дekoder | DEKODER

Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Debattenschau № 70: Eskalation im Asowschen Meer

    Debattenschau № 70: Eskalation im Asowschen Meer

    Schon seit Monaten spitzt sich die Situation im Asowschen Meer zu. Am Sonntag ist sie nun eskaliert: Russische Grenzschutzboote haben im Schwarzen Meer vor der Halbinsel Krim drei ukrainische Marineschiffe beschossen. Dabei gab es auch Verletzte.
    Russland erklärte, die Schiffe seien illegal in russische Hoheitsgewässer eingedrungen und hätten auch auf Aufrufe, anzuhalten, nicht reagiert. Die Ukraine wolle „Konfliktsituationen“ provozieren.
    Die Ukraine dagegen spricht von einer militärischen Aggression seitens Russlands. Außerdem warf Kiew Moskau vor, gegen das UN-Seerechtsübereinkommen sowie den Vertrag zur Nutzung des Asowschen Meeres zu verstoßen. Am heutigen Montag will das ukrainische Parlament darüber beraten, das Kriegsrecht auszurufen.

    Die NATO wie auch die EU-Kommission riefen beide Seiten zu Zurückhaltung und Deeskalation auf. Der UN-Sicherheitsrat befasst sich am Montagnachmittag (MEZ) in einer Dringlichkeitssitzung mit der Eskalation.

    Wer hat die Eskalation gestartet? Und warum? Darum dreht sich die Debatte in russischen und ukrainischen Medien. dekoder bringt Ausschnitte daraus.

    Ukraina.ru: Starker Zug eines schwachen Königs

    Ukraina.ru gehört zur staatlichen russischen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja. In einem „Exklusiv-Beitrag“ argumentiert das Medium so, wie auch zahlreiche staatsnahe Medien in Russland. Der Tenor: Die Ukraine breche einfach einen kleinen siegreichen Krieg vom Zaun:

    [bilingbox]Aus innenpolitischer Sicht steht jetzt das Schicksal der Präsidentschaftswahl 2019 auf dem Spiel. Und das kann das wichtigste persönliche Motiv des ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko in dieser Geschichte sein.
    Poroschenkos Beliebtheitswerte wachsen nicht, trotz seiner beharrlichen PR der Autokephalie und der Integration in die EU und NATO. In Sachen Autokephalie rührt sich nichts von der Stelle, vielleicht wird sich das noch Jahrzehnte hinziehen, sinniert die Kirche doch über Jahrhunderte, anders als Politiker, die von Wahl zu Wahl und in Legislaturperioden denken. 

    Umfragen zeigen derweil, dass der jetzige Präsident Gefahr läuft, wirklich jedem Gegner bei der Stichwahl zu unterliegen. […] Julia Timoschenko bleibt Favoritin im noch nicht gestarteten Wahlkampf, sie ist für Poroschenko ein unbezwingbarer politischer Mount Everest. Man kann sie nicht von der Wahl ausschließen. Sich mit ihr einigen kann man auch nicht. Wenn sie Präsidentin wird, wird sie unweigerlich damit anfangen, Strafprozesse gegen das Regime Poroschenko zu forcieren. Sie wird sie alle zu Bettlern machen – sowohl Poroschenko als auch seine Helfershelfer, die skrupellos das Land ausrauben.
    In dieser Situation muss ein schwacher König wie beim Schach einen starken Zug machen. Mit der Provokation eines militärischen Konflikts kann Poroschenko den Kriegszustand ausrufen und die Wahl aussetzen.~~~С точки зрения политики внутренней на кону — судьба президентских выборов 2019 года. И это может быть самый главный личный мотив президента Украины Петра Порошенко в этой истории.

    Рейтинги Порошенко не растут, не смотря на упорную раскрутку тем автокефалии и интеграции в ЕС и НАТО. С автокефалией все замерло и, Возможно, это вообще затянется на десятилетия — церковь ведь мыслит тысячелетиями, в отличии от политиков, живущих избирательными циклами — от выборов до выборов.

    А социологические данные показывают, что действующий президент рискует проиграть во втором туре буквально любому оппоненту Юлии Тимошенко, остается фаворитом еще не начавшейся избирательной кампании и непреодолимым политическим Эверестом для Порошенко. Убрать ее из выборов никак не получается. А договориться невозможно. Став президентом, Тимошенко неизбежно начнет ряд уголовных процессов над бывшим режимом Порошенко и разорит всех — и Порошенко и его клевретов, безбожно грабящих страну.
    В этой ситуации, как в шахматах, слабый король должен сделать сильный ход. Спровоцировав военный конфликт, Порошенко может объявить в стране военное положение и отменить выборы.[/bilingbox]

    erschienen am 25.11.2018

    eurointegration: Diplomatische Beziehungen abbrechen!

    Die Redaktion des ukrainischen Online-Mediums Ewropeiskaja Prawda entschließt sich zu einem Editorial. Zu diesem Schritt greift das reichweitenstarke Medium nur dann, wenn die Ukraine „vor einer wichtigen außenpolitischen Entscheidung steht“:

    [bilingbox]Dieses Mal geht es nicht um grüne Männchen, „Sie sind dort nicht“, die Bevölkerung von Luhansk und Donezk oder über andere legendenhafte Teilnehmer am Krieg mit der Ukraine. Dieses Mal gibt die Russische Föderation, anders als bei allen vorherigen Angriffen, von Anfang an zu: Sie hat die Ukraine auf dem Meer angegriffen.

    Die Russen selbst haben ein Video ins Netz gestellt, wie der ukrainische Schlepper Jany Kapu vom russischen Schiff Don gerammt wird. Am Abend wurde dann von russischer Seite bestätigt, dass ihre Militärs Schiffe der ukrainischen Marinestreitkräfte beschossen hätten, ukrainische Soldaten seien verletzt und unsere Schiffe erobert worden.

    Jetzt reden Präsident und Staatsbeamte vom Krieg und sogar von einer möglichen Einführung des Kriegsrechts. Kiew fordert von der EU offiziell neue Sanktionen. Aber haben wir Anlass für solche Forderungen, wenn wir noch nicht einmal die diplomatischen Beziehungen zu dem Aggressor abgebrochen haben? Wo das doch normalerweise zu den ersten Schritten eines Staates gehört, der mit einer Aggression konfrontiert ist.

    Und nicht einmal jetzt, wo Russland den Angriff zugegeben hat, hören wir vom Präsidenten von solchen Absichten.

    Die aktuelle Verschärfung des Konflikts gibt der Gesellschaft einen Grund, solche Maßnahmen zu fordern.

    Die diplomatischen Beziehungen zu Russland sollten abgebrochen werden. Ohne das verlieren unsere Erklärungen bezüglich einer russischen Aggression einen Teil ihres Gewichts.~~~На этот раз речь не идет о „зеленых человечках“, „ихтамнет“, „народах Луганска и Донецка“ или о других мифических участниках войны с Украиной. Теперь, в отличие от всех предыдущих нападений, РФ с самого начала признает: именно она атаковала Украину на море.

    Россияне сами слили в сеть видео тарана украинского буксира „Яны Капу“ российским катером „Дон“. А вечером – подтвердили, что это их военные обстреляли корабли ВМС Украины, ранили украинских военных и захватили наши корабли.

    Сейчас президент и чиновники говорят именно о войне и даже о возможном введении военного положения. Киев официально требует от ЕС новых санкций. Но есть ли у нас основания для таких требований, если мы сами даже не разорвали дипломатические отношения с агрессором? Хотя это обычно становится первым шагом государства, столкнувшегося с агрессией.

    И даже сейчас, когда Россия признает свое нападение, мы не слышим от президента заявлений о таком намерении.

    Нынешнее обострение конфликта дает обществу основания требовать таких действий.

    Дипломатические отношения с РФ должны быть разорваны. Без этого наши заявления о российской агрессии теряют часть своего веса.[/bilingbox]

    erschienen am 26.11.2018

    Echo Moskwy: Provokation des ukrainischen Militärs

    Konstantin Kossatschow ist Vorsitzender des russischen Komitees für auswärtige Angelegenheiten. In seinem Blog auf Echo Moskwy macht er einen Provokateur aus:

    [bilingbox]In der Meerenge von Kertsch entwickelt sich direkt vor unseren Augen rasant eine Provokation des ukrainischen Militärs. Es besteht kein Zweifel – das alles wurde mit einem einzigen Ziel angezettelt: Russland zu zwingen, diese Provokation abzubrechen und dann die russische Reaktion als Aggression zu bezeichnen. […]
    Die ukrainischen Präsidentschafts- und dann die Parlamentswahlen können nicht ganz Europa in Geiselhaft nehmen. Früher oder später wird die Kiewer Hysterie sich totlaufen und die Provokateure werden in die ruhmlose Geschichte eingehen.~~~На наших глазах стремительно развивается провокация украинских военных в Керченском проливе. Нет сомнения, что она затеяна с единственной целью — вынудить Россию пресечь эту провокацию и затем выдать российскую реакцию за агрессию. […]
    Украинские президентские, а затем и парламентские выборы не могут держать в заложниках всю Европу. Рано или поздно киевская истерия сойдёт на нет, а провокаторы — будут списаны в бесславную историю.[/bilingbox]

    erschienen am 25.11.2018

    Echo Moskwy: Pawlowski

    Gleb Pawlowski gehört für manchen Beobachter zu den Erfindern der Polittechnologie in Russland. Obwohl er schon vor einigen Jahren beim Kreml in Ungnade gefallen sein soll, gilt seine Stimme immer noch als gewichtig. Auf Echo Moskwy erklärt er, warum der Vorfall für Russland aus der Sicht des Seerechts schwerwiegend sein könnte:

    [bilingbox]In solchen Konflikten ist es ohne Detailwissen schwer zu sagen, wer nun genau als erster provoziert hat, denn auf der See zählen feine Nuancen. Laut Seerecht aber liegt die Verantwortung in erster Linie bei Russland. Man muss ganz klar verstehen, dass heutzutage die Priorität auf dem Recht der Durchfahrt liegt. Eine Verletzung des internationalen Seerechts trifft Russland als riesigen internationalen Frachtführer. Und das könnte in Zukunft für einen Haufen unserer Schiffe Konflikte bedeuten. […] Deswegen muss Russland gut nachdenken, wer als erster nachgibt, denn die ukrainischen Kriegsschiffe stellen keinerlei Problem für die Sicherheit Russlands dar.~~~В таких конфликтах трудно понять без знания деталей, кто именно и кого первый провоцирует, потому что в морских делах важны нюансы. Но отвечать с точки зрения морского права в первую очередь будет Россия. Это надо очень ясно понимать, что приоритетом сегодня является максимальная свобода коммуникаций. Нарушение международного морского права ударит по России как крупному международному морскому грузоперевозчику. И это может создать конфликты для массы наших судов в будущем […] Поэтому России надо очень хорошо подумать, кто должен первым уступить, так как украинские военные катера не представляют никакой проблемы для безопасности России.[/bilingbox]

    erschienen am 25.11.2018

    Novoe Vremya: Malorossija noch nicht vergessen

    Der Diplomat Roman Bessmertny ist ehemaliger Vertreter der Ukraine in der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk und ehemaliger ukrainischer Botschafter in Belarus. Im populären ukrainischen Onlinemedium Novoe Vremya schreibt er:

    [bilingbox]Es ist ganz offensichtlich, dass Russland seine Pläne bezüglich Malorossija nicht vergessen hat, das ist immer noch aktuell. Der Kreml wird sich ihrer bewusst werden, besonders in konfrontativen Wahlkampfzeiten in der Ukraine. Wir müssen unser Land und unser Meer verteidigen, alle entsprechenden Handlungen sind in den Gesetzen und der Verfassung festgeschrieben.~~~Очевидно, что Россия не забыла о своих планах в отношении «Малороссии», оно их до сих пор волнует. Кремль будет реализовывать их, особенно в период предвыборного противостояния в Украине. Мы должны защищать свою землю и свое море, а все соответствующие действия записаны в законах и Конституции.[/bilingbox]

    erschienen am 26.11.2018

    Facebook/Alexander Morosow: Keine Deeskalation, nichts!

    Am Freitag beginnt der G20-Gipfel in Argentinien. Viele Hoffnungen waren bis zuletzt damit verbunden. Mit der Konfrontation im Asowschen Meer sind sie zerschlagen, meint der russische Journalist Alexander Morosow auf Facebook.

    [bilingbox]Keinerlei Deeskalation, nichts! Weder ein Treffen mit Trump noch ein G20-Treffen in Argentinien in vier Tagen noch die Erwartung einzelner europäischer Staaten, dass Putin einen vernünftigen Schritt tun wird, um die angespannte Lage zu entschärfen – all das hat jetzt keinerlei Bedeutung mehr.
    Statt dem erwarteten Gefangenenaustausch gibt es sechs verletzte ukrainische Matrosen.
    Statt einer Deeskalation hat der Kreml ukrainische Kriegsschiffe gerammt und beschossen. Wozu? 
    Recht haben diejenigen, die meinen, dass die Kremlleute sich mental im Kriegszustand befinden. Sie meinen, dass längst Krieg herrscht, die erste Phase, das heißt, ihr Verstand ist bereits mitten im Krieg. Und da gilt eine andere Logik als bei denen, die denken, es liefen noch Verhandlungen und Gefeilsche im Rahmen einer auf gegenseitigen Vorteil bedachten wirtschaftszentrierten Politik in einer globalen Welt.~~~Никакой деэскалации, никакой! И ни встреча с Трампом, ни G20 в Аргентине через четыре дня, ни ожидания отдельных европейских правительств, что Путин сделает какой-то разумный шаг к понижению напряженности – все это и подобное никакого значения не имеет. 
    Вместо ожидаемого обмена пленными – шесть раненых украинских моряков.
    Вместо деэскалации – Кремль протаранил и обстрелял украинские военные корабли. 
    Зачем? Думаю, что правы те, кто считает, что ментально кремлевцы находятся в состоянии войны. Они считают, что война уже идет, это ее первый этап, т.е. их ум уже внутри войны. И там внутри уже другая логика, чем у тех, кто считает, что живет еще в условиях переговоров, торга, экономоцентричной политики и глобального взаимовыгодного мира.[/bilingbox]

    erschienen am 26.11.2018

    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Gibt es Leben in Donezk?

    Ist eine russisch-ukrainische Versöhnung möglich?

    Russischer Winter

    Kalte Freundschaft

    Ein Held ist, wer nicht schießt

    Ukrainisches Sprachen-Manöver

  • Debattenschau № 69: Senzows beendeter Hungerstreik

    Debattenschau № 69: Senzows beendeter Hungerstreik

    Nach 145 Tagen und 20 Kilogramm Gewichtsverlust beendete der ukrainische Regisseur Oleg Senzow letzten Samstag seinen Hungerstreik. Damit entgeht er der angekündigten Zwangsernährung. 

    Die Fraktion der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament nominierte ihn gestern für den Sacharow-Preis, auch EU-Menschenrechtspreis genannt. In den Augen der EU-Abgeordneten und vieler russischer Oppositioneller hat Senzow viel erreicht. Durch seinen Streik bekam er eine massive internationale Unterstützung, auch viele Menschen in Russland protestierten für ihn. Sein Hungerstreik erinnerte viele an das Schicksal sowjetischer Dissidenten sowie an die Unnachgiebigkeit der sowjetischen Herrscher.

    In einem offenen Brief erklärte Senzow am 5. Oktober das Ende seines Streiks. dekoder bringt die Übersetzung des Briefs sowie Ausschnitte aus staatsnahen und unabhängigen russischen Medien.
     

    Oleg Senzow noch vor Beendigung seines Hungerstreiks / Foto: © FSIN
    Oleg Senzow noch vor Beendigung seines Hungerstreiks / Foto: © FSIN

    Novaya Gazeta: Senzows Brief

    Vergangenen Freitag kündigte Oleg Senzow in einem handschriftlichen Brief das unfreiwillige Ende seines Hungerstreiks an. Die Novaya Gazeta hat den Brief veröffentlicht.

    [bilingbox]Alle, die es noch interessiert!
    Aufgrund meines kritischen Gesundheitszustands und wegen pathologischer Veränderungen der inneren Organe ist geplant, in nächster Zeit mit meiner Zwangsernährung zu beginnen. Meine Meinung zählt an dieser Stelle nicht. Ich sei angeblich nicht mehr imstande, meinen Gesundheitszustand und die ihm drohende Gefahr adäquat einzuschätzen. 
    Die Zwangsernährung wird im Rahmen von intensivmedizinischen Maßnahmen zur Rettung des Lebens des Patienten durchgeführt. Unter diesen Umständen bin ich gezwungen, meinen Hungerstreik am morgigen Tag, dem 6. Oktober 2018, zu beenden. 
    145 Tage Kampf, 20 Kilogramm Gewichtsverlust, plus ein angeknackster Organismus, aber das Ziel ist nicht erreicht. Ich danke allen, die mich unterstützt haben und entschuldige mich bei denen, die ich enttäuscht habe …

    Ruhm der Ukraine!

