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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Russlands Passportisierung des Donbas

    Russlands Passportisierung des Donbas

    Seit dem Beginn des Krieges im Osten der Ukraine im April 2014 war den meisten Analysten im Westen im Grunde klar, dass die Separatisten Unterstützung aus Russland bekommen: sowohl militärisch, finanziell als auch personell. Viele stellten auch die Frage, ob (und wann) Russland denn unverdeckt in diesen Krieg eingreifen werde. Spekulationen über eine mögliche direkte russische Militärintervention kamen auch im April 2021 wieder auf, als der für den Donbas* zuständige stellvertretende Leiter der Russischen Präsidialverwaltung Dimitri Kosak erklärte, Russland sei dazu bereit, seine Staatsbürger im Donbas vor einem „Völkermord“ zu schützen – ähnlich dem in Srebrenica 1995.

    Mit diesem Vorwand versuchte der Kreml unter anderem, seinen Krieg gegen die Ukraine zu legitimieren: Die „militärische Spezialoperation“, so heißt der Krieg in der offiziellen Sprache des Kreml, diene dazu, einen „Genozid“ an russischen Bürgern zu verhindern.

    Tatsächlich besaßen schon im August 2021 schätzungsweise 530.000 Menschen in den sogenannten „Volksrepubliken“ einen russischen Pass. Sie bekamen ihn im Rahmen einer breit angelegten russischen Strategie der Passportisierung – einer Einbürgerung von Ukrainern in die Russische Föderation per Schnellverfahren. Eine ähnliche Strategie verfolgte der Kreml schon zuvor in Abchasien, Südossetien und Transnistrien.

    РУССКАЯ ВЕРСИЯ

    Die russische Politik der Passportisierung in der Ostukraine begann im Jahr 2019. Damals erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, es sei eine „humanitäre“ Maßnahme, da die „Situation der Menschenrechte alle Grenzen überschreite“.1 Sowohl auf lokaler als auch auf geopolitischer Ebene hatte diese Politik von Anfang an ganz konkrete Auswirkungen. Sie stand nach Ansicht des Europäischen Rates im Widerspruch „zum Geist und zu den Zielen“2 der beiden Minsker Abkommen.

    Passportisierung kann als „in großem Maßstab betriebene extraterritoriale Einbürgerung“ definiert werden, also als ein Vorgehen, bei dem die Einwohnerinnen und Einwohner eines Staates en masse die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates in einem beschleunigten Verfahren erhalten.3 Obwohl Russland nicht der einzige Staat ist, der Pässe an Bürgerinnen und Bürger anderer Länder verteilt, ist das russische Vorgehen aufgrund seiner geopolitischen Auswirkungen einzigartig: Es wirkt in Sezessionskonflikte in der direkten Nachbarschaft – dem sogenannten „nahen Ausland“ – hinein und gewährt Moskau einen weitreichenden Einfluss auf Personen, die in diese Konflikte verwickelt sind.4

    „In großem Maßstab betriebene extraterritoriale Einbürgerung“

    Die Praxis, Pässe in völkerrechtlich umstrittenen Gebieten zu verteilen, hat Russland schon Jahre zuvor etabliert und bereits bei langwierigen Sezessionskonflikten in anderen Regionen des postsowjetischen Raums angewendet, in denen seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion De-facto-Staaten entstanden sind. Passportisierung bezieht sich also insbesondere auf solche politische Gebilde, die von den meisten Staaten der internationalen Gemeinschaft nicht als souveräne Staaten anerkannt sind, aber eine Sezession von ihrem Mutterstaat anstreben. Bemerkenswert ist der Fall Georgiens, wo Russland seit 2002 damit begonnen hatte, den Bewohnerinnen und Bewohnern der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien die russische Staatsbürgerschaft zu gewähren und Reisepässe auszugeben.5 Schätzungen zufolge besaßen schon 2006 die meisten Einwohnerinnen und Einwohner dieser georgischen Gebiete, die Russland nach dem Krieg mit Georgien 2008 als unabhängige Staaten anerkannt hatte, russische Pässe.6 Schon damals rechtfertigte der russische Außenminister Sergej Lawrow die russische Militärintervention in Georgien als einen Akt der „Selbstverteidigung“ zum Schutz der dort lebenden russischen Staatsbürger7 nach dem internationalen Prinzip der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, R2P). Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission zum Konflikt in Georgien (Independent International Fact-Finding Mission on the Conflict in Georgia) wies dieses Argument jedoch als Rechtsmissbrauch zurück und erklärte, dass Russland Pässe in der Region verteilt hatte, um eine Rechtfertigung für eine militärische Intervention zu schaffen.8

    „Genozid verhindern“

    Die militärische Intervention und die anschließende Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens hatte der damalige russische Präsident Dimitri Medwedew 2008 mit einem Verweis auf angeblichen „Genozid“ gerechtfertigt.9 Als der für den Donbas zuständige stellvertretende Leiter der Russischen Präsidialverwaltung Dimitri Kosak im April 2021 erklärte, Russland sei dazu bereit, seine Staatsbürger im Donbas vor einem „Völkermord“ zu schützen und dabei auf das Massaker von Srebrenica verwies10, da bediente er sich im Grunde desselben Arguments.

    Was hat Russland von einer Passportisierung?

    Die Passportierung des Donbas bietet Russland ein Reservoir von Menschen, die bei Bedarf mobilisiert und nach Russland gelockt werden können, etwa um dem demografischen Wandel des Landes11 und dem Mangel an Arbeitskräften mit ethnisch affinen Migrantinnen und Migranten entgegenzuwirken. Die Menschen aus den „Volksrepubliken“ sind auch als mobilisierbare Stimmenreserve nützlich, um bei Wahlen und Referenden abzustimmen. Bei dem Verfassungsreferendum 2020 und der Dumawahl 2021 wurden russische Bürgerinnen und Bürger aus der „Volksrepublik Donezk“ und „Volksrepublik Lugansk“ mit Bussen zum Urnengang in die Region Rostow gebracht. Bei der Dumawahl wurden zudem inoffizielle elektronische Wahllokale auf dem Gebiet der „Volksrepubliken“ eröffnet. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich von der in Abchasien und Südossetien, wo die Wahllokale in den diplomatischen Vertretungen Russlands eingerichtet wurden. Bei der Dumawahl im September 2021 gab es in der gesamten Republik Moldau 30 Wahllokale, 27 davon lagen in Transnistrien – eine von Russland unterstützte abtrünnige Region, die völkerrechtlich zur Republik Moldau gehört. Die Regierung in Chișinău legte gegen dieses Vorgehen diplomatischen Protest ein.12

    Passportisierte russische Staatsbürgerinnen und -bürger aus dem Donbas durften bei der Dumawahl 2021 allerdings nur für Parteien, nicht aber für Direktkandidierende abstimmen. In Transnistrien, Südossetien und Abchasien wurde die passportisierte lokale Bevölkerung dabei Wahlkreisen in russischen Regionen zugeteilt, die mitunter tausende Kilometer entfernt sind.

    Welche Anreize setzt der Kreml?

    Die Staatsbürgerschaft per Schnellverfahren der Passportisierung bedeutet nicht automatisch Zugang zu denselben Sozialleistungen, die in Russland ansässigen Personen zustehen. Der Donbas unterscheidet sich hier ebenfalls von den anderen – von Russland unterstützten – De-facto Regimen: Abchasien und Südossetien etwa haben mit Russland Vereinbarungen über die Zahlung von Renten geschlossen, und in Transnistrien gibt es russische Zuschüsse auf lokal finanzierte Renten.

    Den passportisierten Menschen im Donbas bleibt der Zugang zu den meisten russischen staatlichen Dienstleistungen jedoch verwehrt, in diesem Sinne sind sie russische Staatsbürger mit eingeschränkten Bürgerrechten („diminished citizenship“).13 Da diese Territorien derzeit weder von Russland vollständig annektiert sind noch von der Ukraine reintegriert werden können, sind die Menschen durch den prekären Schwebezustand in den „Volksrepubliken“ grundsätzlich in ihren Rechten eingeschränkt. Es ist davon auszugehen, dass viele in der Passportisierung die Lösung dieses Problems sehen. Die Krux der Situation liegt darin, dass die russische Unterstützung der Separatisten seit 2014 die eigentliche Ursache dieses Problems ist, offiziell versucht Russland jedoch, sich als Problemlöser darzustellen: Noch vor Kriegsbeginn zeigte sich Russland bestrebt, die deutlich verminderten Rechte und Ansprüche der passportisierten Menschen im Donbas auszubauen – und setzte damit weitere Anreize, einen russischen Pass zu beantragen.

    Daneben kann auch die Möglichkeit international reisen zu können ein gewichtiger Grund sein, einen russischen Pass zu beantragen, denn die Ausweisdokumente von völkerrechtlich nicht anerkannten Territorien wie den „Volksrepubliken“, aber auch Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Bergkarabach, sind im Ausland nahezu wertlos. Da die im Schnellverfahren vergebenen russischen Pässe von der EU als ungültig gewertet werden, kommt es jedoch vor allem im Fall des Donbas darauf an, wie konsequent die Nichtanerkennung dieser „anderen“ russischen Pässe in der Praxis von der EU durchgesetzt wird.14

    Die ukrainische Antwort auf Passportisierung

    Die große Anzahl russischer Bürgerinnen und Bürger auf einem Gebiet, das international als ukrainisch anerkannt wird, verschaffte Moskau also schon vor dem Krieg ein starkes Druckmittel und bot damit ein enormes Druckpotential gegenüber Kyjiw.15

    Die Ukraine schaffte es im Grunde nie, eine konsequente Antwort auf die Passportisierung zu formulieren. Das Thema hat erst 2021 so richtig Eintritt in den politischen Diskurs gefunden, da die russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Donbas immer mehr an Bedeutung gewannen und die Spannungen durch den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze zunahmen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky hat die Passportisierung Ende 2021 als Bedrohung für die Ukraine und als eine Form der „Sklaverei“16 bezeichnet, die auch zu Wahlzwecken bei den russischen Parlamentswahlen zur Staatsduma genutzt würde. Selensky unterstreicht damit die ukrainische Position, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer im Donbas nicht aus freien Stücken, sondern unter Zwang eingebürgert wurden und dass Russland diese zynisch für eigene politische Zwecke ausnütze. Selensky lehnte jedoch immer wiederkehrende Vorschläge ab, den passportisierten Bewohnerinnen und Bewohnern des nicht-regierungskontrollierten Teils des Donbas die ukrainische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Diese in den ukrainischen Medien heftig diskutierte und stark kritisierte Maßnahme wäre jedoch nicht nur verfassungswidrig, sondern würde letztendlich auch einer vollständigen Abspaltung des Donbas vom Rest der Ukraine Vorschub leisten. Bis zu dem Krieg hat das ukrainische Ministerium für Reintegration der zeitweise besetzen Gebiete dagegen stets auf eine Herangehensweise gesetzt, die darauf abzielte, einige von den separatistischen Behörden und Institutionen ausgestellten Dokumente de facto anzuerkennen, damit die Bewohnerinnen und Bewohnern der „Volksrepubliken“ weiterhin der Ukraine verbunden bleiben und Zugang zu staatlichen Dienstleistungen behalten.

    Zentrales Mittel russischer Außen- und Sicherheitspolitik

    Vor allem die Dauer und der Ausgang des Krieges werden darüber entscheiden, welches Schicksal den passportisierten Bewohnerinnen und Bewohnern des Donbas bevorsteht. Doch schon jetzt ist deutlich, dass die Passportisierung weiterhin ein zentrales Mittel russischer Außen- und Sicherheitspolitik bleiben wird. So unterzeichnete Putin am 25. Mai 2022 einen weiteren Präsidialerlass, der die Passportisierung auf die teilweise von Russland besetzten Oblaste Cherson und Saporischschja ausweitet.17 Kurz zuvor, am 11. Mai 2022 hatte der stellvertretende Leiter der Okkupationsverwaltung der Oblast Cherson Kirill Stremoussow erklärt, dass die Bewohner der Oblast Cherson bis Ende des Jahres „freiwillig“ einen russischen Pass bekommen können. Diese Erklärung ging mit der an Putin gerichteten Bitte einher, das besetzte Gebiet per Präsidialerlass in die Russische Föderation einzugliedern. Der Kreml-Sprecher Dimitri Peskow entgegnete darauf, die Entscheidung liege allein bei den Bewohnern der Oblast Cherson, denn auch 2014 habe die Krim per Referendum über die „Angliederung“ an Russland entschieden. Aus der Sicht des Kreml fördern russische Pässe eine Russifizierung und damit auch Zustimmung zur „Angliederung“ bei einem möglichen „Referendum“.

    Aktualisiert am 31.05.2022


    * Wie schreibt man ukrainische Ortsnamen auf Deutsch? Kyjiw oder Kiew? Luhansk oder Lugansk? Donbas oder Donbass? Das kommt darauf an, ob man den ukrainischen oder den russischen Namen bei der Übertragung ins Deutsche zugrunde legt. In dieser Gnose verwendet der Autor die ukrainischen Ortsnamen – das gilt auch für den Donbas. 


    Diese Gnose ist im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprojekts des Autors über Russlands Passportisierung des Donbas mit Fabian Burkhardt (IOS Regensburg), Cindy Wittke (IOS Regensburg) und Maryna Rabinovych (Universität Agder, Norwegen, und Kyiv School of Economics, Ukraine) entstanden.


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  • Gefährlicher Bluff

    Gefährlicher Bluff

    Nicht in Brüssel, sondern in Riga – also deutlich näher an Moskau und Minsk gelegen – kommen heute die NATO-Außenminister für ein zweitägiges Treffen zusammen. Seit Wochen berichtet das Bündnis über einen verstärkten russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wird als Gast bei dem Treffen dabei sein.

