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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Schöne, heile Wirtschaft

    Schöne, heile Wirtschaft

    Gestern [am 17. Februar] begann in Minsk der Prozess gegen Viktor Babariko, der 2020 als Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen antreten wollte. Der populäre Gegenspieler Alexander Lukaschenkos wurde bereits im Vorfeld des 9. August 2020 festgenommen. Dem ehemaligen Chef der Belgazprombank werden Korruption und Geldwäsche vorgeworfen. Kritiker werten den Prozess als politisch motiviert. 

    Bereits vor zwei Wochen waren zahlreiche Bankiers und Geschäftsleute in Belarus festgenommen worden. Möglicherweise zielen die Machthaber mit Repressionen nun auch auf den privatwirtschaftlichen Sektor des Landes. 

    In Belarus ist die ausgeprägte Staatswirtschaft ein bedeutendes Herrschafts- und Kontrollinstrument für den Machtapparat Lukaschenkos, wie der bekannte Ökonom Roland Götz in seiner Gnose zum Thema erklärt. Tiefgreifende Reformen der Staatsunternehmen sind also kaum denkbar, was auf der Allbelarussischen Volksversammlung, die am 11. und 12. Februar 2021 in Minsk stattfand, einmal mehr bestätigt wurde. Premierminister Roman Golowtschenko erteilte umfassenden Reformvorhaben eine Absage.

    Dass die weitgehend unrentable Staatswirtschaft aber eine Last für die Weiterentwicklung der ohnehin dauerkriselnden belarussischen Wirtschaft ist, konstatieren Experten seit vielen Jahren. So beispielsweise auch die Analyse des IPM Research Center und des Zentrums für ökonomische Forschung BEROC aus dem Herbst 2020. 

    Jеkaterina Bornukowa, akademische Direktorin des BEROC, seziert in einer aktuellen Analyse für das belarussische Medium Onliner.by, die offiziellen Wirtschaftsprognosen. Und sie fragt sich, woher die belarussischen Autoritäten ihren Optimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung nehmen. 

    Das angebrochene und das vergangene Jahr sehen wirtschaftlich bei Gott nicht rosig aus. Die ganze Welt hat schon zu spüren bekommen, wie die Einkommen sinken und die Arbeitslosigkeit wächst. Oft ist zu hören, dass die Folgen der Pandemie mehr als ein Jahr zu spüren sein werden. Laut Prognosen des IWF wird das weltweite Wirtschaftswachstum kontinuierlich sinken: Von 5,2 Prozent in der Erholungsphase des Jahres 2021 auf 3,5 Prozent in 2025. 

    Schon zum wiederholten Mal macht die belarussische Regierung in diesem Chor allgemeinen Trübsinns und Pessimismus eine Ausnahme. Kurz: Zum Jahr 2025 ist ein Einkommenszuwachs von 20 Prozent geplant, das Bruttoinlandsprodukt soll um 21,5 Prozent steigen, die Arbeitsproduktivität in der Industrie um den Faktor 1,3.

    Das soll jetzt kein motivierendes Mantra sein, um das Übel der an vielen Krankheiten leidenden belarussischen Wirtschaft schönzureden, sondern es sind ernsthafte Prognosen, die auf höchster Ebene erstellt wurden. Deswegen sehen wir uns einmal genauer an, was sich hinter diesen Zahlen verbirgt und wie derart beeindruckende Werte erreicht werden sollen.

    Unternehmen kommen nicht nach Belarus, sie verlassen das Land

    Gehen wir die wesentlichen Punkte einmal durch: In den vergangenen fünf Jahren wuchs das Bruttoinlandsprodukt in Belarus um 3,5 Prozent. Ich möchte das noch einmal unterstreichen: nicht im letzten Jahr, sondern in den letzten fünf Jahren zusammen. Natürlich waren es nicht die glücklichsten für die belarussische Wirtschaft, am Anfang stand das Krisenjahr 2016, am Ende das krisengezeichnete 2020. Aber wer garantiert denn, dass es in Zukunft besser wird? Derzeit gibt es wenig Anlass für Optimismus, weder auf weltwirtschaftlicher noch auf belarussischer Ebene. Doch unsere Regierung prognostiziert bis 2025 mutig ein Wachstum des BIP von 21,5 Prozent.

    Schauen wir uns die Jahre einzeln an: Dieses Jahr soll das Wachstum des BIP bescheidene 1,8 Prozent betragen, was unter gewissen Umständen möglich ist; denn diese prognostizierte Wachstumsbeschleunigung ist geringer als der weltweite Durchschnitt und niedriger als im benachbarten Russland. Für 2022 erwartet man schon ein Wachstum von 2,9 Prozent, und für 2023 von 3,8 Prozent (Nochmal: Das ist so viel, wie wir in den Jahren 2016 bis 2020 geschafft hatten.) 2023 soll das Wachstum sogar bei 5,4 Prozent liegen und 2025 bei ganzen 6 Prozent. 

    Die Minsker Traktorenwerke MTS gehören zu den Aushängeschildern der belarussischen Staatswirtschaft / Foto © Creative Commons CC BY-SA 4.0
    Die Minsker Traktorenwerke MTS gehören zu den Aushängeschildern der belarussischen Staatswirtschaft / Foto © Creative Commons CC BY-SA 4.0

    Völlig unrealistisch sind diese Prognosen nicht – man könnte sie erzielen, doch nur unter der Voraussetzung von tiefgreifenden Strukturreformen. Wir alle kennen die Länder, in denen die Wirtschaft solche überbordenden Sprünge macht. Ich wäre stolz, würde auch Belarus dazugehören. Aber ich bin mir dessen bewusst, dass es dafür Veränderungen braucht, die seit Jahrzehnten fällig sind. Man muss das Fundament für solche hochgesteckten Ziele sofort, schon heute legen. Aber bislang deutet nichts auf Absichten in dieser Richtung hin. 

    Der nächste Punkt: Das real verfügbare Einkommen der Bevölkerung soll um 20 Prozent steigen. Dieser Wert lässt sich nicht isoliert betrachten. Er hängt unmittelbar vom Wachstum des BIP ab. Dementsprechend lässt auch er sich nur erzielen, wenn zuvor grundlegende Veränderungen stattfinden, für die es keinerlei Anzeichen gibt. Der Wachstumswert für das Einkommen der Bevölkerung in dieser Höhe ist also sehr hypothetisch. 

    Was haben wir noch? In den letzten fünf Jahren sind die Investitionen in Anlagevermögen um 8,6 Prozent gesunken, wobei die Regierung plant, dass sie bis 2025 um 22 Prozent ansteigen. 

    Was rechtfertigt derartige Annahmen eines Investitionswachstums, während wir beobachten, wie das Land aufgrund der politischen Krise, der Wirtschaftssanktionen und der Nichteinhaltung von Verpflichtungen gegenüber der wirtschaftlichen Akteure an Attraktivität für Investoren verliert? Die Privatwirtschaft investiert schon heute weniger, und die Prognosen für die nächste Zukunft fallen pessimistisch aus. Unternehmen kommen nicht nach Belarus, sondern verlassen massenhaft das Land. 

    Die Abwanderung der Arbeitskräfte wird weiter zunehmen

    Man könnte natürlich annehmen, dass das Wachstum durch staatliche Investitionen zustande kommen soll, die dementsprechend vermutlich in den Staatssektor fließen würden. Aber das hatten wir schon mehrfach: Solche Investitionen sind nicht effizient, sie führen zu finanziellen Problemen in den Unternehmen, die sich dann später im allgemeinen Wirtschaftszustand des Landes, in Inflation und Währungsverlust niederschlagen. 

    Die nächste lautstarke Prognose: Die Arbeitsproduktivität in der Industrie soll um den Faktor 1,3 ansteigen. Das wäre tatsächlich leicht zu erzielen, man müsste nur die Arbeitsstellen in den Staatsunternehmen streichen, die unwirtschaftlich sind. Sogar wenn nur die unwirtschaftlichen Unternehmen aufgelöst würden, stiege die durchschnittliche Arbeitsproduktivität im Land schon beträchtlich. Aber offensichtlich sind derlei Maßnahmen nicht vorgesehen. Es bleibt also unklar, wie die Ergebnisse ohne einen Richtungswechsel erzielt werden sollen.