    Oleg Senzow, 5.10.18

    ~~~Всем, кому это еще интересно!
    В связи с критическим состоянием моего здоровья, а также начавшимися патологическими изменениями во внутренних органах, в самое ближайшее время ко мне запланировано применение принудительного питания. Мое мнение при этом уже не учитывается. Якобы я уже не в состоянии адекватно оценивать уровень здоровья и опасности ему грозящей. Насильственное кормление будет проводиться в рамках реанимационных мероприятий по спасению жизни пациента. В данных условиях я вынужден прекратить свою голодовку с завтрашнего дня, то есть с 6.10.18.
    145 дней борьбы, минус 20 кг веса, плюс надорванный организм, но цель так и не достигнута. Я благодарен всем, кто поддерживал меня, и прошу прощения у тех, кого я подвел…

    Слава Украине!

    Олег Сенцов. 5.10.18[/bilingbox]

    erschienen am 5. Oktober 2018

    Foto: © Novaya Gazeta
    Foto: © Novaya Gazeta

    Moskowski Komsomolez: Kritik aus der Ukraine

    Das Massenblatt Moskowski Komsomolez befragt gleich zwei „ukrainische Politologen“ und suggeriert damit womöglich, dass auch Ukrainer kritisch gegenüber Senzow sein können. 
    Rostislaw Ischtschenko ist einer von ihnen, seit der Ukraine-Krise lebt er in Russland und tritt hier oft als Experte in staatsnahen Medien auf.

    [bilingbox]Wenn einer ein halbes Jahr lang sagt, dass er hungert, dann wirkt es schlicht lächerlich. Man hätte den Hungerstreik schon längst beenden sollen, weil Menschen schon viel früher daran sterben. Senzow musste irgendwie aus diesem Zustand rauskommen – bitte sehr, jetzt ist er raus. 
    Führt man sich vor Augen, dass er sogar diese rein formale Aktion beendet hat, dann glaubt er nicht daran, dass sich an seiner Situation etwas ändern wird. Zumindest sitzt er nicht lebenslänglich ein, früher oder später kommt Senzow raus. Außerdem kann er mit einer vorzeitigen Entlassung rechnen, wenn er sich denn entsprechend verhält. Er muss seine Schuld eingestehen und dafür büßen. Aber mit dieser Tat hat der Regisseur gezeigt, dass er seine Situation nicht ändern will.
    ~~~Если человек полгода говорит о том, что он голодает, то от этого становится уже просто смешно. Голодовку давно нужно было прекращать, потому что даже за более короткий срок люди умирают. Сенцову нужно было как-то выходить из этого состояния — вот он и вышел. Судя по тому, что он прекратил даже эту чисто формальную акцию, он не рассчитывает на изменения в своем положении. В любом случае у него не пожизненное заключение, и рано или поздно Сенцов выйдет. Кроме того, он может рассчитывать на досрочное освобождение, если будет вести себя соответствующим образом. Он должен принять свою вину и раскаяться. Но этим поступком режиссер показал, что менять свое положение не собирается[/bilingbox]

    erschienen am 5. Oktober 2018

    Iswestija: Ergebnis peinlich genauer Arbeit

    In der staatsnahen Iswestija stellt der stellvertretende Direktor des FSIN Waleri Maximenko den beendeten Hungerstreik als Verdienst seiner Behörde dar.  

    [bilingbox]Das Ende des Hungerstreiks ist in diesem speziellen Fall das Ergebnis bedachtsamer und peinlich genauer Arbeit unserer Mitarbeiter. Zu sagen, die Entscheidung wäre ad hoc getroffen worden, ist falsch. Der behördenübergreifende Föderale Strafvollzugsdienst FSIN, unter dessen Beobachtung sich Senzow befand, überwachte seinen Gesundheitszustand, wählte die richtigen Portionen spezieller Mixturen und Pulver. […]
    Sollte die Verweigerung der Nahrungsaufnahme weitergehen, würde aus Senzow womöglich nicht einmal nur Gemüse, sondern gar eine Pflanze. Die Androhung von Zwangsernährung – wie kann man denn bitteschön den Beginn der Behandlung eines Kranken als Bedrohung bezeichnen? In der aktuellen Situation wurde Senzow gesagt, dass man um sein Leben und seine Gesundheit kämpfen und nicht zulassen werde, dass er stirbt. Der Rest blieb ihm freigestellt. […]
    Für uns ist nicht wichtig, nach welchem Paragraphen und für welches Verbrechen ein Gefangener seine Strafe verbüßt. Wir kümmern uns um eines jeden Leben und Gesundheit. Unsere Aufgabe ist, dass der Mensch nach Ablauf seiner Haftzeit und Besserungsmaßnahmen gesund zu seinen Angehörigen zurückkehren kann.
    ~~~Окончание голодовки в данном случае — это результат тщательной и кропотливой работы наших сотрудников. Нельзя сказать, что это произошло в один момент, нет. Сотрудники медучреждений ФСИН, у которых наблюдался Сенцов, следили за его здоровьем, подбирали правильный рацион на основании специальных смесей и порошков. […]
    Eсли бы отказ от еды продолжился, то Сенцов мог стать не просто «овощем», а даже «растением». А угрозы принудительного питания — ну как можно называть угрозой введение в курс лечения больного? В данном случае Сенцову сказали, что за его жизнь и здоровье будут бороться и умереть не дадут. Остальное было на его усмотрение. […]
    Нам неважно, по какой статье и за какое преступление отбывает наказание заключенный. Мы одинаково заботимся о жизни и здоровье каждого. Наша задача, чтобы после отбывания срока и исправления человек вернулся к своим родным и близким здоровым.[/bilingbox]

    erschienen am 8. Oktober 2018

    Colta: Grabesschweigen

    Auf dem unabhängigen Portal Colta schreibt Maria Kuwschinowa darüber, warum es so schwierig ist, die richtigen Worte zum Ende des Hungerstreiks zu finden.

    [bilingbox]Die Nachricht von dem erzwungenen Ende des Hungerstreiks von Oleg Senzow wurde beinahe mit Grabesschweigen aufgenommen. Es schwiegen nicht nur die, die über die Gesamtdauer von vier Monaten die Freilassung des ukrainischen Regisseurs und der ukrainischen Gefangenen gefordert hatten, sondern auch die, die qua Stellung oder aufgrund ihrer Überzeugung Schadenfreude hätten zeigen müssen. Das liegt offensichtlich nicht an Gleichgültigkeit. Es liegt an der Unmöglichkeit, die Situation mit den zur Verfügung stehenden Sprachschablonen zu beschreiben.
    Freude, dass „er sich fürs Leben entschieden hat”, will nicht aufkommen, weil Senzow unter Androhung von Zwangsernährung nichts entschieden hat. Ärger, dass „er aufgegeben hat”, ist auch fehl am Platz, weil die Dauer und Intensität des Kampfes, die Menge der daran beteiligten Menschen, der Schaden, der dem Organismus zugefügt wurde, und auch die an die Oberfläche getretenen Fragen bezüglich Krim und Donbass es nicht erlauben, den Hungerstreik schlagartig zu entwerten.
    ~~~Новость о вынужденном окончании голодовки Олега Сенцова была встречена почти гробовым молчанием. Молчали не только те, кто на протяжении всех четырех месяцев требовал освободить украинского режиссера и отпустить украинских пленников, но и те, кому по должности или по убеждениям в этот момент полагалось бы злорадствовать. Дело, очевидно, не в безразличии. Дело в невозможности описать ситуацию при помощи набора удобных штампов, […]

    Радость — «он выбрал жизнь» — не годится, потому что под угрозой принудительного кормления Сенцов ничего не выбирал. Досада — «он сдался» — не годится тоже, потому что продолжительность и интенсивность борьбы, количество вовлеченных в нее людей, урон, нанесенный организму, а также поднятые на поверхность вопросы о Крыме и Донбассе не позволяют одномоментно обесценить голодовку.[/bilingbox]

    erschienen am 8. Oktober 2018

    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Presseschau № 12: Justiz 2015

    Krym-Annexion

    „Du leckst mir gleich mit der Zunge das Klo aus“

    Der Hungerstreik des Oleg Senzow

    Foltervideo: Einmaliger Störfall?

    Zitat #5: „Senzow ist ein ukrainischer Kamikaze“

  • Debattenschau № 68: Treffen von Putin und Trump

    Debattenschau № 68: Treffen von Putin und Trump

    Anfangs war die Stimmung noch frostig. Am Ende ihres Treffens in Helsinki jedoch strahlten sie beide: der russische Präsident Putin und der US-amerikanische Präsident Trump. „Der Dialog ist sehr gut verlaufen“, erklärte Trump in der anschließenden Pressekonferenz, auch Putin lobte die „geschäftsmäßige“ Atmosphäre.

    Auf Nachfrage eines Journalisten sagte Trump während der Pressekonferenz, er habe keinen Grund zu der Annahme, dass sich Russland in den US-amerikanischen Wahlkampf eingemischt habe. In den USA bringt ihm dies derzeit heftige Kritik ein, von demokratischer wie republikanischer Seite, da diese Aussage im krassen Gegensatz steht zu den Ermittlungen der US-Geheimdienste und des Sonderermittlers Robert Müller. Der Großteil der US-Medien kritisiert den Gipfel und Trumps Auftritt neben Putin. Die Washington Post etwa schrieb, Trump habe sich zu Putins „nützlichem Idioten“ gemacht.

    Viele europäische Politiker kritisierten das Treffen schon im Vorhinein. Kurz vor dem Gipfel in Helsinki hatte Trump die EU als „Gegner“ bezeichnet. Der deutsche Außenminister Heiko Maas etwa sagte in einem Interview der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, die EU könne sich nicht mehr auf die USA verlassen. Er forderte auch eine „Neuvermessung der deutsch-amerikanischen Beziehungen“.

    Wie wird das Treffen von Putin und Trump in russischen Medien bewertet: Ist Russland endlich wieder auf Augenhöhe mit den USA? Oder ist alles eine große Show? dekoder bringt Ausschnitte aus staatsnahen und unabhängigen russischen Medien.

    Republic: Auf Augenhöhe

    Egal, was beim Treffen nun herauskam oder nicht herauskam, Putin hat schon gewonnen, meint Politologe Wladimir Frolow auf dem unabhängigen Online-Portal Republic:

    [bilingbox]Das Wichtigste, das Putin bekommen hat, ist die Möglichkeit, neben dem amerikanischen Präsidenten auf einer Pressekonferenz zu stehen und die großen internationalen Probleme aufzuzählen, die er nun gemeinsam mit Donald Trump lösen wird – ohne in die Vergangenheit oder auf die Meinung anderer Staaten zu schauen. Das war genau die offizielle Anerkennung Russlands als den USA ebenbürtige globale Macht, die ersehnte „geopolitische Parität“, die der russische Präsident in der gesamten vergangenen Amtszeit angestrebt hat. ~~~Главное, что получил Путин – это возможность, стоя рядом с американским президентом на пресс-конференции, перечислять большие международные проблемы, которые он будет теперь решать вместе с Дональдом Трампом, без оглядки в прошлое и на мнение других держав. Это как раз и было официальное признание статуса России как равной США глобальной державы, заветный «геополитический паритет», к которому российский президент стремился весь свой последний срок.[/bilingbox]

    erschienen am 17.07.2018

    RT: Hysterie in Europa

    Der staatliche Auslandssender RT amüsiert sich über die Sorge und Kritik vieler europäischer Politiker an dem Treffen:

    [bilingbox]Die Sache ist die: Indem er sich das Treffen mit Putin zum Dessert aufsparte, hinterließ Donald Superstar die Europäer auf seiner Europa-Tour mit offenen Mündern. […] Am amüsantesten ist, dass er bei allem Recht behielt. Denn in den Zeitungen und Fernsehsendungen Europas – und des abdampfenden Großbritanniens – herrscht fulminante Hysterie.

    Der Wirbelsturm-Mann hat so über die verkrusteten europäischen Politiker gefegt, […] dass es eine Augenweide war. Wenn die größte Gefahr für die europäische Demokratie à la Brüssel bislang Putin war mit seinen minderjährigen Hackern, dann hat sich das jetzt schlagartig geändert.~~~А всё дело в том, что Дональд Ф. Суперстар, оставив встречу с ВВП на сладкое, так провёл своё европейское турне, что оставил местных с широко распахнутыми челюстями. […] И, что самое смешное, он был во всём прав. Судя по тому, что в газетах и на телеканалах Европы и отчаливающей от неё Британии уже который день стоит фирменная истерика. 

    Мужчина-ураган так проехался по заскорузлым европейским политикам, […] что любо-дорого посмотреть. Если раньше главной угрозой европейской демократии брюссельского разлива был лично Путин В.В. и его малолетние хакеры, то теперь версия резко изменилась.[/bilingbox]

    erschienen am 16.07.2018

    Vedomosti: Win-win-Situation

    Auf Vedomosti kommentiert Maria Shelesnowa, weshalb das Treffen ein Gewinn für beide Staatschefs war, obwohl es ohne irgendwelche Vereinbarungen zu Ende ging:

    [bilingbox]Ein solches Ergebnis sieht vor dem Hintergrund des Treffens von Trump mit einem anderen schwierigen Burschen der Weltpolitik –  Kim Jong-un – teilweise dürftig aus. Allerdings passt es sowohl Trump als auch Putin. Für den US-amerikanischen Präsidenten bedeutet das Ausbleiben von Abmachungen und Verpflichtungen – auch wenn sie schwammig wären – weniger Risiko, zu Hause wegen intensiver Kontakte mit dem toxischen Moskau angeprangert zu werden. Für Putin ist es ein Anzeichen dafür, dass Moskau Washington keinen Fingerbreit nachgegeben hat.~~~Такой исход выглядит отчасти проигрышным на фоне результата встречи Трампа с другим трудным парнем мировой политики – Ким Чен Ыном, Однако это удобно и для Трампа, и для Путина. Для американского президента отсутствие договоренностей и обязательств, пусть даже и самых расплывчатых и обтекаемых, означает снижение риска быть уличенным дома в интенсивных контактах с токсичной Москвой, для Путина – признак того, что ни пяди земли и повестки Москва Вашингтону не уступила.[/bilingbox]

    erschienen am 17.07.2018

    Radio Sputnik: Trump ist Geisel des US-Systems

    Im staatlichen Auslandsradio Sputnik argumentiert Politologe Sergej Koslow, weshalb die Sympathie Trumps allein Russland nicht reiche:

    [bilingbox]Trump muss seinem Wähler und dem amerikanischen Establishment Rechenschaft darüber ablegen, dass dieses Treffen nicht für die Katz war, dass konkrete Abmachungen getroffen wurden. Wie effektiv die Gespräche wirklich waren, lässt sich zu diesem Zeitpunkt kaum beurteilen. Ich denke, man kann schwerlich eine Annäherung erwarten, weil der amerikanische Präsident eine Geisel des US-amerikanischen politischen Systems ist.~~~Трампу необходимо отчитаться перед своим избирателем и американским истеблишментом о том, что эта встреча была проведена не зря, и что какие-то конкретные выводы были сделаны. Насколько эффективными оказались переговоры, судить сейчас достаточно сложно. Думаю, вряд ли можно ожидать потепления отношений, потому что американский президент – заложник американской политической системы.[/bilingbox]

    erschienen am 17.07.2018

    RIAFAN: Stärke Russlands anerkannt

    Auch die Nachrichenagentur RIAFAN meint, dass Trump viele „Illusionen” zerstöre:

    [bilingbox]Trump rechnet die Szenarien der Realpolitik durch, und nicht die einer virtuellen Welt. In diesen Szenarien erkennt er die Stärke Russlands an und erachtet unser Land als starken Konkurrenten. Das ist alles. Aber die, die in Illusionen leben, sind schrecklich besorgt, dass an der Spitze der USA ein Leader steht, der die Welt der Illusionen zerstört, die mit kolossalen Ressourcen in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut wurde. Wenn eine solche Welt einbricht, dann ist das wirklich eine Krise, und sie wird sich verschärfen.~~~Трамп просчитывает сценарии реальной политики, а не виртуального мира, и в этих сценариях он признает силу России и считает нашу страну сильным конкурентом. Вот и все. Но те, кто живет в иллюзиях, страшно переживают, что во главе США стоит лидер, который разрушает мир иллюзий, созданный колоссальными ресурсами за последние десятилетия. Когда такой мир рушится — это действительно кризис, и он будет усугубляться.[/bilingbox]

    erschienen am 17.07.2018

    Carnegie.ru: „Normalität” nicht unter Trump und Putin

    Politologe Dimitri Trenin betont auf der Seite des unabhängigen Think Tanks Carnegie.ru, wie wichtig die Wiederaufnahme des Dialogs sei – und hat auch eine schlechte Nachricht.

