнения механизмов контроля за интернетом, но конкретное направление действий будет зависеть от хода расследования теракта в метро.[/bilingbox]

     

    erschienen am 04.04.2017

    Facebook Ivan Yakovina: Perfekt für Putin

    Ivan Yakovina ist Ex-Lenta.ru-Redakteur, der jetzt in der Ukraine lebt und arbeitet. Unmittelbar nach dem Anschlag postete er auf facebook

    [bilingbox]Die Explosion kam für Putin zu einem idealen Zeitpunkt. Gerade hatte das Volk wieder begonnen auf die Straße zu gehen – und voilà. Allen wird nun Angst eingejagt vor Anschlägen auf Demonstrationen. Ich würde mich nicht mal wundern, wenn man die Opposition für schuldig erklärt. Nach dem Motto, Nawalny hat das aus dem Gefängnis geplant. Die Schrauben werden sicher angezogen, hundertprozentig. Was für Schweine.~~~Взрыв произошел в идеальное для Путина время. Только народ стал выходить на улицы – и вуаля. Всех будут пугать взрывами на митингах.Вообще, не удивлюсь, если оппозицию назначат виновной. Типа, Навальный из тюрьмы спланировал.Гайки обязательно закрутят, это вообще стопроц.Какие же суки.[/bilingbox]

     

    erschienen am 03.04.2017

    Komsomolskaja Prawda: Wo ist das Beileid?

    KP-Korrespondent Alexander Koz wendet sich am Abend nach dem Anschlag gegen Spekulationen, dass es sich um eine Geheimdienstaktion handle. Und spart nicht mit Kritik an der Opposition:

    [bilingbox]

    „Zum Kotzen. Das erinnert an die Ereignisse in Moskau zu ‚Beginn des Zarenreichs‘“, giftet Michail Chodorkowski.

    Das kommt bei denen anstelle von Beileid. Hunderte Likes, Shares und Kommentare, nach derselben Masche: „Jetzt werden sie die Schrauben anziehen.“ „Ein Machwerk des FSB, die wollen besondere Vollmachten und mehr Geld und die Staatsmacht will weiter die Schrauben anziehen.“ „Nun geht es los … Jetzt werden Terroranschläge des FSB in allen Städten folgen, wo am 26. März protestiert wurde.“

    Ist euch klar, dass wir schon seit anderthalb Jahren im Wortsinne gegen den weltweiten Terrorismus Krieg führen? Wisst ihr, dass die russischsprachige „Diaspora“ im IS […] die größte unter den Gruppen ausländischer Islamisten ist? Werdet ihr euch entschuldigen, wenn der IS sich zu dieser Gräueltat bekennt? Ich bezweifle das.~~~«Погано. Напоминает события в Москве «начала царства», – язвит Михаил Ходорковский. «Вот и началось… Теперь теракты ФСБ начнет по всем городам, где были протесты 26 марта».

    Это у них вместо соболезнований. Сотни лайков, перепостов и комментариев, как под копирку:

    «Теперь под эту тему начнут гайки закручивать». «Дело рук ФСБ, хотят особых полномочий и больше денег, а власть дальше желает закручивать гайки». 
    […] Вы в курсе, что мы уже полтора года в прямом смысле слова воюем с мировым терроризмом? Вы знаете, что русскоязычная «диаспора» в ИГИЛе […] – самая многочисленная из иностранных группировок исламистов? Вы будете извиняться, когда «Исламское государство» возьмет ответственность за это зверство на себя? Сомневаюсь.[/bilingbox]

     

    erschienen am 03.04.2017

    Moskowski Komsomolez: Illusion von Sorge

    Das Massenblatt Moskowski Komsomolez zweifelt am Sicherheitskonzept:

    [bilingbox]Die Explosion in der Petersburger Metro beweist es: Sicherheit kann man nicht kaufen. […] In den vergangenen 17 Jahren wurde die Staatssicherheit zur nationalen Idee. Unglaubliche Geldmengen wurden da hineingepumpt – das Ergebnis ist zweifelhaft. […] Das ganze Land ist voll von Sicherheitspersonal. Es geht dabei nicht um private Wachdienste, die es auch in unzähliger Menge gibt, es geht um die staatlichen, die wir bezahlen.

    In Moskau stehen mittlerweile an jedem Metro-Eingang neben der Aufseherin im Glasbüdchen merkwürdige Personen in Westen mit der Aufschrift „Sicherheit“. Ihre Gesichter flößen einem absolute Überzeugung ein, dass sie keinerlei Sicherheit garantieren können. Außer ihnen findet sich in jeder Station noch eine Polizei-Einheit – sie schlendern auf und ab und unterhalten sich über dies und das. […]

    All diese Metalldetektoren und Wachmänner demonstrieren Sorge um unsere Sicherheit. Die Illusion von Sorge. Und diese Illusion ist am 3. April in der Petersburger Metro wieder einmal zerplatzt. ~~~Взрыв в метро Петербурга доказывает: безопасность купить нельзя. […] За последние 17 лет госбезопасность стала национальной идеей. Деньги в неё закачали невероятные, а результат сомнительный. […] Всю страну заполонили охранники. Речь не про частную охрану, которая тоже бесчисленна, речь про государственную и ведомственную, которую оплачиваем мы.
    На каждом входе в московское метро кроме дежурной в стеклянной будке теперь стоят непонятные люди в жилетках с надписью «Безопасность». Их лица внушают полную уверенность, что никакую безопасность они обеспечить не могут. Кроме них на каждой станции ещё и наряд полиции — бродят взад-вперёд, разговаривая о чём-то своём…
    […] Все эти рамки и охранники изображают заботу о нашей безопасности. Иллюзорную заботу. Эта иллюзия ещё раз взорвалась 3 апреля в метро Петербурга.[/bilingbox]

     

    erschienen am 03.04.2017

    Echo Moskvy Blog Denis Dragunsky: Es geht um alte Probleme 

    Denis Dragunsky, Politologe, Schriftsteller und Journalist, vermutet in seinem Blog auf Echo Moskvy die Regierung nicht als Drahtzieher – dennoch trage diese die Schuld:

    [bilingbox]Ich glaube nicht, dass es eine „Provokation seitens der Regierung“ ist. Einige Experten [meinen], dass die Regierung angeblich die Schrauben anziehen will und deswegen … Beruhigt euch. Wenn die Regierung einen härteren Kurs fahren möchte, dann kann sie das auch einfach so, als weitere Festigung von Demokratie und Rechtsordnung, mit voller Unterstützung des Parlaments und der Mehrheit der Wähler. […]

    Schuld an den Ereignissen ist jedoch selbstverständlich die russische Staatsmacht. Aber diese Schuld betrifft nicht den gestrigen Tag, ja nicht mal das letzte Vierteljahrhundert. Wer auch immer den Anschlag verübt hat – es geht hier um sehr alte Probleme, die im Endeffekt auf der ethnosozialen Konstruktion der Russischen Föderation beruhen, die wir von der Sowjetunion und dem Russischen Reich geerbt haben. […]

    Auf der Tagesordung steht eine vorsichtige, aber konsequente Strukturveränderung des russischen Föderalismus. […] Mir scheint, die Föderation muss unbedingt symmetrischer werden, ausgeglichener, einheitlich – selbstverständlich unter voller Berücksichtigung aller Interessengruppen der Bevölkerung Russlands.~~~Не думаю, что это «провокация со стороны власти». Некоторые эксперты, что якобы власть хочет потуже закрутить гайки, и вот, мол… Успокойтесь. Если власть захочет ужесточить режим, она это сможет сделать просто так, в порядке дальнейшего укрепления демократии, законности и правопорядка, с полной поддержкой парламента и большинства избирателей. […]
    […]
    Однако в происшедшем, разумеется, виновата российская власть. Но вина эта — не вчерашняя и даже не четвертьвековой давности. Кто бы ни был террористом — речь идет об очень старых проблемах, которые в конечном итоге упираются в этносоциальную конструкцию РФ, унаследованную от СССР и Российской Империи. […]
    На повестке дня — осторожное, но последовательное изменение структур российского федерализма. […] Мне кажется, необходимо делать федерацию более симметричной, более равновесной, единообразной — разумеется, при полном учете интересов всех заинтересованных групп российского населения. [/bilingbox]

     

    erschienen am 03.04.2017

    actualcomment.ru: Terror macht Wahlkampf

    Der Politikwissenschaftler Gleb Pawlowski glaubt nicht an das bevorstehende Anziehen der Schrauben. Auf der Analyse-Plattform Aktualnyje Kommentarii fragt er, wie der Kreml sonst reagieren kann:

    [bilingbox]Das Attentat von Piter ist ein Schlag auf den Kopf der Bevölkerung. Ein ernsthaftes Trauma. Doch solche Traumata verheilen bei uns recht schnell. Das Attentat wird auch dem Präsidentschaftswahlkampf einen Schlag verpassen, es wird ihn ins Primitive ziehen, ich hoffe nur für kurze Zeit. […]

    Es sind noch zwölf Monate bis zu den Wahlen. Die Wahlkampagne darf nicht auf dem Kampf gegen Terrorismus aufbauen, die Menschen wollen etwas Positives.~~~Питерский теракт нанесет удар по мозгам населения. Это – серьезная травма. Но травмы такие у нас довольно быстро зарастают. Теракт также нанесет удар по повестке президентских выборов и примитивизирует ее, надеюсь, на короткое время. […] 
    До выборов – двенадцать месяцев, и на борьбе с террористами ст[р]оить  повестку нельзя, люди хотят чего-то позитивного. [/bilingbox]

     

    erschienen am 03.04.2017

    dekoder-Redaktion

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  • Debattenschau № 49: Nawalny und die Macht der Straße

    Debattenschau № 49: Nawalny und die Macht der Straße

    Es waren auffällig viele junge Leute: Teenager und Schüler. Manche hatten ihre Gesichter grün bemalt, manche hielten Schildchen mit Badeenten darauf in die Höhe. Und sie waren fast überall: nicht nur in Moskau und Sankt Petersburg, sondern auch in Jekaterinburg, in Nowosibirsk, in Wladiwostok und vielen weiteren Städten in den russischen Regionen. Beobachter sprechen von den größten Demonstrationen in Russland seit den Bolotnaja-Protesten 2011/2012.

    „Ich vermute, auch Putin und Nawalny sind verblüfft vom Ausmaß der Anti-Korruptions-Proteste“, twitterte Spiegel-Korrespondent Christian Esch am Sonntag aus Moskau. 

    Oppositionspolitiker Alexej Nawalny war es, der zu den Protesten aufgerufen hatte. Zuvor hatte sein Fonds für Korruputionsbekämpfung (FBK) einen Bericht über Premier Medwedew veröffentlicht. Das Video auf Youtube hat nach dreieinhalb Wochen derzeit über 12,5 Millionen Klicks. 

    Bei den Protesten am Sonntag griff die Polizei durch, zumal die Demonstrationen meist nicht von den örtlichen Behörden genehmigt worden waren: Allein in Moskau gab es laut Menschenrechtlern rund 900 Festnahmen, die Polizei spricht von etwa 500. Jugendliche filmten noch aus Polizeiwagen heraus, die Videos wurden über das Internet verbreitet.

    Auch Nawalny selbst war während der Proteste am Sonntag in Moskau verhaftet worden, wurde am heutigen Montag dem Richter vorgeführt und zu einer Strafe von 20.000 Rubel [rund 320 Euro] verurteilt. Außerdem muss er für 15 Tage in Haft.

    Auftrieb für die Proteste dürfte außerdem auch der Videomitschnitt einer Diskussion über Nawalny und andere politische Themen zwischen Schülern und Lehrerinnen in der Oblast Brjansk gegeben haben. Das Video, von Nawalnys Wahlkampfteam vergangene Woche im Netz verbreitet, wurde zum Hit, die selbstbewussten Schüler zu „Helden des russischen Internets“. 

    Ein ereignisreiches Wochenende, und nicht nur in Russland: In Belarus, wo seit Wochen protestiert wird, griff die Staatsmacht am Samstag durch. Hunderte wurden verhaftet, die Polizei ging teilweise sehr brutal gegen die Demonstrierenden vor. 

    Während russische Staatsmedien kaum berichten und die landesweiten Proteste darin weitgehend marginalisiert werden, kommentieren vor allem unabhängige Medien: Nawalny, der Retter Russlands? Frühlingserwachen der russischen Zivilgesellschaft? Was wird bleiben von den Protesten?

    Moskowski Komsomolez: Putin ist in der Pflicht

    Das Massenblatt Moskowski Komsomolez sieht Wladimir Putin nun vor großen Herausforderungen:

    [bilingbox]Der Präsident trägt in unserem Land die komplette Verantwortung. Er ist unmittelbar verpflichtet, seine Untergebenen bei der Stange zu halten. Am Vorabend der Wahlen vom 26. März 2000 erklärte WWP [Wladimir Wladimirowitsch Putin – dek] den Bürgern in einer TV-Sondersendung: „Wir wählen einen Präsidenten, der dazu verpflichtet ist, dem Land wieder zu Ansehen zu verhelfen.“ Die Anschuldigungen Nawalnys an die Adresse Medwedews, die bislang ohne befriedigende Antwort geblieben sind, haben zwar kaum das Ansehen unseres Landes beeinflusst, haben aber das Ansehen der russischen Machthaber eindeutig ruiniert. Mal sehen, ob Wladimir Putin das wieder aufbessern kann.~~~Президент в нашей стране отвечает за все. Держать в тонусе своих подчиненных – это прямая обязанность Владимира Владимировича Путина. Накануне выборов 26 марта 2000 года ВВП заявил в специальном телевизионном обращении к гражданам: “ Мы выбираем президента, чья обязанность – вернуть стране ее престиж”. Оставшиеся пока без содержательного ответа обвинения Навального в адрес Медведева вряд ли повлияли на престиж страны, но вот престиж российской власти они точно уронили. Посмотрим, сумеет ли Владимир Путин вновь его поднять.[/bilingbox]

     

    erschienen am 26.03.2017

    Kommersant: Der Kreml hat die Wahl  

    Auch Stanislaw Kutscher schaut in der Tageszeitung Kommersant auf die mögliche Reaktion des Kreml – und sieht es dabei als entscheidend an, wen mögliche Strafmaßnahmen treffen werden:

    [bilingbox]In der Bevölkerung herrscht ein klares Bedürfnis, gegen die Korruption anzukämpfen – das zu ignorieren ist unmöglich. Deswegen wäre meines Erachtens die klügste Reaktion seitens der Regierung, erneut eine demonstrative Antikorruptionskampagne loszutreten.

    Kurz gesagt, der Kreml hat die Wahl, und die lautet ganz einfach: Wer wandert ins Kittchen?
    ~~~Запрос общества на борьбу с коррупцией очевиден, игнорировать его невозможно, а потому самым умным ответом – на мой взгляд – была бы очередная демонстративная антикоррупционная кампания со стороны самой власти.

    Итак, если коротко, повторю, у Кремля есть выбор, и формулируется он просто: кого сажать?

    [/bilingbox]

     

    erschienen am 27.03.2017

    Republic: Ein Teufelskreis

    Für Oleg Kaschin dagegen scheint klar, dass auch die neue Generation der Protestierenden nichts ausrichten kann. Auf auf dem unabhängigen Portal Republic schreibt er:

    [bilingbox]Völlig verständlich ist der Enthusiasmus derer, die den vereinten Protest vor fünf Jahren genug beweint haben und jetzt plötzlich die neuen Gesichter auf der Twerskaja entdeckt haben. Ein Generationenwechsel dieser Art allerdings, bei der jede vorige Generation die nächste anschaut und hofft, ihr möge das gelingen, was den Älteren nicht gelang – das ist ein klassischer breit angelegter Entwicklungsweg, der beinahe garantiert, dass irgendwann zur Hälfte der nächsten Amtszeit Putins schon eine neue Jugend antreten wird. Und die, die heute auf der Twerskaja waren, werden ihnen zuschauen mit genau den Hoffnungen, mit denen die ehemalige Bolotnaja-Bewegung auf die heutigen Teenager schaut. Es mutet an wie ein Teufelskreis, was sich da gerade hinter neuen Gesichtern verbirgt, die aber sowieso nichts erreichen werden. […]

    Demokratien vermeiden ihr Zerbersten mithilfe von Machtwechseln. Der russische Autoritarismus (lässt er sich noch mit einem anderen vergleichen?) vermeidet das Zerbersten, indem er alle fünf Jahre die Teilnehmer auf Protestkundgebungen auswechselt.~~~Понятен энтузиазм тех, кто успел оплакать слитый протест пять лет назад и вдруг увидел новые лица на Тверской. Но смена поколений в таком формате, когда каждое предыдущее поколение смотрит на новое и надеется, что у него получится то, что не получилось у старших – это классический экстенсивный путь развития, почти гарантирующий, что где-нибудь к середине следующего путинского срока придет уже новая молодежь, а те, кто был сегодня на Тверской, будут смотреть уже на нее с той же надеждой, с которой бывшая Болотная смотрит на тинейджеров сегодня. Ощущение замкнутого круга прячется теперь за новыми лицами, но все равно никуда не девается.
    […] 
    Демократии избегают взрыва с помощью ротации власти. Российский авторитаризм (и с кем его здесь сравнить?) избегает взрыва с помощью ротации людей на протестных митингах раз в пятилетку.[/bilingbox]

     

    erschienen am 27.03.2017

    Colta: Korruption ist der Zündstoff

    Jegor Sennikow sieht auf colta.ru die Korruption als Zündstoff und gleichzeitig als Klammer, die viele im Land vereint:

    [bilingbox]Vergessen darf man allerdings auch nicht, dass das Thema Korruption als Zündstoff für die heutigen Proteste gedient hat, und dies gänzlich vom Zettel zu streichen wäre falsch. […]

    Zu irgendeinem Zeitpunkt wurde vielen klar, dass du zwar gleichzeitig die Spielregeln beachten und den vorgesehenen Abläufen folgen kannst, aber als Reaktion erntest du weder aufrichtiges Mitgefühl noch das geringste bisschen Gerechtigkeit, auch in der Rechtsprechung. Das alles ist so durchsichtig, dass es sowohl Schüler verstehen, die von ihren Lehrern bearbeitet werden, als auch Rentner, die das Fernsehen bearbeitet. […] 
    Ganz sicher ist jedoch, dass in Russland – und zwar nicht nur in Moskau und Petersburg – eine neue gesellschaftliche Bewegung herangereift ist.~~~Но нельзя забывать и то, что коррупционная тема послужила запалом сегодняшних протестов — и скидывать ее со счетов целиком совсем не стоит. […] В какой-то момент многим стало понятно, что ты можешь играть по правилам и следовать установленным процедурам, но в ответ ты не дождешься ни искреннего сочувствия, ни хотя бы условной справедливости и правосудия. Символ этот такой зримый, что понятен и школьникам, обрабатываемым своими учителями, и пенсионерам, обрабатываемым телевизором. […]
    [Но] о чем можно говорить сегодня совершенно точно, что в России — а не только в Москве или в Петербурге — вызрело какое-то новое общественное движение.[/bilingbox]

     

    erschienen am 26.03.2017

    Komsomolskaja Prawda: Vorsicht Falle!