    Der nächste Punkt: Zum Jahr 2025 soll die Arbeitslosigkeit bei höchstens 4,2 Prozent liegen. Wenn wir die Krise überwinden und uns keine neue „einfangen“, ist das realistisch. Die Arbeitgeber können ihre Angestellten ohne weiteres entlassen, deswegen haben sie auch keine Hemmungen jemanden zu beschäftigen. Das gewährleistet einen flexiblen Arbeitsmarkt, senkt aber das Niveau der sozialen Sicherheit der Angestellten. Sogar während der Krise lag die höchste Arbeitslosenquote bei 7 Prozent. Hinzu kommt die Abwanderung von Fachkräften ins Ausland, die nach der Pandemie wahrscheinlich weiter zunehmen wird. Die Rechnung ist also denkbar einfach: Es wird immer mehr freie Stellen und weniger Bewerber geben – wie sollte die Arbeitslosigkeit da steigen?

    Zeit für rhetorische Fragen: Woher kommen solche Prognosen? Wozu braucht man sie? Ich versuche sachlich zu antworten. Als Richtwert, den man anstrebt, ist eine Prognose sinnvoll und vernünftig. Ohne Planung geht es nicht. Aber zum Erfolg gehört ein zweiter Faktor: die Fähigkeit, exakt zu kalkulieren, was für die Umsetzung notwendig ist. Aber am wichtigsten ist ein dritter Faktor: der Wille, das Geplante umzusetzen. 

    Kein Wachstum ohne tiefgreifende Reformen

    Unsere Regierung versteht sich zwar auf Optimismus und hohe Ziele, oft gelingt sogar die Wahl der notwendigen Mittel, doch bei der Umsetzung hapert es. 

    In den letzten fünf Jahren gab es viele Pläne, richtige und kluge Entwürfe, doch umgesetzt wurde so gut wie nichts. Reformen in den Staatsunternehmen waren geplant, doch es geschah nichts. Es war die Rede von einer Abkehr von staatlichen Krediten, doch sie nahmen im letzten Jahr sogar noch zu. Die Reduzierung von Subventionen in der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft waren geplant, doch sie bestehen nach wie vor. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Regierung auch heute genau weiß: Ohne eine Lösung der politischen Krise und tiefgreifende Reformen im Staatssektor wird es kein Wachstum geben. Doch dazu findet sich in dem Programm kein Wort. 

    Zusammengefasst: Ich habe große Zweifel, dass sich ohne grundlegende Veränderungen auch nur ein Teil der prognostizierten Zahlen erzielen lässt. Das Traurigste ist, dass wir das Rezept für umfassende und wirksame Veränderungen all die Jahre direkt vor uns hatten. Aber es wird sich wohl kaum etwas ändern, solange man die für Belarus typische faule Ausrede ernst nimmt, dass die Rezepte für eine Gesundung der Wirtschaft, die in vielen anderen Ländern erfolgreich zur Anwendung kamen, für uns nicht gelten, weil sie unserem „einzigartigen“ Weg und den „Besonderheiten“ unserer Region nicht gerecht werden. Worin diese Einzigartigkeit und Besonderheit bestehen, weiß keiner so genau. Warum? Weil es sie nicht gibt. 

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  • „Der Rubel ist abhängig von bin Salman – möge Allah ihn behüten!“

    „Der Rubel ist abhängig von bin Salman – möge Allah ihn behüten!“

    Anfang März haben sich die 13 Staaten des Ölkartells OPEC mit Russland und anderen Erdöl exportierenden Ländern in Wien an einen Tisch gesetzt. Um der weltweit sinkenden Nachfrage nach Öl- und Ölprodukten zu begegnen, wollten sie gemeinsam die Fördermenge drosseln und damit das Angebot verknappen. Das Vorhaben scheiterte: Vor allem der russische Unterhändler Alexander Nowak hatte sich gegen eine Verknappung gestemmt.

    Seitdem sprudeln weltweit die Ölquellen, und die Preise purzeln: Ein Barrel Brent ist derzeit für unter 30 US-Dollar zu haben, die für Russland wichtigste Rohölsorte Urals kostet ohne Rabatte weniger als 25 US-Dollar – bei Förderkosten, die manche ausländischen Experten auf rund 42 US-Dollar taxieren.

    Dumping würden aber vor allem „die anderen“ betreiben, sagte kürzlich Rosneft-Chef Igor Setschin, und verwies vor allem auf Saudi-Arabien. Dabei betragen die Förderkosten für saudisches Öl laut derselben Schätzung rund 17 US-Dollar. Aus diesem Grund kann sich das Land offenbar auch leisten, derzeit großzügige Rabatte auf den Marktpreis zu gewähren – auch für Abnehmer in Europa und China, die traditionell Russlands Kunden sind. Die Folge ist ein Preiskrieg, bei dem Russland zunehmend vom Markt verdrängt wird.

    War dieser Preiskrieg gewollt, als Russland in Wien ausscherte? Haben sich Setschin und Nowak dabei verkalkuliert? War ihnen nicht klar, dass der Rubelkurs eng am Ölpreis hängt? Die Novaya Gazeta hat den Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew in einem Interview dazu befragt.

    Irina Tumakowa: Inwieweit ist das Coronavirus schuld daran, dass der Rubelkurs derart gefallen ist? Und inwieweit hat es andere Gründe?

    Wladislaw Inosemzew: Das Coronavirus ist gewissermaßen ein Trigger. In letzter Zeit sind die Ölpreise weltweit zurückgegangen. Weil die Nachfrage sehr langsam stieg und zu spüren war, dass sie sich weiter verlangsamt. Die OPEC hat im November 2019 einen Bericht veröffentlicht, in dem sie prognostiziert, dass die Wachstumsraten bei der Ölnachfrage in den kommenden 20 Jahren bei einem Drittel dessen liegen werden, was wir aus den vergangenen 20 Jahren kennen. 
    Die Abmachung der OPEC von 2016 sollte die Ölpreise ansteigen lassen. Es hat aber keinen Anstieg gegeben. Im Gegenteil: Sie gingen mit jedem Jahr zurück. Als dann das Coronavirus kam, war die erste Welle des Preisverfalls eine absolut natürliche Reaktion auf die Epidemie und die Maßnahmen der Regierungen in den verschiedenen Ländern. Wenn die OPEC-Abmachung bis zum April gehalten hätte, wären Preise von 45 bis 50 Dollar, wie wir sie noch bis Anfang März hatten, weiterhin möglich gewesen.

    Genau das wollten die OPEC-Länder bei ihrem Treffen Anfang Dezember 2019  in Wien auch erreichen, so wie ich das verstehe.

    Saudi-Arabien und andere Länder wollten die Produktion noch weiter drosseln, aber Russland war nicht bereit dazu, und die Abmachung platzte. Die letzten Preisrückgänge waren unmittelbar darauf zurückzuführen, dass Saudi-Arabien seinen Kunden riesige Preisnachlässe versprochen und erklärt hatte, dass es bereit sei, um einzelne Märkte einen Krieg zu beginnen – insbesondere um den europäischen Markt, und dazu das Förder- und Absatzvolumen zu erhöhen.

    Das heißt, die staatlichen Fernsehsender haben Recht? Ist Saudi-Arabien tatsächlich an allem Schuld, nicht wir?

    Russland hat das Abkommen abgelehnt und seine primäre Verantwortung für den Rückgang der Ölpreise liegt auf der Hand. Doch schauen wir uns einmal die Preis-Charts von Freitag, dem 6. März an, und die Erklärung aus Wien, dass das Abkommen geplatzt ist: Von einem Scheitern des Abkommens war bereits am 4. März die Rede, als Nowak nach Moskau abgereist war. Der Ölpreis fiel um fünf bis sechs Prozent. Am Freitag, 6. März, nachdem er zurückgekehrt war und wieder keine Einigung zustande kam, fiel der Ölpreis um weitere vier Prozent und stabilisierte sich bei rund 44 Dollar pro Barrel. Weiter dann, am Wochenende, erklärten die Saudis, dass sie den Europäern und Amerikanern einen Rabatt von 7 bis 8 Dollar auf den aktuellen Preis geben. Sie haben also gesagt: Wir werden nicht für 45, sondern für 37 Dollar verkaufen.

    Die Saudis sind gegenüber dem berüchtigten Charisma von Putin immun

    Riad war wegen der Position Moskaus empört. Und Mohammed bin Salman ist eben nicht irgendein Schröder, der davon träumt, an die Tränke von Rosneft zu gelangen.