    [bilingbox]Die wichtigste Bedeutung des Treffens in Helsinki ist die Wiederaufnahme des russisch-amerikanischen Dialogs. Auf das Treffen auf neutralem Boden werden wahrscheinlich gegenseitige Besuche in Washington und Moskau folgen. Das schafft eine neue Dynamik in der Interaktion zwischen zwei Staaten auf der Suche nach Gemeinsamkeiten und Übereinstimmung. Der hybride Krieg zwischen den USA und Russland geht zweifellos weiter. In diesem Krieg jedoch entstehen Regeln und Kanäle des Dialogs, nicht nur über den Heißen Draht.
    Die amerikanisch-russische Konfrontation währt nicht ewig. Mit der Zeit kann sich das Verhältnis zu einer „normalen“ Rivalität und später zu einer „einfachen“ Konkurrenz zwischen zwei Mächten entwickeln. Aber das wird wohl nicht unter Trump passieren. Und vielleicht auch nicht unter Putin.~~~Главное значение встречи в Хельсинки состоит в возобновлении российско-американского диалога. За встречей на нейтральной территории, вероятно, последует обмен визитами в Вашингтон и Москву. Такой график создаст динамику взаимодействия между двумя государственными бюрократиями в поиске точек соприкосновения и выработке формул согласия. Гибридная война между США и Россией, несомненно, продолжится. В этой войне, однако, появляются правила и каналы диалога, не только экстренной связи. Американо-российская конфронтация не вечна. Со временем она может перерасти в «нормальное» соперничество держав, а затем в их «простую» конкуренцию. Но это случится, наверное, не при Трампе. А может быть, и не при Путине.[/bilingbox]

    erschienen am 16.07.2018

    Moskowski Komsomolez: Ausgetrickst

    Michail Rostowski kann sich im Massenblatt Moskowski Komsomolez nicht nur freuen über den für Russland scheinbar positiven Ausgang des Treffens:

    [bilingbox]Beim Gespräch mit Journalisten zum Abschluss des Summits in Helsinki hat der Präsident Russlands den amerikanischen Präsidenten offensichtlich ausgetrickst. Und dieser Umstand hat mein Herz mit Stolz erfüllt, aber auch mit Besorgnis. 

    Trump auszutricksen heißt nicht, die amerikanische politische Klasse auszutricksen. Ich fürchte, dass ein Antwortgruß aus Washington nicht lange auf sich warten lassen wird. […]

    In jüngster Vergangenheit hatten innenpolitische Erwägungen Trump dazu gezwungen, offen antirussische Entscheidungen zu treffen, etwa über die Einführung schmerzhafter Sanktionen gegen wichtige Bestandteile unserer Wirtschaft.

    Ich wünsche mir, dass ich irre. Aber nach dem Summit in Helsinki könnten solche innenpolitischen Erwägungen deutlich zunehmen. Worin liegt die Moral davon? Wahrscheinlich darin: Ein bescheidener und scheuer Trump erschreckt manchmal mehr als ein Trump in der Rolle des Streithahns und Raufbolds. Bringt daher bitte jenen Trump zurück, der bei der NATO war! Mit einem solchen US-Präsidenten ist es irgendwie ruhiger und gewohnter.  ~~~В ходе общения с журналистами по итогам саммита в Хельсинки президент России очевидно переигрывал президента Америки. И это обстоятельство наполнило мое сердце не только гордостью, но и тревогой.
    Переиграть Трампа – не значит переиграть американский политический класс. Боюсь, что ответный привет из Вашингтона не заставит себя долго ждать. И дело здесь не только в “робком” поведении американского президента, но и в наступательной позиции президента российского. […]
    В совсем недавнем прошлом внутриполитические соображения заставляли Трампа принимать откровенно антироссийские решения – например, о введении болезненных санкций против важных элементов нашей экономики.
    Очень хочу ошибаться. Но после саммита в Хельсинки таких внутриполитических соображений у Трампа может резко поприбавиться. В чем мораль? Наверное в этом: скромный и застенчивый Трамп иногда пугает гораздо больше, чем Трамп в роли задиры и забияки. Верните поэтому, пожалуйста, того Трампа, который был в НАТО! С таким президентом США как-то спокойнее и привычнее.[/bilingbox]

    erschienen am 16.07.2018

    Facebook/Lilija Schewzowa: Fake-Feindschaft

    Inwiefern die Auseinandersetzung mit den USA der russischen Führung zur Legitimation dient, analysiert die Politologin Lilija Schewzowa auf ihrem Facebook-Account:

    [bilingbox]Russisch-amerikanische Summits sind verdammt, weil das russische System darauf ausgelegt ist, sich durch die Suche nach einem Feind selbst immer wieder neu zu erfinden. Amerika ist für den Kreml der ideale Feind. […] Sich mit Amerika, der einzigen Supermacht der Welt, in Bezug zu setzen, im Dialog oder in Feindschaft mit ihr zu sein – das ist auch eine Legitimierung der russischen Führung.
    Aber der Kreml will doch, selbst auf der ständigen Suche nach einem Feind, keine Konfrontation mit Amerika, werdet ihr sagen. Klar, diese Jungs sind keine Kamikaze. Das heißt, es wird darum gehen, an der Grenze zur Konfrontation entlang zu balancieren. Oder besser, sie zu imitieren: Fake-Kampf mit dem amerikanischen Giganten und gleichzeitig freundschaftliche Kaffeekränzchen mit ihm im Rahmen des „Weltkonzerts“. Das ist ein filigranes Spiel. Allerdings gelingt es dem Kreml eher schlecht in letzter Zeit. ~~~Российско-американские саммиты обречены потому, что российская система заточена на воспроизводство через поиск врага. Америка является для Кремля идеальным врагом. […] Соотнесение с Америкой, единственной мировой сверхдержавой, диалог с ней или вражда с ней- это и легитимация российского лидерства. […] Но ведь Кремль, даже находясь в постоянном поиске врага, не хочет конфронтации с Америкой, скажете вы. Конечно, эти ребята не камикадзе. Значит, речь будет идти о попытках найти способ балансирования на грани конфронтации. А лучше ее имитации: фейковая борьба с американским гигантом и одновременно дружеские посиделки с ним в рамках мирового «Концерта». Это филигранная игра. Правда, в последнее время она плохо идет у Кремля.[/bilingbox]

    erschienen am 16.07.2018

    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Presseschau № 42: Russland und die USA

    Presseschau № 43: Russland und die USA

    Infografik: Russlands Verhältnis zu den USA

    Die Honigdachs-Doktrin

    Die Erzfreunde Russland und USA

    Infografik: Wer ist Freund, wer Feind?

  • Debattenschau № 67: Inszenierter Mord an Babtschenko

    Debattenschau № 67: Inszenierter Mord an Babtschenko

    Nach tausenden Nachrufen, die verfasst worden waren, nach Trauer und Entsetzen über die Ermordung des russischen Journalisten, kam die Nachricht: Arkadi Babtschenko lebt. Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU hatte am 30. Mai auf einer Pressekonferenz in Kiew zunächst erklärt, der Fall sei gelöst. Dann trat Arkadi Babtschenko vor die verblüfften Journalisten. Die Ermordung sei inszeniert gewesen, so die Nachricht. Dies sei nötig gewesen, um den Drahtzieher eines tatsächlich geplanten Mordanschlags auf Babtschenko zu ermitteln. Ein Hintermann sei gefasst worden, ein ukrainischer Staatsbürger G., dem die russischen Geheimdienste insgesamt 40.000 Dollar angeboten hätten, damit er die Ermordung Babtschenkos veranlasse. Daraufhin habe er einen Auftragsmörder angeheuert. Den Hintermann G. habe man identifiziert und festgenommen.

    Neben allgemeiner Freude darüber, dass Arkadi Babtschenko lebt, waren die internationalen Reaktionen auf die Spezialoperation des SBU gespalten. Der OSZE-Medienbeauftragte Hamid Désir bedauerte „die Entscheidung, falsche Informationen über das Leben eines Journalisten zu verbreiten. Es ist Pflicht eines Staates, korrekte Informationen an die Öffentlichkeit zu geben“. Auch die internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen äußerte sich kritisch darüber, dass „die Kiewer Polizei mit der Wahrheit gespielt hat“. Das Atlantic Council veröffentlichte ein Q&A unterschiedlicher Meinungen internationaler Ukraine-Experten. 

    Die Spezialoperation des SBU – ein grandioser Coup? Oder gefährliches Spiel mit der Wahrheit? dekoder bringt Ausschnitte aus den Debatten in russischen und ukrainischen Medien.

    Facebook / Arkadi Babtschenko: Nerviges Gesterbe

    In die allgemeine Aufregung nach der Kiewer Pressekonferenz hinein postete Arkadi Babtschenko auf Facebook:

    [bilingbox]Könnt ihr knicken. Die könnens nicht abwarten. Habe ich versprochen, dass ich mit 96 sterbe, nachdem ich auf Putins Grab getanzt und auf der Twerskaja ein Selfie auf einem Abrams gemacht habe? Ich werde mein Möglichstes tun. Anscheinend will es der Planet, dass man alle vier Jahre wiederaufersteht.
    Mein Gott, dieses Gesterbe ist doch völlig nervig ©.
    Guten Morgen.~~~Хрен там. Не дождутся. Я обещал умереть в девяносто шесть лет, станцевав на могиле Путина и сделав селфи на Абрамсе на Тверской? Я постараюсь это сделать. 
    Видимо планида такая, воскресать каждые четыре года. 
    Господи, как же умирать-то надоело (с).
    Доброе утро.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Facebook / Anton Geraschtschenko: Einzigartige Spezialoperation

    Auf Facebook zeigt sich der ukrainische Abgeordnete Anton Geraschtschenko von der Spezialoperation des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU begeistert:

    [bilingbox]Die einzigartige Spezialoperation bezüglich der Morddrohung an Arkadi Babtschenko ist ein Beispiel für die effektive Zusammenarbeit zwischen dem Geheimdienst und der Nationalpolizei auf dem Gebiet der Bekämpfung von Terroranschlägen und politischen Morden.
    Einzigartig ist auch, dass es bei dieser Spezialoperation keinerlei Informationslecks gab, weder vor der Mordinszenierung an Arkadi Babtschenko noch danach. Das spricht dafür, dass wir gelernt haben, auch an der unsichtbaren Konfrontationsfront mit den russischen Sicherheitsdiensten zu kämpfen.~~~Уникальная спецоперация по предупреждению убийства Аркадия Бабченко – пример эффективного сотрудничества между Службой безопасности и Национальной полиции в деле предотвращения террористических актов и политических убийств.

    Уникальным также является тот факт, что не было утечки информации об этой спецоперации ни до инсценировки убийства Аркадия Бабченко, ни после. Это говорит о том, что мы научились воевать и на невидимом фронте противостояния российским спецслужбам.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Facebook / Ivan Yakovina: Irgendein G.

    Der Journalist Ivan Yakovina arbeitete einst bei Lenta.ru, lebt und arbeitet seit 2014 in der Ukraine. Er kommentiert auf Facebook weit weniger euphorisch:

    [bilingbox]Der Witz ist, dass man die Glaubwürdigkeit des gesamten ukrainischen Staates geopfert hat für die Festnahme irgendeines dicken „Bürgers G“.
    Wobei dieser, wenn ich das richtig verstanden hab, bloß Geld von den Auftraggebern an den Vollzieher übergeben hat. Er war also, einfach gesagt, ein Bote. 
    Ich verstehe, wenn sie ein riesiges, verzweigtes Netz aufgedeckt hätten, mit Illegalen, Agenten, Informanten. Dann wäre es das wert gewesen. Aber wir haben hier nur irgendeinen G. 
    Was soll das bitteschön?~~~Прикол в том, что пожертвовав credibility всего государства Украина, получили арест какого-то толстого „гражданина Г“.
    Причем, если я правильно все понял, он лишь передавал деньги от заказчиков исполнителю. Проще говоря, был курьером.
    Мне кажется, цена больно уж высока. 
    Я понимаю, если бы вскрыли огромную, разветвленную сеть – с нелегалами, агентами и резидентами. Тогда оно того бы стоило. А тут какое-то Г!
    Ну как так?[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Facebook / Mustafa Najem: Eins hinter die Löffel!

    Ähnlich kritisch sieht es auf Facebook auch der ukrainische Investigativjournalist und Politiker Mustafa Najem, der einst den Maidan angestoßen hatte:

    [bilingbox]Danke, natürlich, aber verzieht euch in den Wald mit solchen Inszenierungen! )) Ich schlage vor, ihm [Babtschenko – dek] auf dem Maidan anstelle von Kerzen eins hinter die Löffel zu geben.~~~Спасибо, конечно, но идите вы в лес с такими инсценировками! )) Предлагаю вместо свечек ему на Майдане по ушам надавать.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Novaya Gazeta: Russische Methoden

    Das Investigativmedium The Insider veröffentlichte einzelne Beispiele, in denen russische Geheimdienste Mordfälle inszeniert hatten. Entsprechend macht die kremlkritische Novaya Gazeta im Fall Babtschenko „russische Methoden“ aus:

    [bilingbox]Alexej Gluchow sinniert auf Facebook darüber, dass die Realität ein allgemeines Gut ist, und die, die sie fälschen, dazu verdammt sind, gegen erfahrenere Spezialoperations-Experten zu unterliegen. Das letzte Argument sollte man sehr ernst nehmen: Im Kampf gegen die russische Einflussnahme kommen bei der ukrainischen Regierung nun ausgerechnet russische Methoden zum Einsatz. Fakes, Mystifizierungen, mit einem Wort: Post-Wahrheit.~~~Алексей Глухов рассуждает в фейсбуке о том, что реальность является общим благом, а те, кто фальсифицирует ее, обречены проиграть более опытным специалистам в области спецопераций. Последний аргумент стоит воспринимать всерьез: в борьбе с российским влияниям украинские власти начали использовать российские же методы, фейки, мистификации, словом — постправду.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Rosbalt: Enttäuscht von Arkadi

    Der prominente kremlkritische Publizist Stanislaw Belkowski zeigt sich auf Rosbalt persönlich enttäuscht: 

    [bilingbox]Ich habe den starken Eindruck, dass der amtierende ukrainische Präsident Petro Poroschenko krampfhaft nach einem Szenario sucht, um wiedergewählt zu werden. Die Chancen sind gering. […] Deswegen greift man zu merkwürdigen Methoden und ersinnt polittechnologische Kombinationen, um seine Beliebtheit zu erhöhen. […]
    Mir stößt es schwer auf, dass mein Freund Arkadi Babtschenko da mitmacht. […] Auch ich bin auf meine Art ukrainischer Patriot, aber das, was hier geschieht, eine solche Häme im Stil Viktor Janukowitschs, nur noch schlimmer, ist für mich äußerst bitter, und ich bin höchst enttäuscht über das, was da geschieht.~~~У меня складывается впечатление, что нынешний президент Украины Петр Порошенко судорожно ищет сценарии переизбрания на второй срок. Шансов очень мало. […]
    Поэтому ищутся странные способы, придумываются политтехнологические комбинации для того, чтобы поднять рейтинг Петра Порошенко. […]
    Для меня очень обидно, что в этом участвует мой друг Аркадий Бабченко. […] И я по-своему патриот Украины, а то, что происходит, такое издевательство в стиле Виктора Януковича, только еще хуже, для меня крайне горько и я весьма разочарован в происходящем.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Facebook / Gleb Morew: Merkwürdige Meinungslage

    Gleb Morew, Chefredakteur des unabhängigen Kulturmagazins Colta.ru, kann dagegen solche Vorwürfe gegen Babtschenko nicht verstehen. Auf Facebook schreibt er:

    [bilingbox]Eine merkwürdige Meinungslage ist das im Nachrichtenverlauf. Was ist denn gegen Babtschenko zu sagen? Dass er nicht ermordet wurde und geholfen hat, die Mörder zu fassen? Hallo?~~~Странная пошла лента. Какие могут быть претензии к Бабченко? В том, что его не убили и он помог взять убийц? Ну але.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Komsomolskaja Prawda: Neuer Boden für neue Zweifel