    Die Beziehungen zwischen Russland und der NATO liegen auf Eis, Russland hat im November die Arbeit seiner Vertretung in Brüssel komplett eingestellt. Damit gibt es keine Gesprächskanäle mehr. So beschäftigt die russische Truppenkonzentration nahe der Ukraine auch internationale Beobachter: Alles nur Säbelrasseln? Oder droht ein Szenario wie 2014, als „grüne Männchen“ auf die Krim einmarschierten und Russland die Halbinsel schließlich angliederte?

    Es gebe allen Grund zur Sorge, meint etwa die Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanowaja auf Telegram. Die Ukraine sei für Russland ein wichtiger Schauplatz in der Auseinandersetzung mit dem Westen. Auch ohne „Provokationen“ von ukrainischer Seite gebe es die Bereitschaft, „die Welt zu erschüttern“, und damit über den Status quo zu siegen, der seit den Minsker Protokollen von 2015 vorherrscht. 
    Dimitri Trenin sieht auf Carnegie.ru im Vorgehen Russlands dagegen eine Art Abschreckung nach (gegenseitigen) Provokationen. Deren Erfolg hänge davon ab, „wie plausibel die Bedrohung wahrgenommen wird“. 

    Ähnlich argumentiert Julia Latynina in der Novaya Gazeta: Es werde keinen Krieg gegen die Ukraine geben – weil es dem Kreml dabei vor allem um die Aufmerksamkeit der USA gehe.

    Die Nachrichtenplattform Bloomberg veröffentlichte letzte Woche einen Plan Russlands über eine mögliche Invasion in der Ukraine. Der US-Geheimdienst hatte ihn seinen europäischen Bündnispartnern übermittelt.
    An der Invasion sollen 100 Bataillons- und Kampfgruppen mit 100.000 Mann teilnehmen, von denen die Hälfte „bereits Stellung bezogen“ habe. Der Schlag solle von drei Seiten aus geführt werden: vom russischen Festland, von der Krim und von Belarus. Als voraussichtlicher Zeitpunkt der Invasion wird Anfang nächsten Jahres genannt. „Amerika sagt damit nicht, ein Krieg sei unvermeidlich, oder auch nur, man wisse mit Sicherheit, dass Putin wirklich angreifen wolle. Vielmehr heißt es, er sei wahrscheinlich noch unentschlossen, was er tun werde“, schreibt Bloomberg.  

    Die aktuelle militärische Aufrüstung an der ukrainischen Grenze ist schon die zweite Geschichte dieser Art innerhalb kurzer Zeit. Die erste, im Sommer 2021, handelte ebenfalls von Truppenverschiebungen und endete mit einem Treffen zwischen Biden und Putin
    Die jetzige steht im Kontext bedenklich sinkender Umfragewerte der russischen Regierung, der totalen Vernichtung der Opposition sowie einer Krise an der polnisch-belarussischen Grenze, im Zuge derer Lukaschenko Warschau mit einer Unterbrechung der Gaslieferungen drohte und seine Propagandisten russische Kampfflugzeuge in Aussicht stellten. 
    Und jetzt folgt mein Erklärungsversuch, warum eine solche Invasion gar nicht möglich ist.   

    Erstens: Der Kreml hat bisher nie richtige Kriege geführt, sondern nur hybride 

    Erstens: Der Kreml hat bisher nie richtige Kriege geführt, sondern nur hybride. Ein richtiger Krieg wird geführt, um zu siegen. In einem solchen Krieg ist der Abgleich mit der Realität sehr wichtig, und wenn man da zu lügen beginnt, kann man, wie der japanische Admiral Yamamoto einmal sagte, „den Krieg schon als verloren betrachten“.  

    Ein hybrider Krieg wird nicht geführt, um zu siegen, sondern um ein Bild zu erzeugen. Dabei ist die Lüge eines der wichtigsten Werkzeuge.  
    In einem richtigen Krieg wird alles daran gesetzt, die Verluste des Feindes zu maximieren.
    Bei einem hybriden Krieg geht es zum Teil auch darum, Informationen über angebliche Verluste in den eigenen Reihen zu maximieren. Manchmal wird ein hybrider Krieg nur geführt, um zu erzählen, wie die israelische Kriegsmaschinerie ein Kind getötet oder ukrainische Faschisten einen Jungen gekreuzigt haben. 

    Zweitens: Der Kreml hat bisher bei allen Kriegen auf die Möglichkeit der Verleugnung gebaut

    Zweitens: Der Kreml hat bisher bei allen Kriegen auf die Möglichkeit der Verleugnung gebaut. „Das ist nicht Russland. Das sind Privatleute.“ So kann man jede Verantwortung für bewaffnete Gar-nicht-Dorts von sich weisen und im Fall militärischer Verluste das Risiko minimieren. Wäre es Marschall Haftar in Libyen gelungen, Tripolis zu erobern, hätten unsere Skabejewas den Sieg auf allen Kanälen in die Welt hinausposaunt. Nachdem aber türkische Bayraktar-Drohnen Haftar und seinen russischen Söldnern den Garaus gemacht hatten, konnte man genauso gut schweigen. 

    Und schließlich drittens: Alle Kriege des Kreml haben dem Westen immer die Option gelassen, neutral zu bleiben

    Und schließlich drittens: Alle Kriege des Kreml haben dem Westen immer die Option gelassen, neutral zu bleiben und keine unumkehrbaren Entscheidungen zu treffen. „Das ist alles kompliziert dort. Ein innerukrainischer Konflikt. Das sind Freiwillige“, und so weiter. Solche Spielräume, die dem Westen erlauben, sein Gesicht zu wahren und dabei untätig zu bleiben, waren immer fixer Bestandteil der Kriegsstrategie des Kreml.     
    Eigentlich gehört alles Obengenannte zu den Merkmalen eines hybriden Kriegs – eines Kriegs, in dem es nicht um den Sieg geht, sondern ums Lügen und Schädigen – der Feind soll geschädigt und das eigene Volk belogen werden. Der ideale Krieg war für den Kreml immer ein computergeneriertes Bild, auf dem Russland Raketen auf Florida feuert. 

    Trotz solcher Bilder und des Versprechens, die USA „zu Atomstaub“ zu pulverisieren, hat der Kreml jeden echten Krieg immer tunlichst vermieden. 

    Als die USA im Februar 2018 bei Deir ez-Zor eine Kolonne mit russischen Söldnern bombardierten, hat der Kreml nicht nur nicht reagiert, sondern einfach so getan, als wäre das gar nicht passiert.  

    Als die Amerikaner im selben Jahr die syrische Infrastruktur in die Luft sprengten, verkündete Russland zwar lautstark, es werde keine US-Aggressionen dulden, verhielt sich aber dann fein artig hybrid: Man präsentierte im Fernsehen einen Haufen erdichteter Vergeltungsschläge und versuchte, diesen unangenehmen Zwischenfall, der die absolute Überlegenheit der US-Raketen vor Augen führte, alsbald zu vergessen. 
    Anders gesagt, jedes Mal, wenn das Gespenst eines richtigen Kriegs durch den Kreml spukt, in dem man nicht mehr mit Fernsehbildern von gekreuzigten Kindern und abgeschossenen Raketen auskommen würde, tut Moskau so, als würde es das alles nichts angehen. 

    Wahrscheinlich, weil sich der Kreml im Grunde des tatsächlichen Zustands der russischen Kriegstechnik bewusst ist. Er weiß nur zu gut, in welchen Situationen schon von einem „kleinen, siegreichen Krieg“ die Rede war, der dann weder klein noch siegreich war.  

    Es liegt auf der Hand, dass eine Invasion in der Ukraine von drei Seiten mit Luftstreitkräften und 100.000 Mann starken Truppen, wie in dem Plan formuliert, nicht unter die Definition eines hybriden Kriegs fällt. Und sich gegen eine solche Invasion zu verteidigen, wäre für die Ukraine nicht schwerer, sondern leichter. 

    Die Verteidigung gegen eine solche Invasion wäre für die Ukraine nicht schwerer, sondern leichter

    Die ganze Stärke von Noworossija bestand darin, dass prorussische Kämpfer sich als „unterdrückte Lokalbevölkerung“ ausgaben und hinter Zivilisten verschanzten. Unter solchen Bedingungen traf jeder Schuss auf einen Kämpfer wirklich die Zivilbevölkerung, und der Westen konnte vor diesem komplexen Problem erleichtert die Augen verschließen. Die Invasion einer 100.000 Mann starken Armee böte diese Chance nicht.     
    Eine solche Invasion zu legitimieren, nachdem man auf russischem Territorium eine „rechtmäßige Regierung Janukowitsch“ eingesetzt und in deren Namen um Hilfe gebeten hat, wird unmöglich sein. Auf diese Weise eroberte Gebiete könnte man nicht legal an Russland angliedern. Die Auswirkungen eines solchen Krieges auf die Gesellschaft wären katastrophal. Krim nasch war ja genau deshalb so populär, weil es keine Toten gab. 100.000 Rekruten, die man Bayraktar-Drohnen und unbemannten US-Kampfflugzeugen zum Fraß vorwirft, blieben wohl kaum vollzählig unversehrt. 

    „Das tiefe Volk“ würde wie im Afghanistan-Krieg vor den Todesnachrichten und die Elite vor den Sanktionen des Westens erschaudern, die den Wert ihrer Beute mindern. 

    Aber das zentrale, das fundamentale Problem ist: Dies wäre ein echter Krieg und das heißt, man kann ihn verlieren. Einen hybriden Krieg kann man prinzipiell nicht verlieren. Wenn es mit Noworossija klappt – wunderbar. Werden es nur die Volksrepubliken Donezk und Luhansk – was soll’s, stopfen wir dieses Krebsgeschwür eben zurück in den Leib der Ukraine, auch gut. Mit anderen Worten, alles, was passiert, ist ein Bluffen. Es ist immer noch derselbe hybride Krieg. Eine Nötigung zum Dialog. Eine Reaktion auf die Sanktionen. Eine Reaktion auf das Vorhaben, künftig auf russisches Öl und Gas zu verzichten. Auf den Vertrag zwischen den USA und der Ukraine. Auf die Weigerung der Ukraine, die Volksrepubliken Donezk und Luhansk zu den Bedingungen des Kreml zu akzeptieren. Und es ist eine Reaktion auf die sinkenden Umfragewerte und auf den gescheiterten Versuch, Europa mithilfe Lukaschenkos zu erpressen

    Die USA und Europa haben zwei Möglichkeiten, auf diesen Bluff zu reagieren. Sie können sich einschüchtern lassen und „einen Dialog beginnen“. Oder sie können klarmachen, dass die Ukraine im Fall eines vom Kreml begonnenen Krieges so viel militärische Unterstützung erhält wie nötig, um einen Sieg Russlands zu verhindern. 

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  • Warum der Schlag gegen Memorial ein Schlag gegen Deutschland ist

    Warum der Schlag gegen Memorial ein Schlag gegen Deutschland ist

    Warum Memorial, und warum geht es gleich um die Liquidierung der Organisation? Diese Fragen beschäftigen derzeit (nicht nur) Russlands Zivilgesellschaft: Am 25. November beginnt der Prozess am Obersten Gericht gegen die unabhängige Menschenrechtsorganisation, die sich seit der Perestroika wie keine zweite der Aufarbeitung der Stalinzeit und dem Einsatz für Menschenrechte verschrieben hat. Seit bekannt wurde, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft den Antrag auf Liquidierung gestellt hat – offiziell wegen Nichteinhaltung der Regeln für sogenannte „ausländische Agenten“ – wird diskutiert, warum es zu diesem massiven Schlag kommt, warum es in einem von heute auf morgen anberaumten Prozess darum gehen soll, die älteste russische Menschenrechtsorganisation aufzulösen.
    „Das ist keine juristische, sondern eine politische Entscheidung von ganz oben“, sagt Memorial-Mitbegründerin Irina Schtscherbakowa im Podcast von Memorial Deutschland.

    Spätestens seit den Solidaritätsprotesten für den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny im Frühjahr und angesichts der Dumawahl im Herbst geht der Kreml massiv gegen unabhängige Akteure vor. Die Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanowaja konstatiert bereits im Mai: „Die Unterdrückung wird radikal ausgeweitet, zur Zielscheibe wird alles, was die Macht als eine Form von Anti-Regime-Verhalten empfindet, ob individuell oder institutionell.“ So wurden sämtliche Organisationen Nawalnys – wie etwa sein Antikorruptionsfonds – für „extremistisch“ erklärt, seit Beginn des Jahres wurden aber etwa auch mehr als 70 unabhängige Medien und einzelne Journalisten als „ausländische Agenten“ diffamiert. Auch Irina Schtscherbakowa sieht im Vorgehen gegen Memorial das Signal: „Ihr müsst alle Angst haben!“. Es gehe an alle, die mit der offiziellen Politik nicht einverstanden sind oder „überhaupt ihre Stimme erheben gegen etwas, was ihnen nicht passt“.

    Gleichzeitig geht es bei Memorial um die Organisation der historischen Aufarbeitung, die seit 30 Jahren ein umfangreiches Archiv aufgebaut, eine Datenbank mit rund 3,5 Millionen Biographien angelegt und mit zahlreichen Aktionen wie der Rückgabe der Namen ein Gedenken an die Opfer des politischen Terrors in der Sowjetunion initiiert hat, – die Liste ließe sich fortsetzen. So sieht der Journalist Oleg Kaschin im Vorgehen gegen Memorial eine „Bestrafung des historischen Erinnerns“ und den Versuch des Kreml, die Deutungsmacht über die Geschichte zu monopolisieren. Das explizite Benennen von Opfern wie Tätern wäre demnach im offiziellen Geschichtssynkretismus, bei dem Zarenfans wie Sowjetnostalgiker gleichermaßen bedient werden, selbst in Nischen ausdrücklich nicht mehr erwünscht. 