    Gegenüber dem berüchtigten Charisma von Putin herrscht hier Immunität. So war also letztendlich das Handeln Saudi-Arabiens der Grund, dass die Ölpreise derart stark nachließen. Übrigens nicht aus Versehen, sondern vollkommen bewusst.

    Eine solche Reaktion Saudi-Arabiens hätte man wohl voraussehen können. War der Nutzen durch den Ausstieg aus dem OPEC-Abkommen für Russland größer als der Schaden durch mögliche Folgen? Inwieweit ist dieser Abzug im Interesse Russlands?

    Er ist überhaupt nicht im Interesse Russlands. Man hätte ihn aber voraussehen können.

    Der Chef von Rosneft verkündet, die Förderung anzukurbeln und die Produzenten von Schieferöl in den Ruin zu treiben. Experten haben aber vielfach gesagt, dass Russland die Förderung bei niedrigen Preisen nicht wird steigern können; die meisten Vorkommen sind nur schwer zu fördern, verbunden mit hohen Kosten. Wo liegt da für Rosneft der Sinn?

    Das müssten Sie Setschin fragen; ich stimme Ihnen da vollkommen zu. Das Problem ist auch, dass man die US-amerikanischen Schieferölproduzenten nicht kaputtmachen kann.

    Das haben die Amerikaner schon mehrfach bewiesen.

    Ja, das haben sie, das ist das eine. Und es gibt noch einen zweiten Aspekt: Vor einigen Tagen hat die Bank of England den Schlüsselzinssatz gesenkt, vergangene Woche auch die Fed. Selbst wenn eine amerikanische Ölfirma auf Null arbeiten muss, würde es sie nichts kosten, Überbrückungskredite aufzunehmen – und mit dem Ausblick auf steigende Preise weiterzumachen. Selbst wenn irgendeine verrückte Bank versuchen würde, die Firma in den Ruin zu treiben, kann man Insolvenz beantragen und viele Jahre unter dem Schutz des berühmten Chapter 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts tätig sein, während die Umstrukturierung läuft. Dieser Zeitraum kann sich zwei bis drei Jahre hinziehen. In dieser Zeit würde Russland schlichtweg pleitegehen. Und die amerikanischen Firmen würden weiter Öl pumpen, weil sie zumindest für die Löhne und zur Kostendeckung Einnahmen brauchen.

    Und für Rosneft gibt es keine Möglichkeit für Überbrückungskredite zu niedrigen Zinssätzen, es fällt ja unter die Sanktionen, in Europa und den USA wird man keine Kredite geben.

    Russland hat viele Reserven, mit denen Ölfirmen unterstützt werden können. Anstelle von Krediten wären da Steuererleichterungen, der Fonds für nationalen Wohlstand [FNB], auf den Setschin seit langem schimpft, und so weiter. Ich meine einfach, dass die ganze Logik, mit der Rosneft die amerikanischen Unternehmen kaputt machen will, sehr lächerlich wirkt.

    War das denn wirklich die Logik dahinter? Vielleicht hat Herr Setschin ja auch ganz andere Motive?

    Na, ich weiß nicht. Vielleicht will er die Preise ruinieren, damit sich der Börsenwert von Lukoil halbiert, und er dann mit Hilfe eines Strafverfahrens gegen Alekperow das Unternehmen kaufen kann. Wie das mit Baschneft der Fall war. Warum auch nicht? Wir wissen nicht, was Setschin im Sinn hat. Wie dem auch sei, auf der Sitzung bei Putin war niemand außer Setschin dafür, den Deal platzen zu lassen. 

    Also steht der Staat vor der Alternative: Entweder er unterstützt Rosneft, das gegen die Amerikaner Krieg führt, oder der Staat erfüllt seine sozialen Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung?

    Das würde ich so nicht sagen. Der Staat verfügt wirklich über sehr große Reserven. Der Haushalt des vergangenen Jahres ist nicht vollkommen ausgeschöpft worden. Der FNB beläuft sich jetzt auf 124 Milliarden Dollar. Unter Berücksichtigung der Abwertung sind das rund zehn Prozent des BIP. Der Staatshaushalt macht etwa 18 Prozent des BIP aus. Selbst wenn dort eine Lücke von drei Prozent entsteht, dann können bei den heutigen Reserven alle festgeschriebenen sozialen Verpflichtungen zwei, drei, ja sogar vier Jahre lang ohne große Probleme erfüllt werden. Außerdem ist der Haushalt nicht die ganze Wirtschaft, es gibt noch den privaten Sektor. Der Dollar steigt, die Einkommen sinken. Die Bevölkerung überlegt, ob man nicht etwas für schlechte Zeiten zurücklegen sollte, schließlich ist es ja beunruhigend. Die Leute gehen nicht mehr in Cafés, fahren nicht mehr in Urlaub und kaufen keine teuren Sachen.

    Das haben wir 2015 gesehen, als der Rubel gegenüber dem Dollar einbrach. Übrigens ebenfalls durch das Vorgehen von Rosneft und dessen Chef.

    Ja. Außerdem fällt der Rubel – die Zentralbank ist gezwungen, mit einer Erhöhung der Zinssätze zu antworten. Kredite werden teurer, die Käufe von Wohnraum auf Hypothek und Autos auf Kredit gehen zurück. Das heißt, die Realwirtschaft wird sich abschwächen, selbst wenn der Haushalt wie ein Uhrwerk funktioniert. In Russland ist somit ein Wirtschaftsrückgang absolut unausweichlich.

    Und das alles nur deshalb, weil allein Igor Iwanowitsch Setschin aus dem Deal mit der OPEC aussteigen wollte?

    Wir haben hier die Effekte sowohl durch das Coronavirus als auch durch Setschin, und dadurch, dass unsere Wirtschaft zu stark reguliert ist, um angemessen auf Herausforderungen zu reagieren.

    In Russland ist ein Wirtschaftsrückgang absolut unausweichlich

    Doch der Setschin-Effekt ist nicht zu vernachlässigen. Offenbar ist Setschin einer der größten Newsmaker in der russischen Wirtschaft, wir konnten das auch schon früher sehen, auch beim Deal mit Baschneft und in anderen Situationen. Sein Einfluss sollte nicht unterschätzt werden.

    Wie geht es weiter mit dem Rubel?

    Ich glaube nicht, dass morgen schon etwas Katastrophales passiert. Ich hatte in diesen Tagen einen sehr viel stärkeren Rückgang erwartet. Ich denke, die Regierung wird den Rubel erst einmal stützen. Für die Menschen in Russland ist der Devisenkurs ein wichtiges symbolisches Moment. Wir erinnern uns an die Situation im Januar 2016, als der Ölpreis innerhalb weniger Tage auf 29 Dollar pro Barrel zurückging und der Dollar auf 85 Rubel hochschnellte. Jetzt gibt es diese Panik nicht. Und das ist gut: Die Zentralbank und das Finanzministerium verfolgen eine sehr viel angemessenere Politik, und die Wirtschaft reagiert nicht so empfindlich auf die Ereignisse. Deswegen schließe ich mich nicht der „100 Rubel für 1 Dollar“-Prognose an. Der neue Korridor wird bei 72 bis 75 Rubeln liegen in den nächsten paar Monaten. Der Kreml wird nicht erklären, wie schön das ist – wie Putin das mal gesagt hat –, wenn man für einen Dollar mehr Rubel kaufen kann. Das Regime spürt jetzt: Seine Popularität ist längst nicht so groß, dass man die Geduld der Bevölkerung auf die Probe stellen könnte.

    Ein allzu drastischer Kursrückgang wird nicht begrüßt, doch im Weiteren wird dann alles davon abhängen, was die Saudis machen: Wie stark sie tatsächlich die Ölförderung ankurbeln und in welchem Maße sie den Markt mit ihren Preisnachlässen erobern. Der Rubel ist jetzt von Mohammad bin Salmans Willen abhängig – möge Allah ihn behüten!

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  • „Du weißt nie, welche Risiken du eingehst”

    „Du weißt nie, welche Risiken du eingehst”

    Russland gilt nicht als attraktiver Investitionsstandort: Zwar sind die Personalkosten hier recht niedrig und die Qualifikation der Arbeitskräfte ist relativ hoch, doch bleiben notwendige Reformen zur Diversifizierung der Wirtschaft seit Jahren weitgehend aus. Mangelnde Rechtssicherheit erhöht die Investitionsrisiken, die Korruption belastet das Investitionsklima. Die rückläufigen Auslandsinvestitionen sind nicht zuletzt auch auf die westlichen Sanktionen zurückzuführen. 