    Alexander Kotz schreibt im kremlnahen Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda, dass der Fall zu neuen Zweifel auch bei anderen Themen führen wird:

    [bilingbox]Aber ich bin Arkadi trotz des ganzen Spektakels dankbar. Weil ich mit Erleichterung festgestellt habe, dass unter meinen russischen Kollegen deutlich mehr Menschen als Menschenfresser sind. Ihre Reaktion auf den „Mord“ war menschlich. 
    Und ein weiteres Mal konnte ich mich davon überzeugen, dass die Welt keinerlei Beweise braucht, um Russland schreckliche Verbrechen anzuhängen. Ein adäquates Verhältnis zu meinem Land zu erwarten, ist sinnlos. Und so habe ich gesehen, dass die ukrainischen Geheimdienste in ihren Diskreditierungs- und Diffamierungs-Bemühungen gegenüber Russland keine Grenzen kennen. 
    Das heißt, dass viele nun weniger daran zweifeln werden, dass die Ukraine beispielsweise die MH17 abgeschossen hat. Auch Eduard Limonows Version, dass die Skripals von Mitarbeitern des SBUs vergiftet wurden, wirkt nun nicht mehr exotisch.~~~Но Аркадию я, несмотря на этот спектакль, все равно благодарен. Потому что с облегчением понял, что среди моих российских коллег Людей гораздо больше, чем людоедов. Их реакция на «убийство» была человечной. И в очередной раз убедился, что для того, чтобы обвинить Россию в ужасном преступлении, миру не нужны никакие доказательства. Рассчитывать на адекватное отношение к моей стране бессмысленно. И потому что увидел, что в своем стремлении дискредитировать или оклеветать Россию у украинских спецслужб практически нет тормозов. А значит и сомнений в том, что Боинг, к примеру, сбила Украина, у многих станет меньше. Да и версия Эдуарда Лимонова о том, что Скрипалей отравили сотрудники СБУ совсем не кажется экзотичной.[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

     

    Facebook / Sergej Medwedew: Was bleibt

    Für den kremlkritischen Historiker und Publizisten Sergej Medwedew ändert sich dagegen in gewisser Hinsicht nichts, wie er auf Facebook schreibt:

    [bilingbox]Eine super Geschichte ist das mit Babtschenko geworden, hat was von Post-Wahrheit, Quantenphysik, Pop-Mechanika und Spaßgesellschaft. Schrödingers Katze lebt wohl eher, als dass sie tot ist. Aber die Hauptsache ist, dass die Reaktion auf diese Post-Wahrheit die Wahrheit war. Das Mitleiden und die Entrüstung waren aufrichtig, obwohl der Anlass gefaked war, aber sind sie deswegen weniger wert? 
    Ich werde meine Postings der letzten 24 Stunden nicht löschen, alles, was ich denke über den toxischen Zerfall des Imperiums und die vergiftete Luft des Krieges, über die Boeing, Nemzow und Politkowskaja, über die sinnlosen Hoffnungen auf das mythische Haag und die göttliche Gerechtigkeit, all das bleibt – und Gott sei Dank ist das Martyrologium nicht noch um einen Namen erweitert.~~~Хорошая вышла история с Бабченко, в духе постправды, квантовой физики, поп-механики и общества спектакля. Кот Шредингера скорее жив, чем мертв. Но главное, что реакция на эту постправду была правдой, сострадание и негодование были искренними, хотя и по фейковому поводу, но становятся ли они от этого менее ценными? Я не буду тереть свои посты за последние 24 часа, все, что я думаю о токсичном распаде Империи и отравленном воздухе войны, о Боинге, Немцове и Политковской, о бессмысленности надежд на мифическую Гаагу и божественную справедливость – все остается без изменений, и слава богу, что в этот мартиролог не добавилось еще одно имя.[/bilingbox]

    erschienen am 31.05.2018

     

    Facebook / Roman Schraik: Ein Happy End?

    Der ukrainische Blogger Roman Schraik fasst auf Facebook die unterschiedlichen Sichtweisen folgendermaßen zusammen:

    [bilingbox]Wie ich mir ein Happy End vorstelle: Der Auftraggeber politischer Morde ist unschädlich gemacht. 

    Wie sich der SBU ein Happy End vorstellt: Der Mord an Babtschenko wurde verhindert, der Organisator des Mordes verhaftet, die Verbindung zum Auftraggeber wurde aufgedeckt.

    Wie sich internationale Journalistenverbände ein Happy End vorstellen: Babtschenko ist tot, Journalisten fordern, den Vollstrecker zu finden, sind entrüstet und stellen Fragen.~~~хэппи-энд в моем представлении – заказчик политических убийств обезврежен

    хэппи-энд в представлении сбу – убийство бабченко предотвращено, организатор убийств задержан, связь с заказчиком обнаружена

    хэппи-энд в представлении международных журналистских организаций – бабченко мертв, журналисты требуют найти исполнителя, негодуют и вопрошают[/bilingbox]

    erschienen am 31.05.2018

     

    Facebook / Jakow Ochonko: Neues Zeitalter

    Jakow Ochonko, Dozent an der Moskauer Higher School of Economis und Chef vom Dienst der Philosophie-Zeitschrift Logos, sieht auf Facebook gar ein neues Zeitalter angebrochen:

    [bilingbox]Der Post-Tod~~~Постсмерть[/bilingbox]

    erschienen am 30.05.2018

    dekoder-Redaktion

     

    Weitere Themen

    Anna Politkowskaja

    Wie Boris Nemzow ermordet wurde

    Das Fake-Engagement

    Kirill Serebrennikow

    Putin, Patriarch, Premier – bitte nicht berühren

    Krieg bleibt Krieg

  • Debattenschau № 66: Militärschlag gegen Syrien

    Debattenschau № 66: Militärschlag gegen Syrien

    In der Nacht auf Samstag haben die USA, Großbritannien und Frankreich syrische Ziele angegriffen. Diese Vergeltungsmaßnahme der Verbündeten für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien sollte laut US-Angaben Assad klarmachen, dass er rote Linien überschritten habe. Der russische UN-Botschafter Nebensja kritisierte das „neokoloniale Auftreten“ der Verbündeten, die das Völkerrecht ignorieren würden.

    Noch im Vorfeld des Angriffs hatten russische Politiker damit gedroht, dass die Marschflugkörper der Verbündeten abgeschossen würden. Da es vereinzelt auch Stimmen gab, die den Gegenangriff auf US-amerikanische Raketenträger androhten, sprachen  einige Analysten schon von einer neuen Kuba-Krise. Doch schließlich reagierte Russland nicht mit militärischen Mitteln – vermutlich auch, weil die Angriffsziele offenbar mit der russischen Seite abgestimmt waren. Umso massiver fällt nun die offizielle russische Kritik aus: Der Giftgasangriff sei nicht bewiesen, der Westen habe gegen das Völkerrecht gehandelt. 

    Welche Folgen hat der Angriff für die internationale Diplomatie? Und wie geht es nun weiter mit Russland und dem Westen? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte.  

    Republic: Kuba-Krise gebannt, Russland geschwächt

    Im Vorfeld des Luftschlags sprachen Politiker und Militärexperten schon von einer zweiten Kuba-Krise. Diese Gefahr ist nun zwar vorerst gebannt, Russland geht aus der Krise aber geschwächt hervor, meint der Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow auf Republic:

    [bilingbox]Russland hat in Syrien den Schlag gegen seinen Alliierten trotz militärischer Präsenz im Land weder verhindern noch abschwächen können – obwohl die lauten Statements die Planung der Operation für die USA etwas erschwert haben. 
    Doch für die anderen Staaten der Region wurde die Schwäche Russlands offensichtlich. Den Anspruch auf die Rolle einer Alternative zum Kraftzentrum der USA und auf die des Sicherheits-Providers im nahen Osten kann Russland nicht erheben.~~~В Сирии Россия не смогла предотвратить или ослабить удар по своему союзнику даже в условиях военного присутствия в стране, хотя громкие заявления несколько затруднили планирование операции для США. Но для других государств региона эта российская слабость стала очевидной. Претендовать на роль альтернативного США центра силы и провайдера безопасности на Ближнем Востоке Россия не может. [/bilingbox]

    erschienen am 16.04.2018

    Novaya Gazeta: Krise zwischen Ost und West bleibt

    „Aufatmen“ heißt es auch in der Novaya Gazeta – der Journalist und Militärexperte Pawel Felgengauer sieht die Eskalation aber noch nicht beendet:

    [bilingbox]Kurz, es ist noch mal gut gegangen: Die russischen Militärs in Syrien und die Kampfschiffe im Mittelmeer haben nicht einmal auf Raketen geschossen, geschweige denn auf westliche Flugzeuge und Schiffe. Es wird also wegen Duma weder einen regionalen (innereuropäischen) noch einen globalen Krieg geben. 

    Aber die Krise zwischen Ost und West bleibt. Gegenseitige Beschimpfungen und Konfrontationen, auch die in Syrien, gehen weiter und werden wahrscheinlich noch an Schärfe gewinnen. Auf syrischem Boden sind amerikanische, französische und britische Spezialeinheiten aufgeschlagen. Und natürlich wollen sowohl Damaskus als auch Moskau als auch Teheran diese Truppen aus Syrien verdrängen.~~~Короче, обошлось: российские военные в Сирии и боевые корабли в Средиземном море даже по ракетам не стреляли, не то что по западным самолетам и кораблям. Не будет из-за Думы ни региональной (общеевропейской), ни глобальной войны. 

    Но кризис между Востоком и Западом никуда не делся. Взаимная ругань и противостояние, в том числе в Сирии, продолжатся и будут, наверное, еще более ожесточенными. В Сирии развернуты «на земле» силы американского, французского и британского спецназа. И Дамаск, и Москва, и Тегеран, конечно, хотят вытеснить эти силы из Сирии.[/bilingbox]

    erschienen am 16.04.2018

    Vedomosti: Sieht Assad nun Russlands Schwäche?

    Die Vedomosti-Redaktion fragt nach möglichen Gründen für das vergleichsweise vorsichtige Vorgehen der westlichen Verbündeten und nach Russlands neuer Stellung in Syrien. Dabei zitiert sie den Außenpolitik-Experten Wladimir Frolow und den Nahost-Forscher Alexej Malaschenko:

    [bilingbox]Es ist möglich, dass  Moskaus Drohungen, Raketen abzuschießen und im Falle eines Schlags gegen russische Truppen deren Träger zu attackieren, zur Abmilderung des Szenarios beigetragen haben. Auch die harsche Rhetorik mag den Westen dazu gezwungen haben, vorsichtiger zu Handeln, so Frolow.

    Doch nun findet sich Russland in einer schwierigen Situation wieder: Die Erklärung, man sei bereit, auf Anschläge der Koalition nur im Falle einer direkten Bedrohung für russisches Militär und russische Einrichtungen zu reagieren, war unter anderem auch eine Demonstration gegenüber Assad, dass man nicht willens ist, für ihn das Leben der eigenen Staatsbürger einzusetzen. Dies könnte in Damaskus als Schwäche ausgelegt werden, führt Malaschenko an.~~~Возможно, на смягчение сценария сработали угрозы Москвы сбивать ракеты и атаковать их носители в случае, если под ударом окажутся российские военные, жесткая риторика вынудила Запад действовать осторожнее, отмечает Фролов.

    Но теперь и Россия оказалась в сложной ситуации: заявления о готовности отвечать на удары коалиции только в случае прямой угрозы российским военным и объектам были в том числе демонстрацией Асаду нежелания рисковать ради него жизнями своих граждан. Это может быть воспринято Дамаском как слабость, отмечает Малашенко.[/bilingbox]

    erschienen am 15.04.2018

    Kommersant: Völkerrechtswidriges Vorgehen

    Russland wird oft wegen Nichteinhaltung des Völkerrechts kritisiert. Das berühmteste Beispiel dieser Kritik war die Angliederung der Krim. Im Interview mit Kommersant dreht nun Sergej Rjabkow – einer von zehn stellvertretenden Außenministern Russlands – den Spieß um: 

    [bilingbox]Die USA und ihre Verbündeten entfernen sich nicht nur immer weiter vom Imperativ der Einhaltung des Völkerrechts, sondern sogar von ganz schlichten Standards der diplomatischen Kommunikation und der internationalen Praxis. Unserer Meinung nach schaden sie damit nicht nur dem gesamten System der internationalen Beziehungen, sondern auch sich selbst. […]
    Aber zusammenarbeiten muss man. Und eine der Hauptaufgaben am heutigen Tag ist es, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu ermöglichen, dass sie trotz allem ihre Arbeit tut und Experten nach Duma schickt, um Materialien und Fakten zu sammeln und entsprechende Gespräche zu führen.~~~Мы считаем, что США и их союзники, которые все дальше отдаляются не только от императива соблюдения норм международного права, но и просто даже от стандартных канонов дипломатического общения и международной практики, по большому счету наносят ущерб не только всей системе международных отношений, но и самим себе. […]

    Но сотрудничать нужно. И одна из главных задач сегодняшнего дня — это обеспечить для Организации по запрещению химического оружия (ОЗХО) возможность все-таки выполнить свою работу и направить специалистов в (сирийский город — “Ъ”) Думу, чтобы они собрали материалы и факты, провели соответствующие беседы.[/bilingbox]

    erschienen am 14.04.2018

    Zvezda: Feige Haltung wird Westen zum Verhängnis

    Der TV-Sender Zvezda steht dem Verteidigungsministerium nahe. Den Raketenangriff auf Syrien lässt er vom kremlnahen Politologen und Amerikanisten Rafael Orduchanjan kommentieren, der meint, man solle sich jetzt auf Terrorabwehr einstellen:

    [bilingbox]Wir sehen gerade eine absolut feige Haltung, die der Westen, vertreten durch Frankreich, England und die USA, vereint an den Tag legt. […] Neue Terroranschläge in Westeuropa stehen unmittelbar bevor – dies nicht genau zu analysieren und zu verstehen, ist schlichtweg ein Verbrechen. ~~~«Мы сейчас видим абсолютно трусливую позицию, которую демонстрирует объединенный Запад в лице Франции, Англии и Америки» […] «Мы стоим в преддверии новых террористических актов в Западной Европе, и не анализировать и не знать это – это просто преступно».[/bilingbox]

    erschienen am 15.04.2018

    Izvestia: Erfolgreiche Abwehr dank russischem Know-How

    Laut Pentagon ist die mission accomplished: Alle 105 Raketen hätten ihre Ziele – Kommandozentrale, Lager und Forschungseinrichtungen für Chemiewaffen – erreicht. Die staatsnahe Izvestia greift dabei eine Meldung des Assad-Regimes auf und behauptet, dass die meisten Raketen der Verbündeten abgeschossen wurden. Die entscheidende Rolle bei der Abwehr des Angriffs habe das russische Militär gespielt:

    [bilingbox]Informierte Quellen des Portals iz.ru berichten, dass bei der Abwehr des Angriffs moderne Flugabwehr-Anlagen aus russischer Produktion eine entscheidende Rolle gespielt haben, darunter auch Ausrüstung, die im Laufe der vergangenen Wochen nach Syrien geliefert worden war. In erster Linie geht es hier um die Flugabwehrraketen-Systeme Panzir und BUK. Ein Teil der Geschütze, einschließlich schon früher aus Russland gelieferter Flugabwehrraketen-Systeme der neuen Generation, wurden von syrischer Seite bedient. Jedoch spielten russische Militär-Experten eine entscheidende Rolle bei der Abwehr des Angriffs.~~~Информированные источники портала iz.ru сообщают, что основную роль в отражении удара сыграли современные средства ПВО российского производства, в том числе поставленные в Сирию в течение последних нескольких недель. В первую очередь речь идет о зенитных ракетно-пушечных комплексах «Панцирь» и зенитных ракетных комплексах «Бук». Часть комплексов, в том числе ранее поставленные из России системы нового поколения, управлялась сирийскими расчетами, однако существенную роль в отражении удара сыграли российские военные специалисты.[/bilingbox]

    erschienen am 16.04.2018

    Facebook/Adagamow: Verteidigungsministerium als Münchhausen

    Der bekannte russische Blogger Rustem Adagamow hat auf Facebook rund 180.000 Abonnenten. Die in den Staatsmedien gefeierten Erfolge der russisch-syrischen Koalition quittiert er mit einem Screenshot aus dem bekannten sowjetischen Film Genau jener Münchhausen. Dabei legt er dem Lügenbaron Münchhausen die Meldung des russischen Verteidigungsministeriums in den Mund: 

     

    „Die syrische Flugabwehr hat 71 von 103 Raketen erfolgreich abgefangen.“ Verteidigungsministerium der Russischen Föderation

    erschienen am 14.04.2018

    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Presseschau № 42: Russland und die USA

    Infografik: Russlands Verhältnis zu den USA

    In der Eskalations-Spirale

    Zitat #1: „Wir haben eine neue Kubakrise“

    Zitat #2: „Gewaltsame Deals“

    Löst Syrien die Ukraine-Krise?