    Maxim Trudoljubow fügt solchen Thesen auf Meduza eine weitere hinzu: Er sieht das Vorgehen gegen die international renommierte Organisation als asymmetrische Antwort auf Sanktionen des Westens. Auch Schtscherbakowa von Memorial sagt im Podcast, das Signal „Wir sind durch nichts geschützt, die Macht kann mit uns machen, was sie will“ gehe an unabhängige Akteure und ihre Unterstützer im Westen gleichermaßen.

    Die drohende Vernichtung von Memorial durch die Behörden wird als schwerer Schlag empfunden – sowohl gegen die Menschenrechte im heutigen Russland als auch gegen den offenen Diskurs über die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit, für die der Staat die Verantwortung trägt. Eine Gesellschaft, die eine Organisation wie Memorial hat, und eine, die das nicht hat, sind zwei unterschiedlich reife Gesellschaften. Die russische Gesellschaft ist eine reife Gesellschaft. Noch. Doch der politischen Führung in Russland geht es nicht um den Reifegrad der Gesellschaft. Für die Akteure im Kreml ist Memorial die bekannteste russische Organisation in Deutschland und deswegen ein Instrument der Einflussnahme auf deutsche und europäische Politiker. Das ist einer der Knöpfe – und wenn man sie drücken kann, dann drückt man sie auch.

    Zwei Mythen der russischen Politik

    Über seine Innen- und seine Außenpolitik erzählt der russische Staat zwei dem Sinn nach entgegengesetzte Geschichten, zwei Mythen: Innerhalb des Landes, sagen uns Regierungsvertreter und Staatsmedien, herrsche Frieden, Harmonie und Stabilität. In der Welt da draußen gebe es hingegen weder Frieden noch Harmonie noch Stabilität. Russland habe es da gezwungenermaßen mit Feinden zu tun, die es an seinen Grenzen bedrängen, in seiner Entwicklung behindern und seinen Einfluss in der Welt schmälern wollten. Einzelne Probleme habe Russland zwar, sie seien jedoch eine Folge der Konflikte im Außen, sagen uns die Staatsmedien. 

    Für innere Probleme Ursachen im Außen zu suchen, ist eine althergebrachte Technik der Macht, die schon während der gesamten Sowjetära angewendet wurde und die es erlaubt, die Regierung auf rhetorischer Ebene jeglicher Kritik zu entheben. Als Boten des üblen Einflusses von außen nennt die russische Regierung diverse „Andere“, die sich inmitten der einigen russischen Gesellschaft verschanzt hätten. Diese spürt der Staat auf und erklärt sie zu „ausländischen Agenten“, „unerwünschten“ und „extremistischen“ Organisationen.

    Innere Probleme – nur Folgen externer Konflikte

    Die Geschichte vom Frieden im Land ist, wie auch die vom Krieg in der Außenwelt, ausgedacht und hat mit der Realität sehr wenig zu tun. Die russische Gesellschaft ist in zahlreichen Fragen nicht einig, sondern heterogen und polarisiert – angefangen beim Umgang mit dem sowjetischen Erbe bis hin zu den Präferenzen hinsichtlich der Zukunft des Landes (das heißt, dem Weg, den das Land beschreiten soll). Existierten in Russland Parteien und Organisationen, die tatsächlich die Ansichten der Bürger widerspiegeln, würde der politische Machtkampf im Land zu unvorhersehbaren Wahlergebnissen führen und intensive, glühende Debatten über eine Vielzahl von Themen auslösen.

    Nichts dergleichen findet derzeit statt: Die öffentliche Sphäre bleibt der Staatsmacht überlassen, die ständig bemüht ist, die realen inneren Konflikte zu vertuschen und äußere zu erschaffen. Sowohl die Einigkeit im Inneren als auch die Konflikte im Äußeren werden künstlich konstruiert – mit Hilfe von Propaganda, der Unterstützung durch bestimmte Bevölkerungsgruppen, und durch manipulierte Meinungsumfragen und Wahlen.

    Der Krieg zwischen Russland und der Außenwelt ist ein zentraler politischer Mythos. In Wirklichkeit sind die, die der Staatsmacht am nächsten stehen, gleichzeitig am besten in die Außenwelt integriert. Studien über die russische Elite zeigen, dass ihre Einstellung westlichen Ländern gegenüber zwar negativ und von Ressentiments und Unzufriedenheit mit der ihnen entgegengebrachten Gastfreundschaft geprägt ist, aber sie orientieren sich dennoch am Westen.

    Die Abgeordneten des russischen Parlaments verteidigen seit vielen Jahren das Recht, Immobilien im Ausland zu besitzen. Für die, die von der jetzigen Situation in Russland am meisten profitieren, ist der Weg in den Westen praktisch alternativlos – denn ihre Vermögen werden von den westlichen Rechtssystemen besser geschützt, ihren Kindern wird an westlichen Universitäten eine bessere Bildung geboten, und auch der angestrebte Grad an persönlicher Sicherheit ist nur außerhalb des Landes realisierbar.

    In der Konfliktstrategie, die Russland verfolgt, geht es nicht um den tatsächlichen Einsatz von Gewalt, sondern vor allem um Drohungen und vielsagende Gesten

    Russland ist als Abnehmer von Industrieerzeugnissen und High-Tech-Produkten fest in die Weltwirtschaft integriert. Sowohl die russische Gesellschaft als auch die politische Führungsriege sind persönlich von ausländischen Finanz-, Rechts- und digitalen Infrastrukturen abhängig. Aus einer solchen Position heraus ist es schwierig, auf Unabhängigkeit und eine Führungsrolle in internationalen Beziehungen zu bestehen.
    Aber Russlands Regierung will ihre Unabhängigkeit und Führungsrolle trotzdem behaupten. Und weil es nicht gelingt, das mit positiven „Trümpfen“ – etwa ökonomischem Gewicht und Einfluss – zu erreichen, spielt sie negative aus, die auf die eine oder andere Art mit Konflikten zu tun haben. Gerade in Konfliktlagen weiß Russlands Führungsriege um die wirksamsten Knöpfe, die sie im internationalen Dialog drücken kann. In der Konfliktstrategie, die Russland verfolgt, geht es nicht um den tatsächlichen Einsatz von Gewalt, sondern vor allem um Gewaltpotenzial – um Drohungen und vielsagende Gesten.

    Werte versus Preise

    Bei einer solchen Herangehensweise eignet sich absolut alles als Waffe oder Konfliktwerkzeug, was den „Partnern der Gegenseite“ wehtut: Zum Einsatz kommen da Truppenmanöver an der ukrainischen Grenze, Meldungen über neue Waffenarten und andere Kampfansagen. Russland ist für Westeuropa einer der wichtigsten Energielieferanten – also wird auch dieser Hebel in Bewegung gesetzt. Alexander Lukaschenkos Missbrauch von Flüchtlingen als Waffe gegen die EU löst dort Proteste aus – also wird Russland dieses grausame Spiel zumindest nicht verhindern. In diesem Fall wird der belarussische Diktator selbst zu einer Waffe in russischer Hand. Was überaus praktisch ist: Man kann eine Beteiligung an dem Konflikt jederzeit von sich weisen.

    Bedeutende Organisationen und Personen innerhalb Russlands, einschließlich Memorial, werden ebenfalls zur gültigen Währung. Alle Mittel, mit denen man Aufsehen erregen und ein öffentliches Gefecht mit dem Gegner provozieren kann, sind recht. Im Fall von Memorial geht es den russischen Politmanagern nicht so sehr darum, was diese älteste Menschenrechtsorganisation Russlands im Einzelnen tut, als vielmehr um deren Bekanntheit in Europa, vor allem in Deutschland, wo die Verbrechen des Totalitarismus ebenfalls ein sehr wichtiges – und schmerzhaftes – Thema sind. Diese Bekanntheit „funktioniert“ bereits: Die Drohung, Memorial aufzulösen, hat in Deutschland öffentliche Reaktionen ausgelöst. Der Außenminister gab eine scharfe Erklärung ab (allein die Möglichkeit einer Schließung dieser Organisation bezeichnete er als erschütternd), und Personen des öffentlichen Lebens, Russlandforscher und Historiker haben bereits offene Briefe zur Unterstützung ihrer russischen Kollegen verfasst.       

    Je prominenter eine Person oder Organisation ist, desto schwerer wiegt sie in der Konfliktstrategie. Dabei wäre es falsch zu glauben, dieser Handel verlaufe geradlinig: Wir geben euch eine Spielfigur, ihr gebt uns eine – wie beim Austausch von Spionen oder der Ausweisung von Diplomaten. Natürlich hätte Russland gern, dass Deutschland Nord Stream 2 noch unter der aktuellen Kanzlerin zertifiziert. Russland weiß aber auch, dass es aus formalen Gründen diesen Prozess nicht beschleunigen kann, der noch dazu aufgrund anhaltender Diskussionen in und außerhalb der EU erschwert wird (in das Wortgefecht rund um die Pipeline hat sich jetzt auch Großbritannien eingeschaltet).

    „Ausländische Agenten“ und „unerwünschte“ Organisationen als Geiseln

    In der Konfliktstrategie, die die derzeitige Führungsriege des russischen Staates gewählt hat, muss den Gegnern deutlich gemacht werden, dass auf Sanktionen und andere Druckmittel seitens des Westens eine Reaktion erfolgt. Diese Reaktion kann in der Regel nicht symmetrisch sein, dafür ist Russlands ökonomisches und politisches Gewicht zu gering. Trotzdem kann die Antwort schmerzhaft sein, denn „ausländische Agenten“ und „unerwünschte“ Organisationen erinnern an Geiseln. Die Einstufung von Alexej Nawalnys Organisation und Regionalbüros als extremistisch erfolgte im vergangenen Frühling direkt nachdem die USA ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland angekündigt hatten. Mit dieser Geste wälzte die russische Regierung einen Teil der Verantwortung für das Schicksal des Politikers und seiner Anhänger auf den Westen ab. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Kreml als Reaktion auf den Druck von außen Jagd auf einen westlichen „Agenten“ im eigenen Land veranstaltet.

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    Memorial

    Moskau 1988. Ein hageres Gesicht, zur Hälfte Totenkopf, prangt von einem grellroten Plakat. Dazu eine Nummer: № 700454. Dahinter verbirgt sich ein Spendenkonto, das Plakat ruft dazu auf, ein „Denkmal für die Opfer ungesetzlicher Repressionen“ zu errichten. Initiiert wird diese für die Sowjetunion ungewöhnliche Aktion 1987–1988 von AktivistInnen, die bald unter dem klingenden Namen Memorial (lat. Andenken) firmieren sollen. In der Zeit der Perestroika werden ihre Rufe nach Aufarbeitung der politischen Repressionen, insbesondere unter Stalins Herrschaft, immer lauter. Das Schweigen soll durchbrochen werden und an die Millionen Opfer erinnert werden, die im Arbeitslagersystem Gulag inhaftiert waren, zwangsumgesiedelt wurden und dort den Kälte- oder Hungertod gestorben sind oder auf dem Höhepunkt des Massenterrors 1937–38 erschossen wurden. 

    Die Tätigkeit von Memorial entwickelte sich von Anfang an allen staatlichen Hürden und zahlreichen Einschüchterungs- und Behinderungsversuchen seitens der sowjetischen und russischen Behörden zum Trotz. Doch in den vergangenen Jahren gerieten sowohl die Organisation selbst, als auch die einzelnen Mitglieder unter besonderen Druck. Einige lokale Mitarbeiter, wie Juri Dmitrijew von Memorial Karelien, befinden sich in Haft. 2016 wurde Memorial International als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt. Am 28. Dezember 2021 hat das Oberste Gericht die Auflösung der Organisation angeordnet. Die Entscheidung wurde in der Berufung zwei Monate später bestätigt. Zweigstellen bleiben weitgehend erhalten. 

    Im Oktober 2022 gab das Nobelkomitee in Oslo bekannt, Memorial, den Menschenrechtler Ales Bjaljazki aus Belarus und die ukrainische Menschenrechtsorganisation Zentrum für zivile Freiheiten mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen. Der Preis würdige ihren Einsatz für die Zivilgesellschaft und gegen Machtmissbrauch.

    Plakat „Im Gedenken an die Opfer des Stalinismus“, 1988 / © K. Ivanov/Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen
    Plakat „Im Gedenken an die Opfer des Stalinismus“, 1988 / © K. Ivanov/Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen

    Die Anfänge der Memorial-Bewegung stehen ganz im Kontext der Reformen von Michail Gorbatschow Ende der 1980er Jahre. Perestroika und Glasnost ermöglichen einen gesellschaftlichen Aufbruch, lassen informelle Klubs und Gruppierungen entstehen und fördern eine bisher ungekannte Diskussionskultur. Diese wird von der Liberalisierung der Presse- und Medienlandschaft zusätzlich begünstigt. Diese Atmosphäre bildet den idealen Nährboden für die Entstehung von Memorial als eine der ersten unabhängigen Vereinigungen, die nicht von der Kommunistischen Partei gegründet werden. 

    Geburt von Memorial

    Bereits 1987 formiert sich eine Initiativgruppe, die sich mit dem Appell, einen zentralen Gedenkort für die Opfer politischer Repressionen einzurichten sowie ein Informations- und Aufklärungszentrum aufzubauen, an den Obersten Sowjet der Sowjetunion wendet. Im Juni 1988 findet mit der Kundgebung von Memorial eine der ersten offiziell genehmigten Kundgebungen in Moskau statt. Auf ihr tritt spontan der aus der Verbannung zurückgekehrte Bürgerrechtler Andrej Sacharow auf. Auch andere WissenschaftlerInnen und Kunst- und Literaturschaffende wie Bulat Okudshawa, Anatoli Pristawkin oder Jewgeni Jewtuschenko sprechen der Initiative ihre Unterstützung aus.