    Vor diesem Hintergrund war es für manche Wirtschaftsexperten nicht überraschend, als im Mai bekannt wurde, dass Morgan Stanley sich Anfang 2020 vom russischen Markt zurückziehen wird. Und das, obwohl es schon seit fast 25 Jahren in Russland aktiv ist. Nicht einmal während der massiven Wirtschaftskrise 1998 zog das US-amerikanische Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen die Reißleine. Morgan Stanley plante und begleitete unter anderem die Börsengänge der Giganten Lukoil und Rosneft, in erheblichem Umfang bildete und prägte das Unternehmen die russischen Finanzmärkte.

    Mit gewisser Wehmut schaut Rair Simonjan nun zurück auf das Vierteljahrhundert Geschichte von Morgan Stanley in Russland. Der langjährige Leiter der Investmentbank ist ein auch im Ausland bekannter und geschätzter Finanzfachmann. 

    Vor dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg erklärt er im Interview mit The Bell die Gründe für den Rückzug und führt auf, was getan werden müsse, damit Russland zu einem attraktiven Investitionsstandort wird.  

    The Bell/Anastasia Stogney: Vor einigen Jahren haben Sie gesagt, dass die ausländischen Banken in Russland zwei Optionen hätten: bleiben und auf bessere Zeiten warten, oder gehen, ohne sich umzudrehen. Morgan Stanley, an dessen Spitze Sie 14 Jahre lang gestanden haben, hat vor Kurzem die zweite Option gewählt. Viele andere westliche Investmentbanken sind denselben Weg gegangen. Heißt das, dass niemand mehr an bessere Zeiten glaubt?

    Rair Simonjan: In diesem Jahr ist es 25 Jahre her, dass Morgan Stanley seine Vertretung in Russland eröffnet hat. Es ist ein Jubiläum mit Tränen in den Augen. Alles hat sich seither verändert. Damals war Russland ein Land, das für alle interessant war, eine Terra incognita. Allen war klar, dass da die große Sowjetunion war, die sich öffnet, und man schnell seine Positionen abstecken muss. Alle wollten ein Stück vom russischen Kuchen abhaben.

    Investmentbanken denken kurzfristig. Die Entscheidungsfindung läuft so: Lässt sich schnell Geld verdienen, eröffnen wir eine Niederlassung. Falls nicht, packen wir ein. Diese Art zu denken war vor allem bis 1998 typisch. Die Krise war eine kalte Dusche, und es war unklar – soll man bleiben oder gehen? Wir sind geblieben, weil der Optionswert [der Preis, den Standort angesichts einer ungewissen Zukunft zu behalten – dek] sehr gering war: Das Büro war nicht groß, die Kosten niedrig. Und als sich der Markt wieder öffnete, erwies sich das als richtig. 

    Die ersten Jahre nach 2000 waren eine Zeit der Chancen mit dutzenden, wenn nicht hunderten von Börsengängen (IPOs). Allein Morgan Stanley hat in jenen Jahren hunderte Milliarden Dollar durch Anleihen und dutzende Milliarden Dollar durch IPOs nach Russland gebracht. Man kann sagen, wir waren der Inkubator der Milliardäre.

    Was hat sich geändert? Warum glauben die Banken jetzt nicht mehr, dass man einfach abwarten muss?

    Nach der Krise von 2008 wurde Russland schnell zu einem marginalen Markt, das Geschäft schrumpfte. Dann kamen die Sanktionen, und die Investmentbanken hatten nun wirklich nichts mehr zu tun. Ihre Beteiligung an der Privatisierung verlor ihren Sinn, denn wegen der Sanktionen stellte sich die Frage: Wenn wir dem Staat dieses Geld in die Kasse bringen, wissen wir denn, was er damit anfangen wird? 

    Es wurde schwierig zu entscheiden, mit welchen Unternehmen man noch arbeiten kann und welche Papiere noch gefahrlos in der Bilanz auftauchen dürfen. Während die Amerikaner noch bei der OFAC oder ihrem Außenministerium nachfragen konnten, verfielen die Europäer schlicht in Starre. 
    Die Compliance-Kosten wurden so exorbitant hoch, dass es schließlich einfacher war, sich nicht auf russische Vermögenswerte einzulassen. 

    Es wurde schwierig zu entscheiden, mit welchen Unternehmen man noch arbeiten kann 

    Eine Formel zur Berechnung der Rentabilität zu erstellen ist derzeit unmöglich. Denn es gibt zu viele Unsicherheitsfaktoren, zu viele „uncertainties“. Man kann das nicht mit der Effizienz von Investitionen in anderen Regionen vergleichen. Das Länderrisiko ist nicht nur einfach hoch, sondern verboten hoch.

    Russisches Geld ist toxisch geworden, aber gleichzeitig steigen die Kapitalabflüsse. Wie passt das zusammen? Wohin fließt dieses Geld, wenn die Banken es nicht haben wollen?

    Kapitalabfluss ist ein ziemlich unklarer Begriff. Darunter fällt tatsächlich ausgeführtes Geld, aber beispielsweise auch Verrechnungen russischer Firmen mit ihren Offshore-Ablegern. Wie man den Nettoabfluss daraus ersehen soll, ist unklar. Natürlich gibt es den. Aber ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass der Kundenstamm der Banken, die das Geld von Großkunden verwalten, schrumpft. Auch die verwalteten Summen und die Bedeutung der russischen Kunden sind rückläufig.

    Was glauben Sie: Sind Maßnahmen wie eine weitere Amnestie oder die Schaffung von Binnen-Offshoregebieten geeignet, um den Abfluss zu stoppen und zu erreichen, dass dieses Geld hier arbeitet?

    Die Finanzmärkte im Westen sind deutlich komfortabler, schneller und transparenter. In Russland ist die Geldzirkulation langsamer. Aber vor allem weißt du nie, welche Risiken du eingehst, was man dir vorwerfen und zu welchen Zahlungen man dich heranziehen wird. Es gibt keine klaren Spielregeln und keine verbürgten Rechte. 

    Es gibt keine klaren Spielregeln und keine verbürgten Rechte

    Einer meiner Bekannten, der Eigentümer eines der größten Unternehmen Russlands, hat sein Vermögen gemacht, aber egal wie viele Anlagemöglichkeiten man ihm präsentiert – er lagert dieses Geld beharrlich auf Sparkonten. Ich kann ihn verstehen. Wenn sich die wirtschaftliche Lage plötzlich ändert, ist jedes Investment mit einem erhöhten Risiko verbunden.
    Genau so denken auch die ausländischen Investoren. Ein ehemaliger Kollege von mir hat Ende 2012 einen Fonds aufgelegt, um in Startups zu investieren. Die Idee war einfach: in Produkte zu investieren, die es im Westen schon gibt, bei uns aber noch am Anfang stehen, wie Dienstleistungen, Internet und Hightech. Mir gefiel das, und ich habe dort eigenes Geld investiert. Dann kam 2014, der Rubel wertete um die Hälfte bis zwei Drittel ab, und alle Investments dieses Fonds in Rubel-Aktiva verloren einen Großteil ihres Wertes. 
    Heute hat der Fonds weniger russische Startups im Portfolio als finnische. Die Zahl der russischen Startups ist um 90 Prozent gesunken, und die Rendite auf das in Russland investierte Kapital hat sich als deutlich geringer erwiesen als erwartet.

    Zu den aktivsten westlichen Investoren in Russland gehörten die Fonds von Baring Vostok. Kennen Sie Michael Calvey? Was halten Sie von dem Fall?

    Ich weiß nicht, was die eigentliche Crux bei diesem unternehmensinternen Konflikt ist. Aber gegenüber einem Investor wie Calvey, der seit mehr als 20 Jahren am Markt aktiv ist und einen tadellosen Ruf genießt, hätte man derartige Maßnahmen nicht ergreifen dürfen. Calvey hätte vor vielen Jahren aussteigen und sich mitsamt allen Vor- und Nachfahren ein schönes Leben machen können. 
    Noch einmal: Ich weiß nicht, worum es bei dem Konflikt im Kern geht. Aber selbst wenn er einen Fehler gemacht hat, gibt es gesetzliche Wege, um damit umzugehen: die Gerichte in London und Russland. Aber doch nicht eine Verhaftung.
    Das hat dem Investitionsklima in Russland enorm geschadet. Da hat sich jemand dem russischen Markt verschrieben, erfolgreich in hunderte Firmen investiert und ihnen geholfen zu wachsen. Und alle sehen, was man mit ihm machen kann, und denken sich: „Das wird mir auch passieren.“ Wer will da noch investieren?