  • Debattenschau № 65: Russische Diplomaten ausgewiesen

    Debattenschau № 65: Russische Diplomaten ausgewiesen

    Es war eine konzertierte Aktion: Am Dienstag haben die USA, Kanada und mehrere europäische Länder russische Diplomaten ausgewiesen. Fast 150 Personen sind betroffen, in 26 Ländern, darunter 15 EU-Staaten. Dies ist eine Reaktion auf den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal in Südengland.
    Das Auswärtige Amt begründete die Ausweisungen damit, dass Russland nicht zur Aufklärung des Falls beitrage. Die Entscheidung sei nicht leichtfertig getroffen worden, aber man wolle nun „Entschlossenheit“ signalisieren. Allerdings wurden auch im Westen die Maßnahmen mitunter kritisch kommentiert, zumal es keine Beweise gibt, dass Moskau tatsächlich hinter dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten steckt. 
    Moskau kündigte an, die Ausweisungen würden nicht folgenlos bleiben. Bislang steht eine russische Reaktion noch aus. 

    Sind die Ausweisungen eine wichtige diplomatische Reaktion auf russische Herausforderungen seit 2014? Oder droht nun eine weitere Eskalation, die am Ende noch die Falschen trifft? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.

    Rossijskaja Gaseta: Schlimmer als Kalter Krieg

    Der Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow scheut in der Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta den Vergleich mit dem Kalten Krieg – die Situation sei derzeit wesentlich unberechenbarer:

    [bilingbox]Die Verwendung des Ausdrucks „Kalter Krieg“ ist im Grunde ziemlich riskant. Nicht weil das eine Übertreibung wäre – vom Geist und der Atmosphäre her stimmt das alles, der Grad gegenseitiger Entfremdung ist komplett. Aber der der alte Terminus bezieht sich auf eine Situation, die vierzig Jahre zurückliegt, die sehr viel verständlicher und kontrollierbarer war, die ziemlich klaren Verhaltensregeln unterworfen war, formellen wie informellen. 

    Aktuell ist das völlig anders, Symmetrie ist per Definition unmöglich (die ganze Welt ist voll von Asymmetrien; die jetzige multilaterale Ausweisung [von Diplomaten – dek], bei der völlig unklar ist, wie man darauf angemessen reagieren soll, ist der beste Beweis dafür). Die Verantwortungslosigkeit der öffentlichen Erklärungen lässt einen völlig ratlos zurück. Das heißt, tatsächlich ist die Lage wesentlich schlechter.

    Wenn man die Spezifika der modernen Welt berücksichtigt, ist zu erwarten, dass die Wirtschaft den hauptsächlichen Schauplatz darstellen wird. Für ein neues Bündel Sanktionen ist also praktisch schon gesorgt bis hin zu Versuchen finanzieller Erdrosselung im Stile der Maßnahmen gegen den Iran (Gruß oder eher Tschüss an das berüchtigte SWIFT-System).~~~Вообще, употребление самого понятия "холодная война" довольно рискованно. Не потому что это преувеличение – по духу и атмосфере все так и есть, степень взаимного отчуждения полнейшая. Но прежний термин отсылает к ситуации сорокалетней давности, которая была намного более понятной, управляемой и подчинялась довольно четко определенным правилам поведения – формальным и неформальным. Сейчас ничего этого нет, симметричность невозможна по определению (весь мир состоит из сплошных асимметрий и данная многосторонняя высылка, где непонятно, как вообще правильно реагировать, тому убедительное свидетельство), а безответственность публичных заявлений вызывает настоящую оторопь. Так что на деле обстановка существенно хуже.
    Стоит ожидать, что основным полем – с учетом специфики современного мира – будет экономика, так что новый веер санкций практически обеспечен, вплоть до попытки финансового удушения в стиле мер против Ирана (привет, точнее, пока, пресловутый SWIFT).[/bilingbox]

     
    erschienen am 26. März 2018

    Facebook/Alexander Morosow: Zivilgesellschaft als Zielscheibe

    Der kremlkritische Journalist Alexander Morosow warnt auf Facebook davor, dass die Reaktion Moskaus nun genau die Falschen treffen könnte:

    [bilingbox]Für die meisten europäischen Länder ist es eine symbolische Geste, weil jeweils drei bis vier Menschen ausgewiesen wurden. […] Der „symbolische Charakter“ ändert aber nichts daran, dass Moskau reagieren wird – das alles ist wie ein Schneeball, der in den letzten Jahren immer schneller größer wird.

    Deshalb kann man nun alles erwarten: sowohl Restriktionen im wissenschaftlichen und studentischen Austausch als auch gegenüber den Vertretungen zivilgesellschaftlicher Organisationen europäischer Länder in Russland, von denen auch schon davor viele ihre Büros aus Moskau abgezogen haben. Das wird ein neue lange Etappe der Konfrontation.~~~Для большинства европейских стран – это символический жест, поскольку выслали по 3-4 человека. […] Но "символический характер" ничего не меняет, поскольку Москва будет отвечать – и все это как снежный ком, быстро нарастает в последние годы. Поэтому ждать можно чего угодно и в сфере ограничения научного и студенческого обмена, и в отношении представительств гражданских организаций европейских стран в России – уже и ранее многие вывели свои офисы из Москвы, – а теперь будет новый длинный этап конфронтации.[/bilingbox]

     
    erschienen am 26. März 2018

    Rosbalt: Mauer des Unverständnisses

    Die Debatte ist in Russland überschattet vom Großbrand im westsibirischen Kemerowo: Nur einen Tag danach erfolgten die Diplomatenausweisungen. Der Politikwissenschaftler Iwan Preobrashenski stellt auf Rosbalt fest, dass dies in westlichen Medien kaum Thema ist:

    [bilingbox]Tatsächlich war früher alles deutlich anders. Zum Beispiel hat die Tragödie von Beslan Europa buchstäblich erschüttert, obwohl der Großteil der westlichen Presse Russland hart verurteilte für den Krieg in Tschetschenien. Für die Kinder aus Beslan gibt es heute Denkmäler in Europa, und die Erinnerung an diese Tragödie ist lebendig. Über die in Flammen gestorbenen Kinder aus Kemerowo erfahren viele Europäer aber schlicht nichts, weil in der Zwischenzeit eine Mauer des Unverständnisses, der Angst und des Misstrauens zwischen Russland und Westeuropa gewachsen ist.~~~Раньше, надо отметить, все было заметно иначе. Например, трагедия Беслана буквально потрясла Европу, и это несмотря на то, что ранее западная пресса в большинстве своем жестко осуждала Россию за войну в Чечне. Памятники детям Беслана есть сегодня во многих европейских странах и память об этой трагедии жива. А вот о сгоревших кемеровских детях многие европейцы видимо просто не узнают, потому что между Россией и западной частью европейского континента выросла за эти годы стена непонимания, страха и недоверия.[/bilingbox]

     
    erschienen am 26. März 2018

    Izvestia: Spektakel der Theresa May

    In der kremlnahen Izvestia sieht Politologe Jewgeni Krutikow das Vorgehen als außenpolitisches Ablenkungsmanöver einer innenpolitisch angeschlagenen Theresa May:

    [bilingbox]Wahrscheinlich wird es irgendeine Fortsetzung geben, ein Einfrieren irgendwelcher „toxischer“ russischer Vermögen. Doch das wäre das Höchstmaß des Spektakels einer Theresa May, die es nicht geschafft hat, eine Margaret Thatcher zu werden. Sie hat keine weiteren Möglichkeiten in petto.
    Nun, dann kommt Prinz Harry eben nicht zur Fußballweltmeisterschaft nach Moskau, dafür werden die Engländer mit großer Wahrscheinlichkeit die Vorrunde nicht überstehen. Sie sorgen sich schon jetzt um „die Sicherheit ihrer Familien“ in Moskau, die Ärmsten. Nun, dann fragen Sie mal Ihre Premierministerin, warum sie in der Welt Dummheit und Inkompetenz verbreitet.~~~Возможно, последует некое продолжение в виде ареста каких-то «токсичных» российских активов. Но всё это максимум того спектакля, который разыгрывается с подачи так и не ставшей Маргарет Тэтчер Терезы Мэй. Никаких дальнейших шагов в ее арсенале нет. Ну не приедет принц Гарри в Москву на чемпионат мира по футболу, так и англичане, скорее всего, из группы не выйдут. Они уже сейчас переживают «за безопасность своих семей» в Москве, бедняжки. Ну так и спросите со своего премьер-министра, зачем она разгоняет по миру глупость и некомпетентность.[/bilingbox]

     
    erschienen am 26. März 2018

    Facebook/Maria Sacharowa: Alle für einen, der eine für keinen

    Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wundert sich auf Facebook über so viel europäische Solidarität mit den Briten – angesichts des Brexit:

    [bilingbox]Wenn London nicht mehr in der EU ist, wird es nicht nicht mehr an Verpflichtungen im Rahmen des einheitlichen außenpolitischen Kurses gebunden sein. Wenn es will, beginnt ein Spiel der Annäherung, wenn es will, entfernt es sich. Tja, und die in der Europäischen Union verbleibenden Staaten werden weiterhin gebunden sein an die Sippenhaft der antirussischen Solidarität, die ihnen seinerzeit von den Briten aufgehalst wurde. Alle für einen, der eine für keinen – das ist die neue Devise, die Brüssel von London geschenkt bekommen hat.~~~Когда Лондон из ЕС выйдет, его ничто не будет связывать обязательствами в рамках единого внешнеполитического курса. Захочет — начнет игру на сближение, захочет — на удаление. А вот оставшиеся в Европейском союзе страны так и будут связаны круговой порукой антироссийской солидарности, навязанной когда-то британцами. Один их всех, и все под одного — новый девиз, подаренный Лондоном Брюсселю.[/bilingbox]

     
    erschienen am 26. März 2018

    RBC: Angestauter Ärger

    Die Politologin Tatjana Stanowaja sieht auf RBC die diplomatische Reaktion des Westens dagegen nicht allein als Reaktion auf den Fall Skripal: 

    [bilingbox]Die Ausweisung der Diplomaten sollte nicht zu sehr als Reaktion auf die Ereignisse von Salisbury gesehen werden, sondern vielmehr als angesammelte Verärgerung und Besorgnis bezüglich Russlands in Post-Krim-Zeiten.
    Die Ausweisung der Diplomaten ist nur der Anfang eines tiefgreifenden Prozesses, in der der außenpolitische Einfluss Russlands vom Westen kanalisiert wird und das Land [Russland – dek] sich als Reaktion darauf selbst isoliert.~~~Высылку дипломатов следует понимать не столько как ответ на события в Солсбери, а как проявление накопившегося раздражения и опасений, связанных с Россией посткрымского периода. Высылка дипломатов — только начало более глубокого процесса канализации Западом внешнего влияния России и ответной самоизоляции страны.[/bilingbox]

     
    erschienen am 28. März 2018
    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Unterschiedliche Frequenzen

    Exportgut Angst

    Krym-Annexion

    Kalte Freundschaft

    Die Honigdachs-Doktrin

    Debattenschau № 63: Anschlag auf Ex-Doppelagent Skripal

    Besondere russische Werte?!

    Die Katastrophe von Kemerowo

  • Debattenschau № 64: Putins Wahlsieg

    Debattenschau № 64: Putins Wahlsieg

    Russland hat gewählt, der neue Präsident ist, wie erwartet, der alte: Wladimir Putin. Er ist für weitere sechs Jahre gewählt, 2024 wäre er damit faktisch ein knappes Vierteljahrhundert an der Macht.

    Das vorläufige offizielle Ergebnis, das die Zentrale Wahlkommission meldet, lautet: 76,69 Prozent der Stimmen gingen an Wladimir Putin (s. die dekoder-Infografiken zur Wahl), in einzelnen Wahlbezirken fuhr er über 90 Prozent der Stimmen ein, etwa auf der Krim, die 2014 an Russland angegliedert worden war.
     
    Besonders wichtig für den Kreml war die Wahlbeteiligung, die Putins Macht eine größere Legitimatität verschaffen soll. Während sie am Wahlabend lange auf rund 60 Prozent hochgerechnet wurde, lag sie nach weiteren Auszählungen schließlich bei rund 67,49 Prozent.
     
    Was sagen die hohen Prozentwerte aus – gerade auf der Krim? Zeigt die Wahl eine große Beliebtheit Putins – oder vor allem die immer autokratischeren Züge des Systems? dekoder bringt Ausschnitte aus russischen Medien-Debatten nach der Wahl.

    Komsomolskaja Prawda (Radio): Bedingungsloser Sieg Putins

    Ex-Premier Sergej Stepaschin zieht im Radio-Interview mit Komsomolskaja Prawda eindeutige Schlüsse aus dem Wahlergebnis:

    [bilingbox][…] Es ist ein bedingungsloser Sieg Putins. Genauer gesagt: Nicht einfach ein Sieg, sondern ein lautstarker Sieg mit einer solch hohen Unterstützung des Volkes. Das ist sein bestes Ergebnis. Um so mehr, weil niemand sagen kann, dass irgendwer, so wie 1996, mit irgendwas die Urnen aufgefüllt hätte. […]
    Das Wichtigste ist, dass der Präsident die Unterstützung von über 50 Millionen Bürgern bekommen hat. Nun kann niemand mehr behaupten, der Präsident hätte keinen Rückhalt in der Gesellschaft. Das ist die Unterstützung von quasi dem gesamten aktiven Teil des Landes.~~~[…] безоговорочная победа Владимира Путина. Точнее, не просто победа – а оглушительная победа, с таким высоким уровнем поддержки народа. Это его лучший результат. Тем более, что никто не скажет, как это было в 1996 году, что кто-то чего-то набросал в урны. […]
    Главное, что президент получил поддержку более 50 миллионов граждан. Вот теперь уже никто не скажет, что президент не имеет опоры в обществе. Это поддержка практически всей активной части страны.[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    Republic: Entpolitisierung der Gesellschaft

    Ganz anders interpretiert Oleg Kaschin auf dem unabhängigen Online-Portal Republic die hohen Zustimmungswerte für Putin:

    [bilingbox]Der Kreml hat […] einen offensichtlichen Bedarf nach Entpolitisierung der Gesellschaft. Die Gesellschaft soll sich automatisch auf Seite der Staatsmacht befinden, bei deren Konfrontation mit äußeren Gegnern. […] 
    Aber wenn alle für Putin sind, heißt das, dass keiner für Putin ist. Die auf ein historisches Maximum gebrachten Zahlen formaler Loyalität verlieren ihre politische Aussagekraft: Staatsmacht und Gesellschaft sind gleichermaßen interessiert daran, sich gegenseitig zu ignorieren. Das wird offenbar zum Idealzustand unserer und derer Existenz für die nächsten Jahre.

    ~~~Очевидная потребность Кремля состоит […] в деполитизации общества – общество должно по умолчанию находиться на стороне власти в ее противостоянии с внешними оппонентами. […] Но если за Путина все, то это значит, что за Путина никто. Доведенные до исторического максимума цифры формальной лояльности просто перестают быть политическим фактором, власть и общество оказываются одинаково заинтересованы во взаимном игнорировании, которое, очевидно, и станет оптимальной формой нашего и их существования на ближайшие годы.[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    Novaya Gazeta: Gestärkte Nomenklatura

    Nicht Putin – Politologe Alexander Kynew sieht in der unabhängigen Novaya Gazeta zwei ganz andere, eigentliche Gewinner der Wahl:

    [bilingbox]Nawalnys Wahlboykott war im Grunde nur eine Möglichkeit, nicht wen auch immer unterstützen zu müssen. Schließlich war völlig klar, dass es für’s Image höchst schädlich ist, einen gescheiterten Kandidaten zu unterstützen. Ausgehend von dem allgemeinen Ergebnis ist der politische Stellenwert Nawalnys höher als der von Sobtschak, Jawlinski und Titow zusammen.Tatsächlich gab es bei diesen Wahlen einen Kampf der alten Nomenklatura um den Erhalt des eigenen Status. Es ging darum, niemand neuen [zur Wahl – dek] zuzulassen, und falls doch, dann eine solche Kandidaten-Karikatur, die am bisherigen Monopol bestimmt nicht rüttelt. Das [die Nomenklatura – dek] waren die wahren Nutznießer der Wahlkampagne, es war nicht mal Putin.~~~Бойкот Навального — на самом деле, лишь способ дистанцироваться от поддержки кого бы то ни было. Ведь абсолютно понятно, что поддерживать провальные кампании с точки зрения имиджа – крайне вредно. Исходя из общих результатов, политический рейтинг Навального выше, чем у Собчак, Явлинского и Титова вместе взятых.