    Viel wichtiger ist in diesem Moment jedoch der Zuspruch und das Interesse der breiten Bevölkerung. Zehntausende unterstützten die Unterschriftenaktion zur Gründung von Memorial und die damit verbundene Forderung nach einem angemessenen Gedenken. Nicht nur in Moskau, sondern vor allem auch in den russischen Regionen. Zwischen 1988 und 1990 lassen sich eine Vielzahl eigenständiger Memorial-Vereine registrieren, die auf lokaler Ebene aktiv werden. Trotz großer Widrigkeiten kann schließlich im Januar 1989 die „unionsweite freiwillige Gesellschaft für historische Aufklärung Memorial“ gegründet werden, in der Gruppen aus mehr als hundert Städten vertreten sind.1 

    Zehntausende unterstützten die Unterschriftenaktion zur Gründung von Memorial und die damit verbundene Forderung nach einem angemessenen Gedenken / Foto – Kundgebung in Moskau 1988/© Archiv Memorial Moskau, M1_141a
    Zehntausende unterstützten die Unterschriftenaktion zur Gründung von Memorial und die damit verbundene Forderung nach einem angemessenen Gedenken / Foto – Kundgebung in Moskau 1988/© Archiv Memorial Moskau, M1_141a

    Der Gründung voraus gehen mehrmonatige Grabenkämpfe zwischen jenen, die die sowjetische Führung und Staatssicherheitsorgane rechtlich zur Verantwortung ziehen wollen, und anderen, die eine gemäßigtere Linie verfolgen. Die Kommunistische Partei versucht Einfluss zu nehmen, die Ziele von Memorial an sich zu reißen und ergeht sich in Schikanen, wie dem Einfrieren des Spendenkontos. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird der Dachverband 1992 als Memorial International registriert und parallel dazu das Moskauer Menschenrechtszentrum von Memorial gegründet. Das Logo der Memorial-Organisationen ist eine entzündete Kerze zum Andenken an die Opfer der Repressionen.

    Ausstellung „Woche des Gewissens“ in Moskau, November 1998 / Foto © Juri Rost/Archiv Memorial Moskau, M1_1317
    Ausstellung „Woche des Gewissens“ in Moskau, November 1998 / Foto © Juri Rost/Archiv Memorial Moskau, M1_1317

    Aufarbeitung der Vergangenheit

    Im November 1988 wird in einem Moskauer Kulturhaus die sogenannte Woche des Gewissens organisiert, die einen imposanten Auftakt zu einer Vielzahl von Ausstellungsprojekten mit Archivcharakter geben soll. Auf einer meterhohen halbrunden Wand werden Dokumente Repressierter ausgestellt, versehen mit Lebensdaten und persönlichen Notizen. Diese Dokumente erhielt Memorial nach einem Aufruf an die Leserinnen und Leser in der Zeitschrift Ogonjok, in dem es darum ging, der Redaktion Entwürfe für ein Denkmal, persönliche Unterlagen wie Rehabilitationsurkunden oder Fotografien von Opfern der Repressionen aus der eigenen Familie zu übersenden. Die Resonanz, sowohl auf den Aufruf als auch auf die Ausstellung, ist unerwartet groß. Vor dem Einlass bilden sich lange Schlangen. Eine Teilnehmerin erinnert sich, dass diese Art der öffentlichen Darstellung vollkommen neu war: „Eine absolut unglaubliche Euphorie und ein Gefühl, dass sich plötzlich ein Fenster öffnet und frische Luft hereinweht.“2 

    Nicht allein aufgrund seiner Wirksamkeit in der Öffentlichkeit, sondern auch durch gezielte Sammlungstätigkeit überantworten ehemals Repressierte Memorial persönliche Dokumente, die gemeinsam mit Kopien aus staatlichen Archiven und Interviews mit ZeitzeugInnen später den Grundstein für den Aufbau der Archivbestände von Memorial in Moskau legen. Neben den Stalinschen Repressionen dokumentiert das Archiv von Memorial International auch die Geschichte der Dissidentenbewegung nach 1953 sowie das Schicksal von Ostarbeitern und wird von einer Spezialbibliothek flankiert.3 Seine außerordentliche Bedeutung als Russlands unbequemes Gedächtnis ist unbestritten.

    Russlands unbequemes Gedächtnis

    Mit ihrem Fokus auf die Darstellung einzelner Schicksale wird die Woche des Gewissens auch zur Vorreiterin der Aktion Rückgabe der Namen. Jedes Jahr rund um den 30. Oktober, dem offiziellen Gedenktag der Opfer politischer Verfolgung, verlesen Memorial-Mitglieder über viele Stunden hinweg Namen und Lebensdaten Repressierter. In Moskau findet die Aktion vor dem ehemaligen KGB-Gebäude auf dem Lubjanka-Platz statt. An diesem Ort wird am 30. Oktober 1990 der Solowezki-Stein eingeweiht, der zum zentralen Denkmal für die Opfer politischer Repressionen wird. Damit kann Memorial noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine seiner maßgeblichen Forderungen umsetzen. 

    In den folgenden Jahren entstehen viele weitere Gedenkorte. So ist Memorial auch Mitbegründer der Initiative, die am Standort des ehemaligen Straflagers Perm-36 ein Museum für die Geschichte der politischen Repressionen aufgebaut hat. Auch einzelne Orte von Massenerschießungen wie etwa im karelischen Sandarmoch, werden als Erinnerungsorte markiert. Mit der Eröffnung eines Virtuellen Gulag-Museums verlagern sich die Aktivitäten zusätzlich ins Netz.4 

    Die knapp einhundert einzelnen Memorial-Organisationen in Russland und im Ausland (unter anderem in der Ukraine, in Tschechien, Litauen und seit 1993 in Deutschland) realisieren unzählige Ausstellungen, Forschungs- und Archivprojekte und veröffentlichen Hunderte Publikationen. Allen voran die sogenannten Gedenkbücher mit biographischen Angaben Repressierter, die Datenbank Opfer des politischen Terrors in der UdSSR, die über eine Million Personeneinträge beinhaltet, aber auch regelmäßige Zeitschriften und eine Vielzahl an Forschungsliteratur zum Gulagsystem und den Staatssicherheitsorganen. 
    Seit 1999 findet regelmäßig der Geschichtswettbewerb Der Mensch in der Geschichte. Russland im 20. Jahrhundert statt. Schülerinnen und Schüler blicken auf die Geschichte der Repressionen durch das Prisma ihrer eigenen Familiengeschichte oder ihres unmittelbaren Umfelds.5

    Menschenrechtsarbeit

    Von Beginn an steht die Arbeit des Dachverbands Memorial International als auch der regionalen Vereine auf mehreren Standbeinen und wird lokal individuell gewichtet. Dabei setzt man sich nicht nur die historische Aufarbeitung und das Gedenken an die Repressionsopfer zum Ziel. Einzelne Memorial-Abteilungen konzentrieren sich auch auf Menschenrechtsarbeit im klassischen Sinne: Sie bieten sowohl Rechtsbeistand und juristische Konsultationen für Betroffene an und übernehmen außerdem auch die Aufgabe eines Interessenvertreters in gesamtgesellschaftlichen Belangen – wie im Falle der Ausarbeitung der Gesetzgebung zur Rehabilitierung der Opfer. Zudem koordiniert Memorial in vielen Regionen die Arbeit von Ehrenamtlichen, die sich sozial engagieren und ehemalige Repressierte oder deren Angehörige zusätzlich versorgen. Das Menschenrechtszentrum von Memorial beschäftigt sich zudem in seiner Arbeit fortan mit der Menschenrechtslage und seit Beginn der Tschetschenienkriege vorrangig mit den Konflikten und den daraus resultierenden Menschenrechtsverletzungen im Kaukasus, auch nach dem offiziellen Ende der Kriege in der Region

    Gedenken und Menschenrechte im Konflikt 

    Im Verlauf des über dreißigjährigen Bestehens von Memorial wird der Verband mit seinen vielgestaltigen Aktivitäten zu einem der wichtigsten Akteure der russischen Zivilgesellschaft. Er ist wohl auch eine ihrer bekanntesten Stimmen im Ausland. Dabei bildet der Menschrechtsgedanke die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart; die wenig ausgeprägten Hierarchien sowie die lebendige Diskussionskultur sind die Stärke von Memorial. 

    Die Spielräume für Memorial-Organisationen in den einzelnen Regionen sind allerdings oftmals sehr unterschiedlich und von der Ausrichtung der jeweiligen Projekte und dem jeweiligen Zeitpunkt abhängig. Vor allem im Bereich der Menschenrechte im Kaukasus kommt es zu teils brutalen Übergriffen auf AktivistInnen. So wird 2009 Natalja Estemirowa ermordet, Mitarbeiterin von Memorial in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny und enge Kollegin der ebenfalls ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Der Büroleiter des Menschenrechtszentrums von Memorial in Grosny, Ojub Titijew, wird 2018 wegen angeblichen Drogenkaufs und -transportes verhaftet. Das Büro im inguschetischen Nasran wird einige Tage später Ziel eines Brandanschlags. Nicht nur im Kaukasus, sondern punktuell auch in anderen Regionen gerät Memorial unter Druck. Für große Resonanz sorgt unter anderem die Verhaftung und das konstruierte Gerichtsverfahren gegen Juri Dmitrijew in der Republik Karelien. 

    Es ist schließlich jedoch das Agentengesetz, das die Arbeit von Memorial gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer NGOs grundsätzlich auf den Prüfstein stellte. Als das Gesetz  in Reaktion auf die massiven Proteste von 2011/2012 in Kraft tritt, folgen unmittelbar Schmierereien am Sitz der Organisation in Moskau. Zwischen 2014 und 2016 werden mehrere Memorial-Organisationen, darunter das Menschenrechtszentrum von Memorial, Memorial International, aber auch Memorial-Vereinigungen in Jekaterinburg, Sankt Petersburg und Rjasan, als sogenannte „ausländische Agenten“ registriert. Seither müssen sie ihre Veröffentlichungen mit einem entsprechenden Hinweis versehen. Memorial verurteilt diese NGO-Gesetzgebung offen und wird in mehreren Gerichtsprozessen zu hohen Geldstrafen wegen Nichtbeachtung der damit verbundenen Auflagen verurteilt. Diese können jedoch mit Hilfe von Spendenaktionen beglichen werden.

    Als sogenannte „ausländische Agenten“ eingestufte Organisationen müssen ihre Veröffentlichungen mit einem entsprechenden Hinweis versehen. Hier – Schmiererei „ausländischer Agent“ neben dem Eingang des Gebäudes von Memorial in Moskau / Foto © Wassili Schaposchniko/Kommersant
    Als sogenannte „ausländische Agenten“ eingestufte Organisationen müssen ihre Veröffentlichungen mit einem entsprechenden Hinweis versehen. Hier – Schmiererei „ausländischer Agent“ neben dem Eingang des Gebäudes von Memorial in Moskau / Foto © Wassili Schaposchniko/Kommersant

    Am 11. November 2021 schließlich geht bei Memorial International die Klage der russischen Generalstaatsanwaltschaft ein. Diese fordert mit dem Vorwurf, gegen die Agentengesetzgebung zu verstoßen, die Organisation aufzulösen. Parallel dazu wird dem Menschenrechtszentrum von Memorial eine gleichlautende Klage zugestellt. Die Klagen gegen beide Organisationen mobilisieren viele UnterstützerInnen im In- und Ausland, die sich mit zahlreichen Aufrufen, Petitionsschriften sowie an der von Memorial gestarteten Kampagne #MeMemorial / #МыМемориал beteiligen. 

    Doch was sind die Motive dahinter: Geht es in einem zunehmend repressiven Klima darum, einen weiteren unabhängigen Akteur zu kontrollieren, auszuschalten? Geht es darum, die Deutungsmacht über die Geschichte zu erlangen (der Journalist Oleg Kaschin spricht von einer „Bestrafung des historischen Erinnerns“) – und damit auch um einen Shift in der offiziellen Geschichtspolitik, in der kritische Nischen bislang noch einen Platz hatten? Geht es beim Vorgehen um die international bekannte Organisation nicht nur um ein Signal nach innen, sondern nach außen, an den Westen – wie es etwa Maxim Trudoljubow und auch Memorial-Mitbegründerin Irina Schtscherbakowa vermuten? Spielt all dies zusammen? Darüber lässt sich nur mutmaßen. Irina Schtscherbakowa geht im Podcast von Memorial Deutschland jedoch davon aus: „Das ist keine juristische, sondern eine politische Entscheidung von ganz oben.“ 

    Am 28. Dezember 2021 hat das Oberste Gericht in Moskau die Auflösung von Memorial International angeordnet, mit der abgewiesenen Berufung wurde sie zwei Monate später besiegelt.