    Stimmt es, dass Investoren ein kurzes Gedächtnis haben? Was muss sich ändern, um zu garantieren, dass sie zurückkehren?

    Es ist alles möglich, und wir haben ja gesehen, was nach der Krise von 1998 passiert ist. Aber es muss neue Möglichkeiten geben. Dafür müssen die Sanktionen aufgehoben werden. Sonst kann man nicht arbeiten. 

    Glauben Sie persönlich, dass die Sanktionen aufgehoben werden?

    Früher oder später wahrscheinlich ja. Ich bin zu Sowjetzeiten aufgewachsen und wir haben sozusagen die ganze Zeit mit Sanktionen gelebt. Man kann in einem solchen Regime überleben, und das sehr lange.
    Aber aus Wachstumssicht ist ein autarker Weg zum Scheitern verurteilt. Bei Gefahr von außen beginnt sich eine Psychologie der belagerten Festung zu entwickeln. Du bist von Feinden umringt und nutzt alle Mittel der Mobilmachung. Das führt in die Sackgasse. Das ist die Sowjetunion Ende der 1970er Jahre

    Was die Integration in die globalen Prozesse in Wissenschaft und Technik betrifft, sind wir an diesem Punkt angelangt. Wobei die Versuche zur Lösung der Situation heute oft nicht so radikal sind wie Ende der 1970er, als klar war, dass das System zum Scheitern verurteilt ist.

    Im US-Kongress wird viel darüber gestritten, ob die Sanktionen gegen Russland gut funktionieren und ob sie überhaupt Wirkung haben. Wie beurteilen Sie das?

    Sie funktionieren nach dem Prinzip der Schlinge um den Hals: Das Atmen fällt schwer, aber man überlebt. Sanktionen helfen nicht, das ist schlicht unmöglich. Aber sie bringen niemanden um. Dafür gibt es einfach keine Beispiele – schauen Sie sich Kuba oder den Iran an. Selbst kleinere Staaten als Russland schaffen es, über Jahre trotz Sanktionen zu überleben. 

    Sanktionen helfen nicht, das ist schlicht unmöglich. Aber sie bringen niemanden um

    Überhaupt ist das für Russland typisch: mobil zu werden, wenn sich die Schlinge um den Hals legt. So sehen das offensichtlich diejenigen, die sagen, dass die Sanktionen unsere Entwicklung voranbringen.

    Die russische Regierung sagt seit Verhängung der Sanktionen gern, dass sie uns in gewisser Weise nutzen: In der Isolation könnten unsere Industrie und unsere Technologien wachsen. Finden Sie diese Logik falsch?

    Das ist sowjetische Rhetorik. Natürlich kann man in der Isolation etwas produzieren. Aber das Produkt wird teurer und die Qualität wahrscheinlich schlechter sein. Es wird viel davon gesprochen, dass das Importembargo sich günstig auf die Landwirtschaft auswirke. Vielleicht ist das in einigen Bereichen auch so. Aber die Kosten dafür trägt der Verbraucher. Er erhält entweder keine Waren, oder aber Waren von geringerer Qualität oder zu höheren Preisen. 

    Sanktionen können nicht helfen. Sie können Maßnahmen erzwingen, die man auch ohne sie hätte treffen können. Das ist das Prinzip „Not macht erfinderisch“. Das Ziel eines Staates besteht darin, ein transparentes Regelsystem zu schaffen, Bedingungen, unter denen sich die Menschen bemühen werden, etwas zu erreichen. 

    Der Wirtschaftsexperte Sergej Gurijew hat in einem Interview vor Kurzem zwei wichtige Faktoren genannt, damit die Wirtschaft des Landes insgesamt prosperieren kann: die Möglichkeit eines Machtwechsels und den Kampf gegen Korruption. Welche würden Sie benennen?

    Ich stimme Sergej zu, aber das klingt natürlich ziemlich abstrakt. Wenn die Wirtschaft wachsen soll, muss das Umfeld stimmen. Damit ein Mensch gewillt ist, zu investieren, muss er sich sicher sein, dass man ihn weder umbringt noch sein Geld wegnimmt. 

    Damit ein Mensch gewillt ist, zu investieren, muss er sich sicher sein, dass  man ihn weder umbringt noch sein Geld wegnimmt 

    Es muss ein unantastbares Eigentumsrecht und transparente Spielregeln geben mit einem funktionierenden Steuersystem, ohne unvorhergesehene Zahlungen und ohne lokale Kriminalität. Es läuft alles darauf hinaus, ob das Umfeld günstig ist oder nicht. Derzeit ist es nicht sehr günstig, aber das ist nicht tödlich.

    Morgan Stanley war ein wichtiger Personallieferant für russische Großunternehmen, beispielsweise für Rosneft. Braucht Russland denn jetzt von woanders her Arbeitskräfte?

    Die Arbeitskultur ist in der Tat komplett anders. Ich kenne russische Unternehmen ein wenig, und sie sind deutlich hierarchischer. Morgan Stanley hat eine flache Hierarchie – dort wirst du eingestellt, um Geld zu verdienen. Wenn du Unterstützung brauchst, wendest du dich an London oder New York. Aber du bestimmst selbst über die Deals. 

    In Russland funktionieren die Großunternehmen nach dem Prinzip einer One-Man-Show, wie Feudalstaaten. Die Russen glauben nicht an Institutionen, sie glauben an konkrete Personen und an die Möglichkeiten, Befehle zu erteilen und Kontrolle auszuüben. Dieses System unterdrückt die Initiative. Das Risiko etwas zu tun ist höher als das Risiko es nicht zu tun.
     


     

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  • Völlig losgelöst von der Wirtschaft

    Völlig losgelöst von der Wirtschaft

    Die Statistikbehörde Rosstat hat im Februar die BIP-Zahlen für 2018 bekanntgegeben: Demnach lag das Wirtschaftswachstum 2018 bei satten 2,3 Prozent. Ein Rekord, das höchste Wachstum seit 2012. 
    Schnell wurden Zweifel laut: Schließlich war Rosstat zuvor von niedrigeren Werten ausgegangen. Wirtschaftsexperten halten ein Wachstum von 1 bis 1,8 Prozent für realistischer. 
    Wie echt sind die offiziellen Zahlen? Andrej Sinizyn kommentiert das russische Wirtschaftswunder auf Republic.

    Das Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent ist der Rekord der vergangenen sechs Jahre. Es spricht für einen ernsten Erfolg der digitalen Wirtschaft. Damit meine ich nicht die IT-Wirtschaft, die die russische Autarkie vorantreiben soll, sondern die virtuellen Zahlen, die als einzige bedeutsam für die russische Politik sind und sich immer weiter von der realen Wirtschaft entfernen.

    Wirtschaftswunder

    Nachdem Rosstat die Zahlen aus unerfindlichen Gründen neu berechnet hatte, betrug das Wirtschaftswachstum plötzlich 2,3 Prozent. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung war in sehr optimistischen Prognosen von 2 Prozent ausgegangen, Experten hatten von 1 bis 1,8 Prozent gesprochen.

    Natürlich sehen viele hinter der Revision die Machenschaften des Ministeriums, dem die Statistikbehörde Rosstat seit geraumer Zeit untersteht. Just am Tag vor der Ankündigung des Superwachstums wurde der Chef der Behörde ausgetauscht. In einem Klima, wo das Vertrauen in den Staat völlig fehlt, und die Rechnungslegung undurchsichtig ist, gedeihen Verschwörungstheorien – und mit derartigen Aktionen nährt Rosstat das Misstrauen.

    Gewiss muss das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung das Wirtschaftswachstum vor dem Präsidenten und nicht vor dem Volk verantworten. Dem Auftrag des Präsidenten, ein bestimmtes Wachstum zu erreichen (wir müssen ein jährliches BIP-Wachstum von 3,0 bis 3,5 Prozent sicherstellen), muss entsprochen werden. Das heißt, zum ordentlichen Termin müssen Zahlen genannt werden, die zumindest eine positive Dynamik zeigen.