    На самом деле на этих выборах шла борьба старой номенклатуры за сохранение своего статуса. Задача была не допустить никого нового, а если и допустить, то такого карикатурного кандидата, который точно не помешает ее прежней монополии. Они были истинными бенефициарами кампании, даже не Путин.[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    Facebook: Was ist mit den Nicht-Wählern?!

    Den bekannten Journalisten Alexander Morosow beschäftigen auf Facebook ganz andere Zahlen:

    [bilingbox]Eine einfache Frage, über die niemand nachdenkt: Warum ist ein Drittel der Bürger (nennen wir sie „Wähler“ unter Vorbehalt) wieder nicht zur Wahl gegangen? Und das, wo doch die Heimat in Gefahr, der Westen im Vormarsch und Konsolidierung gefragt ist? Ein Drittel! In absoluten Zahlen sind das um die 40 Millionen Menschen [nach aktuellem Auszählungsstand haben knapp 36 Millionen Menschen nicht an der Wahl teilgenommen – dek]. Warum gehen die nicht wählen?

    Erstens stellt sich die Frage: Gibt es die überhaupt? Vielleicht sind das irgendwelche Senioren, die schon längst von skrupellosen Immobilienmaklern aus der Stadt in irgendwelche abgeschiedenen Dörfer umgesiedelt wurden? Vielleicht liegen sie auch bereits unter der Erde? Oder die 40 Millionen sind so tief im Suff versunken, dass sie gar nicht wissen, dass die „Krim unsere“ ist, vielleicht schauen sie schon vier Jahre kein Fernsehen mehr, weil sie den [Fernseher – dek] zum Pfandleiher gebracht haben?

    Oder wollen die 40 Millionen mit ihrem Nicht-Wählen etwas sagen? Und was? Worüber die unzufrieden sind – keine Ahnung. Und warum fragt niemand in einem solchen Fall? Das ist doch spannend! Wer sind diese Leute, was machen sie, wo sind sie?~~~Вот простой вопрос, над которым никто не задумывается. а почему треть граждан („избирателей“, назовем их так условно) опять не пришла на выборы? причем, в условиях, когда родина в опасности, Запад наступает и требуется консолидация? Треть! В абсолютных цифрах – это около 40 млн человек. Почему они не ходят? Во-первых, встает вопрос: а есть они вообще? Может быть, это какие-то старики, которых давно уже черные риэлторы переселили из города в глухую деревню? и они там околели уже? Или это 40 млн человек, которые в таком запое, что даже не знают, что „Крым наш“, не смотрят телевизор уже четыре года, потому что уже снесли его в ломбард? Или эти 40 млн что-то хотят сказать своим „нехождением“. А что? Чем они недовольны, непонятно. И почему никто не спросит, в таком случае. Это же интересно! Кто эти все люди, чем они занимаются, где они?[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    Izvestia: Kein Populismus

    Politologe Dimitri Orlow dagegen sieht in der kremlnahen Izvestia konkrete Versprechen für die Zukunft als einen Grund für den Sieg Putins:

    [bilingbox]Die umfangreiche Arbeit, die der Präsident mit der traditionellen „Putinschen Mehrheit“ verrichtet hatte, hat Früchte getragen. Eine wichtige Rolle spielte der direkte Umgang der Staatsführung mit den Wählern vor Ort.[…]
    Das im Vorfeld der Kampagne breit diskutierte „Zukunftsbild“, das von den Wählern positiv aufgenommen wurde, ist kein Populismus, sondern ein konkreter Vorschlag der Staatsmacht zur Lösung von Problemen, die die Schlüsselgruppen der Wähler betreffen. Dabei hat die Staatsmacht keine schnelle Lösung versprochen, sondern ein konkretes Arbeitsprogramm.~~~Принесла плоды масштабная работа, которую провел президент с традиционным «путинским большинством», большую роль сыграло прямое общение главы государства с избирателями на местах. […] Широко обсуждавшийся в преддверии нынешней кампании «образ будущего», который был позитивно воспринят избирателями, — не популизм, а конкретные предложения властей по решению проблем, касающихся ключевых групп избирателей, не обещания быстрого результата, а планы реальной работы.[/bilingbox]

    erschienen am 20.03.2018

    Carnegie.ru: No Future

    Auf dem Online-Portal des Thinktank Carnegie dagegen, kritisiert die Politologin Tatjana Stanowaja die bisherige offizielle Rhetorik gegenüber den Wählern als wenig zukunftsorientiert:

    [bilingbox]Die einfachste Erklärung dafür, warum die Bevölkerung sich in Warteschlangen einreihte, um für Putin zu stimmen, sind aus heutiger Sicht die angespannten geopolitischen Rahmenbedingungen, die Logik der belagerten Festung. […] Der wichtigste Fehlschluss der Staatsmacht bei der Interpretation der Wahlergebnisse besteht darin, dass sie die vollendete Legitimation der Vergangenheit mit einer Carte blanche für die Zukunft verwechseln. Dieselbe Zukunft, über die die Staatsmacht mit der Gesellschaft nicht diskutieren konnte und wollte. Stattdessen hat die Staatsmacht die Gesellschaft vollends zur Geisel des wachsenden geopolitischen Chaos gemacht.~~~На сегодня самым простым объяснением того, почему население выстроилось в очереди, чтобы проголосовать за Путина, стало влияние напряженного геополитического фона, логики осажденной крепости. […] Ключевая ошибка власти в интерпретации итогов выборов заключается в том, что они подменяют свершившуюся легитимацию прошлого народным карт-бланшем на будущее. То самое будущее, о котором власть не захотела и не смогла говорить с обществом, окончательно отведя ему роль заложника нарастающего геополитического хаоса. [/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    TASS: Dank an den Westen

    Die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Ella Pamfilowa spielt auf die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Westen an, etwa die Anschuldigungen im Fall Skripal, wenn sie laut staatlicher Nachrichtenagentur TASS sagt:

    [bilingbox]Abgesehen natürlich von all den politischen Aspekten, möchte ich sagen, dass sich unser Volk in schwierigen Zeiten immer vereint. Deshalb gilt ein riesen Dank gewissen Führungspersonen gewisser westlicher Staaten – ich werde keine Namen nennen –, die ebenfalls eigene positive Beiträge geleistet haben und dabei behilflich waren, unser Volk zu konsolidieren und zu vereinen.~~~Помимо, конечно, всех тех политических аспектов, я хочу сказать, что, знаете, наш народ всегда объединяется в трудные минуты. Поэтому большое спасибо некоторым лидерам, не буду называть, некоторых западных государств, которые тоже внесли свою положительную лепту, содействовали консолидации и объединению нашего народа[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    RIA FAN: Krim wählte Russland

    Die kremlnahe Nachrichtenagentur RIA FAN zitiert den skandalumwitterten Duma-Abgeordneten Leonid Sluzki, der das Wahlergebnis auf der Krim kommentiert:

    [bilingbox]Die Position des Westens, die Präsidentschaftswahl auf der Krim nicht anzuerkennen, hat nichts mit der Realität zu tun. Das Wahlergebnis von Wladimir Putin auf der Halbinsel, mehr als 90 Prozent der gewonnenen Wählerstimmen, spricht für sich. Die Krim wählte Russland. Die Krim wählte Putin und nicht Poroschenko. ~~~Позиция Запада о непризнании выборов президента в Крыму не имеет ничего общего с реалиями. Результат Владимира Путина на полуострове, более 90% в его поддержку, говорит сам за себя. Крым выбрал Россию, Крым выбрал Путина, а не Порошенко.[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018

    Krym.Realii (Radio Svoboda): Anomale Territorien

    Auf Krym.Realii von Radio Svoboda erklärt Politologe Iwan Preobrashenski, warum er den hohen Werten auf der Krim nicht traut: 

    [bilingbox]Wenn die Wahlbeteiligung in einer Region den Landesdurchschnitt erheblich übersteigt, können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass es sich um „anomale Territorien“ wie Tschetschenien oder Dagestan handelt, wo eigentlich niemand die tatsächlichen Wahlergebnisse kennt. Grund dafür sind die vielfachen Wahlfälschungen, die bei den Bezirkswahlkommissionen beginnen und sich über die gesamte Vertikale ausbreiten, wo jeder Vorgesetzte versucht, sich so eifrig wie möglich anzudienen und dem Haupt-Kandidaten Stimmen zuzuschanzen. ~~~Если явка серьезно превышает среднероссийскую, то с большой долей вероятности мы можем говорить, что это «аномальные территории» типа Чечни или Дагестана, где реальных результатов выборов на самом деле не знает уже никто. Потому что там выборы многократно фальсифицируются, начиная с участковых избиркомов и по вертикали, где каждый начальник старается максимально выслужиться и добросить голосов главному кандидату.[/bilingbox]

    erschienen am 20.03.2018

    Republic: Denkt an Tunesien

    Der Politologe Grigori Golossow warnt auf Republic mit Blick auf den Arabischen Frühling generell vor zu viel Euphorie:

    [bilingbox]Wofür stehen Ergebnisse autoritärer Wahlen? Dafür, wofür sie stehen müssen – für Loyalität. Üblicherweise bleibt die Loyalität über die ganze Legislaturperiode hinweg erhalten, und das eröffnet den Spielraum für Propaganda à la „Rückhalt des ganzen Volkes“. Manchmal nehmen Ereignisse eine andere Wende. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass in Tunesien nach weniger als eineinhalb Jahren [nach der Präsidentschaftswahl – dek] eine Revolution stattfand, bei der Ben Ali keine Beschützer und nicht einmal passive Unterstützer fand. ~~~О чем свидетельствуют результаты авторитарных выборов? О том, о чем и должны свидетельствовать, – о лояльности. Обычно лояльность сохраняется в течение всего президентского срока, и это открывает простор для пропагандистской темы о «всенародной поддержке». Иногда события принимают другой оборот. В связи с этим напомню о том, что в Тунисе менее чем через полтора года произошла революция, в ходе которой ни защитников, ни даже пассивных сторонников у бен Али не нашлось.[/bilingbox]

    erschienen am 19.03.2018
     

    Diese Debattenschau wurde gefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

    Weitere Themen

    Ist was faul an der Kurve?

    Exportgut Angst

    Die Honigdachs-Doktrin

    Putin, Patriarch, Premier – bitte nicht berühren

    Podcast #3: (Kein) Vertrauen in die Demokratie

    Bystro #2: Wählen

  • Debattenschau № 63: Anschlag auf Ex-Doppelagent Skripal

    Debattenschau № 63: Anschlag auf Ex-Doppelagent Skripal

    Am 4. März wurden der russische Ex-Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia auf einer Parkbank im britischen Salisbury aufgefunden – bewusstlos. Mit lebensgefährlichen Vergiftungserscheinungen kamen sie in ein Krankenhaus. Skripal ist seit 2010 in England. Damals war er bei einem Agentenaustausch aus einem russischen Arbeitslager nach Großbritannien entlassen worden. Er soll als Offizier des Militärgeheimdienstes GRU für die Briten spioniert haben.
     
    Skripal und seine Tochter waren nach britischen Angaben mit Nowitschok vergiftet worden – ein Nervenkampfstoff, der in der Sowjetunion entwickelt wurde. Deswegen vermutet die britische Regierung unter Theresa May die russische Regierung hinter dem Attentat und stellte ein Ultimatum, das Russland allerdings verstreichen ließ. Großbritannien kündigte daraufhin an, 23 russische Diplomaten auszuweisen. Auf Antrag der britischen Regierung hatte sich auch der UN-Sicherheitsrat mit dem Fall beschäftigt.

    Russland weist alle Vorwürfe zurück und zeigt sich empört über die Anschuldigungen. Außenminister Lawrow erklärte, Russland habe kein Motiv und sprach von einer „russlandfeindlichen Kampagne“. Das Außenministerium kündigte außerdem an, mit einem Gegenschlag auf die britischen Sanktionen zu reagieren.

    Steckt der Kreml hinter dem Anschlag auf Skripal? Oder sind die Vorwürfe haltlos, will man Putin kurz vor der Wahl schaden? Diese Fragen werden auch in russischen Medien kontrovers diskutiert. dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte.

    RIA Nowosti: Gipfel der Russophobie 

    Olga Burgowa unterstützt in der Nachrichtenagentur RIA Nowosti die offizielle russische Sicht der Dinge:

    [bilingbox]Großbritannien möchte seine Bedeutung in der Weltpolitik unterstreichen, indem es Russland bestraft, aber es lässt sich auch hinreißen, Brücken abzubrennen und Schiffsverbindungen zu kappen. Und das schon seit 200 Jahren. Wenn nicht sogar mehr. 
    Die Aggressivität der antirussischen Haltung von Theresa May hat den Höhepunkt erreicht.~~~Хочется Британии подчеркнуть свое значение в мировой политике, наказав Россию, но и колется сжигать мосты и рушить переправы. И так уже 200 лет. А то и больше.

    Агрессивность антироссийского настроя Терезы Мэй достигла апогея.[/bilingbox]

    erschienen am 14.03.2018

    Republic: Signal an Überläufer

    Tatjana Stanowaja geht auf dem unabhängigen Portal Republic dagegen nicht von einer Provokation gegen Russland aus:

    [bilingbox]War das eine Provokation gegen Russland oder (und wer will das beweisen?) eine Operation der russischen Nachrichtendienste, zu deren indirektem Adressaten die gesamte russische Geheimdienst-Community wird: Der Mordanschlag auf Skripal demonstriert die ausnahmslose Angreifbarkeit jeden „Spions“, der sich zur Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten entschließt. Und eine solche Demonstration von Angreifbarkeit und Todgeweihtheit von „Verrätern“ entspricht genau dem Verständnis von Gerechtigkeit innerhalb der Machtzirkel der russischen Elite, und dem von Präsident Putin selbst.~~~Была ли это провокация против России или (кто докажет?) операция российских спецслужб, косвенным адресатом становится все разведывательное сообщество России: покушение на убийство Скрипаля демонстрирует исключительную уязвимость любого «шпиона», пошедшего на сотрудничество с иностранной разведкой. И такая демонстрация уязвимости, обреченности «предателей» в полной мере отвечает пониманию справедливости внутри силовой части российской элиты, да и самим президентом Путиным. [/bilingbox]

    erschienen am 14.03.2018

    Novaya Gazeta: Schmutzige Bombe

    Ein Leiter des Labors der Militärakademie für Strahlen-, chemischen und biologischen Schutz, der seinen Namen nicht gedruckt wissen wollte, bestätigte gegenüber der Novaya Gazeta, dass man bei der Auswahl eines Kampfstoffes wie Nowitschok offenbar auf öffentliche Wirkung abzielte:  

    [bilingbox]Schließlich hat der Täter eine Substanz gewählt, die für ihn selbst sehr gefährlich und in der Handhabung äußerst ungünstig ist. Die gewaltige Masse an zuverlässigen, selektiv wirkenden Giften, die der Menschheit bekannt ist, hat er dabei ignoriert.

    Die seinerzeit sehr beliebten Cyanide zum Beispiel sind leicht zugänglich. Es gibt auch schnell zerfallende, farb- und geruchlose. Hier aber wurde bewusst ein, wie es heißt, barbarisches Gift ausgewählt, das von den Gutachtern garantiert entdeckt wird und einen riesigen politischen Effekt hat. Schließlich ist das, soweit ich weiß, in der Geschichte die erste Anwendung einer Massenvernichtungswaffe auf dem Gebiet Großbritanniens, einem Mitgliedsland der Nato.~~~Ведь преступник выбрал очень опасное лично для себя и самое неудобное в обращении вещество, проигнорировав огромное количество надежных ядов с избирательным действием, известных человечеству.

    Можно упомянуть популярные в свое время цианиды как вполне доступные. Но есть и быстро распадающиеся, без цвета и запаха. Тут же намеренно был выбран, как говорится, варварский яд, который гарантированно будет обнаружен экспертизой и вызовет наибольший политический эффект. Ведь это, насколько я знаю, первое в истории использование оружия массового поражения на территории Великобритании, страны — члена НАТО.[/bilingbox]

    erschienen am 14.03.2018

    Kommersant FM: Abrechnung mit einem Verräter?