    1. Lezina, Evgenija (2014): Memorial und seine Geschichte: Russlands historisches Gedächtnis, in: Osteuropa 64 (2014), 11/12, S.165-176, hier S. 171; zur Entstehungsgeschichte von Memorial siehe ebenfalls Smith, Kathleen (1996): Remembering Stalin’s Victims: Popular Memory and the End of the USSR, Ithaca/London; Adler, Nancy (1993): Victims of Soviet Terror: The Story of Memorial Movement, London; Fein, Elke (2000): Geschichtspolitik in Rußland: Chancen und Schwierigkeiten einer demokratischen Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit am Beispiel der Tätigkeit der Gesellschaft MEMORIAL, Hamburg; Heinrich Böll Stiftung (Hrsg., 1990): Memorial. Aufklärung der Geschichte und Gestaltung der Zukunft, Köln ­­ ↩︎
    2. urokiistorii.ru: «Moi – zdes’» ↩︎
    3. vgl. Memorial (Hrsg., 2007): The Memorial Society Archive, Moskau. Auch Memorial St. Petersburg (Fond Iofe) verfügt über ein umfassendes Archiv. ↩︎
    4. gulagmuseum.org: Virtual’nyj muzej gulaga ↩︎
    5. urokiistorii.ru: Glavnaja ↩︎

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  • Liquidierung des Gedenkens

    Liquidierung des Gedenkens

    „Ein Schock“ – so reagiert die deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation Memorial auf die Nachricht vom Donnerstag, 11. November: Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat an diesem Tag die Auflösung der NGO gefordert, die Verhandlung ist für den 25. November angesetzt, wie die Menschenrechtsorganisation auf ihrer Seite berichtet. 

    Memorial macht sich seit der Perestroika vor allem auch für eine Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit stark. Die NGO ist regelmäßig Ziel von Einschüchterungs- und Behinderungsversuchen seitens der russischen Behörden. Seit 2014 steht das Menschenrechtszentrum von Memorial auf der Liste der sogenannten „ausländischen Agenten“. 2016 bekam auch die gesamte Organisation das Stigma angeheftet.  

    Für Oleg Kaschin sind das alles keine Einzelfälle mehr, sondern Episoden einer regelrechten Vernichtungskampagne. Wie auch für zahlreiche andere Beobachter ist die Logik dahinter für Kaschin „klar und nachvollziehbar“: Der Kreml strebe nach einem Monopol der Erinnerungskultur, Konkurrenten auszuschalten gehöre da einfach dazu. Warum Säuberungen auf dem Feld der Erinnerungskultur aber nicht funktionieren können – das zeigt der Journalist auf Republic.   

    Die drohende Liquidierung von Memorial fällt aus dem Rahmen der sonstigen staatlichen Attacken auf gesellschaftliche Institutionen und wirkt beispiellos und einzigartig; für den Staat verständlich ausgedrückt hieße das: Genauso gut hätte man eine altehrwürdige Kirche abreißen, ein ewiges Feuer löschen oder ein Grab schänden können. Alle bisherigen Pogromaktionen gegen politische und gemeinnützige Organisationen, Medienredaktionen, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen gingen – so schmerzvoll sie auch gewesen sein mögen – nicht über das unmittelbare Verhältnis zwischen dem Staat und denjenigen hinaus, die nicht gefallen. Aber hier kommt nun außer dem Staat und denjenigen, die er zerstört, noch ein drittes Subjekt hinzu – ein körperloses, ätherisches, und trotzdem äußerst auffälliges, markantes. 

    Es geht um die Strafe für historisches Erinnern

    In diesem neuen Kapitel geht es um die die Bestrafung des historischen Erinnerns. Natürlich ist da noch der Aspekt unserer ewigen verfluchten Unsicherheit: Theoretisch wäre es denkbar, dass irgendein glubschäugiger Beamter, der den Kontext nicht kapiert, auf seinem Zettelchen gelesen hat, dass da irgendwelche Menschenrechtler gegen die Auflagen für „ausländische Agenten“ verstoßen, eine Resolution verhängt, und der seelenlose Mechanismus setzt sich seelenlos knarzend in Bewegung. Doch die Wahrscheinlichkeit einer solchen Erklärung ist zugegebenermaßen verschwindend gering, und die Rede ist eben nicht von einem seelenlosen Mechanismus, sondern von Menschen aus Fleisch und Blut, die alles verstehen, die einen Kopf und ein Herz und Hände haben (und zwar einen kühlen, ein warmes und saubere, wie es im Märchenbuch dieses Berufsstandes gleich zu Anfang heißt). Und eine Seele haben sie auch – nur dass sie schwarz ist, wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt.

    Jede einzelne Episode des Drucks auf Memorial ließe sich als ein Einzelfall beschreiben: Der Fall Ojub Titijew in Grosny – klar, Tschetschenien, Kadyrow rechnet mit seinen Feinden ab. Der Fall Juri Dmitrijew in Karelien – auch klar, hier geht es um Dmitrijew selbst, vielleicht sind hier persönliche Rechnungen offen, vielleicht gibt es ja wirklich keinen Rauch ohne Feuer, jedenfalls ein Einzelfall, kein System. Auch als Ljudmila Ulitzkaja Brillantgrün ins Gesicht gespritzt wurde, ließ sich das erklären: Der Kreml hat sich im Spiel mit den Gopniki vergessen, mit ihnen gemeinsame Sache gemacht, Putin war außer sich vor Zorn, als er davon hörte, jetzt kriegt man jemanden dran und damit hat sich die Sache. Kürzlich dann der Skandal, als der Film Gareth Jones gezeigt wurde (die Entscheidung über die Liquidierung von Memorial lag da vermutlich bereits auf irgendeinem Schreibtisch und wartete darauf, abgesegnet zu werden) – selbst dieser Vorfall, als Halbstarke den Saal stürmten, in Begleitung eines Fernsehteams von NTW und der Polizei, die die Tür mit Handschellen versperrte und die Personalien aufnahm – selbst dieser Unsinn ging nicht über die mittlerweile zur Gewohnheit gewordenen „lokalen Auswüchse“ hinaus. 

    Als das Oberste Gericht vor sieben Jahren bereits einmal einen Antrag auf die Liquidierung von Memorial prüfte, erklärte der damalige Leiter Arseni Roginski, ein Dissident mit noch sowjetischer Prägung, das sei kein großes Drama – es gebe viele Projekte, viele juristische Personen, das Ökosystem sei riesig und es sei wohl kaum jemand in der Lage, es vollends zu zerstören. Jetzt ist Roginski nicht mehr da, er ist gestorben, und gestorben sind auch die Zweifel, was die Kräfte und Möglichkeiten des Gegners angeht – längst ist klar, dass es keine Festungen gibt, die diese Leute nicht einnehmen könnten. Der Liquidierungsantrag der Staatsanwaltschaft an das Oberste Gericht verbindet alle bisherigen Auswüchse zu einer einzigen großen Vernichtungsoperation. Das war auch so klar, aber jetzt ist es offiziell bestätigt.

    Denn hinter ihren Rücken hervor blickt in eure Tschekisten-Augen die größte Tragödie des Volkes …

    Wir wollen das Verhältnis zwischen den Erben des NKWD und den Erben seiner Opfer nicht einfacher machen, als es ist. Natürlich schüttelt es unsere Staatssicherheit, wenn sie das Wort „Menschenrechtler“ nur hört. Das war schon Mitte der 1990er Jahre so, und der durchschnittliche russische Silowik wird dir, wenn du ihn fragst, voller Überzeugung erzählen, wie Sergej Adamowitsch Kowaljow (Vorsitzender von Memorial in den 1990er Jahren) unseren Jungs in Tschetschenien in den Rücken geschossen hat. Seit dem Krieg ist die Liste der Vorwürfe eines durchschnittlichen Silowik oder eines durchschnittlich Loyalisten oder Patrioten gegen Memorial um weit mehr als einen Punkt gewachsen: die LGBT-Frage, der Georgienkrieg, der Donbass und vieles andere mehr. Ja sogar der Film, dessen Vorführung im Memorial-Büro vor sechs Wochen gesprengt wurde, war ein polnischer Film über den Holodomor in der Ukraine, den das offizielle Russland bestreitet. Schaut man also durch ein Fenster in der Lubjanka oder im Kreml auf Memorial, sieht man da eine echt feindliche Organisation.

    Ein echter Feind in allen Belangen, und vermutlich hätten sie ihn schon 1999 oder sagen wir Mitte der 2000er ausgeschaltet, so wie Lew Ponomarjows NGO Sa prawa tscheloweka [dt. Für Menschenrechte] oder Limonows Partei oder die ganzen anderen. Aber irgendetwas hielt sie davon ab, und wir verstehen auch, was: die in der Erde verscharrten Knochen, der Solowezki-Stein, die verrottenden Lagertürme in der Tundra und in den Wäldern, die Maske der Trauer in Magadan, der Butowski Poligon und die Kommunarka. Ja sogar Solschenizyn und Ljudmila Alexejewa, die sie mit Sicherheit auch verachtet und gehasst haben, aber tief in eurem Inneren habt ihr gespürt, dass man ihnen nicht feindlich gegenüberstehen darf – denn hinter ihren Rücken hervor blickt in eure Tschekisten-Augen die größte Tragödie des Volkes, dessen Führung euch nun zugefallen ist und die ihr immer noch, gelinde gesagt, ein wenig fürchtet. Deshalb habt ihr Denkmäler und Museen eingeweiht, und Neumärtyrer-Kirchen, und deshalb habt ihr es ertragen, musstet es ertragen, habt Memorial ertragen, seine euch unangenehme Positionen bis hin zur LGBT-Frage. Habt es ertragen, doch nun ist Schluss. Gesunken, ja, gefallen ist die psychische Hemmschwelle. Gestern durfte man nicht, aber heute darf man. Habt ihr vielleicht kapiert, dass Ljudmila Alexejewa nicht mehr bei euch anrufen wird.

    Die russische Staatsmacht macht keinen Hehl daraus, dass sie die einzige Quelle historischen Erinnerns sein will

    Und, ja, Gareth Jones wird nun nicht mehr gezeigt werden, und womöglich ist das total egal, aber bald wird auch die Website gesperrt sein, der die Menschen alljährlich Ende Oktober die Namen der Toten entnehmen, um sie am Solowezki-Stein vorzulesen, und dann werden eines Tages Forscher der Russischen Militärhistorischen Gesellschaft den Beweis erbringen, dass die Deutschen im Herbst 1941 bis zur Kommunarka vorgedrungen sind, und dort in den Gräben in Wirklichkeit sowjetische Partisanen liegen (und das ist gar nicht mal unbedingt eine Metapher – wie wir wissen, ist es mit Sandarmoch im Fall Dmitrijew fast genauso passiert).

    Vernichtet wird ein historisches Institut, das noch von Andrej Sacharow gegründet wurde

    Die russische Staatsmacht macht keinen Hehl daraus, dass sie die einzige Quelle historischen Erinnerns sein will. Memorial & Co sind für sie seit einiger Zeit nicht bloß Gegenspieler, sondern Rivalen. Rivalen, mit denen man bei Gelegenheit bis zur Vernichtung kämpft. Die Logik ist klar und nachvollziehbar. Aber dennoch – Erinnern ist kein Marktplatz, es ist Metaphysik, und auf diesem Spielfeld mit den Methoden klassischer staatlicher Säuberungen vorzugehen ist gefährlich und unberechenbar. Indem sie sich Memorial entledigen, entwerten sie auch die eigene Version der Geschichte – keinen Groschen ist sie wert, wenn man für ihre Untermauerung ein ganzes historisches Institut vernichten muss, das übrigens noch von Andrej Sacharow begründet wurde.

    Aber selbst Sacharow ist bei denen jetzt nur noch der Erfinder der Wasserstoffbombe und dreifacher Held der sozialistischen Arbeit.

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    „Sie wollen mich einfach zum Schweigen bringen“

    Folter und Gewalt in Russlands Gefängnissen sind ein offenes Geheimnis – immer wieder drangen Augenzeugenberichte darüber an die Öffentlichkeit. Auch Olga Romanowa, Leiterin der Gefangenen-Hilfsorganisation Rus Sidjaschtschaja, weist seit Jahren darauf hin, dass das russische Gefängniswesen systematisch darauf ausgerichtet sei, Menschen zu brechen. Dem ehemaligen Häftling Sergej Saweljew ist es nun gelungen, ein großes Archiv an Daten, die Foltervideos aus russischen Gefängnissen enthalten, aus dem Knast zu schmuggeln. Das Material zeugt von einem systematischen Folternetzwerk in mehreren russischen Gefängnissen. Saweljew wandte sich damit an den Menschenrechtler Wladimir Ossetschkin, der einzelne Videos auf seiner Plattform Gulagu.net veröffentlichte, benannt nach dem stalinistischen Lagersystem
    Die explizite Gewalt auf den Videos erschütterte viele. Doch obwohl sich auch Russlands Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa erschüttert zeigte und Sergej Saweljew für seinen Mut lobte, wurde der Ex-Häftling zur Fahndung ausgeschrieben und Haftbefehl gegen ihn erlassen. Er ersucht derzeit politisches Asyl in Frankreich. 

    Meduza hat Sergej Saweljew interviewt und mit ihm darüber gesprochen, inwiefern er selbst Opfer von Gefängnisfolter wurde, wie er an das Material kam – und warum die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

    Andrej Sarafimow/Meduza: Sagen Sie ein paar Worte über sich. Wie alt sind Sie, und wo kommen Sie her?

    Sergej Saweljew: Ich bin 31. Ich bin aus Belarus, geboren wurde ich in Minsk. Dort habe ich auch den Großteil meines Lebens verbracht. 

    Warum haben Sie sich nach der Veröffentlichung der Foltervideos dafür entschieden, Ihre Identität preiszugeben?

    Dem Geheimdienst ist meine Identität sowieso bekannt. Nur die Öffentlichkeit wusste nicht, wer ich bin. Der Geheimdienst hatte mich längst ausfindig gemacht, also machte es keinen Sinn mehr [meinen Namen geheim zu halten]. Das genaue Datum weiß ich nicht, aber ich bin mir sicher, dass sie seit einigen Monaten wissen, wer ich bin. 

    Wie würden Sie beschreiben, was auf den Videos zu sehen ist?