    Die regierungsnahe Komsomolskaja Prawda warnt vor der Teilnahme an den ungenehmigten Protestaktionen:

    [bilingbox]Ganz offensichtlich war es kein friedlicher Spaziergänger, der den Polizisten geschlagen hat. Wahrscheinlich war es ein Aktivist aus dem Lager, das zu der illegalen Demonstration aufgerufen hatte. Der Täter konnte untertauchen, nun wird er anhand von Bildern der Überwachungskameras gesucht.

    Das ist die Lektion für alle, die auf nicht genehmigte Demos gehen: Leute, vielleicht steht ihr einfach nur da und seid ganz friedlich. Aber man kann euch leicht in eine Falle locken und in Krawalle hineinziehen.~~~И бил полицейского явно не мирно гуляющий прохожий. Наверняка это был активист из лагеря тех, кто собирал незаконный митинг. Он успел скрыться, его ищут по изображениям с камер наблюдения…
    И это урок тем, кто выходит на несанкционированные шествия — ребята, вы, может, и будет просто стоять, никого не трогая. Но вас могут легко подставить, втянуть в беспорядки.[/bilingbox]

     

    erschienen am 26.03.2017

    Echo Moskwy Blog: Nawalny fehlt ein Plan

    Kristina Potuptschik, bis 2012 Pressesprecherin der Jugendorganisation Naschi, galt für viele als die Personifizierung der sogenannten Kreml-Blogosphäre. Seit einigen Jahren hört man von ihr gemäßigte Töne. Auf ihrem Echo-Blog kann sie der oppositionellen Euphorie nur wenig abgewinnen:

    [bilingbox]Sehr viele Jugendliche waren da, Schüler von gestern und heute. Der wichtigste Ort war Piter und nicht Moskau. Das sind die Hauptunterschiede zu Bolotnaja. Außerdem gab es damals nach den Protesten dieses deutliche Empfinden: Es passiert etwas. Das fehlt diesmal. […] Nawalny steckt in einer misslichen Lage: Die Menschen haben sich getroffen, sind wieder auseinandergegangen, und dann? Nichts. Nawalny hat dem Protest nichts anzubieten, kein Programm und keinen Handlungsplan. Und das begreifen sogar die Schüler.~~~Очень много молодежи, вчерашних и нынешних школьников. Главным городом стал Питер, а не Москва. Эти же пункты — главные отличия от Болотки. А еще то, что тогда после протестов было четкое ощущение — что-то Происходит. Сейчас такого ощущения нет. […] И Навальный сейчас в ситуации крайне неудачной — ну погуляли, ну разошлись, а дальше что? А дальше — ничего. Предложить Навальный протесту ничего не может, программы и плана действий у него нет, и понимают это даже школьники.[/bilingbox]

     

    erschienen am 26.03.2017

    Facebook Alexander Morosow: Geschichte geschrieben

    Der renommierte Politologe Alexander Morosow dagegen zollt auf seinem facebook-Account dem umstrittenen Oppositionspolitiker Nawalny allen Respekt: 

    [bilingbox]

    Wie auch immer das alles ausgeht – die heutige Aktion in 80 Städten wird in die politische Geschichte Russlands eingehen. So viel  ist bereits klar. […]

    Drei Jahre schon publiziert Nawalny Anti-Korruptions-Materialien. Mit dem Beginn seiner spielerischen Wahlkampagne und nun dem Video über Dimon hat Nawalny ordentlich politisch Kapital geschlagen. Er ist ohne jegliche Übertreibung ein großer Zeitgenosse. Gehörigen Respekt verschaffen ihm sein Verstand, seine Beharrlichkeit und seine geniale Medienkompetenz.~~~Чем бы это все не закончилось, но сегодняшняя акция в 80 городах войдет в политическую историю РФ . Это уже ясно. […]
    Трехлетнюю историю антикоррупционных публикаций Навальный мощно капитализировал одним роликом про димона и началом своей игровой президентской кампании. Он без всякого преувеличения великий современник. Вызывают огромное уважение его ум, упорство и медиа-гениальность.[/bilingbox]

     

    erschienen am 26.03.2017

    Facebook Batscho Kortschilawa: Ukraine als Vorbild

    Batscho Kortschilawa ist ehemaliger Presseattaché der georgischen Botschaft in der Ukraine. Auf seinem facebook-Account kommentiert er die Proteste in Russland und Belarus, dabei schreibt er der Ukraine eine wichtige Rolle zu:

    [bilingbox]Werden die aktuellen Demonstrationen in Russland und Belarus irgendetwas verändern? In den nächsten Jahren nicht. Weil Derartiges dort regelmäßig passiert, aber ohne jedes Ergebnis.

    Wisst ihr, warum ich nicht daran glaube, dass sich in den beiden Ländern – besonders in Russland – aktuell irgendwas verändern wird? Ganz einfach: Weil dort bisher Positiv-Beispiele im großen Maßstab fehlen. Die baltischen Länder und Georgien können hier nicht als Vorbild dienen. Aber falls die Ukraine zu einem entwickelten, wirtschaftlich starken, stabilen und demokratischen europäischen Staat werden sollte, könnte sie nicht nur zum Vorbild, sondern auch zum Impuls für große Veränderungen werden. Und erst dann wird es zu einer Demontage der derzeitigen Regimes in Belarus und Russland kommen. Aber in der gegenwärtigen Lage braucht ihr nicht zu erwarten, dass sich dort irgendetwas verändert.

    Veränderungen in der gesamten Region werden von der Ukraine ausgehen und nicht anders. Und falls solche Veränderungen beginnen, dann wird die UKRAINE zum echten Anführer der Region. ~~~Изменят ли что то в России и Белорусии митинги которые проходят? В ближайшие годы нет. Потому что такое переодически там происходит, но не имеет никакого результата. 
    Знаете почему я не верю в то что сейчас в этих двух странах, а особенно в России может что-то изменится? Ответ прост – у них нет пока положительного примера в большом масштабе. Страны Балтии и Грузия для них примером служить не может. А вот пример Украины, если она сможет стать развитым, экономически сильным, стабильным и демократическим европейским государством, сможет послужить не только примером, но и импульсом к большим изменениям. И только тогда произойдёт демонтаж тех режимов, которые сейчас в Белорусии и России. 
    А пока так как есть, не ждите что там что-то изменится. Изменения во всем этом регионе начнутся с Украины, и никак по другому. А если такие изменения начнутся, то УКРАИНА станет реальным лидером региона.[/bilingbox]

     

    erschienen am 26.03.2017

    dekoder-Redaktion

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  • Debattenschau № 48: Mord an Denis Woronenkow

    Debattenschau № 48: Mord an Denis Woronenkow

    Am 23. März wurde der Ex-Dumaabgeordnete Denis Woronenkow in Kiew auf offener Straße erschossen.

    Der ehemalige Abgeordnete der Kommunistischen Partei war eine umstrittene Figur: Er hatte die Linie des Kreml mitgetragen, in Sozialen Netzwerken etwa die Angliederung der Krim begrüßt. Umso überraschender war es für Viele, als er Ende 2016 in die Ukraine emigrierte – nachdem er nicht mehr in die Duma gewählt worden war. Da in Russland seit 2014 wegen Korruption gegen Woronenkow ermittelt wurde, vermuteten dies manche als Beweggrund für seine Emigration. In Kiew verglich er Russland schließlich sogar mit Nazi-Deutschland. Woronenkow hinterlässt eine Ehefrau, die populäre Opernsängerin Maria Maksakowa-Igenbergs, den gemeinsamen Sohn sowie zwei Kinder aus einer früheren Ehe.

    Foto © Roman Jarowizyn/Kommersant
    Foto © Roman Jarowizyn/Kommersant

    Unmittelbar nach Woronenkows Ermordung brachen heftige Spekulationen über das Motiv und die Hintermänner aus: Steckt der SBU hinter dem Mord? Der russische Geheimdienst aus „Rache am Verräter“? Oder ging es um irgendwelche schmutzigen Geschäfte? 

    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach von „russischem Staatsterrorismus“, die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa dagegen von einem „Auftragsmord“.

    Der mutmaßliche Mörder war nach der Tat schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert worden, wo er seinen Verletzungen erlag. Am Tag nach dem Mord veröffentlichte der ukrainische Obosrewatel den Namen des mutmaßlichen Täters. Andere, zumeist russische, Quellen stützen sich jedoch auf die Anwältin des Mannes, die behauptet, ihr Mandant sei noch am Leben.

    In russischen Medien wird derzeit heftig spekuliert, wer hinter dem Mord steckt, unter anderem wird die in Russland typische Frage „Wem nützt es?“ aufgeworfen. Dass so viele eine schnelle Antwort darauf haben, das hat vereinzelt wiederum eine eigene Debatte ausgelöst. dekoder bringt Ausschnitte:

     

    Novaya Gazeta: Kreml wird sich nicht herauswinden können

    Julia Latynina von der unabhängigen Novaya Gazeta hat keinen Zweifel, wer hinter dem Mord steckt:

    [bilingbox]Auch wenn die Kiewer Polizei und der SBU hilflos erscheinen, so werden sie doch alles daran setzen, dieses Verbrechen aufzuklären. Meiner Meinung nach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es aufgeklärt wird, so wie der Mord an Litwinenko. In diesem Fall wird sich der Kreml nicht herauswinden können.

    Bestenfalls wird seine Verteidigungsstrategie folgende sein: „das war Eigeninitiative“, „hat versucht, sich anzudienen“. Funktionieren wird diese Verteidigungsstrategie nur bei den Olgino-Trollen.~~~Как бы ни были беспомощны киевская полиция и СБУ, они бросят на раскрытие этого преступления все силы. На мой взгляд, есть очень большая вероятность, что его раскроют, так же, как было раскрыто убийство Литвиненко. В таком случае Кремлю не отмыться.

    В лучшем случае линия защиты будет такая: «это самодеятельность», «пытались угодить». Действовать эта линия защиты будет только на ольгинских троллей. [/bilingbox]

     

    erschienen am 24.03.2017

    Republic: Komplizierter als MH17-Abschuss

    Oleg Kaschin vermutet eine Rache des Kreml hinter der Ermordung – und fragt sich auf Republic, wie der es schaffen wird, damit ein Zeichen zu setzen und sich gleichzeitig nicht als Täter zu entlarven:

    [bilingbox]Die russische Staatsmacht wird nun vermutlich Mittel und Wege erfinden, um zu zeigen, dass Woronenkow wegen Verrats bestraft wurde. Diese müssen einerseits von allen potentiellen Adressaten eindeutig verstanden werden; andererseits dürfen sie auch nicht zum offenherzigen Bekenntnis werden: „Ja, das waren wir.“

    Diese Herausforderung ist deutlich größer als damals bei der MH17 oder bei Nemzow. Vielleicht werden die russischen Machthaber nicht dicht halten und sich schneller verplappern als die ukrainischen Ermittler den Mordfall aufdecken.~~~[…] российская власть сейчас, скорее всего, будет изобретать способы дать понять, что Вороненков наказан за предательство, и эти способы должны быть такими, чтобы, с одной стороны, они воспринимались однозначно всеми потенциальными адресатами, а с другой – не стали бы чистосердечным признанием: «Да, это мы».

    Tакая задача несопоставимо более сложна, чем то, что было с «Боингом» или Немцовым. Может случиться так, что российские власти не выдержат и проболтаются быстрее, чем украинские следователи раскроют убийство.[/bilingbox]

     

    erschienen am 23.03.2017

    Komsomolskaja Prawda: Der SBU war’s

    Für das Massenblatt Komsomolskaja Prawda ist ebenfalls klar, wer die Drahtzieher sind – auch wenn es zu einem anderen Schluss kommt als Republic:

    [bilingbox][Woronenkows] kriminelle Sünden in Russland wurden dabei [in der Ukraine – dek] nur spärlich erwähnt, beiläufig, im Rahmen der politischen Verfolgung. Schließlich hatte man das glänzende Bild eines [Unschulds-]Lamms. Aus Woronenkow hat man alles rausgeholt, was ging. Und ihn dann zur Schlachtung überführt. Diese Version sieht doch sehr viel logischer aus, oder? Besonders vor dem Hintergrund der für die Ukraine nicht allzu erfreulichen jüngsten Ereignisse. Für Poroschenko, aus dessen Händen die Macht langsam zu den Radikalen abfließt, ist das der rettende Strohhalm. Vorerst. […]

    Übrigens wurde am Tatort eine Handtasche des Killers gefunden. Eine Handtasche, verstehen Sie? Wozu hat er die „zum Einsatz“ mitgenommen? Bestimmt hatte er darin einen Bart zum Ankleben, einen Kompass, einen Kiew-Stadtplan für Touristen und einen Ausweis der „Abteilung Liquidation“ des KGB. Derartiges wird der SBU wahrscheinlich bald präsentieren. […] ~~~О криминальных прегрешениях в России при этом упоминалось скупо, вскользь, в рамках политического преследования. В итоге образ агнца получился на славу. Из Вороненкова выжали все, что было возможно. И принесли на заклание. Согласитесь, эта версия выглядит куда логичнее. Особенно на фоне последних не самых приятных для Украины событий.
    Для Порошенко, из рук которого власть потихоньку утекает к радикалам, это спасительная палочка. На какое-то время. […]

    Кстати, на месте убийства была найдена борсетка киллера. Борсетка, понимаете? Зачем он брал ее «на дело»? Даже не сомневаюсь, что в ней он носил накладную бороду, компас, туристическую карту Киева и удостоверение «отдела ликвидаций» КГБ. Скоро что-то подобное наверняка обнародует СБУ.[…][/bilingbox]

     

    erschienen am 23.03.2017

    Vedomosti: Russland und Ukraine müssen zusammenarbeiten

    Die Tageszeitung Vedomosti verdächtigt weder Kreml noch SBU – und regt zur Aufklärung des Falls eine Zusammenarbeit der russischen und ukrainischen Behörden an: 

    [bilingbox]Wenn man die spezielle Art der Beschäftigungen des Ex-Abgeordneten bedenkt, darf man auch die Version nicht ausschließen, die man gewöhnlich als Konflikt in der Businesswelt bezeichnet. Selbst irgendwelche persönlichen Hintergründe oder eine Vermischung all solcher Umstände darf man nicht ausschließen.

    Wenn man alle diese Versionen ernsthaft in Betracht zieht, dann wird der Mordfall ohne eine Zusammenarbeit der russischen und ukrainischen Rechtsschutzorgane nur schwer überzeugend aufzuklären sein. Aber nach offiziellen Verlautbarungen, dass russische Geheimdienste am Mord beteiligt gewesen sein sollen, wird es eine solche Zusammenarbeit offenbar nicht mehr geben.~~~Учитывая непростой род занятий бывшего депутата, нельзя исключать и версию, которую принято называть «конфликтом в сфере бизнеса». Нельзя даже исключать и какие-то личные версии, а также сочетание всех этих обстоятельств. Если все эти версии рассматривать серьезно, то без сотрудничества правоохранительных органов России и Украины по-настоящему убедительно раскрыть это убийство будет сложно. Но, похоже, после официальных заявлений о причастности к убийству российских спецслужб такого сотрудничества не будет.[/bilingbox]

     

    erschienen am 24.03.2017

    spektr: Opfer des hybriden Kriegs

    Das russischsprachige Spektr, das in Lettland ansässig ist, ist der Spekulationen und schnellen Verdächtigungen müde: 

    [bilingbox]

    Eine weitere Leiche – diesmal im Zentrum von Kiew – wird blitzartig zur Waffe im Propaganda-Krieg. Eigentlich interessiert sich auch niemand wirklich dafür, wer ihn weshalb umgebracht hat. Den Konfliktparteien ist auch so alles klar. Selbst wenn der Killer überlebt und ausgesagt hätte, würde man die Aussagen, die nicht in das einfache Weltbild der eigenen Seite passten, beiseite legen, es der feindlichen Propaganda anlasten und mit der Entlarvung des Gegners fortfahren.

    Das heißt, obwohl wir das nicht wollten, sind wir auf beiden Seiten der Grenze bereits zu gemeinsamen Opfern des hybriden Kriegs geworden.