    Viktor Loschak hält die britischen Anschuldigungen für wenig plausibel, wie er in seinem Kommentar auf Kommersant FM erklärt: 

    [bilingbox]Wenn die Machthaber, die Frau May beschuldigt, auf diese Weise mit einem Verräter abrechnen wollten, hätten sie das in den Jahren machen können, in denen [in Russland – dek] die Ermittlungen und das Verfahren gegen Skripal liefen und er schließlich im Gefängnis saß. Solch einen grausamen, weltweit laute Reaktionen hervorrufenden Schritt zu tun – wo der Verräter schon seit sechs Jahren in England ist und außerdem die Wiederwahl von Wladimir Putin bevorsteht und die Fußballweltmeisterschaft – damit wird der russischen Regierung und dem ganzen Land ein Bein gestellt.~~~Если бы власть, которую обвиняет госпожа Мэй, хотела рассчитаться таким образом с предателем, все могли сделать в те несколько лет, что шло следствие, суд, и Скрипаль, наконец, находился в тюрьме. Делать такой жестокий, чреватый мировой оглаской шаг через шесть лет после того, как предатель оказался в Англии, да к тому же накануне переизбрания Владимира Путина и чемпионата мира по футболу — это подставить подножку и российской власти, и всей стране.[/bilingbox]

    erschienen am 15.03.2018

    Rossijskaja Gaseta: Wahleinmischung?  

    Gegen den Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten Leonid Sluzki werden seit einiger Zeit Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhoben. Im Amtsblatt der russischen Regierung, der Rossijskaja Gaseta, schließt er nicht aus, dass der diplomatische Akt aus London …

    [bilingbox][…] mit der anstehenden Präsidentschaftswahl zusammenhängt, um das Image Russlands im weltweiten medialen und politischen Raum zu beschädigen und das Vertrauen in die politische Herrschaft Russlands noch mehr auszuhöhlen.~~~ […] связан с предстоящими выборами президента, дабы деформировать образ РФ в мировом информационном и политическом пространстве и еще больше подорвать доверие к российским властям[/bilingbox]

    erschienen am 14.03.2018

    Vedomosti: Ruinierter Ruf

    Dass die Anschuldigungen gegen Russland erhoben wurden, obwohl noch viele Fragen offen sind, verwundert die Redaktion von Vedomosti nicht: 

    [bilingbox]Die Beschuldigungen sind Folge von einem etablierten, aus der UdSSR geerbten Ruf: dem Ruf von Staat und Geheimdiensten, die mehrfach Überläufer und sowjetische Staatsfeinde liquidiert haben, wobei sie offiziell die Beteiligung bestritten haben.

    […] Der Anschlag auf Skripal ließ sofort an die Londoner Vergiftungsgeschichte des ehemaligen FSB-Offiziers Alexander Litwinenko im Jahr 2006 zurückdenken.
    Moskau ist erneut in die Lage eines Wiederholungstäters geraten, der oft gesündigt hat, aber seine Schuld immer bestreitet.~~~

    Эти обвинения – следствие уже сложившейся репутации, унаследованной от СССР, репутации государства и спецслужб, которые много раз ликвидировали перебежчиков и врагов советской власти, официально отрицая причастность к их уничтожению.
    […] Покушение на Скрипаля сразу же заставило вспомнить историю отравления в Лондоне бывшего офицера ФСБ Александра Литвиненко в 2006 г.

    Москва снова оказалась в положении рецидивиста, не раз согрешившего, но всегда отрицавшего свою вину.[/bilingbox]

    erschienen am 14.03.2018

    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Die Schlacht ums Narrativ

    „Zeit, dem Informationskrieg einen Riegel vorzuschieben“

    Exportgut Angst

    Debattenschau № 48: Mord an Denis Woronenkow

    „Heimat! Freiheit! Putin!“

    Die Honigdachs-Doktrin

    Video #19: Best of Kleimjonow

    Bystro #4: 6 Fragen an die Verdächtigen im Fall Skripal

    Im Dorf des Skripal-Verdächtigen

  • Debattenschau № 62: Sexuelle Belästigung in der Duma

    Debattenschau № 62: Sexuelle Belästigung in der Duma

    Eine #MeToo-Debatte für die russische Duma: Als erste meldeten sich die Doshd-Produzentin Darja Shuk und die stellvertretende RTVi-Chefredakteurin Jekaterina Kotrikadse zu Wort. Die Journalistinnen klagten öffentlich über sexuelle Belästigung durch den Duma-Abgeordneten Leonid Sluzki. Sluzki selbst bestreitet die Anschuldigungen und hat sich auf seiner Facebook-Seite sogar darüber lustig gemacht. Besondere Brisanz gewann das Thema, als sich Faida Rustamowa den Vorwürfen anschloss: Die Journalistin der russischen BBC gab an, Sluzki sei ihr mit der Handfläche über den Schamhügel gefahren. Rustamowa ließ während ihres Gesprächs mit Sluzki ein Diktiergerät laufen, die BBC veröffentlichte später Ausschnitte daraus:

    „Mein Häschen, willst du nicht auf deine BBC [scheißen – dek]? Und ich nehm dich irgendwohin mit? […] Du läufst ja vor mir weg, willst nicht küssen, ich bin echt beleidigt.”
    „Leonid Eduardowitsch, ich habe einen Freund.”
    „Verlass ihn.”
    „Will ich nicht.”
    „Warum nicht?”
    „Ich will ihn heiraten.”
    „Perfekt. Dann wirst du seine Ehefrau und meine Geliebte!”

    Der Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin verkündete am Mittwoch, die Fälle würden untersucht werden. „Ist Ihnen die Arbeit in der Duma zu gefährlich? Dann wechseln Sie doch den Job!“, empfahl er zugleich einer in der Duma akkreditierten Journalistin und gratulierte zum bevorstehenden Internationalen Frauentag.

    Der Fall sorgte für heftige Sexismus-Debatten in russischen Medien, wie es sie seit der #янебоюсьсказать-Aktion nicht mehr gegeben hat. dekoder zeigt einzelne Stimmen daraus.

    Meduza: Sluzki muss gehen

    Die MeduzaRedaktion meldet sich eigentlich selten in einer eigenen Kolumne zu Wort. Im Fall Sluzki war es den Redakteurinnen und Redakteuren aber ein Anliegen, den Rücktritt des Abgeordneten zu fordern:

    [bilingbox]Die russischen Abgeordneten wissen mindestens genau so viel wie wir. Wir wissen – das heißt, auch sie wissen –, dass der Abgeordnete Leonid Sluzki mehrere Jahre im Parlament arbeitende Journalistinnen sexuell belästigt hat. Wir wissen – das heißt, auch sie wissen –, dass die Anschuldigungen gegen ihn belegt sind durch mehrere voneinander unabhängige, nicht-anonyme Quellen sowie einen Audio-Mitschnitt. Wir wissen – das heißt, auch sie wissen –, dass Sluzki diese Anschuldigungen zurückweist, sich darüber lustig macht und nicht vorhat, sich zu entschuldigen. Wir wissen – das heißt, auch sie wissen: Wenn Sluzki seinen Sitz behält und wenn seine Handlungen keine Folgen haben, dann wird er weiter Frauen belästigen, immer wieder. Und nicht nur er.

    Wir wissen – das heißt auch sie wissen – Leonid Sluzki muss sein Mandat selbst abgeben oder dazu gezwungen werden.~~~Российские депутаты обладают как минимум той же информацией, что и мы. Мы знаем — а значит, и они знают, — что депутат Леонид Слуцкий на протяжении многих лет сексуально домогается работающих в парламенте журналисток. Мы знаем — а значит, и они знают, — что обвинения в его адрес подтверждены несколькими независимыми друг от друга неанонимными источниками, а также аудиозаписью. Мы знаем — а значит, и они знают, — что Слуцкий отказывается признавать эти обвинения, высмеивает их и не собирается извиняться. Мы знаем — а значит, и они знают: если Слуцкий сохранит свое кресло, а его действия останутся без последствий, он будет продолжать домогаться женщин снова и снова. И не только он.

    Мы знаем — а значит, и они знают: Леонид Слуцкий должен сдать мандат сам — или его должны заставить это сделать.[/bilingbox]

     
    veröffentlicht am 7. März 2018

    Doshd: Missverständnis?

    Wladimir Shirinowski äußerte sich als einer der ersten zum Thema. Der Chef der LDPR will von den Vorfällen seines Parteikollegens Sluzki nichts gewusst haben und verspricht, mit ihm darüber zu sprechen. Gleichzeitig betont er im Interview gegenüber Doshd, dass es sich möglicherweise um ein Missverständnis handeln könne:

    [bilingbox]Man muss hier das Ziel betrachten. Vielleicht möchte er bei den Journalisten Interesse für sich wecken. Vielleicht möchte er sie dazu bringen, dass sie doch bitteschön zu ihm kommen und ein Interview machen. Ich spreche hier über das Ziel seines Verhaltens, das Motiv. Ich sage nicht, dass das gut ist. Es gibt einfach ein Motiv … Ich weiß noch, wie wir im Grundschulalter Mädchen am Zopf gezogen haben, damit sie sich umdrehen und schauen. Was anderes fiel uns nicht ein. […] Die Motivation ist womöglich gar nicht der Wunsch, jemanden zu kneifen oder anzufassen, sondern einfach die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.~~~Здесь надо смотреть цель. Может быть, он хочет у журналистов вызвать интерес к себе. Он этим самым, может быть, хочет заставить, мол, приходите, берите интервью. Я вам говорю про цель поведения, мотив. Я не говорю, что это хорошо. Просто есть мотив… Я помню, в младших классах школы мы дергали девочек за косичку, чтобы она повернулась и посмотрела. Другого пути не было у нас. […] Мотивация бывает не желание кого-то ущипнуть, дотронуться, а чтобы на него как на человека просто обратили внимание.[/bilingbox]

     
    veröffentlicht am 22. Februar 2018

    Kommersant FM: Keine Konsequenzen

    Dimitri Drise bezweifelt auf Kommersant FM, dass es ernsthafte Konsequenzen für Sluzki geben könnte. Schuld daran sei eine besondere Wahrnehmung der parlamentarischen Klasse:

    [bilingbox]Unabhängig davon, ob Sluzki angebaggert hat oder nicht, ob es eine Belästigung gab oder ob das alles Fantasien der oppositionellen Presse sind – das Wichtigste ist natürlich die Reaktion der Kollegen Abgeordneten und des Vorsitzenden. Wer sind denn schon Journalisten für die hohe Duma-Führung und für Sluzki selbst? Niemand. Einfache Leutchen. Denkt nur, er hat betatscht – sollen sie sich doch freuen. Er ist Abgeordneter, Ausschussvorsitzender – er darf das. Das ist die privilegierte Klasse. Etwas anderes wäre es, wenn er gewagt hätte zu sagen, dass „Krim nicht unser“ sei. Dann wäre es aus – das Mandat niedergelegt und allgemeine Verurteilung, da kommt schon gern mal das Untersuchungskomitee zu Besuch. So ist es nur eine Lappalie, nichts weiter: Wir werden es nicht zulassen, dass jemand den gesetzgebenden Arm der Staatsmacht kompromittiert.~~~Безотносительно того, приставал Слуцкий или нет, был харассмент или это все фантазии оппозиционной прессы — здесь главное, конечно, реакция и коллег-депутатов, и спикера. Кто такие журналисты для высокого думского начальства и самого Слуцкого? Да никто. Простые людишки. Подумаешь, потрогал, — должны радоваться. Он же депутат, председатель комитета — ему можно. Это привилегированный класс. Другое дело — если бы вдруг смел сказать, что, допустим, «Крым не наш». Вот тогда все — в момент мандат на стол и всеобщее осуждение, а там, глядишь, и Следственный комитет в гости. А так — мелочь, да и только: никому не дадим компрометировать законодательную ветвь власти.[/bilingbox]

     
    veröffentlicht am 08. März 2018

    Echo Moskwy: Journalistinnen sollten anständiger rumlaufen

    Tamara Pletnjowa sitzt für die Kommunistische Partei in der Duma, wo sie Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Familie, Frauen und Kinder ist. Gegenüber Echo Moskwy verteidigt sie ihren Kollegen und sucht gleichzeitig die Schuld bei den Journalistinnen selbst:

    [bilingbox]Ich kenne Slutzki schon viele Jahre. […] Ich sage Ihnen ganz aufrichtig: Sluzki ist ein wohlerzogener Mensch, sehr gebildet, ein großer Denker, der sich in internationalen Fragen auskennt, und Frauen gegenüber verhält er sich immer warmherzig. Vielleicht scherzt er ein wenig herum, kann sein – irgendwelche Scherze …, aber dass er eine Frau beleidigt, das werde ich niemals glauben.

    Zudem möchte ich sagen – diese Journalisten-Mädels sollten ein wenig anständiger herumlaufen und nicht mit nacktem Bauchnabel, es ist ja schließlich eine staatliche Institution, […] Ich sehe, wie sie tagelang endlos in den Cafeterien herumsitzen und dann allen möglichen Unsinn schreiben. Was nicht alles über die Duma gesagt wird, dabei sitzen wir von morgens bis in die Nacht über der Arbeit. Deswegen ist das ziemlich bitter, ich will fast sagen beleidigend für ihn, ganz ehrlich, dass er in diese Geschichte hineingeraten ist.~~~Я знаю Слуцкого уже много лет. […] Слуцкий, искренне вам говорю, человек воспитанный, очень грамотный, интеллектуал большой, занимается международными вопросами и к женщинам относится всегда с теплотой. Может быть, он что-то может пошутить, это может — пошутить что-нибудь… но чтобы он оскорблял женщину, я в это никогда не поверю.

    Кроме того, хотела бы сказать, что эти девочки-журналистки ходили бы поприличнее, одевались бы, ведь это государственное учреждение, а не ходили с голыми пупками. […] А то я смотрю, они целыми днями сидят здесь в буфетах бесконечно, а потом напишут всякую ерунду. Чего только не наслушаешься про Думу, хотя мы здесь с утра до ночи занимаемся работой. Поэтому очень обидно, мне даже за него обидно, честное слово, что он попал в эту историю.[/bilingbox]

     
    veröffentlicht am 07. März 2018

    Novaya Gazeta: Der russische Harvey Weinstein

    Geschlechterrollen als heilige Kuh: Anna Narinskaja sucht in der Novaya Gazeta nach den Wurzeln des Problems:

    [bilingbox]Manchmal scheint es, die Rollenverteilung von Männern und Frauen in der Familie und im Leben überhaupt sei die wichtigste aller uns verbindenden Klammern. Das Wichtigste sind für uns die traditionellen Werte, an die wir uns halten, die wir nicht bereit sind aufzugeben. Wir sind bereit, den fremdländischen Harvey Weinstein zu verteidigen sowie sein russisches Double, den Abgeordneten Leonid Sluzki („Was ist schlecht daran, einer Frau an den Hintern zu tatschen? Das schmeichelt ihr doch nur“), weil das die uns herzliebe Disposition nicht zerstört. Der Mann ist der Hausherr und die Frau … die Frau macht die Hausarbeit.~~~Иногда кажется, что вот это распределение женско-мужских ролей в семье и вообще в жизни, — главная из имеющихся у нас скреп. Главное традиционная ценность, за которую мы держимся, которой не готовы поступиться. Мы готовы защищать чужестранного Харви Вайнштейна и его отечественного дублера, думца Леонида Слуцкого («А что плохого в том, чтобы похлопать женщину по заднице? Это ей только льстит»), потому что это не нарушает дорогой нашему сердцу диспозиции. Мужчина — хозяин жизни, а женщина… женщина — она по хозяйству.[/bilingbox]

     
    veröffentlicht am 5. März 2018

    dekoder-Redaktion

    Weitere Themen

    Die Silikonfrau

    Presseschau № 36: #янебоюсьсказать

    Frauen und die Revolution

    LDPR

    Graphic Novel: Mein Sex

    Krasser Cocktail

  • Historische Debattenschau: Friedensvertrag von Brest-Litowsk

    Historische Debattenschau: Friedensvertrag von Brest-Litowsk

    Am 3. März 1918 schied Russland aus dem Großen Krieg aus, wie der Erste Weltkrieg damals genannt wurde. Der Krieg, in dem Russland an der Seite der Alliierten gegen die Mittelmächte – vor allem gegen Deutschland – seit August 1914 gekämpft hatte, überforderte das Land in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht. Und er ist einer der Auslöser der revolutionären Ereignisse 1917

    Seit der Februarrevolution war die Friedensfrage von entscheidender Bedeutung. Die Provisorische Regierung sagte den Alliierten zu, nicht aus dem Krieg auszuscheiden. Diese Entscheidung spaltete die Gesellschaft und führte zu einer Regierungskrise. 
    Die Forderung nach Frieden war der wichtigste Programmpunkt der Bolschewiki, die seit dem Oktoberumsturz an der Macht waren. Tatsächlich war das Dekret über den Frieden das erste der neuen bolschewistischen Regierung. Es war gleich am Tag nach der Machtübernahme verabschiedet worden. Ende Dezember trafen sich die Vertreter der Bolschewiki und der Mittelmächte in Brest-Litowsk, um über die Friedensbedingungen zu verhandeln. Die Forderungen der Bolschewiki nach einem Frieden ohne Annexionen und Kontributionen waren jedoch unannehmbar für alle Beteiligten. Und so mündeten die Verhandlungen, die mehr als zwei Monate andauerten, in ein Abkommen, wonach Russland mehr als ein Viertel seines europäischen Territoriums verlor – und damit 60 Millionen Menschen, große Industriebetriebe und landwirtschaftliche Flächen.