    Der Alltag bleibt der gleiche

    Die Zahlen, die der Präsident in seinen Ansprachen und Begegnungen mit dem Volk und mit Journalisten nennt, entfernen sich immer weiter von der Realität. Den Bürgern wird bei diesen Zahlen weder heiß noch kalt, drückt sich ihre wirtschaftliche Lage doch objektiv in sinkenden Einkünften aus. Welchen Unterschied macht es also, was der Präsident sagt? Spricht er von einem Wirtschaftswachstum von zehn Prozent, ändert sich im Alltag letztlich nichts. Die Bürger tippen sich an die Stirn und sind wieder bei ihren Alltagssorgen.

    Das Auseinanderdriften der offiziellen und realen Wirtschaft hat tiefere Gründe. Nach Meinung einer Mehrheit von Experten ist das Wirtschaftswachstum im Jahr 2018 im Wesentlichen auf die Exporte zurückzuführen. Die steigenden Erdölpreise und die Abwertung des Rubel haben zu diesem Erfolg beigetragen. 
    Im Gegensatz zu den 2000er Jahren sickern die Exportüberschüsse heute jedoch praktisch nicht in die übrige Wirtschaft durch, wie Kirill Tremassow, Direktor für Analysen bei Locko-Invest, feststellt. Die Haushaltsdisziplin ist viel strenger geworden, die Regierung macht in Erwartung lang andauernder Sanktionen große Sparanstrengungen. Und die Exporteure ihrerseits investieren viel weniger im Inland und schütten rekordhohe Dividenden aus.

    Abhängig von der Elite

    In ihrem  Buch Warum Nationen scheitern unterscheiden die Ökonomen Daron Acemoğlu und James Robinson zwischen extraktiven und inklusiven Staaten. In ersteren existieren die militärische Elite und die arbeitende Bevölkerung separat, jedoch voneinander abhängig. Die Elite beschützt das Volk und nimmt dafür Geld von ihm. In den letzteren, den inklusiven Staaten, gibt es keine ständischen Grenzen, die Elite formiert sich nach dem meritokratischen Prinzip, was das Wirtschaftswachstum günstig beeinflusst. 
    Der Historiker Alexander Etkind verwendet einen dritten Begriff und spricht bei Staaten mit großer Rohstoffabhängigkeit von superextraktiven Staaten. Dort beutet die Elite die Ressourcen praktisch ohne Beteiligung des Volkes aus und nimmt die politische Rente ein. Bei einem derartigen Modell wird die Bevölkerung überflüssig und ist nicht von ihren eigenen Anstrengungen abhängig, sondern von der Wohltätigkeit der Eliten.

    Das schrieb Etkind im Jahr 2013 und seine Theorie ließ sich schon damals auf die russische Situation anwenden. Heute beobachten wir eine Weiterentwicklung der Lage, sie wird augenfälliger: Für Wohltätigkeit hat die Elite kein Geld mehr und die Bevölkerung wird immer nutzloser. 
    Übrigens, so schreibt die Zeitung Kommersant, hat auch der Anstieg der Verbraucherkredite einen nicht unbedeutenden Anteil am Wirtschaftswachstum, obwohl die Nachfrage selbst stagniert. Das Wachstum des privaten Konsums hat sich verlangsamt, von 3 Prozent im Jahr 2017 auf 1,9 Prozent im Jahr 2018. Und der Anteil der privaten Konsumausgaben am BIP ist binnen eines Jahres um drei Prozentpunkte gesunken. Die Bürger geraten schleichend in Schuldknechtschaft, was sich positiv in der BIP-Statistik niederschlägt, jedoch die Finanzstabilität bedroht, so die Meinung der Zentralbank.

    Der sonderbar anmutende Optimismus mag mit Folgendem zu tun haben: Dass Rosstat die Daten unerwartet nachgerechnet hat, lässt sich neben Verschwörungstheorien auch mit der äußerst schlechten Qualität der Statistik erklären. Es ist längst bekannt, dass föderale und regionale Statistiken nicht übereinstimmen, dass das Zählsystem zuweilen sehr seltsame Formen annimmt und der Staat in letzter Zeit vermehrt die „richtige“ Statistik anfordert. 

    Das alles führt zu der Prämisse, dass die Modelle von Rosstat gewissermaßen eine andere Wirtschaft abbilden, die mit der realen nichts zu tun hat. Davon spricht Simon Kordonski, Professor an der Higher School of Economics und wissenschaftlicher Leiter der Chamowniki-Stiftung, oft in seinen Vorträgen: Wir wissen gar nicht, was in Russland vor sich geht, wie die Menschen leben, was sie arbeiten und wie viele es eigentlich sind.

    Könnte es sein, dass wir dermaßen wenig über Russland wissen, dass es überlebt und immer weiter überleben wird, ungeachtet der entschlossenen Versuche von oben, es unter die Erde zu bringen?

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  • Video #26: Putin fragt Werftarbeiter nach Gehalt

    Video #26: Putin fragt Werftarbeiter nach Gehalt

    Anfang September fand auf der Insel Russki, unweit von Wladiwostok, das IV. Östliche Wirtschaftsforum statt. Vertreter aus Russland, China, Japan und anderen Ländern unterzeichneten Verträge für über drei Billionen Rubel (über 40 Milliarden Euro). 

    Im Vorfeld des Forums besuchte Wladimir Putin die Werft Swesda: Er schaute sich Trockendocks an, feierte Kiellegungen und sprach mit den Mitarbeitern der Werft. 
    Dabei schätzte Putin den Durchschnittslohn eines Werftarbeiters auf 90.000 Rubel ein (rund 1200 Euro). 
    In der Region Primorje verdient man offiziellen Zahlen zufolge rund die Hälfte, russlandweit betragen die durchschnittlichen nominalen Löhne und Gehälter etwa 39.000 Rubel (rund 520 Euro). Dies sind die offiziellen Zahlen, die viele Beobachter in Russland oft anzweifeln. Entscheidend für sie sei ohnehin das durchschnittliche Realeinkommen, und dieses sinkt auch laut Rosstat seit vier Jahren in Folge.

    Hat sich der Präsident also verschätzt? Jedenfalls wiesen einige unabhängige Medien darauf hin, dass das stenografierte Gespräch nach der Veröffentlichung zunächst eine Zeit lang von der Website des Kreml verschwand. Daraufhin entbrannte im Runet eine hämische Diskussion darüber, ob der Präsident denn nicht wisse, wie schlecht es eigentlich um die russische Lohnpolitik bestellt sei. Einige wiesen darauf hin, dass die staatlichen Nachrichtenkanäle diese Episode herausgeschnitten haben. 

    Auf die Frage, weshalb das Gespräch nicht mehr aufrufbar war, entgegnete Putins Pressesprecher Dimitri Peskow, dass der Text nur deshalb runtergenommen wurde, um ihn durch ein Video zu ersetzen.

    Das Originalvideo finden Sie hier.

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    Warum der Rubel schwach bleibt

  • Warum der Rubel schwach bleibt

    Warum der Rubel schwach bleibt

    Üblicherweise rollt der Rubel nur in eine Richtung – dem Ölpreis nach: Steigt dieser, dann gewinnt auch der Rubel gegenüber dem US-Dollar an Wert und umgekehrt. Seit über einem halben Jahr ist diese Gesetzmäßigkeit gestört: Unabhängig vom derzeit relativ hohen Ölpreis bleibt der Rubelkurs unten. Warum ist das so?


    Quelle: wallstreet-online / OFX

    Die meisten Experten erklären das Phänomen mit äußeren Faktoren: Die Sanktionen würden dem Rubel zusetzen, außerdem sei die russische Währung Geisel einer globalen Entwicklung, die derzeit die Kurse von vielen Schwellenländern runterzieht. Während die meisten dieser Länder aber Stützungsmaßnahmen ergreifen, tut weder die russische Politik noch die Zentralbank etwas.  
    Heißt das, dass der Rubelkurs für den Kreml keine Rolle spielt? Im Gegenteil, meint Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew: Das Ziel bestehe allerdings nicht in der Stabilisierung, sondern in einer kontrollierten Senkung. 
    Da man diese These so sonst noch nirgends gehört hat, haben wir uns entschieden, den Text, der auf Riddle erschienen ist, hier in deutscher Übersetzung zu veröffentlichen.