    ~~~Еще один труп – на этот раз в центре Киева – тоже молниеносно оказывается орудием пропагандистской войны. Собственно, никому ведь и не интересно, кто и за что его убил. Сторонам конфликта и без того все ясно. И даже если бы киллер выжил и дал бы показания, та сторона, в простую картину мира которой эти показания не впишутся, легко отмахнется от них, спишет на вражескую пропаганду и продолжит сеанс разоблачения противника.

    То есть все мы по обе стороны границы, сами того не желая, уже вступили в союз жертв гибридной войны.[/bilingbox]

     

    erschienen am 23.03.2017

    dekoder-Redaktion

     

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    Debattenschau № 47: ESC-Kandidatin Julia Samoilowa

  • Debattenschau № 47: ESC-Kandidatin Julia Samoilowa

    Debattenschau № 47: ESC-Kandidatin Julia Samoilowa

    Wie politisch ist der Eurovision Song Contest (ESC)? Die Frage wurde schon mehrfach diskutiert, vor allem auch im vergangenen Jahr, als die Ukraine (ein Jahr nach der russischen Angliederung der Krim) die Krimtatarin Jamala ins Rennen schickte, diese prompt gewann und den russischen Kandidaten auf Platz 3 verwies.
     
    Nun hat der Erste Kanal die russische Kandidatin für den ESC 2017 in Kiew bekannt gegeben. Dass keine Zuschauerwahl stattfand, ist nicht gegen ESC-Regeln, aber ungewöhnlich. Und leistet dem Vorwurf Vorschub, dass die russische Seite versuche, die Gewinnerin zu instrumentalisieren: Julia Samoilowa hat 2015 einen Auftritt auf der Krim absolviert. Weil sie bei ihrer Einreise gegen ukrainisches Recht verstieß – sie hatte keine Einreiseerlaubnis der ukrainischen Behörden – droht ihr in diesem Fall eigentlich ein Einreiseverbot oder eine Geldstrafe. Da die 27-jährige Sängerin aber seit ihrer Kindheit im Rollstuhl sitzt und noch dazu in einem Interview sagte, schon immer von der Teilnahme beim ESC geträumt zu haben, sehen vor allem viele Ukrainer ihr Land moralisch erpresst. Am 15. März wurden laut Medienberichten schließlich alle Verbote gegen die Sängerin von ukrainischer Seite aufgehoben – für die Zeit des ESC [Update vom 22. März: Wie Interfax berichtet, wurde Samoilowa ein offizielles Einreiseverbot erteilt. Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU hatte bereits am 20. März angegeben, dass ein Dokument für ein Einreiseverbot gegen Samoilowa vorbereitet worden sei].

    In russischen wie ukrainischen Medien und Sozialen Netzwerken tobt seit Samoilowas Nominierung eine hitzige Debatte. Eine Debatte, die nicht nur das desolate Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine spiegelt, sondern auch positive wie negative Stereotype gegenüber Menschen mit Behinderung zum Vorschein bringt.

    Facebook Uliana Pcholkina: Gleiche Regeln für alle

    Die ukrainische TV-Moderatorin Uliana Pcholkina sitzt selbst im Rollstuhl. Auf ihrer Facebook-Seite wirbt sie für gleiche Regeln für alle – in jeder Hinsicht:

    [bilingbox]Die Kandidatin Russlands, die eine Behinderung hat, soll unter Verletzung der Gesetze unseres Staates in die Ukraine reisen. Der SBU untersucht den Fall bereits und wird überprüfen, ob Julia tatsächlich die ukrainische Grenze überschritten und ein Konzert auf der annektierten Krim gegeben hat.

    Aber hier gibt es noch eine andere Seite der Medaille. Im Internet schreiben einige, dass sie Favoritin würde, weil sie „ein armes Mädchen im Rollstuhl“ sei.

    Leute, meint ihr das ernst? Das ist ein Songcontest, und bewertet werden sollten der Gesang, das artistische Vermögen und der Auftritt selbst! Was spielt denn hier die Behinderung für eine Rolle? Wie hilft ihr diese beim Singen?

    […]

    Ich schlage vor, eine Aktion ins Leben zu rufen: „Ukrainische Menschen mit Behinderung gegen die Gesetzesbrecherin Samoilowa!“~~~Конкурсантка від росії, яка має інвалідність, має приїхати в Україну, порушуючи закони нашої держави. СБУ вже розглядає цей випадок і буде перевіряти, чи дійсно Юлія перетинала кордон України і давала концерти в анексованому Криму.

    Але, тут є і інша сторона медалі. Користувачі мережі, пишуть, що вона має стати фавориткою, бо „бєдна дєвочка в каляскє“ …

    Народ, ви серйозно? Це пісенний конкурс і оцінювати треба спів, артистичність і сам номер! При чому ту її інвалідність? Як вона допомагає їй співати?

    […] Пропоную, запустити акцію „Люди з інвалідністю України, проти порушниці закону Самойлової![/bilingbox]

     
    erschienen am 13.03.2017

    Republic: Revanche und Testballon

    Oleg Kaschin kommentiert auf dem unabhängigen russischen Portal Republic, dass die ESC-Teilnahme Julia Samoilowas für die Verantwortlichen Revanche und Testballon zugleich bedeute:

    [bilingbox]Nun wird niemand mehr glauben, dass der Skandal in der Show Minute des Ruhms unabhängig war von der geplanten Kandidatur der russischen Sängerin beim Kiewer ESC. Auf der Seite des Ersten Kanals finden sich die Clips nebeneinander in der Rubrik „Spezialprojekte“: Renata Litwinowa und Wladimir Posner entschuldigen sich bei dem einbeinigen Tänzer Jewgeni Smirnow für die Äußerungen zum „unerlaubten Kniff“, daneben das Mädchen im Rollstuhl, die Sängerin Julia Samoilowa mit ihrem Song Flame is burning, quasi als Fortsetzung des Themas „Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen im kulturellen und medialen Leben Russlands“.

    […]

    Die Sängerin Samoilowa befindet sich an einem Punkt, an dem gleich drei Probleme sich kreuzen, mit denen sie nichts zu tun hat. Die Revanche des Ersten Kanals nach der ESC-Niederlage im vergangenen Jahr, und jetzt, im Vorfeld der Wahl, das Austesten der Möglichkeiten des Fernsehens sowie der russisch-ukrainischen Beziehungen – das sind die drei Räder, auf denen der Rollstuhl der Sängerin ins Finale des Wettbewerbs gefahren ist.~~~Никто уже не поверит, что скандал на шоу «Минута славы» не был связан с запланированным выдвижением российской певицы на киевское «Евровидение». На сайте Первого канала эти два ролика висят рядом в разделе спецпроектов – Рената Литвинова и Владимир Познер извиняются («извиняются») перед безногим танцором Евгением Смирновым за слова о «запрещенном приеме», а рядом девушка в инвалидной коляске, певица Юлия Самойлова со своей песней «Flame is burning» как бы продолжает тему участия людей с ограниченными физическими возможностями в культурной и медийной жизни России. [….]

    Певица Самойлова находится в точке, в которой сошлись сразу три проблемы, не имеющие к ней никакого отношения. Реванш Первого канала после прошлогоднего отставания, предвыборные проверки возможностей телевидения и российско-украинские отношения – вот три колеса, на которых коляска певицы доехала до финала песенного конкурса.[/bilingbox]

     

    erschienen am 13.03.2017

    Komsomolskaja Prawda: Die Flamme brennt

    Das Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda mutmaßt, weshalb Julia Samoilowas ESC-Teilnahme in Russland nicht unumstritten ist:

    [bilingbox]Von der Seite sieht das so aus: Nach Kiew kommt endlich der Armata T-14, fährt auf die Bühne des ESC und beginnt zu feuern. Flame is burning – die Flamme brennt. Und mit ihr die „europäischen Werte“, die gleichgeschlechtliche Liebe, die Transgender, Transvestiten, Transsexuellen und anderes profiliertes Publikum der Show.

    Das wäre ein zu konfrontatives Vorgehen. So scheint es vielen (bei einer Umfrage des KP-Radios sprachen sich 64 Prozent gegen die Kandidatur von Julia aus). Das wäre zu gemein, zu konjunkturell, zu spekulativ.

    Mit anderen Worten: ein „unerlaubter Kniff“.~~~Со стороны это выглядит так. В Киев наконец-то входит «Армата Т-14», заезжает на сцену «Евровидения» и начинает палить. Горит пламя. А вместе с ним — «европейские ценности», однополая любовь, трансгендеры, трансвеститы, транссексуалы и другая профильная аудитория шоу.
    То есть слишком лобовой ход. Так кажется многим (опрос на радио «КП» выявил 64% несогласных с кандидатурой Юли). Слишком пошло, слишком конъюнктурно, слишком спекулятивно.

    Другими словами, запрещенный прием.[/bilingbox]

     

    erschienen am 13.03.2017

    Apostrophe.ua: ESC als Plattform für hybriden Krieg

    Das ukrainische Onlinemagazin Apostrophe.ua empfindet die Kandidatur Samoilowas ebenfalls als eine Art „unerlaubten Kniff“: 

    [bilingbox]Die Russische Föderation nutzt den ESC nicht als Songcontest, sondern als ideologische Plattform für ihren hybriden Krieg.

    So haben sie ohne jegliche Vorauswahl Julia Samoilowa zur Kandidatin gekürt, zynisch eine Interpretin im Rollstuhl ausgewählt, um später zu zeigen, wie brutal die Ukrainer sind, weil die sie nicht reinlassen. Das ist der völlige moralische Verfall des putinschen Russlands sowohl in humanitärer als auch in politischer Hinsicht. Die Auswahl eines Mädchens, das sich im Rollstuhl fortbewegt – das ist für die ein völlig normaler propagandistischer Zug. ~~~РФ использует Евровидение не как песенный конкурс, а как идеологическую площадку в своей гибридной войне.

    И вот они без всякого отбора назначили кандидата Юлию Самойлову, цинично выбрав исполнительницу на инвалидной коляске, чтобы потом показать жестокость украинцев, которые не будут ее принимать. Это полное моральное падение путинской России как в гуманитарном, так и в политическом смысле. Выбор девушки, которая передвигается на инвалидном кресле, – для них нормальный пропагандистский ход.[/bilingbox]

     
    erschienen am 13.03.2017

    Blog Echo Moskwy: Verhängnisvolles Symbol

    Dimitri Bykow sieht in seinem Blog auf Echo Moskwy ein „gefährliches Symbol“ in einer Rollstuhlfahrerin, die Russland ausgerechnet in der Ukraine vertreten soll:

    [bilingbox]Russland und die Ukraine befinden sich vielleicht nicht im Kriegszustand, aber Frieden kann man das auch nicht nennen. In dieser Situation ein Mädchen im Rollstuhl auf die ukrainische Bühne zu schicken, bedeutet – besonders wenn man bedenkt, dass der ESC in Russland aus irgendeinem Grund als unglaublich wichtig und prestigeträchtig gilt, obwohl er das schon längst nicht mehr ist – einen gefährlichen symbolischen Schritt zu machen. Schließlich interpretieren wir jetzt jeden Wettbewerb, ob kulturell oder sportlich, im symbolischen Sinne. Und bei diesem Wettbewerb einen Invaliden vorzuschlagen, bedeutet ein gewisses doppeldeutiges Bild seines Landes zu schaffen. Nach der Art: Uns darf man nicht den Sieg verwehren, weil wir krank sind. Das wurde offenbar nicht so erdacht, aber aussehen tut es genau danach. Ist Russland heute daran interessiert, als Invalider zu erscheinen? (Besonders wenn man bedenkt, dass die Situation von Menschen mit Behinderung in Russland schwierig ist.)

    Ich persönlich will nicht, dass mein Land im Kontext höchst musikalischer Wettkämpfe als Paralympionike wahrgenommen wird. Auch wenn das heute der schnellste Weg zum Sieg ist. Aber vielleicht wissen wir einfach nicht alles über die wahre Sachlage?~~~Россия сейчас находится с Украиной не то чтобы в состоянии войны, но и миром это тоже не назовешь. В этой обстановке выпускать на украинскую сцену девушку в коляске — особенно если учесть, что Евровидение почему-то считается в России ужасно важным и престижным, давно не являясь таковым — значит совершать опасный символический шаг. Ведь мы теперь любое соревнование, культурное или спортивное, интерпретируем в символическом плане. И предлагать к участию в таком конкурсе инвалида — значит создавать какой-то двусмысленный образ своей страны. Типа нам нельзя не отдать победу, потому что мы больные. Это явно задумывалось не так, но выглядит это именно так. Заинтересована ли сегодня Россия в том, чтобы представать в образе инвалида? (Особенно если учесть, что положение инвалидов в России сложное.)

    Лично я не хотел бы, чтобы моя страна воспринималась в контексте сугубо музыкальных соревнований как паралимпиец. Даже если это сегодня кратчайший путь к победе. Но, может, мы просто не всё знаем об истинном положении дел?[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.03.2017

    Nowoje Wremja: Nichts zu befürchten

    Bogdan Jaremenko ist ukrainischer Diplomat und Vorsitzender der Bewegung Maidan sakordonnich spraw. Was er am 14. März auf dem populären ukrainischen Onlineportal Nowoje Wremja vorschlägt, wurde schließlich umgesetzt: Für die Zeit des ESC darf Samoilowa in die Ukraine reisen [Update vom 22. März: Wie Interfax berichtet, wurde Samoilowa nun ein offizielles Einreiseverbot erteilt. Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU hatte bereits am 20. März angegeben, dass ein Dokument für ein Einreiseverbot gegen Samoilowa vorbereitet worden sei]:

    [bilingbox]Ich würde Samoilowa zum ESC in der Ukraine zulassen.
    Erstens haben wir gewisse Verpflichtungen gegenüber den Organisatoren und Zuschauern des Wettbewerbs. […] Und Verpflichtungen muss man erfüllen – einerlei, ob es für dich nutzbringend oder schwierig ist.
    […]

    Ja, wir haben das Hoheitsrecht, zu definieren, wen wir auf unserem Staatsgebiet sehen wollen oder nicht. Und selbstverständlich wird die Entscheidung, Samoilowa nicht zum ESC zu lassen, aus offensichtlichen Gründen unter vielen Ukrainern Anklang finden.

    Aber falls wir die Einreise verweigern, und zwar einer Sängerin, die noch dazu „ein Mädchen im Rollstuhl“ ist (Julia Samoilowa ist körperlich beeinträchtigt), schadet dieser von Russland provozierte Skandal der nationalen Sicherheit der Ukraine meines Erachtens mehr als wenn wir Julia Samoilowa für die ESC-Teilnahme in unser Staatsgebiet lassen.

    […]

    Und noch eine Sache: Ich habe mir Samoilowa angeguckt, ihr Lied angehört … Eine abgeleierte Melodie (würde mich wirklich wundern, wenn die nicht geklaut ist), ein einfach gestricktes Mädchen (und ihren Facebook-Posts nach – einfach ungebildet), irgendeine scheußlich-gelispelte englische Aussprache. In etwa so ist auch Russland. Da gibt’s nichts zu befürchten.~~~Я бы допустил Самойлову в Украину на Евровидение.

    Во-первых, мы имеем определенные обязательства перед организаторами и зрителями конкурса. […] Обязательства следует выполнять несмотря на то, выгодно, сложно это для тебя или нет.
    […] 
    Да, мы имеем суверенное право определять, кого хотим или не хотим видеть на территории своего государства. И, конечно, решение не допустить на Евровидение Самойлову по очевидным причинам найдет положительные отзывы среди многих украинцев.

    Но спровоцированный россиянами скандал вокруг нашего отказа допустить в Украину певицу, да еще и „девушку в инвалидной коляске“ (Юлия Самойлова имеет физические ограничения), с моей точки зрения, нанесет больше вреда национальной безопасности Украины, чем допуск на нашу территорию для участия в конкурсе Евровидение Юлии Самойловой.
    […]
    И еще одно. Посмотрел я на Самойлову, послушал ее песню… Банальный мотив (буду искренне удивлен, если не ворованный), простенькая девочка (а из постов в ФБ – то элементарно безграмотная), какое-то ужасно-шепелявое английское произношение. Где-то такой Россия и есть. Нечего бояться. [/bilingbox]

     

    erschienen am 14.03.2017

    InLiberty: Amputation des Gewissens

    Der Politikwissenschaftler und Historiker Sergej Medwedew ist eine der profiliertesten Stimmen des liberalen Lagers. Auf der unabhängigen Diskussionsplattform InLiberty geißelt er den Zynismus der Show-Produzenten:  

    [bilingbox]Samoilowas Problem besteht auf zwei Ebenen – auf der menschlichen und auf der politischen. Auf der menschlichen kann man ihr nichts anderes für den Wettbewerb wünschen als den Sieg, von dem sie schon jahrelang träumt. […] Möglicherweise wird ihr Auftritt allen helfen, die mit eigenen Verletzungen und Gebrechen kämpfen; die diese nicht verstecken, den Schmerz überwinden, die Isolation und die Anonymität. Vielleicht wird er ihnen helfen, sich vollwertig in die Gesellschaft zu integrieren. 