    Die „Aktivisten“ – so nennt man die anderen Häftlinge im Tuberkulose-Gefängniskrankenhaus OTB-1 in Saratow – können sich jeden Mithäftling vornehmen, den die Leitung rauspickt. Dann bringen sie ihn in die Folterkammer und foltern ihn auf jede erdenkliche Weise. Angefangen bei banalen Schlägen und Erniedrigungen bis hin zu krassen Formen sexueller Gewalt. Sie können einem Menschen antun, was sie wollen.

    Wer entscheidet, welcher Häftling gefoltert wird?

    Verschiedene Leute in leitenden Positionen in und außerhalb der jeweiligen Einrichtung. Ich bin mir sicher, dass die Spuren noch viel höher führen: bis hin zu den Leitern des FSIN [Strafvollzugsbehörde] und des FSB. 

    Sie können einem Menschen antun, was sie wollen

    Manche Entscheidungen wurden wahrscheinlich auch vor Ort getroffen. Aber in den meisten Fällen kamen die Anweisungen von oben.

    Wofür brauchen die FSIN-Beamten die Folter? Was sind deren Ziele?

    Die Ziele können sehr unterschiedlich sein. Angefangen bei banaler Bestrafung wegen Verstößen oder Ungehorsam bis hin zu Erpressung. Manchmal setzen sie Folter ein, um das Opfer später zu Falschaussagen gegen jemand anderen zu zwingen.

    Auch Rache auf Bestellung von oben ist nicht ausgeschlossen.

    Und werden die Ziele mittels Folter erreicht?

    Das Ganze passiert ja nicht seit einem Jahr, es hat System in den Behörden, also sind sie [die FSIN-Beamten] mit den Ergebnissen offenbar zufrieden.

    Sie sagten, Sie hätten den Großteil Ihres Lebens in Minsk verbracht. Wann und wie sind Sie nach Russland gekommen?

    Das war 2013. Ein Bekannter hat mir einen Job angeboten. So bin ich in der Oblast Krasnodar gelandet und bin dort nicht mehr weggekommen. Ich wurde von Spezialeinheiten festgenommen, genauer gesagt vom FSB. Man beschuldigte mich, einen Drogendeal vorzubereiten.

    Es geht darum, den Widerstand, den Willen zu brechen. Darum, einem Menschen zu zeigen, dass er keinerlei Rechte hat

    Bei der Festnahme habe ich zum ersten Mal Gewalt durch die Silowiki erlebt. Das hat natürlich Spuren fürs ganze Leben hinterlassen. Ich bin noch nie derart brutal, derart heftig und derart krass zusammengeschlagen worden. Die Schläge dauerten den ganzen Tag. Zehn Leute haben auf mich eingeprügelt. Alle maskiert und mit Waffen.

    Wollten sie ein Geständnis erzwingen?

    Es geht eher darum, den Widerstand, den Willen zu brechen. Darum, einem Menschen zu zeigen, dass er keinerlei Rechte hat. „Wir machen alles, was wir wollen, und uns wird nichts passieren“.

    Wie kam es, dass Sie vom FSB festgenommen wurden?

    Ehrlich gesagt, drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Sache von Vorneherein geplant war. Zu dieser Zeit [Saweljew wurde 2013 verhaftet – Anm. Meduza] war ja eigentlich die Drogenfahndung für solche Delikte zuständig, und doch hat der FSB die Angelegenheit übernommen. Das gibt mir zu denken.

    Was ist im Untersuchungsgefängnis passiert?

    In den ersten zwei Monaten wurde ich ungefähr einmal die Woche verprügelt. Das diente jetzt nicht mehr dazu, ein Geständnis aus mir rauszuprügeln, sondern damit ich die Protokolle unterschreibe, die sie zusammenstellen, ich leistete gar nicht groß Widerstand. [Das haben sie gemacht] damit ich nicht gegen die Ermittler aufmucke und nicht gegen den Strom schwimme. Als die Ermittlungen abgeschlossen waren, wurden die Akten dem Gericht übergeben und ich wurde ins Untersuchungsgefängnis Nr. 3 in Noworossisk verlegt. 

    Wie unterschied sich das vom vorherigen Untersuchungsgefängnis des FSB?

    Der Verwaltung dort war alles egal, die haben sich um gar nichts gekümmert. Ich war mit genau den Dingen konfrontiert, von denen ich schon unzählige Male gehört hatte: Ein russisches Untersuchungsgefängnis bedeutet null Hygiene, überfüllte Zellen, keine Sanitäranlagen. Absolut menschenunwürdige Verhältnisse. Wir waren mit 26 Leuten in einer Zelle für 12. Geschlafen haben wir dann abwechselnd, in zwei oder sogar drei Schichten. Die Rohre sind undicht, der Betonboden platzt auf, der Putz bröckelt von der Decke, es gibt riesige Kakerlaken.

    Ein russisches Untersuchungsgefängnis bedeutet null Hygiene, überfüllte Zellen, keine Sanitäranlagen

    Der Gerichtsprozess dauerte fast anderthalb Jahre und hatte eher was von einer Vorlesung. Ich wurde einfach zum Gericht gebracht und durfte mir dort die Geschichte [die Verfahrensdetails] anhören, die die FSB-Ermittler aufgeschrieben hatten. Seite für Seite. Und dann wurde die Sitzung vertagt, weil die Ermittler nämlich sehr viel geschrieben hatten. Fast ein ganzes Buch. Eine richtige Lesung war das.

    Am Ende stand das Urteil [neun Jahre Straflager]. Nach der Urteilsverkündung wurde ich in die Oblast Saratow verlegt, wo ich die Haftstrafe verbüßen sollte. Als erstes kam ich in die Besserungsarbeitskolonie IK-10 und blieb dort ungefähr ein halbes Jahr.

    Nach der Verlegung dorthin kamen wir in Quarantäne. Am ersten Abend wurden wir heftig geschlagen – sowohl von Mithäftlingen, den sogenannten Aktivisten, als auch von den Beamten.

    Wie kamen Sie dann ins OTB-1?

    Nach einem Lungenröntgen wurde mir gesagt, es gebe Auffälligkeiten, die abgeklärt werden müssten. Verdacht auf Tuberkulose. Dafür müsste ich in ein Spezialkrankenhaus, ins OTB-1 eben. So sind die Regeln – ob man will oder nicht, man muss hin. Unter dem Vorwand können sie jeden Häftling aus jeder beliebigen Haftanstalt verlegen. Man kann die Verlegung [ins Krankenhaus] nicht verweigern.

    Über das OTB-1 wissen natürlich alle Bescheid. Jeder weiß, was für ein furchtbarer Ort das ist und dass man besser nicht krank werden sollte. Ich weiß von Fällen, bei denen sich Leute aus Protest aufgeschlitzt [die Pulsadern aufgeschnitten] haben: „Ich weiß, was die da drin mit mir machen, da fahre ich nicht hin.“

    Jeder weiß, was für ein furchtbarer Ort das Gefängniskrankenhaus ist und dass man besser nicht krank werden sollte

    Als mir gesagt wurde, dass ich ins OTB muss, fühlte ich Angst und Ausweglosigkeit. Allerdings wurde ich bei der Ankunft im OTB nicht geschlagen. 

    Ein paar Tage nachdem festgestellt wurde, dass ich gesund war, kam jemand von der Sicherheitsabteilung zu mir. Er sagte, sie hätten eine Stelle frei und suchten jemanden, der Grundkenntnisse im Umgang mit Computern hat. Word, Excel, Photoshop – solche Sachen. Das konnte ich. Also fing ich am dritten oder vierten Tag an, in der Sicherheitsabteilung vom Krankenhaus zu arbeiten. Und ein Posten in der Sicherheitsabteilung ist nicht irgendwas, so jemanden schlägt und foltert man nicht. Das ist keine schlechte Position.

    Wann bekamen Sie zum ersten Mal Folterszenen zu Gesicht?

    Die ersten zwei Jahre hatte ich keinen Zugang zu solchen Dingen. Man hat mich überprüft und genau beobachtet: Mit wem ich Umgang habe, was ich mache. Alle möglichen Leute haben mich getestet, ob ich Geheimnisse für mich behalten kann. Erst später, als ich mir ein gewisses Vertrauen verdient hatte … 

    Solche Aufnahmen entstehen nicht zufällig. Es wird alles vorbereitet. Das [die Folter] sind geplante Aktionen. [Die Videos] drehen nicht die Mitarbeiter. Erst gibt es einen Befehl von der Krankenhausleitung oder von der Leitung der Sicherheitsabteilung: „Heute kommt Häftling soundso zu dir, gib ihm eine aufgeladene Kamera mit leerem Speicher. Später zeigst du mir, was er gefilmt hat.“ 

    Solche Aufnahmen entstehen nicht zufällig. Es wird alles vorbereitet

    Der Häftling kommt, ich gebe ihm die Kamera. Er geht zum Spezialeinsatz [Folter], kommt zurück, gibt mir die Kamera wieder. Ich ziehe die Files auf den PC, überprüfe, ob sich alle öffnen lassen, und gebe sie der Verwaltung. Danach wird mir gesagt, was ich damit machen soll. Entweder: „Zieh sie mir auf nen Stick“ oder: „Lösch alles, damit nichts auf dem Computer bleibt“. 

    Gehörten die Geräte den Mitarbeitern?

    Die Kameras waren alle erfasst, die gehören zum Bestand der Sicherheitsabteilung. Die Anzahl ist so ausgelegt, dass es genug für alle Mitarbeiter und noch ein paar in Reserve gibt. Ich musste also keinen Mitarbeitern hinterherrennen, um einem Aktivisten eine Kamera zu geben. Es war immer eine gewisse Zahl vorhanden, über die ich frei verfügen konnte. 

    Warum mussten die FSIN-Beamten überhaupt einen Häftling einstellen, der dann auch noch Zugang zu solchen sensiblen Daten hatte?

    Wahrscheinlich wollten sie das selbst nicht anschauen, und irgendwer musste es tun. Wenigstens überprüfen, ob sich die Files öffnen lassen. Überhaupt wird ein Großteil der Arbeit an Häftlinge übertragen, das ist nichts Besonderes. Aus Faulheit, Unprofessionalität, Selbstgefälligkeit. 

    Ein Teil der Videos wurde auf USB-Sticks weitergegeben. Welche Videos gingen an die Leute „oben“?

    Ich muss dazusagen, dass nichts auf den PCs bleiben durfte. Diese Dinge waren grundsätzlich nicht dazu gedacht, dass man sie in den Behörden aufbewahrt. 

    Überhaupt wird ein Großteil der Arbeit an Häftlinge übertragen, das ist nichts Besonderes. Aus Faulheit, Unprofessionalität, Selbstgefälligkeit

    Was nach oben weitergegeben wurde, kam auf einen Stick und wurde weggebracht – als Bestätigung, dass die Spezialmaßnahmen durchgeführt worden waren. Als Material für spätere Erpressung. Als Garantie, dass ein Mensch tut, was man von ihm verlangt. 

    Wie genau haben Sie das Archiv herausgeschmuggelt? Auf einem Datenträger?

    Ja. Ich habe in den letzten Jahren [die gesamten Informationen] kopiert, vervielfältigt, gesammelt und versteckt. Dort [im Straflager] gab es kein Internet oder andere Möglichkeiten, Daten zu übermitteln. Dafür gab es nur einen einzigen Weg [auf Datenträgern]. Und davon gab es genug, die kamen überall zum Einsatz. Bei meiner Freilassung war die größte Herausforderung, sie rauszuschmuggeln. 

    In dem Archiv sind auch Videos aus anderen Regionen. Da ist die Rede von den Oblasten Wladimir, Saratow, Irkutsk. Wo kommen diese Videos her?

    Die FSIN-Behörden müssen zusammenarbeiten und Informationen austauschen, zumindest bei den Akten. Dafür braucht es ein lokales Netzwerk. Wenn man an einer Stelle Zugang zum Netzwerk der Behörde hat, kommt man auch in die anderen rein. 

    Wie funktioniert das Netzwerk, aus dem Sie die Videos der anderen Regionen hatten? Das hieße ja, dass andere Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung die Videos nicht gelöscht haben?

    Sieht so aus. Ich möchte die technischen Abläufe ungern offenlegen. Denn gerade machen ja viele Leute in den Straflagern genau das, was ich gemacht habe. Wenn ich jetzt alles erzähle, könnten die Geheimdienste ihnen den Weg versperren. Ich muss die Prozesse und Algorithmen für die Leute offenhalten, die sich dafür entschieden haben, mir auf diesem Weg zu folgen.

    Glauben Sie nicht, dass die Wege längst bekannt sind? 

    Soweit ich weiß, ist der FSIN eine sehr schwerfällige Maschine. Vor allem was die technische Entwicklung betrifft. Deswegen werden sie einige Zeit brauchen, um die Abläufe zu verstehen und zu unterbinden. Ich schätze, wir haben noch ein bisschen Zeit. 

    Sie sprachen von Misshandlungen im Untersuchungsgefängnis, im Straflager und im Krankenhaus. Wurden diese Einrichtungen nicht wenigstens einmal von einer Kommission zur Überwachung der Rechte von Gefangenen aufgesucht? 

    Doch, natürlich, mehrfach. Die kommen ständig – Überwachungskommissionen, die Staatsanwaltschaft.

    Aber das ist alles Show. Sie werden von Mitarbeitern der Haftanstalt herumgeführt, von irgendwem von oben. Die Lagermitarbeiter zeigen ihnen, was sie ihnen zeigen wollen. „Schauen Sie, unsere renovierte Banja!“ – „Ja, toll! Es sind großartige Verhältnisse!“, sagen dann angeheuerte Häftlinge, denen man später Fragen stellt, um ein Häkchen im Bericht zu machen: „15 Personen wurden befragt. Keine Beschwerden über die Verhältnisse. Alles toll und super.“

    Hat sich nie jemand bei der Kommission über Folter beschwert?