    War es ein taktischer Zug der bolschewistischen Regierung? Ein Selbstmord der Revolution? Ein Triumph der deutschen Armee oder eine gewaltige geschichtliche Tragödie?
    Zum 100. Jahrestag des Friedensvertrags von Brest-Litowsk bringt dekoder in Kooperation mit dem Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin historische Debatten-Ausschnitte: Kontroverse Meinungsstücke, die in russischen und deutschen Medien in den ersten Tage nach der Vertragsunterzeichnung erschienen sind.

    Prawda: Ein unausweichlicher taktischer Zug 

    In der Prawda, dem zentralen Organ der Bolschewiki, begründet der führende Parteifunktionär Karl Lander die Notwendigkeit, den schmählichen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Es sei ein taktischer Zug, dem eine Offensive folgen soll:

    [bilingbox]Schöne und laute Sätze ertönen, dass man an den Errungenschaften der letzten Revolution nicht um einen solchen Preis, einer möglichen nationalen Schande, festhalten dürfe, und es sei besser umzukommen. […] Aber macht es Sinn – und sei es nur um eines heroischen Impulses willen – tausende hervorragende Kämpfer der Revolution, ihre Seele, in den sicheren Tod zu schicken und sie auszurotten? […] Ist es nicht besser, dann den Kampf zu führen und in die Offensive zu gehen, wenn wir darauf vorbereitet sind […]
    Wir schließen diesen Vertrag, weil wir die Pflicht haben, den Feind [die deutsche Bourgeoisie] richtig einzuschätzen. […] Der Vertrag ist ein unvermeidbarer taktischer Schritt,  […], den die Interessen einer echten Klassenpolitik erfordern.~~~[…] раздаются красивые и громкие фразы, что нельзя ценою национального позора удерживать завоевания последней революции, что лучше погибнуть. […] но есть ли смысл хотя бы ради самого героического порыва бросить на верную гибель, на истребление тысячи лучших борцов революции, её душу? […] Не лучше ли принять бой и перейти в наступление, когда мы будем к этому подготовлены […] Мы заключаем этот договор постольку, поскольку мы обязаны считать с этим врагом [германской буржуазией], […]. Этот договор – неизбежный тактический ход, […], раз того требуют интересы реальной классовой политики[/bilingbox]


    erschienen am 5. März 1918, Nr. 41 (267)

    Nowaja Shisn: Selbstmord der Revolution 

    Diese offizielle Position der Bolschewiki kritisiert Nikolaj Suchanow in der Nowaya Shisn und meint, dass der Frieden mit Deutschland der Sowjetmacht im Gegenteil keine Atempause verschaffe:

    [bilingbox]Unsere Herrscher haben erneut im Chor bestätigt, dass der Kampf mit den deutschen Schändern unmöglich und sinnlos ist und dass der einzige Ausweg für die sowjetische Regierung ist, die Revolution zum Selbstmord zu zwingen. […] 
    Lenin und seine Gefährten beziehen sich in ihrer Arbeit als Desorganisatoren auf die Notwendigkeit einer „Atempause“ für die Revolution, um danach den Kampf wieder aufzunehmen. In Wahrheit ist dieses Argument ungeheuer naiv und unaufrichtig. Lenin geht davon aus, dass seine Berliner Kontrahenten, im Wissen um seine Absichten, ihm eine „Atempause“ gönnen und ihm gestatten werden, Waffen gegen sie zu schmieden. […] Nein, jede Atempause bedeutet den Tod. Nicht nur durch die deutsche Faust, sondern auch durch den Weltimperialismus.~~~Наши правители вновь затвердили хором, что борьба с немецкими насильниками невозможна и бессмысленна и что единственный выход для советской власти заставить революцию кончить самоубийством.  […] 
    Ленин и его соратники, в своей дезорганизаторской работе, ссылаются на необходимость «передышки» для революции, чтобы потом возобновить борьбу. Наивность или неискренность этого аргумента, по истине, превышают всякое вероятие. Ленин полагает, что его берлинские контрагенты, зная его намерения, действительно дадут ему «передышку» и действительно позволят добровольно выковать оружие против себя. […] Нет, всякая передышка есть смерть. Не только от немецкого кулака, но и от мирового империализма.[/bilingbox]  


    erschienen in Petrograd am 5. März 1918, Nr. 34 (248)

    Wetschernjaja Sarja: Russland ohne Verhandlung erschossen

    Auch die Zeitung Wetschernjaja Sarja (dt. „Abendrot“), die von den Menschewiki in Samara herausgeben wird, kritisiert Lenins Regierung für die Unterzeichnung des Friedensvertrags: 

    [bilingbox]Der Frieden ist unterzeichnet. Unterzeichnet, ohne dass die Bedingungen des Friedensvertrages diskutiert wurden. Das Dekret der Sowjetmacht über die Erschießung bei Ungehorsam ist in Kraft getreten.  
    Russland, ungehorsam gegenüber dem Rat der Volkskommissare, wurde in Brest ohne Gerichtsverfahren erschossen. Allerdings ist die Erschießung noch nicht erfolgt, bisher wurde nur ein Todesurteil ohne Gerichtsverfahren unterzeichnet und genehmigt. Aber Russland war schließlich gar nicht in Brest, es wurde in Abwesenheit mit stummer Beteiligung zum Tode verurteilt, in Anwesenheit mehrerer ihm völlig unbekannter Personen, die Lenin jedoch wohl bekannt waren und die verräterisch ihre Hand nach dem Judasbrief ausgestreckt haben. Wer hat diesen abscheulichen Alptraum in eine reale Tatsache verwandelt? Wer hat diesen gemeinen Verrat, diese feige Heimtücke begangen? Sowjetrussland? Das stimmt nicht. Die große Mehrheit, eine überwältigende Anzahl der bolschewistischen Räte – und in den gegenwärtigen Räten sind die Bolschewiki fast ausschließlich in der Mehrheit – hat sich scharf gegen die Unterzeichnung des Friedens und gegen Lenin vorauseilenden Gehorsam ausgesprochen.~~~Мир подписан. Подписан без обсуждения условий мирного договора. Декрет советской власти о расстреле неповинующихся на месте без суда приведен в исполнение. 
    Россия, неповинующаяся совету народных комиссаров, расстреляна в Бресте без суда. Расстрел, правда, еще не совершен, подписан и утвержден без суда только смертный приговор. Но ведь России не было в Бресте, ее заочно приговорили к казни при безмолвном участии и в присутствии нескольких, совершенно ей неизвестных, но зато хорошо известных Ленину, лиц, предательски приложивших руку к иудиной грамоте. Кто претворил этот гнусный кошмар в реальный факт? Кто совершил эту подлую измену, это трусливое вероломство? Советская Россия? Неправда. Огромное большинство, подавляющее количество большевистских советов, – а в нынешних советах почти сплошь преобладают большевики, – резко высказались против подписания мира и против ленинской услужливой расторопности.[/bilingbox]


    erschienen am 4. März 1918, Nr. 40

    Nasch Wek: Allumfassende Verzweiflung

    Die liberale Zeitung Nasch Wek (dt. „Unser Jahrhundert“), die der Partei der Kadetten nahe stand, kritisiert das Abkommen genauso und meint, dass der Kampf gegen Deutschland noch nicht zu Ende ist:

    [bilingbox]Wie fremd ist uns allen das Gefühl der Erleichterung, das die Nachricht vom Frieden hätte auslösen müssen! Neben der Verzweiflung, die jeden erfasst, der sein Heimatland liebt, herrscht bei dem Gedanken an das zukünftige Schicksal Russlands, wie es Deutschland zur Versklavung, anheimgegeben ist, auch die völlige Unsicherheit darüber, was die Delegation uns bringen wird, was die wahren Bedingungen des Friedensvertrages sind, der dem wehrlosen Russland von den Gewinnern diktiert wird. […] Die durch den Brester Frieden entstandene Situation ist unannehmbar für ein Land, das die Idee, ein Staat zu sein, nicht aufgegeben hat, und Russland kann sich mit dem Brester-Vertrag nicht zufrieden geben. […] 
    Der große Kampf auf der Welt geht weiter, und noch ist Deutschland nicht überall Sieger.~~~

    Как чуждо нам всем то ощущение облегчения, которое должна была вызвать весть о мире! Наряду с отчаянием, охватывающим всех, любящих родную страну, при мысли о грядущих судьбах России, отдаваемой на порабощение Германии, царит еще и полная неопределенность того, что нам привезет делегация, каковы подлинные условия мирного трактата, продиктованного победителями беззащитной России. […] Положение, созданное брестским миром, неприемлемо для страны, не отказавшейся от идеи государства, и Россия не может примириться с брестским договором. […] 
    Великая мировая борьба продолжается, и Германия еще не является победительницей везде и всюду[/bilingbox]


    erschienen in Petrograd am 5. März 1918, Nr. 40 (64)

    Zeitung der 10. Armee: Sonntagsgeschenk 

    Die deutsche Zeitung der 10. Armee, die täglich in dem von deutschen Truppen besetzten Wilna erschien, ist begeistert vom Friedensvertrag und der Reichsvergrößerung, was ausschließlich der deutschen Armee zu verdanken sei: 

    Deutsch
    Nicht mehr überraschend, aber in seiner Weltgeschichtlichen Bedeutung Herz und Verstand noch immer packend, hat sich der deutsch-russische Friede als wahres Sonntagsgeschenk eingestellt. […] Jeder Geschichtsschreiber wird sich fortan vor dem unermeßlichen Dienst verbeugen, den die deutschen Siege im Osten dem Selbstbestimmungsrecht der Völker erwiesen haben.


    erschienen am 5. März 1918, Nr. 509, 3. Jahrgang

    Vossische Zeitung: Östliche Kriegszielpolitik vorläufig erledigt

    Georg Bernhard, der deutsche Publizist und Chefredakteur der Vossischen Zeitung, die damals als eines der wichtigsten liberalen Blätter Berlins gilt, meint, mit dem Friedensvertrag handle es sich um eine Momentaufnahme. Und er nimmt die Möglichkeit eines erneuten Treffens der Verbündeten Russland, Frankreich und England  vorweg – was knapp zwei Jahrzehnte später während des Zweiten Weltkriegs Wirklichkeit wird:

    Deutsch
    Wer will heute am Tage nach dem Friedensschluss sagen, wohin die Dinge im Osten sich noch entwickeln werden? […] Und vollends in Ungewissheit getaucht bleibt es, ob die gleiche Koalition, die vor dem Krieg Deutschland gegenüberstand, und die jetzt als Kampforganisation im Augenblick gesprengt ist, sich nach dem Krieg nicht wieder zusammenfinden wird. […]
    Die einzelnen Kriegsschauplätze stehen nicht nur militärisch in Verbindung, sondern sind auch politisch nicht gesondert zu betrachten. […] Der Krieg im Osten ist nun erledigt und damit vorläufig auch die von Deutschland betriebene östliche Kriegszielpolitik. Nun aber verlangen wir, dass man wenigstens nach dem Westen eine Friedenspolitik auf der Grundlage eines tieferen Erschaffens deutscher Lebensnotwendigkeiten treibt.


    erschienen am 4. März 1918, Montags-Ausgabe Nr. 145

    Berliner Tageblatt: Sicherungsfrieden statt Verständigungsfrieden 

    Der deutsche Journalist Josef Schwab meint im Berliner Tageblatt, das damals eine der auflagenstärksten deutschen Zeitungen war, der Vertrag von Brest-Litowsk könne zur Grundlage für eine dauerhafte Friedensordnung im Osten werden:

    Deutsch
    Es wäre dem deutschen Volke in seiner grossen Mehrheit lieber gewesen, wenn ihm statt der Sonderfriedensschlüsse, die unsere Front im Osten entlasten, der allgemeine Friede beschert gewesen wäre. […] Für Deutschland ergab es sich unter solchen Umständen als eine natürliche Handlungsweise, die Schwäche Russlands, letzten Endes die Frucht unserer gewaltigen, mehrjährigen militärischen Arbeit, auszunutzen und ihm den Sonderfrieden, den es brauchte und doch nicht gewähren wollte, abzuringen. […] Aber es regen sich auch Zweifel und bleibt doch die Tatsache, dass wir den Frieden mit den Nachfolgern des Zarentums nicht als ‚Verständigungsfrieden‘, sondern als ‚Sicherungsfrieden‘ durchgesetzt haben. […] Sie machen die Brest-Litowsker Friedenskunde zu einem Dokument, das hinter gefährliche Entwicklungen der jüngsten Zeit einen ernsthaften Schlusspunkt zu setzen verspricht.


    erschienen am 6. März 1918, Wochen-Ausgabe für Ausland und Übersee, Nr. 10, VII. Jahrgang

    Vorwärts: Gewaltige geschichtliche Tragödie

    Die Parteizeitung der SPD Vorwärts kritisiert das Abkommen als Gewaltfrieden, der die Nationen im Gefühle tödlicher Feindschaft voneinander trenne:

    Deutsch
    Es ist der letzte Akt einer gewaltigen geschichtlichen Tragödie, den uns das deutsche amtliche Bureau in schonungsvoller Form übermittelt. Wir erleben in diesem Bericht noch einmal das letzte Sichaufbäumen eines großen Volkes, von dem uns niemals Haß getrennt hat, gegen die drückenden Bestimmungen eines Vertrages, die wir selber aufs entschiedenste mißbilligen. […] Man hat Frieden geschlossen und sich im Gefühle tödlicher Feindschaft voneinander getrennt. Das ist ein tief beklagenswertes Ergebnis, das wir vorausgesehen und vor dem wir gewarnt haben. […] Die deutsche Sozialdemokratie vermochte trotz der redlichsten Absicht durch ihre Politik nicht zu verhindern, daß ein Frieden geschlossen wurde, den die Gegner als Verständigungsfrieden nicht anerkennen konnten, den sie vielmehr als einen Gewaltfrieden nur unter Protest unterzeichneten.


    erschienen am 6. März 1918, Nr. 65, 35. Jahrgang

    Volksstimme: Der Schwertfriede

    Noch schärfere Kritik am Abkommen, aber auch ernste Besorgnis über die langfristigen Folgen äußert die sozialdemokratische Volksstimme aus Magdeburg:

    Deutsch
    Der Friede, der jetzt geschlossen worden ist, wird allmählich das russische Volk mit tiefster Erbitterung, mit allen Leidenschaften der Rachsucht erfüllen. Er wird den russischen Nationalismus, den der Sieg der russischen Arbeiter im Mai zu Boden geworfen hat, von neuem beleben. […] So groß die Bedeutung des Friedensschlusses für die Fortführung und Beendigung des augenblicklichen Krieges ist, in Rücksicht auf die Zukunft können wir seiner nicht froh sein.


    erschienen am 5. März 1918, Nr. 54, 29. Jahrgang

    zusammengestellt von Sofia Artemova & Maria Rupp


    Diese historische Presseschau entstand im Rahmen eines Lehrprojekts am Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Leitung von Robert Kindler und Martin Lutz. Das Projekt wurde gefördert vom bologna.lab der HU Berlin.

    Weitere Themen

    Historische Presseschau: Oktober 1917

    „Geknallt hätte es sowieso“ – Teil I

    „Geknallt hätte es sowieso“ – Teil II

    FAQ zum Revolutionsgedenken 1917

    Lenins Fahrt in die Revolution

    Russland im Ersten Weltkrieg

    Ein Held ist, wer nicht schießt