    Auf der politischen Ebene ist es unmöglich, sich nicht über den Zynismus dieser Show-Produzenten zu wundern, die Samoilowa nach Kiew schicken – lösen sie doch ihre propagandistischen Aufgaben mithilfe verwundbarer, abhängiger Körper. Im Übrigen, das Gewissen wurde ihnen schon vor Langem amputiert – wie auch unsere Fähigkeit verkümmerte, uns noch über irgendetwas zu wundern.~~~Проблема Самойловой существует на двух уровнях — человеческом и политическом. По-человечески нельзя не желать ей победы в конкурсе, о котором она мечтала долгие годы: Возможно, ее выступление поддержит всех, кто борется со своими травмами и недугами, не скрывает их, преодолевает боль, изоляцию и анонимность, поможет им полноценнее интегрироваться в общество. Но на политическом уровне нельзя не удивиться цинизму продюсеров этого шоу с отправкой Самойловой в Киев: они решают свои пропагандистские задачи при помощи уязвимых, зависимых тел. Впрочем, у них уже давно случилась ампутация совести — как и у нас атрофировалась способность чему-либо удивляться.[/bilingbox]

     

    erschienen am 14.03.2017

    dekoder-Redaktion

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  • Presseschau № 46: Putins Programmrede

    Presseschau № 46: Putins Programmrede

    Der russische Staatspräsident Wladimir Putin hält im Dezember traditionell eine Jahresrede vor den wichtigsten Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien des Landes, sehr feierlich im prunkvollen Georgssaal des Kreml. Viel hat er in diesem Jahr über die wirtschaftliche Lage des Landes gesagt, aber auch über den Kampf gegen Korruption und Terrorismus. Auf ein Thema, das in den vergangenen Jahren dominierte – die Außenpolitik – setzte er wenige Akzente, kam vor allem auf Syrien zu sprechen, am Rande noch auf die USA, sprach von Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten Trump.

    Viel Wert wird gewöhnlich auf das in dieser Rede skizzierte Programm gelegt, es gilt oft als eine zumindest rhetorische Richtschnur für das bevorstehende Jahr. Wie hat die russische Presse diesmal Putins Worte interpretiert? Und müssen es immer die Worte selbst sein, die bei diesem Auftritt wichtig sind? Was wurde nicht gesagt und warum? Sowohl unabhängige als auch staatsnahe Medien haben da ihre Lesarten. Eine Presseschau.

    Vedomosti: Putin 1981

    Die unabhängige Tageszeitung Vedomosti betont zunächst, dass der Sinn derartiger Botschaften darin bestehe, einen jeweils für notwendig erachteten Ton anzugeben. Nachdem die Kommentatoren eine Reihe von Unstimmigkeiten in der Rede Wladimir Putins aufgezeigt haben – etwa die, dass zwar das Wachsen des Bausektors erwähnt wurde, nicht aber die Tatsache, dass gleichzeitig die Kaufkraft der Wohnungssuchenden sinkt – ziehen sie eine Parallele zum Jahr 1981:

    [bilingbox]Solche Reden sind aber – neben allem anderen – auch immer Texte, in denen zwischen all den überzogenen Rechenschaftsberichten, patriotischen Losungen und den schwer realisierbaren Handlungsanweisungen auch ein Moment der Wahrheit steckt. […]

    ,Eine Stabilisierung, das bedeutet nicht automatisch einen Übergang zu einer dauerhaften Aufwärtsentwicklung. Wenn wir nicht grundlegende Probleme der russischen Wirtschaft lösen, nicht mit voller Kraft neue Wachstumsfaktoren schaffen, dann können wir für Jahre in einem Nullwachstum steckenbleiben. Und das hieße, wir müssten uns ständig einschränken, immer sparen und alle Entwicklung auf ein Später verschieben‘, nahm der Präsident das zur Kenntnis, was vor sich ging. Und korrigierte sich pflichtgemäß: ,So etwas können wir uns nicht erlauben.‘

    Die Stagnation wird noch 20 Jahre andauern, das prophezeite vor etwa einem Monat das Wirtschaftsministerium, das bald darauf auf dramatische Weise seiner Führung verlustig ging. An so etwas müssen wir uns nicht neu gewöhnen, denn wir erinnern uns ja: ‚Die Bilanz der Entwicklung der Volkswirtschaft bestätigt auf überzeugende Art und Weise die Richtigkeit der ökonomischen Strategie der Partei. […] Die Intensivierung der Landwirtschaft ermöglichte es, unentwegt den Umfang der Produktion zu steigern. […] Jetzt geht es darum, an der gewonnenen Erfahrung anknüpfend, Hindernisse beiseite zu schaffen, die das Wirtschaftswachstum bremsen.‘ Leonid Breshnew, XXVI. Parteitag der KPdSU, 1981.~~~Послания, ко всему прочему, это текст, в котором среди подтянутых отчетов, патриотических лозунгов и трудноисполнимых поручений всегда есть момент истины. ‚Стабилизация не означает автоматического перехода к устойчивому подъему. Если мы не решим базовые проблемы российской экономики, не запустим в полную силу новые факторы роста, то на годы можем зависнуть возле нулевой отметки и, значит, нам придется постоянно ужиматься, экономить, откладывать на потом свое развитие‘, – признал то, что уже происходит, президент. Но тут же дежурно поправился: ‘Такого мы себе позволить не можем‘.

    Стагнация продлится еще 20 лет, предсказывало месяц назад Минэкономразвития, вскоре драматично лишившееся руководителя. Нам не привыкать, мы помним: ‚Итоги развития народного хозяйства убедительно подтверждают правильность экономической стратегии партии […] Интенсификация сельского хозяйства позволила неуклонно увеличивать объем продукции. […] Теперь дело за тем, чтобы, опираясь на накопленный опыт, устранять препятствия, мешающие росту экономики‘. Леонид Брежнев, XXVI съезд КПСС, 1981 г.”[/bilingbox]

    Novaya Gazeta: Wahlkampfauftakt

    Die Novaya Gazeta sieht in der Rede von Wladimir Putin bereits eine Art frühen Wahlkampfauftakt – im März 2018 soll in Russland ein neuer Präsident gewählt werden. Das sei der Grund für den inhaltlichen Schwenk zur Innenpolitik.

    [bilingbox]Zum Glück ist es [in der Rede – dek] dieses Jahr ganz ohne Anspielungen auf die ,schwierige geopolitische Lage‘ abgegangen und ohne Kritik ,an unseren westlichen Partnern‘.

    Zum einen reagiert der Präsident darauf, dass die Gesellschaft offensichtlich der außenpolitischen Diskussionen müde ist – gerade wurde eine Umfrage des Lewada-Zentrums veröffentlicht, in der sich 75 Prozent der Russen für eine Normalisierung der Beziehungen zum Westen aussprechen. Es deutet sich aber auch die Suche nach einem neuen Bild Putins an, für den Start der Kampagne im Präsidentschaftswahlkampf, die allem Anschein nach recht bald beginnen dürfte – und um die zu gewinnen, reicht die Krim allein schon nicht mehr aus.~~~К счастью, в этом году совсем обошлось без отсылок к ‚сложной геополитической ситуации‘ и без критики ‚наших западных партнеров‘.

    Президент, с одной стороны, реагирует на очевидную усталость общества от внешнеполитических дискуссий — накануне был опубликован опрос Левады, согласно которому 75 % россиян выступают за нормализацию отношений с Западом. Но также здесь намечен поиск нового образа Путина для старта президентской кампании, которая, судя по всему, начнется по историческим меркам совсем скоро — и выиграть ее одним Крымом уже не получится.[/bilingbox]

    Rossijskaja Gazeta: Innere Probleme größer als durch die Sanktionen

    Im Amtsblatt der russischen Regierung, der Rossijskaja Gazeta, wird dieser innenpolitische Fokus der Rede besonders betont – auch im Kontext der gegen und von Russland selbst verhängten Sanktionen. Die Zeitung hebt zudem hervor, dass der Präsident eine Steuerreform angekündigt hat.

    [bilingbox]Mehrere Male sprach das Staatsoberhaupt über die Sanktionen, ‚mit denen man uns dazu bringen wollte, nach einer fremden Pfeife zu tanzen‘. Aber die Hauptursachen für die Verlangsamung der Wirtschaft liegen Putins Ansicht nach vor allem in unseren innenpolitischen Problemen. Es gibt daneben jedoch auch viele positive Momente, in einer Reihe von Branchen ist ein Wachstum spürbar.

    In der Wirtschaft braucht es keine abstrakten Szenarien, sondern professionelle Prognosen für die Entwicklung, schloss das Staatsoberhaupt und wies das Kabinett an, gemeinsam mit den Unternehmerverbänden bis Mai einen Plan auszuarbeiten mit einem Zeithorizont bis 2025, dessen Umsetzung es erlaubt, zum Anbruch des neuen Jahrzehnts 2019 bis 2020 ein schnelleres Wachstum als der Weltmarkt zu erreichen.

    Außerdem schlug der Präsident vor, im Laufe des kommenden Jahres Vorschläge zum Umbau des Steuersystems zu prüfen, bis 2018 die Korrekturen vorzunehmen, und sie ab 2019 umzusetzen.~~~Несколько раз глава государства говорил о санкциях, ‚которыми нас пытались заставить плясать под чужую дудку‘. Но главные причины торможения экономики кроются прежде всего в наших внутренних проблемах, считает он. Впрочем, много и положительных моментов, в ряде отраслей заметен рост.

    В экономике нужны не абстрактные сценарии, а профессиональный прогноз развития, заключил глава государства и поручил кабмину с участием деловых объединений до мая разработать план до 2025 года, реализация которого позволит на рубеже 2019-2020 годов выйти на темпы экономического роста выше мировых.

    Также он предложил в течение следующего года рассмотреть предложения по настройке налоговой системы, в 2018 году принять поправки, а с 2019 года ввести их в действие.[/bilingbox]

    Tatjana Stanowaja bei Carnegie: Eine Rede aus dem Schwebezustand heraus

    Tatjana Stanowaja, Leiterin der Analyse-Abteilung des Zentrums für Politische Technologien, ist überzeugt, Wladimir Putin habe gerade einfach nichts zu sagen, wolle Konkretes bewusst offen lassen. In einem Kommentar für das Portal des Thinktanks Carnegie Moskau meint sie, er brauche von der Gesellschaft ohnehin nur Vertrauensbekundungen, für programmatische Entscheidungen sei jetzt nicht die richtige Zeit.

    [bilingbox]Die konzeptionelle Gehaltlosigkeit der Agenda rührt von zwei Ursachen her. Erstens bleibt der Rahmen von Dialog und Austausch zwischen der Staatsmacht und der Gesellschaft darauf beschränkt, dass der Macht das Vertrauen ausgesprochen wird. Danach wird die inhaltliche Diskussion geschlossen, und der Dialog verengt sich auf die Themen Patriotismus und nationale Würde.

    Die zweite Ursache ist die Ruhe der Zwischenzeit. Es steht die Ausformulierung der Wahlkampagne Putins bevor, der sich auf massive Umstrukturierungen innerhalb des Regimes (die werden 2017 bis 2018 unumgänglich sein) und auf eine neue geopolitische Wirklichkeit vorbereitet. Programmatische Entscheidungen zur Entwicklung des Landes sind stets zweitrangig im Vergleich zur Arbeit an Institutionen und Kadern, die noch lange nicht abgeschlossen ist.

    Die Programmrede kam zu einer Zeit, als Putin sich eine strategische Pause für die Ausformulierung der weiteren Entwicklungsrichtung des Landes nahm, wobei diese Richtung in vielerlei Hinsicht nicht von ihm abhängen wird.~~~

    Концептуальная пустота повестки стала следствием двух причин. Во-первых, узким оставлен предмет диалога между властью и обществом. Взаимодействие между властью и обществом по-прежнему сводится к получению первой мандата доверия, после чего содержательная дискуссия закрывается, а диалог сужается до тем патриотизма и национального достоинства.

    Вторая причина – затишье промежуточного периода. Предстоит сформулировать предвыборную программу Путина, готовящегося к крупным перенастройкам внутри режима (а они будут неизбежны на рубеже 2017–2018 годов) и к новой геополитической реальности. Концептуальные решения по развитию страны всегда вторичны по отношению к институциональной и кадровой настройке, которая пока далека от завершения.

    Послание пришлось на период, когда Путин взял стратегическую паузу в формулировании дальнейшего вектора движения страны, направление которого во многом будет зависеть не от него.[/bilingbox]

    Rosbalt: Zivilgesellschaft an den Tropf holen

    Der Kolumnist Sergej Schelin analysiert auf dem Portal der unabhängigen Nachrichtenagentur Rosbalt das Nichtgesagte. Zwischen den Zeilen liest er von einer Verstaatlichung der Zivilgesellschaft und einer Rückkehr zum sowjetischen Staatsmodell.

    [bilingbox]Wer dem breiten Publikum berufsmäßig die Präsidentenreden erklären muss, der hat es derzeit nicht leicht. Im 68-minütigen Auftritt Wladimir Putins vor den wichtigsten Menschen des Landes ist so wenig Konkretes, dass den Deutern nichts anderes übrig bleibt, als sich auf die Analyse des Tonfalls zu konzentrieren und sich über den versöhnlichen, beizeiten gar liberalen Ton zu freuen. […]

    Wenn man [hinsichtlich eines politischen Tauwetters] alles Gesagte und Nichtgesagte in knappe Worte zusammenfasst, dann lauten diese: Es gibt kein Tauwetter und keinen politischen Aktivismus, nirgends.

    Die weitschweifigen Ausführungen über die Förderung von Ehrenamt und Nichtregierungsorganisationen [NGOs] laufen auf eine einzige konkrete Empfehlung hinaus: Die Bürokraten sollen den NGOs für die Durchführungen ihrer Maßnahmen ruhig großzügiger Staatsgelder zuteilen, für die sie (die Bürokraten) sich dann vor ihren Vorgesetzten zu verantworten haben. Mit anderen Worten: Sollen sich die NGOs doch von den Staatsbediensteten aushalten lassen. Über den Kampf mit den ausländischen Agenten wurde dabei nichts gesagt. Also: In dieser Hinsicht bleibt alles beim Alten. […]

    In Putins Augen gibt es keine selbständige politische Kraft im Land, und es kann auch keine geben. Es gibt nur den Apparat der Staatsbediensteten, und dem wurde angeraten, sich delikater mit den Untertanen zu gebärden. Diese Ratschläge haben die Generalsekretäre der KPdSU ihrer Nomenklatur Tausende Male erteilt.~~~Тем, кто по роду занятий обязан разъяснять для широкой публики президентские речи, сейчас несладко. В 68-минутном выступлении Владимира Путина перед главными людьми страны настолько мало конкретики, что толкователям приходится концентрироваться на анализе интонаций и радоваться миролюбивому, а местами и либеральному тону. […]

    Если резюмировать все сказанное и несказанное на этот [политические послабления] счет в нескольких словах, то они будут такими: никаких послаблений и никакого политического активизма ни на одном участке.

    Пространные рассуждения о поощрении волонтерства и НКО подводят к одной единственной конкретной рекомендации: пусть бюрократы щедрее дают НКО казенные деньги на выполнение мероприятий, за которые они (бюрократы) отчитываются перед своим начальством. То есть пусть НКО будут у чиновников на жаловании. О борьбе с иноагентами не упомянуто. Следовательно, на этом участке все будет как было. […]

    В глазах Путина какого-либо самостоятельного политического актива в стране нет и быть не может. Есть только чиновничество, которому рекомендовано тактичнее вести себя с подданными. Генеральные секретари КПСС давали своей номенклатуре точно такие же советы тысячи раз.[/bilingbox]

    Kommersant: Das Persönliche zählt

    Andrej I. Kolesnikow geht in der Tageszeitung Kommersant auf die Form der Erarbeitung dieser Programmrede Putins ein und meint: Hier war klar, es spricht der Präsident – und sein Wort solle allen ein Befehl sein.

    [bilingbox]Unseren Informationen zufolge war diese Rede des Präsidenten im Großen und Ganzen etwa vor einem Monat fertig. Danach ging sie direkt an mehrere Adressaten für interne Abstimmungen und Korrekturen. Die Besonderheit dieser Rede besteht darin, dass sie sich nach allen Korrekturen – darunter auch den letzten des Präsidenten selbst – fast nicht verändert hat. Darin besteht, kann man sagen, auch ihre Einzigartigkeit: Normalerweise beginnt jeder, der sich dazu berufen fühlt (und das tun alle), fieberhaft an dem Text zu arbeiten, Änderungen, Korrekturen und Ergänzungen vorzuschlagen, und am Ende bleibt vom Text, der eigentlich allen schon von Anfang an gefallen hatte, fast nichts mehr übrig.

    Diesmal erwies sich die Rede frei von diesem ganzen Ballast, nur Wladimir Putin hat im letzten Moment noch einige Korrekturen eingefügt: Er hat, nach unseren Informationen, vor allem noch etwas ergänzt, nicht gekürzt. […]

    Dann nahm dieser ganze, recht widersprüchliche Haufen, diese wimmelnde, brummende Masse [im Saal – dek] Platz in ihren Sesseln, und er trat vor ihnen auf, pünktlich, um 12 Uhr, und begann seinen Vortrag. Übrigens: Warum hätte man den Text nicht einfach [ausgedruckt – dek] verteilen können, anstatt eine Stunde auf sein Verlesen zu verwenden? Nein, das wäre unter keinen Umständen möglich gewesen. Allen musste eines klar werden: Das alles sagt er. Das sind seine Worte, und fortan kann man ihm, der sie ausgesprochen hat, keine anderen mehr unterschieben, selbst wenn man das sehr wünscht. Für diese Worte muss Verantwortung übernommen werden, und das muss nicht Putin tun, sondern die, die im Saal sitzen – aber vor ihm, Putin, selbst. […]~~~

    Послание президента было в общих чертах готово, по данным “Ъ”, примерно месяц назад. После этого его проект поступил сразу по нескольким адресам для внутреннего обсуждения и корректировок. Особенность этого послания состоит в том, что оно после всех правок, в том числе и окончательных президентских, почти не изменилось. В этом, можно сказать, даже его уникальность: обычно все, кто способен (а способными оказываются все), начинают лихорадочно работать над текстом, предлагать изменения, поправки, дополнения, и в конце концов от окончательного текста, который на самом деле нравился всем с самого начала, почти ничего не остается.