    Warum nimmt die russische Regierung Kurs auf Schwächung des Rubels? Drei entscheidende Gründe, sortiert nach Wichtigkeit:

    Autarkie ist Trumpf

    Erstens: Alles deutet darauf hin, dass die russische Regierung heute auf wirtschaftliche Autarkie setzt. Erfolge bei den Importsubstitutionen sind quasi zum Effektivitätskriterium geworden. Ohne Zweifel fördert die gezielte Abwertung des Rubels diese Art der Wirtschaftsentwicklung. Experten, die darauf hinweisen, dass diese Maßnahme nur eine geringe Wirkung auf die Förderung der russischen Exporte habe, liegen völlig richtig: Der Anteil der industriellen Endprodukte am Export ist gering. 

    Gleichzeitig sichert die stetige Verteuerung der Importe den russischen Produzenten ihre Dominanz auf dem inländischen Markt, und die Wirtschaftsindikatoren bleiben dadurch stabil. Ein Land, dessen Wirtschaft sich in vollem Umfang auf Ausgabenerhöhungen stützt, macht eine Korrektur durch Währungsabwertung zur periodischen Notwendigkeit. Je sanfter und kalkulierter diese Anpassung ausfällt, desto geringer ist die Schockwirkung für Produzenten und Bevölkerung. 

    Sanfte Kursabwertung erzeugt Gefühl von Wachstum

    Ohne schrittweise Abwertung der nationalen Währung kann in der russischen Wirtschaft kein Gefühl von Wachstum aufkommen, ungeachtet dessen, dass eine solche Abwertung keine zusätzlichen Exporteinnahmen bringt. Für einen solchen Doping-Effekt müsste das Abwertungstempo gesichert über den Inflationsindikatoren liegen, da ansonsten der Effekt schlichtweg verpufft. Es sei darauf hingewiesen, dass dies nur unter Bedingungen einer eingeschränkten oder gar stagnierenden Endnachfrage möglich ist. Darin findet sich auch die Antwort auf die Frage, warum sich die russische Regierung gegenüber einer Nachfragestimulation apathisch verhält, obwohl in den letzten zehn Jahren eine solche Maßnahme in den meisten Industriestaaten die Antwort auf die Wirtschaftskrise war.

    Währungsabwertung füllt sehr wirksam die Staatskasse 

    Zweitens: Der Kreml hat einen noch wichtigeren Grund, eine Rubelschwäche anzustreben. Der russische Haushalt weist nämlich vor allem folgende Besonderheit auf: seine große Abhängigkeit von Import- und Exportzöllen sowie von Steuern auf die Gewinnung von Bodenschätzen. Was haben denn die Einfuhrzölle für Autos und der Steuersatz auf Erdölgewinnung miteinander zu tun? Beiden ist gemeinsam, dass sie in Euro (Importzölle) oder in Dollar (die Förderabgabe, die an den Erdölpreis auf dem Weltmarkt gebunden ist oder Exportzölle) errechnet werden. So erhält die Regierung im Grunde genommen einen Teil der Erträge in Fremdwährungen, erklärt aber den Rubel zum alleinigen Zahlungsmittel im Land. 2017 beispielsweise beliefen sich diese Abgaben an den Staatshaushalt insgesamt auf 5,97 Billionen Rubel [etwa 77 Mrd. Euro – dek] bei einem durchschnittlichen Kurs von 58,35 Rubel pro Dollar. 2018 betrug der durchschnittliche Kurs der ersten acht Monate bereits 62,66 Rubel pro Dollar. Bei unverändertem Import- und Exportvolumen vermehrten sich dadurch die Einnahmen der Staatskasse um nicht weniger als 400 Milliarden Rubel [etwa 5 Mrd. Euro – dek]. Auf das ganze Jahr wird mit über 900 Milliarden [etwa 11 Mrd. Euro – dek] gerechnet. 

    Über den rückläufigen Erdölpreis kann lange diskutiert werden. Jüngst aber überstieg der Barrel-Preis in Rubel, und gerade das ist wichtig für den Haushalt, die 5000er-Marke. Im Mai 2008 – und das waren historische Höchststände – lag er bei nur bei 3600 Rubel pro Barrel. Ich möchte hinzufügen: All diese Einnahmeposten werden ausschließlich dem Staatshaushalt gutgeschrieben, aus dem die für den Kreml so hohen Sozialausgaben finanziert werden (in Rubel, selbstverständlich). Diese, wie auch die Renten und Sozialhilfen, sind nicht an den Dollarkurs, sondern an die offizielle Inflation gekoppelt. Anders ausgedrückt ist die Währungsabwertung ein sehr wirksames und wenig konfliktreiches Instrument, um die Staatskasse zu füllen.

    Psychologischer Gewinn, wenn Volkseinkommen nominal hoch

    Drittens hat die Abwertung der nationalen Währung eine extrem wichtige psychologische Funktion. Nehmen wir die berühmte Rentenerhöhung von 1000 Rubel [etwa 13 Euro – dek] – das bedeutet für die kommenden Jahre ein jährliches Wachstum von 7 Prozent (wenn wir von der heutigen durchschnittlichen Monatsrente von 14.000 Rubel [etwa 180 Euro – dek] ausgehen), wobei dieses Wachstum bei steigendem Nominalbetrag abflaut. Die Einkommen der russischen Bevölkerung gerechnet in Dollar (er dient für den internationalen Vergleich sowie als Berechnungsgrundlage für die reale Konsumnachfrage der Bürger) – haben von Anfang 2017 bis August 2018 um 8,5 Prozent abgenommen, und diese Entwicklung denkt gar nicht daran zu stoppen. 

     

     

    Der Big-Mac-Index vergleicht die Kaufkraft von verschiedenen Währungen anhand der Preise (in US-Dollar) für einen Big Mac. Demnach ist der Rubel stark unterbewertet. 

     

    Jedoch ermöglicht die Abwertung des Rubels der Regierung, von wachsenden Nominalinvestitionen in Rubel zu berichten, von einem höheren Volkseinkommen und steigenden Renten. De facto plündert sie dabei Haushaltsposten aus, die bei einer stagnierenden Wirtschaft den korruptionsintensivsten Spielraum bieten. 

    Propaganda schlägt Vorteile aus Entdollarisierung der Wirtschaft

    Wenn in den ersten zwei Amtszeiten von Putin beteuert wurde, Portugal werde rasant eingeholt, das BIP und die Einkommen würden in Dollar berechnet wachsen, so geriet diese Ankündigung in den letzten Jahren völlig in Vergessenheit. Die Propaganda schlägt alle möglichen Vorteile aus einer völlig illusorischen Entdollarisierung der Wirtschaft. Was leider nur sichtbar ist, wenn man von unten nach oben schaut und nicht von oben nach unten. 

    Meiner Meinung nach besteht heute kein Zweifel darüber, dass eine fortschreitende Abwertung die ideale „symmetrische Antwort“ ist auf die westlichen Sanktionen, die Verschlechterung des Investitionsklimas und den unausweichlichen Rückgang des Lebensstandards der Bevölkerung. Sie garantiert „Stabilität“ im Inneren, lässt nicht zu, dass alle russischen Produkte zu Ladenhütern werden, erlaubt höhere Einnahmen im Haushalt, der bei einem Vor-Krim-Kurs von 32,50 Rubel pro Dollar nun mit nicht weniger als 2 Billionen Rubel [etwa 25 Mrd. Euro – dek] defizitär wäre. Und beruhigt die Bürger, die sich bereits über die wenigen Rubel Einkommenssteigerung freuen, in einem Land, das sich schrittweise von der Außenwelt abkapselt. 

    Das alles bedeutet, dass die Regierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um einen Kursanstieg zu verhindern, selbst wenn unsere „geopolitischen Feinde“ morgen alle gegen Moskau verhängten Sanktionen aufheben würden.

     

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  • Was haben die Sanktionen bewegt?

    Was haben die Sanktionen bewegt?

    2014 verhängten die EU, die USA und einige andere Staaten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Diese Reaktion auf die Angliederung der Krim sowie Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine wurde bis dato immer wieder verlängert und ausgeweitet. Russland beantwortet die Sanktionen stets mit Gegensanktionen. Obwohl auch diese der russischen Wirtschaft nachhaltig schaden, bricht sie nicht zusammen.