    Soweit ich weiß, nicht. Es gab nie eine Untersuchung oder irgendein Verfahren. Nicht dass ich wüsste. 

    Hatten Sie Zweifel, ob Sie die Videos aus dem Archiv veröffentlichen sollen?

    Nein, hatte ich nicht. Ich habe im Februar 2021 Kontakt zu Wladimir Ossetschkin [dem Gründer von Gulagu.net] aufgenommen. Wir haben uns geschrieben. Zu dem Zeitpunkt wusste ich schon, dass er einer der führenden Menschenrechtler ist, die keine Angst haben, die Wahrheit zu sagen, und nicht von Politikern oder Silowiki abhängen. Er hatte über Folter und Machtmissbrauch berichtet, und das schonungslos und effektiv. 

    Haben Sie sofort beschlossen, Russland zu verlassen?

    Nach meiner Freilassung bin ich einfach nach Hause [nach Belarus] gefahren. Das ging problemlos, ich bin erstmal bei Verwandten untergekommen, habe allen Papierkram erledigt und mir einen Job gesucht. Ich habe ein ganz normales Leben geführt, und eben auch mit Gulagu.net zusammengearbeitet. Wenn ich mich nicht irre, kamen im März die ersten Veröffentlichungen, die auf meinen Materialien basierten. 

    Was passierte danach? Soweit ich weiß, hatten Sie am Flughafen in Sankt Petersburg eine Begegnung mit gewissen „Mitarbeitern“.

    Ich bin am 24. September 2021 von Minsk nach Nowosibirsk geflogen, um Freunde zu besuchen. Es gab einen Zwischenstopp in Pulkowo. Dort wurde ich am Schalter von Polizisten und einigen Leuten in zivil aufgehalten. Sie haben mich in ein Büro gebracht und mehrere Stunden verhört. 

    Haben sie sich vorgestellt?

    Natürlich nicht. Sie haben sofort gesagt, sie wüssten über alles Bescheid: dass ich Material an Gulagu.net liefere. Sie meinten, das wäre mindestens Verrat von Staatsgeheimnissen. „Du wanderst in den Knast und ein Jahr später erhängst du dich da drin, weil du den FSIN in Verruf gebracht hast“.

    Gab es das Angebot, zu kooperieren?

    Ja, es hieß, wenn ich kooperieren würde, könnten die Dinge anders laufen. Zwei Möglichkeiten. Die erste: Ich kooperiere, gebe ihnen das gesamte Archiv, arbeite mit ihnen zusammen gegen Ossetschkin und gehe für vier Jahre wegen Verrat von Staatsgeheimnissen in den Knast. Oder: Ich versuche unterzutauchen, Beschwerde einzureichen und werde wegen Spionage verurteilt – da liegen die Haftstrafen dann schon bei zehn bis 20 Jahren.  

    Sie haben ein Protokoll erstellt, in dem ich quasi gegen Ossetschkin aussage. Sie wollten sein Projekt [Gulagu.net] unbedingt diskreditieren und seine Arbeit in Verruf bringen. Ich musste unterschreiben. Sie sollten ja glauben, dass ich kooperiere. 

    Der FSIN wollte auch das ganze Archiv von Ihnen. Wann war das?

    Das war auch da, in Pulkowo. Das interessierte sie am meisten. Es interessierte sie überhaupt nicht, was in dem Archiv enthalten war, welche furchtbaren Aufnahmen, wie viele Menschen brutal gefoltert wurden, wer die Befehle erteilt, wer gefoltert hat. Das Einzige, was die wollten, war den Datenfluss zu unterbinden. Und mir das Maul zu stopfen.

    Haben Sie ihnen irgendwelche Daten überlassen?

    Ich wurde sehr gründlich durchsucht, sie wollten meinen Laptop, USB-Sticks, Festplatten. Aber ich hatte das Archiv nicht bei mir.

    Russia Today berichtete mit Verweis auf eine Quelle beim Geheimdienst, Sie hätten das Archiv für 2000 Dollar an Menschenrechtler verkauft, das Geld sei über Yandex.Money geflossen. Stimmt das?

    Ehrlich gesagt, hätte das passieren können, hätte ich Yandex.Money. Ich weiß nicht, wie die auf Yandex.Money kommen. Selbstverständlich habe ich die Daten nicht verkauft. Aber materielle Hilfe [von Menschenrechtlern] gab es. Ich habe viele Jahre im Gefängnis verbracht und eine kolossale Datenmenge gesammelt, das alles musste systematisiert und archiviert werden. Als ich das Land verlassen musste, gab es Überweisungen, um die Ausreise zu organisieren.

    Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie in Frankreich angekommen sind?

    Als ich in Frankreich war und mich an die Behörden gewandt hatte, konnte ich endlich aufatmen und mich beruhigen, mich ein bisschen regenerieren. Die Flucht war natürlich schwer für mich. 

    Seit heute [das Interview fand am 23. Oktober 2021 statt] ist bekannt, dass Sie zur Fahndung ausgeschrieben wurden.

    Das ist keine große Überraschung, vielmehr … ist es traurig. Es ist traurig, dass sie immer noch versuchen, mich zum Schweigen zu bringen, anstatt grobe Menschenrechtsverstöße aufzuklären, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und die Energie in Untersuchungen und Ermittlungen zu stecken. Aber egal welche Anklage sie gegen mich erfinden – die russische Gesellschaft und die Weltöffentlichkeit wissen, worum es in Wirklichkeit geht.

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  • Heiliger Bimbam

    Heiliger Bimbam

    Ein Mädchen kniet vor einem Mann, er blickt in die Kamera, sie kehrt dem Betrachter den Rücken zu, gut sichtbar auf ihrer Jacke die Aufschrift „Polizija“. Das Bild soll Oralsex imitieren. Nachdem es im Internet veröffentlicht worden war, wurden beide festgenommen: Der Blogger Ruslan Bobijew und seine Freundin Anastasia Tschistowa. Gegen beide wurde schließlich ein Strafverfahren wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ eingeleitet. Denn links im Hintergrund des Bildes gut sichtbar ist die Kathedrale auf dem Moskauer Roten Platz (die inzwischen übrigens hauptsächlich als Museum dient, nur ab und zu finden Gottesdienste statt). Ein Moskauer Bezirksgericht verurteilte den Blogger Ruslan Bobijew und seine Freundin Anastasia Tschistowa schließlich zu 10 Monaten Haft. Zudem, so berichtet die NGO OWD-Info, soll Bobijew nach Verbüßung der Haftstrafe nach Tadshikistan abgeschoben werden. 

    Nur kurz darauf musste das Instagram-Model Irina Wolkowa in Sankt Petersburg in einer Anhörung vor Gericht aussagen – sie hatte auf einem inzwischen gelöschten Post im Stringtanga vor der Petersburger Isaakskathedrale posiert, sie kniete am Boden, rechts neben ihr blickte ein Mann in die Kamera, der der Kirche den Rücken zukehrte. Wolkowa wurde ebenfalls wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ angeklagt, ihr droht eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.  

    Nun kann man darüber streiten, wie geschmackvoll solche Fotos sind, meint Kirill Martynow in der Novaya Gazeta – aber inwiefern verletzen sie tatsächlich religiöse Gefühle? Und was steckt eigentlich hinter einer solchen Anklage?

    Mit dem Fall Bobijew-Tschistowa wird ein Exempel statuiert. Er steht für die Tendenz der willkürlichen Sakralisierung des öffentlichen Raums – und zwar da, wo dies der Staatsmacht nützt. 

    Im städtischen Alltag entstehen so etwas wie „Zonen“ und „Radien“ des Göttlichen, die in keinem Gesetz erfasst sind, aber nach den unausgesprochenen Regeln der Russischen Föderation ihre Rechte einfordern. 
    Religiöse Gefühle überlagern sich mit dem „Stolz der Uniform“, sakrale Bauten mit der Präsenz eines polizeilichen Geistes, der Schlagstock mit dem Kreuz. Sie unterstützen einander bei der Urteilsfindung und schaffen Präzedenzfälle für die Sakralisierung der Macht. 

    Zeitgleich posiert TV-Moderatorin Olga Busowa auf dem Balkon ihres Hotels in Wolgograd im Badeanzug. Im Bildhintergrund zu sehen ist die Alexander-Newski-Kathedrale, doch Anklage gegen Busowa wurde bisher Gott sei Dank keine erhoben. In diesem Fall gilt die Regel, dass die Kirche einfach nur eine städtische Kulisse ist, dass das Heiligtum nicht in das Foto eingedrungen ist und keiner der Gläubigen Schaden genommen hat, zumindest nicht von strafrechtlicher Relevanz.  

    Wer diese Gläubigen eigentlich genau sind, bleibt ein Rätsel. Ohne Bastrykin Tipps geben zu wollen, wie er die Aufklärungsquote systematisch verbessern und zugleich auch die Bravheit der Bevölkerung erhöhen kann – aber: Fotos von halbnackten Menschen vor Russlands historischen Sehenswürdigkeiten, einschließlich Kathedralen, gibt es im Internet zu Tausenden.     

    Das Hauptproblem an der Sache ist, dass es keine klare Auflistung gibt, was jetzt neben Kirchen beziehungsweise mit Kirchen im Hintergrund verboten ist. Genauso wie es keine Antwort auf die Frage gibt, was für Formen der Verletzung religiöser Gefühle den Strafverfolgungsbehörden noch einfallen werden. Soll der öffentliche Verzehr eines Schaschliks während der Fastenzeit strafbar sein? Intuitiv würde man sagen, das wäre absurd, aber kann uns ein Experte erklären, worin sich ein Schaschlik in der Fastenzeit von einem Stringtanga vor einer Kathedrale unterscheidet? Und ob sich etwas ändert, wenn man vor einer Kathedrale während der Fastenzeit einen Schaschlik isst und sich dabei fotografieren lässt? Schreckliche, verdammte Fragen.     

    Die offizielle Haltung der Russisch-Orthodoxen Kirche scheint in diesem Kontext zu sein, dass das alles sehr notwendige, richtige und aktuelle Themen sind, die die Position der Kirche als geistliches Machtorgan stärken. Die biblische Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin hat keine Gültigkeit: Die anonymen Gläubigen haben genug Steine, und schmeißen sie auf jedes Ziel entlang der schwankenden Linie des Ermittlungskomitees.   

    Es bleibt aber nicht bei den Kathedralen. Vor einem Monat wurde in der Oblast Tscheljabinsk ein Obdachloser festgenommen, weil er am Ewigen Feuer seine Kleidung trocknen wollte. Allem Anschein nach befindet er sich nach wie vor in U-Haft – offenbar das einzige Dach über dem Kopf, das der Staat ihm anzubieten hat.    
    Oder auch das Beispiel des RGGU-Studenten Gleb Marjassow. Er hatte bei einer Protestaktion am 23. Januar im Alleingang „die Fahrbahn blockiert“ und dafür die berühmten zehn Monate Straflager aufgebrummt bekommen.

    Es zeichnet sich grundsätzlich eine Tendenz ab, Angeklagte in minderschweren, pseudopolitischen Fällen zu Freiheitsstrafen zu verurteilen. Auch wenige Monate Straflager sind besser als nichts – das ist die Devise der Gerichte. 

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  • Erste Russische Kunstausstellung in Berlin

    Erste Russische Kunstausstellung in Berlin

    „Wir, die wir bis dahin stets nach dem Westen und Paris orientiert waren, sahen plötzlich im Osten eine ganze Generation von neuen Künstlern und Ideen vor uns.“1 So formulierte der deutsche Künstler Hans Richter das Erstaunen, dass die Erste Russische Kunstausstellung unter den westlichen Künstlerkollegen, aber auch bei den zahlreichen interessierten Besuchern auslöste. 
    Die Ausstellung wurde am 15. Oktober 1922 in Berlin Unter den Linden in der privaten Galerie van Diemen feierlich eröffnet und gilt aus kunsthistorischer Perspektive zweifellos als eine „Station der Moderne“. Auch in politischer Hinsicht markierte sie eine Zäsur: Organisiert vom Narkompros, dem russischen Volkskommissariat für Bildungswesen, war sie ein frühes Zeugnis für die Aufnahme kultur-diplomatischer Beziehungen zwischen der Weimarer Republik und dem jungen bolschewistischen Russland.
    Zur Eröffnung kamen neben modernen Künstlern, deutschen Kommunisten und russischen Émigrés auch politische Würdenträger aus der Russischen Sowjetrepublik und der Weimarer Republik. Die Presse berichtete anerkennend, selten sei eine deutsche Ausstellung auf derart illustre Weise eröffnet worden.2

    РУССКАЯ ВЕРСИЯ

     

     

    Vom Impressionismus bis zum Suprematismus

    Die Ausstellung umspannte die Zeit vom späten Zarenreich bis zu den radikalen Umwälzungen nach der bolschewistischen Revolution von 1917. Diese wohl bewegteste Epoche der russischen Geschichte fiel zusammen mit dem Aufstieg einer künstlerischen Avantgarde, die nun dem westeuropäischen Publikum erstmals in einem breiten Panorama vorgestellt wurde. Besondere Beachtung fanden jene Werke, die unter den neuen Schlagwörtern Suprematismus und Konstruktivismus firmierten. Ihre konsequente Gegenstandlosigkeit, zusammen mit dem – implizierten – politischen Gehalt, setzten Publikum, Presse und die westlichen Künstlerkollegen gleichermaßen in Erstaunen.