    Это послание оказалось избавлено от всех этих хлопот, и только Владимир Путин внес в последний момент еще несколько правок: в основном, по данным “Ъ”, дописывал, а не сокращал. […]

    Вся эта противоречивая, кипучая, бурчащая масса устроилась в конце концов в своих креслах в ожидании президента, и он появился перед ними вовремя, в полдень, и зачитал. Почему нельзя было просто раздать, кстати, текст и не тратить на зачитывание час? Нет, ни в коем случае. Надо, чтоб всем было ясно: это сказал именно он. Это его слова, и отныне его, произносящего их, ни с кем не спутаешь, даже если очень захочешь. За эти слова придется отвечать, и не ему, а им, сидящим в зале, причем перед ним же. […][/bilingbox]

    Komsomolskaja Prawda: Vor allem Zählen zählt

    Beim regierungsfreundlichen Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda wurde während der Rede vor allem eines getan: gezählt. Und zwar wie häufig es Applaus für Wladimir Putin gab – zudem dokumentiert, nach welchen Wörtern das Applaudieren einsetzte.

    [bilingbox]Die Komsomolka [Komsomolskaja Prawdadek] zählte während der 69-minütigen Rede des Präsidenten, dass im Saal zwölf Mal applaudiert wurde. Das hier sind die Themen, auf die im Georgssaal mit Applaus reagiert wurde:

    • Einigkeit des Volkes
    • Hilfe für junge Spezialisten
    • Gründung eines Notfall-Sanitärdienstes
    • Zentrum zur Unterstützung begabter Kinder
    • Der Erfolg Russlands – das ist die Entdeckung von Talenten
    • Arbeit von Nichtregierungsorganisationen
    • Im Bau sind 85 Millionen Quadratmeter Wohnraum
    • Erfolg in der Landwirtschaft
    • Internationale Konkurrenz der russischen Unternehmen
    • Mächtiger Schlag gegen die Terroristen in Syrien
    • Dankbarkeit für die Diensttuenden in der Armee, die Russland damit ihre Ehre erweisen
    • Wir erreichen alle von uns gesteckten Ziele

    Den lautesten Beifall gab es, nachdem die Dankbarkeit gegenüber den Soldaten in Syrien ausgedrückt worden war. […]~~~‚Комсомолка‘ подсчитала, что за 69 минут, пока длилось Послание президента, зал аплодировал 12 раз. Вот на какие темы собравшиеся в Георгиевском зале Кремля реагировали апплодисментами:

    • Единство народа.
    • Помощь молодым специалистам.
    • Создание службы санитарной авиации.
    • Центры поддержки одарённых детей.
    • Успех России – в раскрытии талантов.
    • Работа некоммерческих организаций.
    • В строй введено 85 миллионов квадратных метров жилья.
    • Успехи в сельском хозяйстве.
    • Международная конкуренция российских компаний.
    • Мощный удар по террористам в Сирии.
    • Благодарность военнослужащим, дорожащим честью России.
    • Достигнем и решим все стоящие перед нами цели.

    Причем, самые громкие апплодисменты звучали после слов благодарности нашим военным в Сирии. […][/bilingbox]

    dekoder-Redaktion

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    Es ist ein Fall, wie ihn das gegenwärtige Russland noch nicht erlebt hat: Ein Regierungsmitglied wird verhaftet und von einem Gericht unter Hausarrest gestellt. Noch am selben Tag entbindet ihn Präsident Putin von seinem Amt als Wirtschaftsminister. Alexej Uljukajew – der zum liberalen Lager der Wirtschaftsreformer gezählt wird – steht unter der schweren Anschuldigung, Schmiergelder in Höhe von zwei Millionen Dollar im Zuge eines großen Übernahmegeschäfts erpresst zu haben. Sollte es zu einer Anklage und einer Verurteilung kommen, drohen bis zu 15 Jahre Haft.

    Das schlägt hohe Wellen in Russland. Beobachter sind überrascht und verwirrt vom Vorgehen des federführenden Ermittlungskomitees gegen den Minister, viele sehen Ungereimtheiten und bezweifeln, dass es tatsächlich um einen Korruptionsfall gehe – während die Hintergründe noch völlig offen sind. Putin hat bereits vor Jahren eine Strategie im Kampf gegen Korruption ausgerufen, zugleich bleiben Enthüllungen von regierungskritischer Seite mit schweren Vorwürfen gegen hochrangige Politiker und staatsnahe Unternehmer so gut wie folgenlos.

    In der Presse überschlagen sich die Kommentatoren mit Analysen – in unabhängigen Medien vor allem mit Fragen und Spekulationen über die Hintergründe, während in staatsnahen Medien eher der Kampf gegen die Korruption gelobt wird. Vielfach beschäftigt auch die Frage, welche allgemeinen Signale von diesem bislang einmaligen Vorgang ausgehen.

    Alexej Walentinowitsch Uljukajew - Foto © Government.ru unter CC-BY 4.0
    Alexej Walentinowitsch Uljukajew – Foto © Government.ru unter CC-BY 4.0

     

    Kommersant: Geheimdienste flehen um Spielraum

    In der Tageszeitung Kommersant meint Dimitri Butrin, stellvertretender Chef im Wirtschaftsressort, es sei keine tiefgehende Aufklärung des Falls zu erwarten – schon deshalb nicht, weil die Regierung zu dem dahinterstehenden Übernahmegeschäft (beteiligt sind die staatsnahen Mineralölkonzerne Rosneft und Baschneft) aus seiner Sicht nie die ganze Wahrheit sagen würde.

    [bilingbox]Zu viel war zu lesen über die ach so normalen Tätigkeiten der FSB-Mitarbeiter und der Mitarbeiter des Ermittlungskomitees – da entsteht unweigerlich ein Verdacht ob ihrer Verstrickungen in einem dunklen Spiel, das sie durch ihre vor der Gesellschaft verborgenen Ziele zur Hälfte selber am Laufen halten […]

    Was das Ermittlungskomitee derzeit über Alexej Uljukajew sagt, bedeutet – würde man das Gesagte haargenau so glauben – eine äußerst schreckliche Kritik auch in Bezug auf die Regierung: Es bedeutet, dass keinerlei Kontrollmechanismen gegen Korruption, die das Weiße Haus seit 2004 aufbaut, greifen. Ansonsten müsste man glauben, dass sich unter der Maske von Alexej Uljukajew, den wir nicht erst im letzten Jahrzehnt kennengelernt haben, seit Jahren der dreiste Räuber Fan Fan, der Husar verborgen hielt, der nachts mit lautem Gelächter staatliche Unternehmen um riesige Barschaften beraubte. Und tagsüber friedlich zu Regierungssitzungen ging, die Brille aufblitzen ließ und über die Dynamik des Bruttoinlandsproduktes raisonierte, und niemand, abgesehen vom heldenmütigen FSB, schöpfte auch nur den leisesten Verdacht, dass sich im herrschaftlichen Umfeld ein genialer verbrecherischer Schauspieler verbarg.

    Deswegen halte ich die Festnahme von Alexej Uljukajew unter den uns hier demonstrierten Umständen vorerst standardmäßig für den x-ten – sei es der 758. oder 759. – Versuch seitens des Ermittlungskomitees oder des FSB, die Staatsführung anzuflehen und um eine kostümierte Reinszenierung des Großen Terrors zu bitten und gleich auch neue schwarze Raben, die Sanierung der Lubjanka und die nächtlichen Überstunden der heldenhaften Ermittler zu bezahlen.~~~Мы слишком много читали об обычных занятиях сотрудников ФСБ и о занятиях сотрудников СКР, чтобы не заподозрить их в вовлеченности в какую-то мутную игру, половину которой они обеспечивают сами с неизвестными обществу целями.

    […]

    То, что сейчас рассказывает СКР про Алексея Улюкаева, если этому в точности верить, является самой страшной критикой по отношению и к правительству: это значит, что не работают вообще никакие механизмы контроля коррупции, которые Белый дом строил с 2004 года. Иначе придется поверить, что под личиной Алексея Улюкаева, которого мы знаем не первое десятилетие, годами скрывался дерзкий разбойник Фанфан-тюльпан, по ночам с хохотом грабящий государственные компании на крупные суммы наличности. А днем он спокойно ходил на заседания правительства, поблескивая очками и рассуждая о динамике ВВП, и никто, кроме доблестного ФСБ, не мог заподозрить, что в государевом окружении скрывался гениальный преступный актер.

    Поэтому пока по умолчанию я считаю задержание Алексея Улюкаева в тех обстоятельствах, которые нам продемонстрировали, очередной — семьсот пятьдесят восьмой или семьсот пятьдесят девятой — попыткой СКР и ФСБ поумолять власть начать костюмированную постановку «Большой террор», оплатив новые черные воронки, ремонт Лубянки и ночные сверхурочные доблестным следователям.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2016

     

    Izvestia: Anti-Korruptionskampf trägt Früchte

    Die regierungsnahe Tageszeitung Izvestia sieht in der Verhaftung von Uljukajew ein konsequentes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen Korruption bestätigt. Ohne Rücksicht auf Ansehen der Person.

    [bilingbox]Die Verhaftung von Alexej Uljukajew ist Teil der systemischen Entscheidungen im Kampf gegen Korruption. Vor drei Jahren hat der Präsident erklärt, dass Korruption eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstelle. Danach hat Wladimir Putin auf einem Treffen mit den regionalen Führungsspitzen gewarnt, dass diejenigen, die ihren staatlichen Aufgaben nicht nachkommen, hart bestraft werden. […]

    Wenn die Strafverfolgungsbehörden und der Pressesprecher des Präsidenten erklären, dass die Arbeit an dem Fall Uljukajew bereits vor einem Jahr begann, bedeutet das, es gab noch andere Materialien, noch eine andere Geschichte.  […] So bedeutet diese Verhaftung, dass der Kampf des Systems gegen Korruptionäre läuft und dass heute nicht mal mehr ein Ministerposten eine Garantie dafür ist, sich der Verantwortung entziehen zu können, dass man im schlimmsten Fall in den Ruhestand, auf Urlaub geschickt wird. Nein, unter Arrest wird man gestellt. Erst warnt der Präsident, dann straft er.~~~Арест Алексея Улюкаева — часть системных решений по борьбе с коррупцией. Три года назад президент заявил, что коррупция — это угроза национальной безопасности. Потом, на встрече с региональными лидерами, Владимир Путин предупредил, что будут жестко наказывать тех, кто не решает государственные задачи.

    […]

    Если правоохранительные органы, пресс-секретарь президента заявляют, что разработка Улюкаева была начата год назад, значит, были и другие материалы, была другая история. Просто сейчас она стала основанием для реализации оперативных материалов. […] Таким образом, этот арест говорит о том, что идет системная борьба с коррупционерами и на сегодня даже министерский пост — не гарантия того, что можно уйти от ответственности, что в крайнем случае человека отправят на пенсию, на отдых. Нет, отправят под арест. Президент сначала предупреждает, потом наказывает.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.11.2016

     

    Vedomosti: Wirtschaftsstrafrecht als Instrument für Personalfragen

    Das unabhängige Wirtschaftsblatt Vedomosti hat sich entschieden, einen Kommentar im Namen des gesamten Meinungsressorts zu veröffentlichen, ohne einen konkreten Autor anzugeben, was selten vorkommt. Der Fall Uljukajew wird hier in einen größeren Trend eingeordnet, in dem der Geheimdienst immer stärker das Wirtschaftsstrafrecht instrumentalisiere.

    [bilingbox]Die erstarkte Rolle der Geheimdienste nach den Protesten von 2011 bis 2012 und später dann nach der Krim (2014) hat den Markt der Gefahren vergrößert. Die Produktion von Gefahren und die gegen sie zum Einsatz kommenden Kampfmittel ist heute eines der lukrativsten Geschäfte, da hierdurch politische und personelle Aufgaben gelöst werden können und natürlich Aktiva und Finanzströme aufgeteilt werden – was in einer unter Druck stehenden Rentenökonomie sehr wichtig ist.

    Große Wirtschafts- und Korruptionsfälle sind eine Angelegenheit des FSB, aber in den letzten zwei Jahren wurde er auf diesem Gebiet immer aktiver. Das sieht man an den Statistiken der auf seine Initiative hin eingeleiteten Wirtschaftsermittlungen: Allein in der ersten Hälfte 2016 waren es so viele wie in den jeweils zwölf Monaten der Jahre 2013 und 2014. Eine Schlüsselrolle in den Untersuchungen bedeutender Fälle spielt die FSB-Behörde für wirtschaftliche Sicherheit. […]

    Derzeit befinden sich die Ermittlungen in den Verfahren gegen drei Gouverneure in unterschiedlichen Phasen, die Anklage beruht nach dem russischen Strafgesetzbuch auf wirtschaftskriminellen Tatbeständen (Korruption und Betrug): Wjatscheslaw Gaiser, Alexander Choroschawin und Nikita Belych, das Verfahren leitet das Ermittlungskomitee, die operative Ausarbeitung oblag dem FSB, die Verhaftung der internen Sicherheitsabteilung.~~~Резкое усиление роли спецслужб в России после протестов 2011–2012 гг. и затем после Крыма (2014 г.) привело к разрастанию рынка угроз. Производство угроз и средств борьбы с ними сегодня одно из самых прибыльных, поскольку позволяет решать политические, кадровые задачи и, конечно, делить активы и финансовые потоки – что так важно в сжимающейся рентной экономике.

    Разработкой крупных экономических и коррупционных дел занимается ФСБ, но в последние два года она стала куда активнее. Об этом свидетельствует статистика возбужденных по ее инициативе экономических дел: только за первую половину 2016 г. их количество практически сравнялось с числом дел за все 12 месяцев 2013 и 2014 гг.

    Ключевую роль в расследовании крупных дел играет служба экономической безопасности ФСБ.

    […]

    Сейчас на разных этапах следствия находятся дела трех губернаторов, обвиняемых по экономическим статьям УК (взяточничество и мошенничество), – Вячеслава Гайзера, Александра Хорошавина и Никиты Белых, дела ведет СКР, оперативной разработкой занималась ФСБ, задержанием – УСБ ФСБ.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.11.2016

     

    Spektr: Neues Stadium der Autokratie

    Arkadi Babtschenko ist überzeugt, es handle sich um einen Fake, bemerkt im Exilmedium Spektr spitz, ein Minister in Russland habe sicher bessere Geldquellen. Was hat das Ganze dann zu bedeuten?

    [bilingbox]Also was? Ein verdeckter Kampf von Ermittlungskomitee und FSB? Von Falken und Liberalen? Von Setschins und Kudrins Leuten?

    Ja, zweifellos. Das eine wie das andere. Zweifellos auch ein verdeckter Kampf der Kremltürme untereinander. Aber trotzdem ist es nur eine Folge. Die Hauptursache liegt, wie mir scheint, woanders. […]

    All diese ständigen Neubesetzungen, Abberufungen, Umbesetzungen, Verschiebungen von einem an den anderen Ort, Annäherungen und Entfernungen, Beförderungen und Ungnaden in letzter Zeit. Mir scheint, dass all das nur Eines bedeutet.

    Das Autoritäre hat das Stadium der liberalen Heuchelei hinter sich gelassen, ist sich endlich seiner selbst bewusst geworden und auf ein neues Niveau gewechselt.

    Der Autokrat muss nicht länger so tun, als würde er von diesem oder jenen Meister seines Fachs in der Regierung abhängen. Von diesem oder jenen Gouverneur in den Regionen. Von dieser oder jener Neubesetzung, oder von dieser oder jener Verhaftung.

    Die Autokratie in Russland ist sich ihrer selbst bewusst geworden als einzige Machtquelle im Land, als einziges Instrument der Staatsführung, als einziger Souverän, der auf keinerlei Mittelsmänner mehr angewiesen ist, seien sie auch im Range eines Ministers oder eines Gouverneurs, der weder die Unterstützung und noch nicht einmal die Loyalität von irgendwem benötigt.~~~Тогда что же? Подковерная борьба Следственного комитета и ФСБ? Ястребов и либералов? Сечинских и кудринских?

    Да, безусловно. И это тоже. Безусловно, подковерная борьба башен Кремля друг с другом. Но все же и это следствие. Главная же причина, как мне кажется, — в другом.

    […]

    Все эти перманентные в последнее время назначения, снятия, переназначения, перемещения с места на место, приближения и удаления, возвышения и опалы.

    Мне кажется, что все это означает одно.

    Авторитария в России прошла стадию либерального лицемерия, наконец-таки осознала сама себя и перешла на новый уровень.

    Автократу не надо больше делать вид, что он зависит от того или иного профессионала в правительстве. От того или иного губернатора в области. От того или иного назначения или от того или иного ареста.

    Автократия в России осознала себя как единственный источник власти в стране, единственный инструмент управления страной, единственного суверена, не нуждающегося больше ни в каких посредниках хоть в ранге министра, хоть в ранге губернатора, не нуждающегося больше ни в чьей поддержке и даже ни в чьей лояльности.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2016

     

    Sekret firmy: Persönliche Abrechnung?

    Der Moskauer Carnegie-Analyst, Andrej Mowtschan, spekuliert beim online erscheinenden Wirtschaftsmagazin Sekret firmy noch mal ganz anders zu den Hintergründen der Verhaftung – weil er nicht daran glaubt, dass es bei dem Vorgehen um einen Richtungsstreit in der Wirtschaftspolitik gehen könne.

    [bilingbox]Beinahe alles, was wir bisher über die Verhaftung von Alexej Uljukajew erfahren haben, ist ein leuchtendes Beispiel für eine false agenda. Wir haben keinerlei Anlass, der offiziellen Version zu glauben – aber noch weniger sinnvoll ist es in diesem Fall, sich auf die Überlegungen einzulassen, der Grund für die Verhaftung könne in der Unzufriedenheit mit Uljukajews Wirtschaftspolitik liegen.

    All unser Wissen darüber, wie in der Russischen Föderation Angelegenheiten geregelt werden, sagt uns, dass ein Dissens in wirtschaftlichen Fragen niemals Anlass für ein derartiges Vorgehen sein kann.  […]

    Wenn man in der aktuellen Situation daher zum Spaß annimmt, Alexej Uljukajew habe einem hochstehenden Silowik die Liebste ausgespannt, ist das vernünftiger, als über einen Kampf gegen die vom Minister verfolgte Wirtschaftspolitik zu debattieren. Vielleicht spielt der persönliche Faktor in solch lauten Angelegenheiten eine prioritäre Rolle – und wir würden nicht mal drauf kommen, was all dem zugrunde lag.~~~Практически всё, что мы публично слышали об аресте Алексея Улюкаева — яркий пример false agenda. У нас нет никаких оснований доверять официальной версии — но ещё менее разумно в этом случае пускаться в рассуждения о том, что причиной ареста могло быть недовольство проводимой Улюкаевым экономической политикой.

    Всё, что мы знаем о том, как делаются дела в Российской Федерации, говорит нам, что никакие разногласия по экономическим вопросам никогда не могли служить поводом для подобных мер. […]

    Так что, в нынешней ситуации в шутку предполагать, что Алексей Улюкаев отбил любимую женщину у высокопоставленного силовика, разумнее, чем рассуждать о борьбе против экономической политики, которую проводил министр. Возможно, личный фактор в таких громких делах играет приоритетную роль — и мы не можем даже догадываться о том, что легло в основу этого дела.[/bilingbox]

     

    erschienen am 15.11.2016

     

    Nesawissimaja Gaseta: Putin für 2018 fest im Sattel

    In der Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta fasst Wirtschaftsredakteurin Anastassija Baschkatowa Meinungen zusammen – um darüber hinaus nach politischen Schlussfolgerungen mit Blick auf die nächsten Wahlen zu fragen.

    [bilingbox]Die Verhaftung des Wirtschaftsministers Alexej Uljukajew hat ein großes öffentliches Echo hervorgerufen. Die Mehrheit der Experten meint, dass der „Fall Uljukajew“ – unabhängig davon, ob noch weitere Verhaftungen folgen werden oder nicht – ein klares Signal an die Vertreter der Elite ist, dass niemand im Land unantastbar bleibt.

    Experten stellen in dem Fall viele Unstimmigkeiten fest, und Uljukajew selbst leugnet die Version der Ermittler, indem er seine Verhaftung als Provokation bezeichnet. Als wichtigste politische Folge aus der Verhaftung zeichnet sich ab, dass Ausmaß und Reichweite des Vertrauens innerhalb der zur Elite zählenden Gesellschaftsschichten abnehmen wird. Und das wiederum lässt vermuten, dass Wladimir Putin – in der Rolle des einzigen politischen Moderators im Land – auch nach 2018 Präsident bleiben wird.~~~Арест министра экономического развития Алексея Улюкаева вызвал большой общественный резонанс. Большинство экспертов считает: независимо от того, последуют или нет новые аресты, «дело Улюкаева» – ясный сигнал для представителей элиты, что неприкасаемых в стране нет. Эксперты отмечают в деле много несоответствий, а сам Улюкаев оспаривает версию следствия, называя свой арест провокацией. Но, как представляется, главное политическое последствие ареста – это сокращение уровня и радиуса доверия в элитных слоях общества, что предполагает следующее: Владимир Путин останется президентом и после 2018 года, исполняя функцию единственного политического модератора в стране.[/bilingbox]

     

    erschienen am 16.11.2016

     

    dekoder-Redaktion

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  • Presseschau № 44: Trumps Wahlsieg

    Presseschau № 44: Trumps Wahlsieg

    Putin gratulierte sehr schnell per Telegramm. Ließ verlautbaren, er hoffe auf einen gemeinsam Weg aus der Krise im Verhältnis beider Länder. Ähnlich äußerte sich Medwedew. Donald Trump hat die US-Wahl gewonnen – der Mann, der in Moskau gemeinhin als Wunschkandidat galt. In der Duma klatschten die Abgeordneten spontan, während das Staatsfernsehen am Mittwochabend erstmals seit langem mit wohlwollendem Ton über die USA berichtete. Zuletzt undenkbar, waren die Beziehungen beider Länder wegen der russischen Luftangriffe im Syrien-Krieg doch auf einen erneuten Tiefpunkt gesunken.

    In der Presse wird derweil nun lebhaft kommentiert, wie das politische Erdbeben aus den USA nach Russland ausstrahlen könnte. Wie ist der Sieg zu bewerten, welche Politik zu erwarten? Und wie könnte sich das Verhältnis beider Länder insgesamt entwickeln? Eine Nachlese zur Wahl in den USA.

    Izvestia: Bankrott der Soziologie

    Nach der Dumawahl 2016 war in der russischen Presse vielfach vom Versagen der Meinungsforschung die Rede – keines der Institute habe ein derart hohes Ergebnis für Einiges Russland vorhergesagt. Nach der US-Wahl sieht der Soziologe Aleksej Firsow in der regierungsnahen Tageszeitung Izvestia nun eine globale Krise seines Fachs.

    [bilingbox]Die Wahlen in Amerika zeigen, dass in der Soziologie das Gespür für die Gesellschaft verloren gegangen ist. Das betrifft nicht nur die Umfragedaten, sondern auch das Verständnis für den Untersuchungsgegenstand als solchen. Die Soziologen haben die Zunahme der rechten Bewegungen in Europa verschlafen. Die Soziologen haben den Ausgang des Brexit-Referendums falsch vorausgesagt. Und die Meinungsforschung hat voller Überzeugung in den USA auf einen Sieg von Clinton gesetzt.

    Die Prognosemaschine funktioniert nicht mehr. Würde so etwas in Russland geschehen, fänden die Kritiker leichterdings eine Reihe ausgesprochen „hausgemachter“ Gründe. Doch wir beobachten diesen Prozess jetzt in seiner globalen Dimension.~~~Американские выборы показывают, что социология теряет чувствительность к обществу. Причем речь идет не только об анкетных данных, а о понимании предмета своего изучения в целом. Социологи проспали рост правых движений в Европе. Социологи ошибочно предсказали результаты референдума по Brexit. Социология уверенно ставила на победу Клинтон в США.

    И вот — машина прогнозирования перестает работать. Если бы такое случилось в России, критики легко нашли бы целый ряд сугубо «домашних» причин. Но мы видим этот процесс в глобальном масштабе.[/bilingbox]

     

    erschienen am 09.11.2016

     

    Echo Moskwy: Trump schuldet Russland nichts

    Die regierungskritische Politologin Lilia Shevtsova stellt heraus, dass Russland erstmals eine wichtige Rolle im US-Wahlkampf gespielt hat und meint in ihrem auf der Seite von Echo Moskwy veröffentlichten Kommentar: Trump bleibe ein Nationalist, niemand solle auf ihn zählen.

    [bilingbox]Es wäre lächerlich, wenn irgendjemand in Russland erwarten würde, dass Trump im Gegenzug für die Unterstützung etwas zurückgibt: Trump ist dafür bekannt, dass er Schulden nicht zurückzahlt!

    Kann man eine Annäherung Russlands an Trumps Weißes Haus erwarten? Selbst wenn Trump auch weiterhin Sympathien in Bezug auf Wladimir Putin äußern sollte, ist ein „Reset“ der Beziehungen zwischen Russland und Amerika zweifelhaft. Erstens, weil Trump selbst ein Nationalist ist, der nach Größe lechzt und nicht in der Lage ist, in seinen Sympathien konsequent zu sein. Und weil es in Amerika Kräfte gibt, die hinsichtlich der Absichten des Kreml ein durchaus verständliches Misstrauen hegen. Doch das größte Hindernis für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und den USA dürfte in der Bereitschaft Trumps liegen, die Spielregeln zu missachten: Wenn das die Staatschefs beider Länder tun, können wir uns auf Probleme gefasst machen! Und das umso mehr, wenn die Wähler von ihnen jeweils eine Demonstration der Stärke erwarten.~~~Смешно, если кто-либо в России ожидает от Трампа компенсации за поддержку: Трамп известен тем, что долгов не отдает!

    Можно ли ожидать сближения России с трамповским Белым Домом? Даже если Трамп будет и дальше выражать симпатии в отношении Владимира Путина, новая «перезагрузка» отношений России и Америки сомнительна. И потому, что сам Трамп является националистом, жаждущим величия и не способным к последовательности своих симпатий. И потому, что в Америке оформились силы, испытывавшие вполне понятную подозрительность в отношении намерений Кремля. Но самым большим препятствием на пути нормализации отношений между Россией и США станет готовность Трампа нарушать правила игры: когда это делают лидеры обеих стран, жди проблем! Тем более, если от обоих лидеров их электораты требуют демонстрации силы.[/bilingbox]

     
    erschienen am 09.11.2016

     

    Pravda.ru: Amerika steht gegen liberale Auffassungen auf

    Der kremlfreundliche Ideologe und Schriftsteller Alexander Prochanow sieht in Trumps Sieg einen Aufstand der US-Bürger verwirklicht. Prochanow, der imperialistische Positionen vertritt, kommentiert den Ausgang der Wahl für die Internetzeitung Pravda.ru, die sich als Nachfolger des kommunistischen Parteiorgans versteht.

    [bilingbox]Und von daher begreife ich Trumps Sieg als einen Aufstand Amerikas. Amerika hat sich in seiner Tiefe erhoben gegen die Spitzfindigkeiten der liberalen Ansichten, gegen die liberale Politik, gegen jenes Spinnennetz, mit dem der amerikanische Kontinent umwickelt ist. Die ganze vorgeschobene, verlogene Toleranz, die Menschenrechte, während man andere Länder bombardiert, das vernichtet jegliches Freiheitsdenken im Keim …

    Das ist eine riesige, globale Lüge kosmischen Ausmaßes, die Clinton und ihre Unterstützer gepredigt haben. Und die ist letztendlich auf tiefliegende Seins- und Menschheitsgesetze gestoßen, auf eine Matrix, in der die Menschheit geschaffen wurde.~~~​И поэтому победу Трампа я трактую как восстание Америки. Америка, в своей глубине, восстала против казуистики либеральных взглядов, либеральной политики, той паутины, в которую оплели американский континент. Вся эта мнимая лживая толерантность и права человека, когда бомбят другие страны, уничтожают все ростки свободомыслия…

    Это огромная, космическая, глобальная ложь, которую исповедовала Клинтон и близкие к ней люди. Она, в конце концов, натолкнулась на какие-то глубинные законы бытия и человечества, какую-то матрицу, в которой человечество создавалось.[/bilingbox]

     
    erschienen am 09.11.2016

     

    Republic: Völlig unvorhersehbare Politik

    Vor voreiligen Schlüssen zur tatsächlichen Politik des neuen US-Präsidenten mahnt der Historiker Ivan Kurilla auf dem liberalen Portal Republic (ehemals slon) – weder Trumps Verhältnis zu Russland noch die US-Außenpolitik innerhalb der Weltordnung seien vorhersagbar.

    [bilingbox]Amerika zeigt mit diesem Sieg einige Charakteristika, die den Russen bekannt vorkommen. Mehr als die Hälfte der Amerikaner hat jemanden gewählt, der offen viele Errungenschaften einer liberalen Gesellschaft abgelehnt hat. Schon melden sich die amerikanischen Intellektuellen zu Wort, die von ihren Landsleuten enttäuscht sind. Da ich unter ihnen viele Freunde habe, möchte ich sie etwas aufmuntern: Die Wahl Trumps ist keine Tragödie, in vier Jahren gibt es die Möglichkeit, einen anderen Präsidenten zu wählen, das ist unabwendbar. Nicht in allen Ländern hat das Volk eine solche Möglichkeit.

    Ich würde mich auch an der Stelle jener Landsleute nicht zu früh freuen, die Trump die Daumen gedrückt haben: Es gibt keine Garantie, dass dieses dark horse, dieses unbeschriebene Blatt, ein für Russland günstigerer Gegenspieler sein oder die globale Präsenz der USA zurückfahren wird, wie sich das viele bei uns wünschen. Es könnte auch genau das Gegenteil eintreten.~~~Америка с этой победой приобрела некоторые знакомые россиянам черты. Более половины американцев проголосовали за человека, открыто отвергавшего многие достижения либерального общества. Уже слышны голоса американской интеллигенции, разочарованной в своих соотечественниках. Поскольку среди них много моих друзей, хочу их подбодрить: избрание Трампа не трагедия, через четыре года появится возможность избрать другого президента, и это неотвратимо. Не во всех странах у народа есть такая возможность.

    Не стал бы я преждевременно радоваться и на месте тех соотечественников, кто «болел» за Трампа: нет никаких гарантий, что «темная лошадка» окажется более удачным оппонентом для России или что он свернет глобальное присутствие США, как многим бы у нас хотелось. Все может обернуться и прямо противоположным образом.[/bilingbox]

     

    erschienen am 09.11.2016

     

    Moskovskij Komsomolets: Endlich ein Verhandlungspartner

    Gerade die vielzitierte Unvorhersagbarkeit des neuen Mannes im Weißen Haus hält Michail Rostowski, politischer Kommentator des auflagenstarken, regierungsfreundlichen Moskovskij Komsomolets, dagegen zumindest für eine Chance.

    [bilingbox]In der amerikanischen Politik herrscht seit Jahrzehnten völliger Konsens zu vielen zentralen Fragen, beispielsweise zu der absolut vorrangigen Rolle der NATO und zum Auftrag Amerikas als „Kindermädchen“ und Beschützerin Europas. Donald Trump steht außerhalb dieses Konsenses. Er hat zu allem seine eigenen Vorstellungen, und die scheinen für Politiker der traditionellen Schule eine Art Sakrileg zu sein. […]

    Unvorhersagbarkeit bedeutet nicht nur Gefahren, sondern auch potenzielle Möglichkeiten. Mit Trump haben wir es mit einem US-Präsidenten zu tun, der keine festgefahrene persönliche Abneigung gegen Russland hat und der bereit ist zu verhandeln. Nach den Maßstäben des Herbstes 2016 ist das bereits sehr, sehr viel. Ich weiß nicht, ob Präsident Trump für die russisch-amerikanischen Beziehungen gut sein wird. Aber Präsident Trump wird diesen Beziehungen sicherlich eine neue Chance geben.~~~В американской политике уже многие десятилетия существует полный консенсус по целому ряду ключевых вопросов — например, об абсолютно приоритетной роли НАТО, о призвании Америки быть «няней» и защитницей Европы. Дональд Трамп не является частью этого консенсуса. У него свои идеи по поводу всего — идеи, которые кажутся политикам традиционной закваски чем-то вроде святотатства. […]

    Непредсказуемость — это не только опасность, это еще и потенциальная возможность. В лице Трампа мы имеем президента США, у которого нет застарелой личной антипатии к России и который не прочь договариваться. По меркам осени 2016 года это уже очень и очень неплохо. Не знаю, будет ли президент Трамп хорош для российско-американских отношений. Но президент Трамп точно дает этим отношениям новый шанс.[/bilingbox]

     

    erschienen am 09.11.2016

     

    Rossijskaja Gaseta: Russland soll sich lieber China zuwenden

    In der Tageszeitung Rossijskaja Gaseta, dem Amtsblatt der russischen Regierung, meint der Politologe Sergej Karaganow, Russland solle sich gar nicht so stark auf den neuen US-Präsidenten und seine mögliche Politik kaprizieren – sondern lieber stärker nach China schauen.

    [bilingbox]Amerika kann stark sein, das ist vollkommen klar. Allerdings weiß ich nicht, ob es Trump seinen Plan umsetzen lässt, der einen partiellen Isolationismus und die Konzentration der USA auf eigene Probleme nach sich zieht (übrigens hat das tatsächlich, in erheblich abgeschwächter und liberalerer Spielart, auch Obama geboten). […]

    Trump hat in seinem Wahlprogramm viel vom Dialog mit Russland gesprochen. Aber es muss klar sein, dass die amerikanische Elite zu einem erheblichen Teil Russland schlichtweg ganz offen hasst, insbesondere die Liberalen. Doch das Entscheidende ist, dass Trump keine ernsthaften Pläne in Bezug auf Russland hat. Der Dialog mit den USA ist nötig, und die Beziehungen müssen wir und können wir womöglich ein wenig gesunden lassen. Das Wichtigste ist jedoch, dass Russland seine Politik ungeachtet von Trumps  Regierungsübernahme weiterführt.

    Ich bin sehr beunruhigt, dass viele russische Beobachter in hohem Maße unsere Politik davon abhängig machen wollen, wer bei den amerikanischen Wahlen gewinnt. Wir müssen uns nach Osten wenden, die Beziehungen zu China vertiefen, peu à peu mit den führenden europäischen Staaten zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Europa auf eine neue Spaltung zuschlittert.~~~Америка может быть сильной, это совершенно понятно. Однако не знаю, дадут Трампу реализовать его план, подразумевающий частичный изоляционизм и концентрацию США на собственных проблемах (кстати, такое предлагал, правда, гораздо в более мягком и либеральном варианте Обама). […]

    В своих предвыборных программах Трамп  много говорил о диалоге с Россией. Но нужно понимать, что значительная часть американской элиты просто откровенно ненавидит Россию, в основном либеральная часть. Но, главное, у Трампа нет серьезных планов в отношении России. Диалог с США нужно вести и отношения нужно и, может быть, даже можно немного оздоровить. Однако главное, что нужно сделать России, это продолжать свою политику вне зависимости от прихода к власти Трампа.

    Меня очень настораживает, что многие российские обозреватели в  значительной степени связывали нашу политику с тем, кто победит на американских выборах. А нам нужно поворачиваться на Восток, углублять отношения с Китаем, потихонечку работать с ведущими европейскими странами, чтобы предотвратить соскальзывание Европы к новому расколу.[/bilingbox]

     

    erschienen am 09.11.2016

     

    Sekret firmy: Geschäft wichtiger als Politik?