    An der Ausstellung waren rund 170 Künstler und Künstlerinnen beteiligt, die vornehmlich aus Russland, aber auch aus der Ukraine, Polen, Georgien, Armenien, Lettland oder der Mongolei stammten. Der Katalog, für den El Lissitzky das Cover gestaltet hatte, verzeichnet 594 Nummern – die tatsächliche Anzahl der Exponate lag jedoch deutlich höher. Dazu gehörten Gemälde, Graphiken, Skulpturen, Theaterdekorationen und Plakate sowie eine beachtliche Auswahl an Agitprop-Porzellanen – Teller und Tassen, die mit Hammer und Sichel, dem Konterfei von Lenin und politischen Losungen für die Revolution warben. 

    Im Erdgeschoss waren die Werke der Peredwishniki und der russischen Impressionisten präsentiert, die inhaltlich und ästhetisch noch in der Tradition des 19. Jahrhunderts standen. Auch die pre-revolutionäre Avantgarde, die sich in enger Auseinandersetzung mit den künstlerischen Strömungen in Frankreich herausgebildet hatte, war im Parterre zu sehen . 

    Im Treppenhaus hingen dagegen großformatige Plakate aus der Zeit des Russischen Bürgerkriegs, darunter eine Gruppe von ROSTA-Fenstern von Wladimir Majakowski, die den Besucher auf das Obergeschoss einstimmten.3 Dort zeigten die Kuratoren der Ausstellung – die Avantgardekünstler David Schterenberg, Naum Gabo und Natan Altman – diejenigen künstlerischen Errungenschaften, die seit 1914 und damit weitestgehend unabhängig von den Entwicklungen in Westeuropa entstanden waren. Dazu gehörten der Suprematismus, mit dem Kasimir Malewitsch zu einer gegenstandslosen Malerei reiner Formen und Farben vorgedrungen war ebenso wie die aus kunstfremden Materialien montierten Konter-Reliefs von Wladimir Tatlin. Hinzu kam die vielfältige Kunstproduktion, die unter dem Eindruck der Russischen Oktoberrevolution entstanden war, darunter vor allem die Werke jener Künstler, die sich unter dem Banner des Konstruktivismus formierten. 

    Ein gelungener Coup

    Katalog der Kunstausstellung / © gemeinfrei
    Katalog der Kunstausstellung / © gemeinfrei

    Den Organisatoren war mit der Schau an einer der nobelsten Adressen Berlins ein echter Coup gelungen. Bereits kurz nach der Oktoberrevolution 1917 war unter den politisch engagierten Künstlern in Sowjetrussland die Idee entstanden, durch den Austausch von Ausstellungen in den Dialog zu treten. Getragen vom Geist der Weltrevolution, die sich in Deutschland fortsetzen sollte, verfassten sie einen entsprechenden Aufruf an die deutschen Kollegen, der mit Wassily Kandinsky einen bekannten Befürworter fand. In der Weimarer Republik reagierten zentrale Figuren aus der Kultur, wie der Leiter des Bauhauses in Weimar Walter Gropius, mit Zustimmung. Ludwig Justi, der Direktor der Nationalgalerie, bot sogar das Kronprinzenpalais in Berlin als Ausstellungsort an. 
    Die Realisierung einer Ausstellung russischer Kunst in Deutschland scheiterte jedoch zunächst. In der Folge wurde die Idee wieder und wieder aufgegriffen und transformiert. Neue Akteure brachten neue Intentionen ein. Auch auf politischer Ebene wurde der Vorschlag mehrfach adressiert. Der Kommunist Willi Münzenberg, Leiter der deutschen Sektion der Internationalen Arbeiterhilfe, entwickelte schließlich den Plan für eine Verkaufsschau und gewann dafür sogar Lenins Unterstützung. Doch auch dieses Vorhaben wurde mit dem Verweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten noch im Frühjahr 1922 abgesagt.

    Dass rund sechs Monate später doch noch eine Ausstellung russischer Kunst in Berlin eröffnet werden konnte, für die nun das Narkompros unter der Leitung von Anatoli Lunatscharski verantwortlich zeichnete, liegt nicht zuletzt an der Initiative der Kunsthandlung van Diemen. Vertreter der Galerie, die eigentlich auf niederländische Alte Meister spezialisiert war, hatten den Verantwortlichen des Narkompros angeboten, die Ausstellung zu „äußerst günstigen Konditionen“ auszurichten,4 – und dass, obwohl sie als karitative Verkaufsschau konzipiert war und der Reinertrag den Opfern der Hungersnot in Russland zukommen sollte.5 Eigens aus Anlass der Ausstellung eröffnete die Galerie van Diemen sogar eine Niederlassung für „Neue Meister“ in dem Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert. 

    „Bizarre Russian art show“

    In kürzester Zeit stellten Schterenberg und seine Assistenten die Exponate für die Schau zusammen. Dabei konnten sie auf die Bestände des Staatlichen Museumsfonds zurückgreifen, in dessen Besitz sich ein großer Teil der Werke bereits befand. Auf den ersten Blick erscheint es erstaunlich, dass sie sich dabei nicht nur für die Werke der progressiven linksorientierten Künstler entschieden, sondern für eine Zusammenschau von älterer, figurativer Malerei mit den neuesten künstlerischen Experimenten. Dahinter stand die Absicht, durch die dargebotene künstlerische Traditionslinie eine Kontinuität zu behaupten. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung sollte die Schau an Sehgewohnheiten des westlichen Publikums anschließen und damit über das Vehikel der Kunst das Vertrauen in den unbekannten bolschewistischen Staat stärken. Gleichzeitig war es das Ziel der Ausstellungsmacher, den politischen und gesellschaftlichen Fortschritt über die Kunstproduktion der post-revolutionären Zeit zu demonstrieren, weswegen die aktuellen gegenstandlosen Strömungen eine bevorzugte Behandlung erfuhren. 

    Der Plan ging auf. So schrieb etwa Max Osborn in seiner Besprechung für die Vossische Zeitung über die Schau: „Sowjetherrschaft bedeutet nicht allenthalben Zerstampfung und Experiment, sondern unter ihr haben die schöpferischen geistigen Kräfte nicht geschlummert. […] Man fühlt den heißen, dunklen Wunsch, in einem Neuaufbau der Formvorstellungen den Neuaufbau der staatlichen und wirtschaftlichen Welt zu deuten.“6 

    Osborns Kritik war nur einer von zahllosen Presseberichten, die im Zusammenhang mit der Ersten Russischen Kunstausstellung erschienen. Kunstmagazine, Zeitschriften und Tageszeitungen in der Weimarer Republik, der RSFSR aber auch in den Niederlanden, Frankreich und sogar in den USA berichteten über die „bizarre Russian Art Show“.7 Die vielstimmige Berichterstattung erscheint dabei gleichsam als Seismograph für die Wahrnehmung der Ausstellung in den unterschiedlichen – politischen und intellektuellen – Milieus und bezeugt die gesellschaftliche Relevanz, die das ungewöhnliche Ereignis erfuhr. 

    Politischer und diplomatischer Erfolg

    Lunatscharski wertete die Schau als einen „politischen Erfolg“ und erklärte in seinem Leitartikel über die Ausstellung in der sowjetischen Tageszeitung Iswestija, selbst die Kritiker hätten einräumen müssen, „dass die Sowjetregierung durch die Organisation dieser Ausstellung ihre diplomatischen Fähigkeiten erneut unter Beweis gestellt habe.“8 So lässt sich das Ereignis auch vor den historischen Geschehnissen vom Frühjahr 1922 lesen, als Vertreter der Weimarer Republik und Sowjetrusslands den Vertrag von Rapallo unterzeichneten. Dieser sah auch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor – ein wichtiger Schritt für die jungen Staaten, die sich davor weitestgehend in außenpolitischer Isolation befunden hatten. Die Berliner Schau war eines der ersten Signale dieser Annäherung.

    Kasimir Malewitsch, Supremus No. 55, 1916 / © gemeinfrei
    Kasimir Malewitsch, Supremus No. 55, 1916 / © gemeinfrei

    Die Erste Russische Kunstausstellung ist noch heute, rund 100 Jahre später, Gegenstand der Forschung. Neben ihrem Zustandekommen steht dabei ihr künstlerisches Nachwirken und die Frage nach dem Verbleib der Exponate im Fokus. Nachdem die Schau im Mai 1923 in einer zweiten Station im Amsterdamer Stedelijk Museum gezeigt wurde, gelangten die gezeigten Werke in unterschiedlichste Sammlungen, von New Haven, Paris und Baku bis nach Krasnodar und Tomsk. Aber nicht nur aus kunsthistorischer Perspektive war die russische Ausstellung ein folgenreiches Ereignis. So sendet die Schau von 1922 auch heute noch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene das Signal, dass Kunst und Kultur transnationale Brückenbauer sind. Und sie verdeutlicht, dass entgegen der allzu häufig postulierten Unterschiede zwischen Russland und seinen westlichen Nachbarn eine „fühlbare Parallelität“9 besteht, wie sie der damalige Reichskunstwart Edwin Redslob in einem Schreiben an seinen russischen Amtskollegen Lunatscharski in Rückblick auf die Erste Russische Kunstausstellung feststellte.


    Zum Weiterlesen
    Nisbet, Peter (1983): Some Facts on the Organizational History of the van Diemen Exhibition, in: The 1st Russian Show: A commemoration of the van Diemen Exhibition Berlin 1922, London: Annely Juda Fine Art, 1983, S. 67–72
    Lapschin, Wladimir (1985): Die erste Ausstellung russischer Kunst 1922 in Berlin, in: Kunst und Literatur. Sowjetwissenschaften, Berlin, Bd. 33, 4 (1985), S. 552–573
    Olbricht, Harald (1987): Galerie van Diemen: Erste Russische Kunstausstellung, in: Kändler, Klaus/Karolewski, Helga/Sieber, Ilse (1987, Hrsg.): Berliner Begegnungen: Ausländische Künstler in Berlin 1918-1933: Aufsätze, Bilder, Dokumente, Berlin, S. 65–73
    Adkins, Helen (1988): Erste Russische Kunstausstellung, Berlin 1922, in: Stationen der Moderne: Die bedeutendsten Kunstausstellungen des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Berlin, S. 184–214
    Richter, Horst (1988): 1. Russische Kunstausstellung, Berlin 1922, in: Roters, Eberhard (Hrsg.): Stationen der Moderne: Kataloge epochaler Kunstausstellungen in Deutschland: Kommentarband zu den Nachdrucken der zehn Ausstellungskataloge, Köln, S. 95–130
    Mansbach, Steven A. (1993): The „First Russian Art Exhibition“ or the politics and presentation of propaganda, in: Künstlerischer Austausch: Artistic exchange: Akten des XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, Berlin, S. 307–320
    Häßler, Miriam (2021): Moscow Merz and Russian Rhythm: Tracking Vestiges of the Erste Russische Kunstausstellung, Berlin, 1922, in: Experiment: A Journal for Russian Culture, hrsg. von Sebastian Borkhardt, Tanja Malycheva und Isabel Wünsche, Bd. 23, Los Angeles: Brill 2017, S. 117–126
    Avtonomova, Natalia (2021): Die Tür zum Westen, in: The Tretyakov Gallery Magazine, Nr. 70 (1 / 2021), S. 200–231

    1. Richter, Hans (1967): Begegnungen in Berlin, in: Roters,Eberhard (Hrsg.): Avantgarde Osteuropa 1910 – 1930, Berlin, S. 13–21, hier S. 14 ↩︎
    2. So verweist etwa der Kritiker A. Wi. in der Deutschen Zeitung darauf, dass „nicht jede deutsche Ausstellung […] in einer derart illustren Weise eröffnet worden“ sei. Wi, A. (1922): Sowjet-Kunst. Ausstellung in der Galerie van Diemen, in: Deutsche Zeitung: Unabhängiges Tageblatt, Bd. 27, Nr. 463 (Morgenausgabe) 17. Oktober 1922 ↩︎
    3. Bei den Rosta-Fenstern handelt es sich um mehrbogige Plakate, die im Auftrag der russischen Nachrichtenagentur ROSTA im Russischen Bürgerkrieg durch Künstlerkollektive mit Schablonen hergestellt wurden. Da sie zunächst in den leeren Schaufenstern von Geschäften ausgehängt wurden, setzte sich für diesen Typ des Künstlerplakats die Bezeichnung „Fenster“ (russ. Okna) durch. Vgl. dazu auch Häßler, Miriam (2014): Politische Künstlerplakate der Russischen Revolution am Beispiel der ROSTA-Fenster, in: Silver Age: Russische Kunst in Wien um 1900, Ausst.-Kat. Belvedere Wien, S. 245–252 ↩︎
    4. Lunatscharski, Anatoli (1922): Russkaja Vystavka v Berline, 1922, in: Izvestija, Nr. 237 (abgedruckt in: ders. (1924): Iskusstvo i Revoljucija, Moskau, S. 177 ↩︎
    5. Als Mitorganisator der Schau trat das „Auslandskomitee zur Organisierung der Arbeiterhilfe für die Hungernden in Rußland“ auf. ↩︎
    6. Osborn, Max (1922): Russische Ausstellung, in: Vossische Zeitung (Abendausgabe), Berlin, 16. Oktober 1922 ↩︎
    7. So der Titel des Artikels von Flora Turkel für die American Art News; vgl. F. T. [Flora Turkel] (1923): Berlin sees bizarre Russian art show, in: American Art News, Bd. XXI, Nr. 4, 4. 11.1921, New York S. 1 ↩︎
    8. Izvestija, 1922 (1924), S. 177 ↩︎
    9. Edwin Redslob an Anatoli Lunatscharski in einem Schreiben vom 6.9.1923; BArch R32/229/28-30 ↩︎

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