    In dem auf Unternehmerschaft in Russland spezialisierten Online-Magazin Sekret firmy schließt Redakteur Andrej Babitzki mit der Frage, ob am Ende nicht etwas ganz anderes als die große Politik eine entscheidende Rolle spielen könnte.

    [bilingbox]Außenpolitisch wird Trumps Position fast sicher weicher sein als Clintons. Seine Ansichten sind ein wenig isolationistischer, er meint, die USA sollten weniger im Ausland kämpfen. Im Verhältnis konkret zu Russland sind seine Worte genau so unbeständig wie im Verhältnis zu allen andern. Er hat sich einerseits so geäußert, dass er im Falle einer russischen Invasion die baltischen Staaten nicht verteidigen würde, andererseits sagte er, dass er zum Abschuss eines russischen Flugzeugs bereit wäre, sollte es sich einem amerikanischen zu sehr nähern. Zudem hat er oft gesagt, dass man mit Putin eine gemeinsame Sprache finden müsse.

    Am Ende, wie der Sohn des gewählten Präsidenten einmal gesagt hat, der in den Unternehmen der Familie arbeitet, würden die Russen einen überproportional großen Anteil der Immobilienkunden in Entwicklungsprojekten von Trump darstellen. Und Geschäft sei wichtiger als Politik.~~~В смысле внешней политики позиция Трампа почти наверняка будет мягче, чем у Клинтон. Он держится чуть более изоляционистских взглядов, считает, что США должны меньше воевать за рубежом. В отношении конкретно России его слова так же изменчивы, как в отношении всего остального. Ему приходилось говорить и о том, что он не будет защищать балтийские страны от российского вторжения, и о том, что он готов сбить российский самолёт, если тот пролетит слишком близко от американского. Кроме того, он много раз говорил, что с Путиным надо искать общий язык.

    Наконец, как рассказывал сын избранного президента, работающий в семейном бизнесе, русские составляют непропорционально большую часть покупателей недвижимости в девелоперских проектах Трампа. Бизнес важнее политики.[/bilingbox]

     

    erschienen am 09.11.2016

     

    Snob: Feindbild wird fehlen

    Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Ekaterina Schulmann fragt im international ausgerichteten Gesellschaftsmagazin Snob, welches Feindbild in Russland bemüht werde, nun, da Obama von der Mattscheibe verschwinde.

    [bilingbox]Die Russische Fernsehpropaganda wird es bitter zu spüren bekommen, das Fehlen „des bösen Obama und der niederträchtigen Clinton“, die beide „Russland Schaden bringen und die Kiewer Junta unterstützen“. Allein mit den „Brüsseler Bürokraten” ohne die „Washingtoner Strippenzieher“ kommt man nicht weit. Von „geklauten Stimmen des amerikanischen Volkes“ zu sprechen, gelingt nicht. Man wird – wie Prophet Bileam, der Israel verdammen sollte, es dann aber dreimal segnete, – die großartige amerikanische Demokratie loben. […]

    Mittelfristig könnte uns Enttäuschung erwarten und Streitigkeiten aus nichtigen Gründen, wie im Szenario mit Erdogan. Die Enttäuschung könnte um so bitterer ausfallen, als dass der neue Präsident als Isolationist und Beschützer einheimischer Produzenten höchstwahrscheinlich beginnen wird, die Förder- und Exportbeschränkungen von amerikanischem Öl zu senken. Und das bedeutet, dass der Ölpreis sinken wird.~~~Российская телепропаганда будет остро ощущать нехватку «злого Обамы и подлой Клинтон», которые «вредят России и поддерживают киевскую хунту». На одних «бюрократах из Брюсселя» в отсутствие «вашингтонских кукловодов» далеко не уедешь. Не получится говорить об «украденных голосах американского народа». Придется — как Валааму, которого пригласили проклясть, а он трижды благословил, — хвалить великую американскую демократию. […]

    В среднесрочной перспективе нас может ждать разочарование, ссора по случайному поводу, по сценарию Эрдогана. Разочарование может быть тем острее, что новый президент, как изоляционист и защитник отечественного производителя, с большой вероятностью начнет снимать ограничения на добычу и экспорт американской нефти. А значит нефть будет дешеветь.[/bilingbox]

     

    erschienen am 09.11.2016

     

    dekoder-Redaktion

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    Presseschau № 43: Russland und die USA

    Das Verhältnis zwischen Russland und westlichen Regierungen kühlt sich weiter sichtlich ab. Während sich Russland die an den Luftangriffen auf Aleppo geäußerte Kritik verbittet, erheben einzelne Politiker in Europa und Vertreter im UN-Sicherheitsrat schwere Vorwürfe und sprechen von „Kriegsverbrechen“. Scharfe Töne kommen zudem aus den USA, Deutschland und Frankreich.

    Kommende Woche wollte Präsident François Hollande bei einem (lange im Voraus) anberaumten Treffen in Paris die Gespräche mit dem Kremlchef nun auf die Lage in Syrien beschränken und anderen gemeinsam angedachten Terminen fernbleiben. Putin ließ den Staatsbesuch platzen.

    Nun soll es am Sonnabend neue Friedensverhandlungen für Syrien in der Schweiz geben. Unterdessen bestätigte Russland die Verlegung von atomwaffenfähigen Kurzstrecken-Raketen in die Exklave Kaliningrad, will zudem Militärstützpunkte in Syrien auf eine dauerhafte Nutzung ausrichten.

    Seit Beginn der massiven diplomatischen Verwerfungen vergangene Woche sind in der russischen Presse weitere Kommentare und Analysen erschienen. Immer wieder tritt dabei vor allem das konfrontative Verhältnis zu den USA in den Vordergrund: Gibt es einen neuen Kalten Krieg? Hat sich die Lage tatsächlich zugespitzt oder ist alles nur Getöse? Oder droht ein direkter Konflikt mit den USA? Unsere aktuelle Presseschau zeigt Ausschnitte mit verschiedenen Blickwinkeln.

    Spektr: Virtuelle Realität

    Der kremlkritische Journalist Oleg Kaschin markiert Handeln und Rhetorik russischer Außenpolitik in einem Kommentar für das Online-Portal spektr als verlängerten Arm der Innenpolitik – als eine selbst geschaffene Realität, die lange schon auf Konfrontation mit dem Westen setze.

    [bilingbox]Das Kompositum „Kriegsverbrechen“ klingt mehr als ernst, und es handelt sich nicht um einen Krimi, in dem auf der vorletzten Seite der Name des Bösewichts genannt wird. Der Bösewicht ist längst bekannt – das sind wir. Man darf nur keine Angst haben, in den Spiegel zu sehen.

    Wäre es ein Film, käme darin ein durchgedrehter Diktator vor, der bereit ist, die ganze Welt im atomaren Bombenkrieg hochgehen zu lassen. Aber war der Zauberer der Smaragdenstadt ein durchgedrehter Diktator? Nein, er war ein fröhlicher Gauner, dessen ganze Größe darin bestand, den Menschen in der Stadt vorzuschreiben, sie müssten grüne Brillen tragen.

    Die Menschen, denen derzeit Russland gehört, sind nicht angetreten, um die Welt zu erobern – ihnen genügten schon immer die ungeteilte Macht und die damit verbundenen Reichtümer in ihrem eigenen Land. Und auch die Außenpolitik war für sie seit jeher nur die Fortsetzung der Innenpolitik – als Natoflugzeuge auf ihrem Weg nach und aus Afghanistan in Uljanowsk landeten, berichtete das Fernsehen davon, wie Russland sich der Allianz der NATO entgegenstemmt, und niemand sah darin einen Widerspruch.~~~Словосочетание «военные преступления» звучит более чем всерьез, и это не детектив, в котором имя злодея прозвучит на предпоследней странице. Злодей уже известен — это мы, надо только не побояться посмотреть в зеркало.

    Если бы это было кино, в нем показали бы обезумевшего диктатора, готового спалить весь мир в огне ядерной войны. Но был ли обезумевшим диктатором Волшебник Изумрудного города? Нет, это был веселый плут, величие которого основывалось на обязательных для ношения в городе зеленых очках. Люди, которым принадлежит сейчас Россия, пришли не завоевывать мир — им всегда хватало безраздельной власти и привязанных к ней богатств в своей стране. Да и внешняя политика всегда была для них только продолжением внутренней — когда в Ульяновске приземлялись натовские самолеты по дороге в Афганистан и из Афганистана, телевизор рассказывал о противостоянии России Североатлантическому альянсу, и никто не видел в этом противоречия.[/bilingbox]

     
    erschienen am 12.10.2016

    EJ: Vorbereitungen aufs Extreme

    Alexander Golz ist Militärexperte und schreibt scharfe Analysen für das oppositionelle Portal ej.ru, das wegen seiner Kritik an der Ukraine-Politik des Kreml seit Jahren im russischen Web gesperrt ist – als Kontrastfolie zu Putins Syrien-Politik und die außenpolitischen Schritte hebt Golz die innenpolitischen Töne und Maßnahmen in Russland hervor.

    [bilingbox]Vom Katastrophenschutzministerium wurden bislang nie dagewesene Übungen zur Zivilverteidigung abgehalten, an denen, so die offiziellen Zahlen, mehr als 40 Millionen Menschen beteiligt waren. Als Bilanz vermeldete der Vize-Chef des Moskauer Katastrophenschutzes Andrej Mischtschenko eine fabelhafte Nachricht für die Hauptstadtbewohner: Alle zwölf Millionen könnten im Notfall in wohnlich ausgestatteten Bunkern unterkommen.

    Doch vor feindlichen Bomben und Raketen Zuflucht zu suchen, reicht nicht aus. Man muss unter dem Schutzdach der Betondecke auch etwas essen. Und da folgt eine erfreuliche Nachricht aus Sankt Petersburg. Der dortige Gouverneur Poltawtschenko bestätigte die Versorgungsnormen der nördlichen Hauptstadt mit Brot. Er verpflichtete seine Untergebenen, so viel Roggen und Weizen einzulagern, dass jeder der fünf Millionen Petersburger über 20 Tage mit je 300 Gramm Brot versorgt werden kann.~~~Министерство по чрезвычайным ситуациям проводит невиданные доселе учения по гражданской обороне, которые, как утверждают, охватили свыше 40 миллионов человек. И по их результатам заместитель начальника столичного управления МЧС Андрей Мищенко сообщил москвичам замечательную новость: все 12 с лишним миллионов будут укрыты в случае необходимости в гостеприимных бомбоубежищах.

    Но мало укрыться от вражеских бомб и ракет. Под сенью бетонных потолков надо еще чего-то есть. И вот радостная весть из Санкт-Петербурга. Тамошний губернатор Полтавченко утвердил нормы снабжения хлебом жителей северной столицы. Он обязал своих подчиненных держать столько ржи и пшеницы, чтобы обеспечить каждого из пяти миллионов петербуржцев 300 граммами хлеба в течение двадцати дней.[/bilingbox]

     
    erschienen am 11.10.2016

    Izvestia: USA verweigern gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus

    Die USA, so der Politologe Andrej Manoilo in der regierungsnahen Tageszeitung Izvestia, hätten sich mit ihrer Politik im Nahen Osten selbst diskreditiert.

    [bilingbox]Die Politik des Weißen Hauses seit Beginn der 2000erJahre verwandelte die USA und das große amerikanische Volk von absoluten Gegnern des internationalen Terrorismus zu de facto Gehilfen. […]

    In den Beziehungen zwischen Russland und den USA befinden wir uns aktuell an einem Wendepunkt, von dem aus unsere Beziehungen jede Sekunde entweder in Richtung Frieden oder in Richtung Konflikt rutschen können. Wir und die Vereinigten Staaten befinden uns an einem Scheideweg: Es gibt einen Weg der Rettung, das ist der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus.

    Der jedoch wird von Washington aus irgendeinem Grund wütend abgelehnt. Unter solchen Bedingungen kann jede unbedachte Bewegung tödliche Folgen haben, nicht nur für zwei Weltmächte, sondern auch für den gesamten Rest der Welt.

    Ein Krieg bleibt nach wie vor nicht unausweichlich, doch aufgrund der Bedrohung seitens der USA steigt das Risiko unterdessen über alle Maßen.~~~политика, проводимая Белым домом с начала 2000-х годов, превратила США и великий американский народ из непримиримых противников международного терроризма в его фактических пособников. […]

    Нынешняя фаза развития отношений России и США является, по сути, поворотной точкой, из которой наши отношения в любую секунду могут скатиться как в сторону мира, так и в сторону конфликта. Мы с Соединенными Штатами — на распутье: спасительный путь есть, это путь совместной борьбы с терроризмом.

    Однако он почему-то яростно отвергается Вашингтоном. В этих условиях любое неосторожное движение может стать гибельным не только для двух мировых держав, но и для всего остального мира в целом.

    Война по-прежнему не является неизбежной, но ее риски сегодня благодаря угрозам со стороны США явно зашкаливают.[/bilingbox]

     
    erschienen am 11.10.2016

    Slon: Neu belebter Antiamerikanismus

    Der Politologe Wladimir Pastuchow spricht in seinem Kommentar für das liberale Webmagazin slon.ru von „hysterischem Antiamerikanismus“, der noch aus Sowjetzeiten bestehe und, wie sich in diesen Tagen zeige, leicht zu entfesseln sei.

    [bilingbox]Er ist noch nicht verschwunden, der gute alte Antiamerikanismus aus sowjetischen Tagen, der auch bis heute noch mehrere politisch aktive Generationen vereinnahmt hat. Er glomm tief im Unterbewussten und man brauchte nur ein Streichholz nehmen, um diesen Leitstern der sowjetischen Propaganda wieder zum Leuchten zu bringen. […]

    Millionen Menschen atmeten erleichtert auf, als sie für alles eine einfache und verständliche Erklärung fanden. Es irritiert sie nicht, dass es in ihren Ansichten unversöhnliche Widersprüche gibt: Amerika liegt im Sterben und unterjocht gleichzeitig die ganze Welt. Mal ist es die einzige Supermacht, mal ist es geopolitisch eine „lahme Ente“.

    Verschwörungstheorien sprießen aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen: Es gibt kein Verbrechen in der Welt, keinen Konflikt, keine Dummheit und keine Gemeinheit, die nicht vorher von den Amerikanern geplant worden wäre. ~~~[…] не выветрился еще старый добрый советский антиамериканизм, который впитывали в себя несколько политически активных и по сей день поколений. Он тлел глубоко в подсознании, и достаточно было поднести спичку, чтобы эта путеводная звезда советской пропаганды снова загорелась. […]

    Миллионы людей вздохнули с облегчением, найдя всему простое и понятное объяснение. Их не смущает, что в их воззрениях есть непримиримое противоречие: Америка одновременно умирает и порабощает мир. Она то единственная сверхдержава, то геополитическая «хромая утка». Теории заговоров растут как грибы после дождя – нет такого преступления в мире, нет такого конфликта, такой глупости или подлости, которая не была бы заранее спланирована американцами.[/bilingbox]

     
    erschienen am 13.10.2016

    Snob: Kreml treibt künftige US-Regierung vor sich her

    Mit dem Aussetzen des Plutonium-Abkommens und anderen konfrontativen Akten versuche sich Russland kurz vor der US-Präsidentschaftswahl einen strategischen Vorteil zu erspielen, meint Alexander Baunow. Auf Snob schreibt der Chefanalyst des Moskauer Carnegie Zentrums, der Kreml habe diesen neuen Tiefpunkt bewusst gesetzt, um selbst die Initiative zu haben:

    [bilingbox]Durch die scharfen Worte und Handlungen Russlands soll der zukünftigen Administration der USA Raum für Initiativen genommen werden wenn es darum geht, die bilateralen Beziehungen herunterzufahren auf ein Niveau, das der unheilvollen Rolle entspricht, die man Russland im amerikanischen Wahlkampf zugeschrieben hat.

    Es ist ein Versuch, für den Moment der Machtübergabe im Weißen Haus eine Situation zu schaffen, in der die Initiative zur Verschlechterung der Beziehungen nicht von den USA ausgehen kann, weil es für eine solche Initiative schlicht keinen Raum mehr gibt.

    Der Wunsch, Russland zu bestrafen wird künftig dadurch erschwert, dass das zu einem äußerst gefährlichen Level in den Beziehungen führen würde. Und falls der russische Favorit die US-Wahlen gewinnen sollte, kann man die gegenwärtige Verschlechterung leicht zurückspielen, ohne seine Reputation groß zu schädigen. Denn das wäre dann nicht etwas Neues, Prorussisches, sondern einfach eine Rückkehr zur kürzlichen Normalität. […]

    Das ist eine effektive politische Entscheidung, die Putin außerdem großen Handlungsspielraum gibt bei konkreten Angelegenheiten wie Aleppo oder dem Donbass. Allerdings birgt sie eine offensichtliche Gefahr: Am äußersten Tiefpunkt angekommen, kann es sein, dass man feststellt: Es geht noch weiter nach unten.~~~Резкие слова и действия России – способ лишить будущую администрацию США инициативы в деле редукции двусторонних отношений к уровню, соответствующему зловещей роли, которую приписали России на американских выборах.

    Это попытка создать к моменту передачи Белого дома новому обитателю такую ситуацию, при которой инициатива ухудшения отношений не могла бы исходить от США просто потому, что пространства для такой инициативы уже просто не найдется. Желание наказать Россию будет затруднено тем, что оно уведет на запредельно опасный уровень отношений. Ну а в случае победы российского фаворита нынешнее одномоментное ухудшение можно будет легко отыграть назад без большого ущерба для его репутации, ведь это будет не что-то новое, пророссийское, а просто возвращение к недавней норме. […]

    Это эффектное политическое решение, которое к тому же дает большую свободу действий для Путина в частных вопросах вроде Алеппа и Донбасса, содержит в себе очевидную опасность: под найденным дном может оказаться другое, более глубокое.[/bilingbox]

     
    erschienen am 6.10.2016

    Gazeta.ru: Schlechte Zeiten haben Kontinuität

    Fjodor Ljukanow ist auf Fragen der russischen Außenpolitik spezialisiert. Für die Internetzeitung Gazeta.ru zieht der Chefredakteur des Magazins Russia in Global Affairs angesichts der aktuellen Spannungen historische Parallelen zur Jelzin-Ära und meint, es sei geradezu eine Gesetzmäßigkeit, dass sich das Verhältnis zwischen Russland und den USA – aufbauend auf einem Grundkonflikt – in Wahlkampfzeiten kontinuierlich verschlechtere.

    [bilingbox][Der Verlauf der russisch-amerikanischen Beziehungen – dek] ist den Wahlkampfzyklen unterworfen. In ihnen kann es Schwankungen in die eine oder andere Richtung geben, aber am Ende einer jeden Kadenz erfahren sie ganz sicher eine weitere Verschärfung.

    „Bill Clinton hat sich erlaubt, Druck auf Russland auszuüben. Er hat offensichtlich – für eine Sekunde, eine Minute, eine halbe Minute lang – vergessen, wer Russland ist. Dass Russland ein ganzes Arsenal an Atomwaffen besitzt. Clinton entschied sich für Muskelspiele.

    Ich will Clinton an dieser Stelle etwas sagen: Er möge nicht vergessen, in welcher Welt er lebt. Es war nie so und es wird nie so sein, dass er allein der Welt diktiert, wie sie zu leben hat. Eine multipolare Welt – das ist die Grundlage von allem. Es ist so, wie ich mich auch mit dem Staatsoberhaupt der Volksrepublik China, Jiang Zemin, verständigt habe: Wir werden der Welt Vorgaben machen, nicht er allein.“

    Jelzin sprach diese Worte bei seiner letzten Auslandsreise als Staatschef – in Peking im Dezember 1999. Bis zu seinem aufsehenerregenden Rücktritt blieben zu diesem Zeitpunkt noch etwas mehr als drei Wochen.

    Diese Aussagen waren im Wesentlichen ein Schlusspunkt unter den ereignisreichen Beziehungen der beiden Länder und zwischen beiden Präsidenten in den 1990er Jahren (die sich offiziell gegenseitig Freunde nannten). Jelzins scharfe Reaktion war eine Antwort auf die Bemerkung Clintons, dass Russland für sein Vorgehen in Tschetschenien „teuer bezahlen werde“ – der Westen bereitete damals gerade Sanktionen vor. […]

    Letztlich geht es im Grunde auch nicht danach, ob die Chemie zwischen den Präsidenten stimmt (zwischen Putin und Bush gab es sie ja), sondern genau darum, worüber Jelzin damals in Peking 1999 gesprochen hat. Russland war nie bereit, sich in eine von den Amerikanern geführte Weltordnung einzupassen, und hatte zugleich nicht die Kraft, diese ernsthaft herauszufordern. Auch den USA fehlte immer die Kraft, die Welt wirklich zu ordnen, aber sie sind zugleich nicht bereit, von dieser Idee abzulassen.~~~Она привязана к избирательным циклам, внутри которых могут быть колебания в ту и другую сторону, но к завершению очередной каденции обязательно случается обострение.

    «Билл Клинтон позволил себе надавить на Россию. Он, видимо, на секунду, на минуту, на полминуты забыл, что такое Россия, что Россия владеет полным арсеналом ядерного оружия. Клинтон решил поиграть мускулами. Хочу сказать через вас Клинтону: пусть он не забывает, в каком мире живет. Не было и не будет, чтобы он один диктовал всему миру, как жить. Многополюсный мир — вот основа всему. То есть так, как мы договорились с председателем КНР Цзян Цзэминем: мы будем диктовать миру, а не он один».

    Слова Бориса Ельцина прозвучали во время его последнего зарубежного визита в ранге главы государства — в Пекин в начале декабря 1999 года. До сенсационной отставки оставалось чуть больше трех недель, и это высказывание по существу подвело черту под насыщенными отношениями двух стран и двух президентов (которые официально именовали друг друга друзьями) в девяностые годы.

    Резкая реакция Ельцина последовала в ответ на замечание Клинтона, что Россия «дорого заплатит» за свои действия в Чечне, — Запад готовил санкции. […]

    Однако в основе, конечно, не наличие или отсутствие «химии» между лидерами (у Путина и Буша она как раз была), а то, о чем в декабре 1999 года говорил в Пекине Борис Ельцин. Структурно Россия никогда не была готова вписаться в мир, которым руководит Америка, но и не имела сил бросить серьезный вызов. А у Америки никогда не хватало сил этот мир по-настоящему выстроить, но она не готова и отказаться от этой идеи.[/bilingbox]

     
    erschienen am 7.10.2016

    dekoder-Redaktion

     

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    Presseschau № 42: Russland und die USA

    Im Verhältnis zwischen Russland und den USA ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Im Streit um das Scheitern einer Feuerpause und die Eskalation der Kämpfe in Syrien geben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld. Russland steht in der Kritik, gemeinsam mit der syrischen Regierung, weiter Luftangriffe zu fliegen – es waren die schlimmsten Bombardements seit Beginn des Bürgerkriegs. Die russische Seite beschuldigt die USA, nichts dagegen unternommen zu haben, dass sich Kämpfer neu formieren. Die USA haben am Montagabend die Syrien-Gespräche über eine Waffenruhe abgebrochen.

    Zugleich hat Russland am Montag das bilaterale Abkommen zur Vernichtung waffenfähigen Plutoniums mit den USA ausgesetzt und will nach russischen Medienberichten harsche Bedingungen an eine mögliche Rückkehr zu der Vereinbarung knüpfen. Dazu gehört die Forderung, eine Truppenstationierung in denjenigen Mitgliedstaaten der NATO zu reduzieren, die seit der Jahrtausendwende beigetreten sind. Außerdem das sogenannte Magnitski-Gesetz aufzuheben, das Russland wirtschaftliche und politische Sanktionen auferlegt. Russland fordert darüber hinaus eine Kompensation für durch die Sanktionen sowie durch – von Präsident Putin selbst erlassene – Gegensanktionen entstandene Schäden.

    Die meisten Kommentatoren nehmen für ihre Beleuchtung der angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern das Plutonium-Abkommen zum Anlass, während der Syrien-Krieg in den Meinungsspalten in den Hintergrund rückt.


    Gazeta.ru: Auftreten wie Herren einer Großmacht

    Für Andrej Kolesnikow, den ehemaligen Chefredakteur der kritischen Novaya Gazeta, bedeutet Russlands einseitiges Aufkündigen des Plutonium-Abkommens das Überschreiten einer weiteren roten Linie. Auf dem Nachrichten-Portal Gazeta.ru erklärt er, warum er das für einen Vorwand hält.

    [bilingbox]Um Plutonium geht es hier gar nicht. Wegen dieses silbernen radioaktiven Metalls hätte Russland nicht gefordert, dass die NATO in den verhältnismäßig neuen Mitgliedstaaten ihr Militärkontingent reduziert. In der ehemaligen sowjetischen Einflusszone, wenn man es beim Namen nennen will. Die russische Regierung ist in dieser ganzen Geschichte, was Stil und Inhalt angeht, aufgetreten wie die Herren einer Großmacht. Das Signal, das da über den Atlantik geschickt wurde, bedeutet: Die russische Seite setzt die Beziehungen mit den USA, wie man so sagt, auf hold – bis dort ein neuer Präsident eingesetzt ist, wie auch immer sein Name lauten wird. Die Message ist leicht zu entschlüsseln: Es geht um die Bestrafung eines NATO-Schlüsselstaates für den BUK-Bericht und für die Verschärfung der Beziehungen in Syrien. Und in der Gesamtheit – für alles, was passiert ist, angefangen nicht nur beim Maidan, sondern auch beim Arabischen Frühling.~~~И дело вовсе не в плутонии. Ради этого радиоактивного серебристого металла Россия не стала бы требовать сокращения своего военного контингента в относительно новых странах НАТО. Бывшей зоне влияния СССР, если называть вещи своими именами. Вообще в этой истории по стилю и по содержанию российские руководители выступили в роли хозяев сверхдержавы. Этот сигнал, посланный через Атлантический океан, означает: российская власть ставит, что называется, на hold отношения с США до появления нового президента Америки, какую бы фамилию он (или она) ни носил. Месседж легко расшифровывается: это «наказание» ключевой евроатлантической страны за доклад по «Буку» и обострение отношений в Сирии. А по совокупности заслуг — за все, что происходило не только начиная с «майдана», но и с «арабской весны».[/bilingbox]

    Komsomolskaja Prawda: Russland bleibt standhaft

    Beim regierungsfreundlichen Boulevardblatt Komsolmolskaja Prawda bewertet Iwan Gratschew Russlands Standpunkt in puncto des ausgesetzten Plutonium-Abkommens als zu Recht unnachgiebig: Eine Rückkehr zu diesem Abkommen könne nur möglich sein, wenn die USA zeigten, dass sie für Russland keine Bedrohung seien.

    [bilingbox]Es ist völlig klar, dass es für die Amerikaner nicht leicht sein wird, all diese Bedingungen zu erfüllen. Ja, nahezu unmöglich. Zumindest unter dem derzeitigen Präsidenten Obama. Außerdem verlangt das Abkommen den Beteiligten viel ab. Moskau stellt Washington also vor die Wahl – entweder, ihr kehrt zurück zur Zusammenarbeit mit Russland und zur atomaren Abrüstung oder ihr bleibt bei euren Sanktionen, der Freiheit der Ukraine und den Bataillonen in Polen, Rumänien und dem Baltikum. Überlegt, was euch wichtiger ist.

    Aber nachgeben wird Russland nicht.~~~Понятно, что пойти на все эти условия американцам будет непросто. Почти невозможно. По крайней мере, при сегодняшнем президенте Бараке Обаме. Но и ставки этого договора высоки. Получается, Москва ставит Вашингтон перед выбором — или вы возвращаетесь к сотрудничеству с Россией и ядерному разоружению или остаетесь со своими санкциями, «свободой» на Украине и батальонами в Польше, Прибалтике, Румынии. Выбирайте — что вам важнее.

    Но играть в поддавки Россия не хочет.[/bilingbox]

    Vedomosti: Atomwaffen nicht als Zankapfel nutzen

    Das unabhängige Wirtschaftsblatt Vedomosti beschäftigt sich in seinem Kommentar der Redaktion vor allem mit der Frage, warum Russland ausgerechnet dieses Abkommen ausgesetzt habe und meint, ein Bezug zu atomaren Gefahren sei gerade das, was Russland für seine Propaganda brauche.

    [bilingbox]Am Dienstag beginnt zum wiederholten Mal das Allrussische Zivilschutztraining, einen Tag nach der Aussetzung des bilateralen Abkommens mit den USA […] Dass beide Ereignisse etwa zur selben Zeit stattfinden, ist Zufall, aber sie stehen, was die allgemeinen Propaganda angeht, in einem Zusammenhang. […]

    Das Gesetz müsste „Sanktnimmerlein“ heißen. Die Amerikaner werden nichts aufkündigen, für sie ist die Nutzbarmachung von Plutonium kein brennendes Thema – ebenso wenig wie für Russland. Aber es klingt schön und bedrohlich, nach über allem schwebenden Gefahren.

    Traurig ist vor allem eins: Das Thema Atomwaffen ist das letzte, um das gestritten werden und das als Zankapfel herhalten sollte. Ein Gesetzentwurf des Präsidenten – das ist  kein Platz für Witze über dieses Thema. So etwas ist nur in Nordkorea kein Scherz.~~~Очередная Всероссийская тренировка по гражданской обороне начинается во вторник, на следующий день после приостановки Россией двустороннего соглашения с США об утилизации плутония и внесения аналогичного законопроекта в Госдуму. Совпадение двух событий случайно, но они связаны общим пропагандистским смыслом.  […] Этот проект надо назвать «закон рака на горе». Конечно, американцы ничего отменять не будут, тема утилизации плутония для них не самая больная – как и для России. Но звучит красиво и страшно, туманно напоминает об угрозах.

    Печально вот что. Тема ядерного оружия – последнее, вокруг чего надо спорить и что использовать как аргумент. Президентский законопроект – не место для шуток на эту тему. Не шутки это только в Северной Корее.[/bilingbox]

    TV Zvezda: USA provozieren Russland

    Der TV-Sender Zvezda, der dem Verteidigungsministerium nahesteht, stellte schon vor einiger Zeit Rechnungen auf, wonach die russische Armee der US-amerikanischen bei Weitem überlegen sei und einen etwaigen Krieg souverän gewinnen könne. Die Schuld für die jüngste Eskalation sieht der militärisch-patriotische Sender eindeutig bei den USA und der NATO.

    [bilingbox]Die Sache ist, dass die USA in letzter Zeit insgesamt Schritte unternehmen, die zu einer Veränderung der strategischen Stabilität führen. Unter anderem geht es um die militärische Aufrüstung in Osteuropa, darunter in Staaten, die nach dem Jahr 2000 in die NATO aufgenommen wurden.

    In einer Reihe von Staaten wurden bereits militärische Einsatzzentralen stationiert – von Bulgarien bis Estland. Auf dem Gebiet der Baltischen Länder wurden Einheiten der amerikanischen Armee stationiert, hier wurde auch die Menge der NATO-Flugzeuge aufgestockt. In der Ukraine führen amerikanische Ausbilder nahezu demonstrativ Schulungen für Kämpfer des Rechten Sektors durch (einer in Russland verbotenen Organisation). Wenn das keine Provokation ist!~~~Дело в том, что США в последнее время в целом предпринимают шаги, ведущие к изменению ситуации в области стратегической стабильности. В частности, речь идет о наращивании военного присутствия в Восточной Европе, в том числе в государствах, принятых в НАТО после 2000 года.

    Передовые пункты управления войсками уже размещены в целом ряде стран – от Болгарии до Эстонии, подразделения американской армии введены на территорию Прибалтики, увеличено и число базирующихся здесь самолетов НАТО. На Украине штатовские инструкторы чуть ли не демонстративно проводят обучение боевиков «Правый сектор» (запрещенной в России организации). Что это, как не вызов?[/bilingbox]

    Alexander Morosow (facebook): Ohne Kompromiss eigene Forderungen stellen

    Alexander Morosow, unabhängiger Journalist und Politologe, meint, dass Putin die bald neu gewählte US-Regierung in Zugzwang bringen wolle. Auf seiner facebook-Seite schreibt er, es gehe nicht um das Abkommen selbst, sondern darum, im Voraus das Signal zu versenden: kein Kompromiss.

    [bilingbox]Putin  wollte einfach vorweg greifen und zeigen, dass er auf den Kurs, den die neue US-Regierung vorlegen wird, vorbereitet ist und zu  einem nachfolgenden kompromisslosen Konflikt bereit. In seiner Erklärung […] geht es um zwei Themen: Zahlungen und Plutonium. Es ist dabei egal, wie ernst beide Themen für sich genommen sind. Eine Schlüsselrolle spielt hier allein, dass diese beiden Themen zum Einsatz kommen: Zahlungen – als Antwort darauf, dass Moskau für die Krim nicht zahlen, nicht den Weg einschlagen wird, über den liberale Moskauer Politiker häufig sprechen als „Lösung des Problems“. Vielmehr umgekehrt: Putin selbst fordert eine Zahlung.~~~Путин просто сделал шаг с опережением, показывая, что готов к тому курсу, который будет проводит новая администрация США и к дальнейшему бескомпромиссному конфликту. В его заявлении (и законопроекте) две темы: платежи и плутоний. Не имеет значения, насколько обе темы "серьезны" сами по себе. Ключевым тут является само использование этих двух тем. "Платежи" – это ответ на то, что Москва не будет платить за Крым, не пойдет по пути, о котором иногда говорят "либеральные" московские политики, как о "решении проблемы" (Хакамада, Д.Гудков). Наоборот: Путин требует еще и доплатить ему.[/bilingbox]

    Slon: Vorwürfe gehören zur Strategie des Kreml

    Sergej Medwedew geht auf dem liberalen Portal Slon.ru als einer der wenigen ganz intensiv auf die gescheiterten Syrien-Gespräche ein, um sie in den Kontext aller diplomatischen Verwicklungen in diesen Tagen zu stellen, die das Verhältnis mit dem Westen belasten. Der Journalist und Historiker sieht Russland als globalen Störenfried, der ein gefährliches Spiel spiele.

    [bilingbox]Die jüngsten Beschuldigungen des Westens fügen sich in die langfristige Strategie des Kreml ein, das Bild eines unvorhersehbaren und gefährlichen Akteurs zu erwecken, der die globalen Regeln bricht und den alle zu fürchten haben. Offensichtlich waren weder der Abschuss der Malaysischen Boeing noch die Bombardierungen ziviler Objekte in Syrien bewusste Handlungen seitens Russland, doch entspringen sie jener Hochrisikosphäre, die Moskau auf postsowjetischem Gebiet und im Nahen Osten erschaffen hat […]~~~Последние обвинения Запада вписываются в долгосрочную стратегию Кремля по созданию образа непредсказуемого и опасного игрока, нарушителя глобальных правил, которого всем следует бояться. Очевидно, ни уничтожение малайзийского «Боинга», ни бомбежка гражданских объектов в Сирии не были сознательными акциями России, но они произрастают из той высокорисковой среды, которую Москва создает на постсоветском пространстве и на Ближнем Востоке, […][/bilingbox]

    dekoder-Team

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