    Worin besteht die Wirkung der Sanktionen? Und wie haben sie die russische Wirtschaft verändert? Jakow Mirkin ist einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler Russlands, für Republic beantwortet er diese Fragen in zehn Punkten.

    Punkt 1. Die Idee einer Wirtschaftsunion mit der EU, wenn auch einer langsamen und komplizierten, ist vom Tisch. 2013 hatte der EU-Anteil fast 50 Prozent des russischen Außenhandelsumsatzes ausgemacht. Es schien, als würde es nur noch einige Umarmungen brauchen, und das Paar wäre nicht mehr zu trennen. Und dann kämen im Weiteren: Freihandelsabkommen, Visafreiheit, Ausbau politischer Verbindungen.

    Aber das alles blieb ein Traum. Heute liegt der EU-Anteil noch bei 42 bis 43 Prozent. Allmählich, um jährlich ein Prozent, sinkt Russlands Anteil an den Öl- und Gaslieferungen in die EU, obwohl die EU immer noch ein Drittel der Brennstoffe aus Russland bezieht. Russland und die EU koppeln sich substantiell voneinander ab.

    Derzeit ist die russische Wirtschaft quasi hängengeblieben – auf zwei Brücken zwischen zwei Modernisierungszentren: der EU und China. Chinas Anteil an Russlands Außenhandelsumsatz, der Anfang der 2010er Jahre 7 bis 8 Prozent betrug, liegt heute bei 15 Prozent. Statt einer glücklichen Bindung mit der EU entsteht eine eurasische Wirtschaft. Aber egal ob mit der EU oder mit China – überall läuft es für Russland auf das sogenannte Hinterhof-Modell hinaus: Rohstoffe im Tausch gegen Maschinen, Technik und Konsumgüter.

    Punkt 2. Wir sind zur Selbstfinanzierung übergegangen. Bis 2014 hatte Russland ein für aufstrebende Märkte typisches Modell: Das eigene Finanzsystem ist unbedeutend, die großen Unternehmen ziehen wegen des Geldes in aller Herren Länder, nach London, New York oder Hongkong, und die kleinen und mittelständischen Unternehmen leben von dem, was übrigbleibt – den paar Kopeken, die auf dem heimischen Markt zu holen sind. Mit den Sanktionen kam ein Wetterumschwung, und der Zugang Russlands zum internationalen Kapitalmarkt wurde drastisch eingeschränkt.

    Die Auslandsschulden erreichten mit 451 Milliarden Dollar in den „sonstigen Bereichen“ (sprich bei allem, was in Russland zur Privat- und nicht zur Bankenwirtschaft gehört) ihren Höhepunkt im Juni 2014. Im Oktober 2017 waren es noch 353 Milliarden Dollar. Die Auslandsschulden russischer Banken lagen im April 2014 bei 214 Milliarden Dollar, im Herbst 2017 bei 108 Milliarden Dollar.

    Wenn die Firmenkasse schrumpft, will jeder wissen, warum. Teilweise – unter Berücksichtigung von Formalia wie dem schwankenden Wechselkurs und so weiter – liegt das daran, weil Russlands Devisenreserven gesunken sind. Anfang 2014 waren es insgesamt 514 Milliarden Dollar, ihr niedrigstes Niveau erreichten sie im April 2015 mit 351 Milliarden Dollar, im Oktober 2017 war der Wert wieder auf 424 Milliarden Dollar gestiegen.

    Punkt 3. Durch die Sanktionen hat die einheimische Produktion leicht zugenommen. Vor den Sanktionen lautete das Motto: Alles kaufen. In der internationalen Arbeitsteilung hatte Russland die Rolle des Rohstofflieferanten inne. 
    Womöglich wurde man erst durch die Sanktionen daran erinnert, dass 10 bis 15 Millionen Menschen in der Rohstoffgewinnung arbeiten, dass die restlichen 130 Millionen aber auch etwas machen müssen, nicht nur bewachen, regulieren, verkaufen und letzten Endes rauben. Erinnern wir uns an die Importabhängigkeit von 2014: bei Werkzeug und Maschinen waren es 70 bis 90 Prozent; und in einzelnen Bereichen sogar 95 bis 100 Prozent. 
    Im Februar 2015 wurden im großen Russland, dem Dritten Rom, in dem mehr als 140 Millionen Menschen leben, 225 Metallschneidemaschinen, 216 Schmiedepressen und 371 Holzverarbeitungsmaschinen hergestellt. Das deckte nicht einmal ein Zehntel der Nachfrage an Maschinen ab, die ausgewechselt werden mussten. Der Importanteil lag bei 90 Prozent.

    Wie sieht es heute aus? Im Februar 2018 wurden 326 Metallschneidemaschinen und 293 Schmiedepressen produziert. Zu den Holzverarbeitungsmaschinen liegen keine Daten vor, Rosstat veröffentlicht sie nicht.

    Es gab in den drei Jahren also ein Wachstum, ein großes sogar, geht man von dem niedrigen Ausgangswert aus, aber das Hauptproblem ist geblieben: die geringe Produktion nach den Verlusten in den 1990er bis 2000er Jahren und die enorme Importabhängigkeit. 
    Wie steht es um die Elektronik? „Der Anteil von ausländischer Elektronik in russischen kommerziellen Kommunikationssatelliten beträgt 70 Prozent“,  wie Igor Tschursin, der stellvertretende Leiter der Föderalen Kommunikationsgesellschaft am 20. April 2018 sagte.

    Die Importabhängigkeit ist also gesunken? Ja, aber um einen unbedeutenden Prozentsatz. Ende 2014 lag der Anteil von Importgütern im Handel bei 36 Prozent, heute liegt er bei 22 Prozent (3. Quartal 2017).

    Punkt 4. Es kam zur Bildung einer Krückenwirtschaft, also von kleinen, extrem schnell wachsenden Inseln als Antwort auf die Sanktionen: die Getreide- und Milchproduktion, Teile des Maschinenbaus, die pharmazeutische und die Rüstungsindustrie sowie die Territorien vorauseilender Entwicklung. Das sind alle, die jährlich um acht bis zehn Prozent wachsen. In diesen Industriezweigen wurde der Markt künstlich normalisiert. Es gibt leichteren Zugang zu (staatlich geförderten) Krediten, der Zins wurde (durch Subventionen) gesenkt, es gibt mehr Steuer- und Investitionsvorteile, mehr staatliche Zuschussprogramme, weniger bürokratische Hürden. Alles zusammen führt zu einem schnellen Wachstum, das durch den Wertverfall des Rubels zusätzlich begünstigt wird. Wir sehen also ein selektives, segmentorientiertes Vorgehen vor dem Hintergrund einer schwerfälligen, tief schlafenden Wirtschaft.

    Punkt 5. Es kommt zur Verstaatlichung, Konzentration und Bündelung aller finanziellen Ressourcen in Moskau und zur Zunahme von Marktregulierungen als Vorbereitung einer Mobilisierungswirtschaft. Je größer der Druck von außen, je umfassender die Sanktionen, desto mehr staatliche Eingriffe gibt es. Schätzungen zufolge hat die Verstaatlichung in der Realwirtschaft mittlerweile 70 Prozent erreicht. Dasselbe gilt für den Bankensektor. Wenn dieser Trend, der übrigens schon vor den Sanktionen einsetzte, anhält, werden wir mit einem staatlichen Anteil von 80 bis 85 Prozent bald eine ganz andere Wirtschaft haben, und zwar eine, die einer Zentralverwaltungswirtschaft, einer abgeriegelten Festung nahekommt.

    Die kleinen und mittelständischen Unternehmen werden entweder an staatliche Projekte angebunden sein oder auf dem Niveau von Schumacherbüdchen existieren, von denen es Anfang der 1930er Jahre soviele gab. Wir werden ein extremes Wachstum großer Unternehmen beobachten und eine noch größere Abnahme kleiner Betriebe, was ihre Bedeutung, Anzahl und Kaufkraft betrifft. In der Folge kommt es zu einem finanziellen und bevölkerungsmäßigen Dahinwelken der Regionen, die immer mehr vom föderalen Zentrum abhängen werden, von seinen riesigen Projekten vor Ort. In Russland ist der Anteil der staatlichen Konsumausgaben am BIP mit 17,5 bis 18 Prozent sehr hoch, höher als in den USA oder China. Eine Wirtschaft der Vertikalen ist kein gutes Mittel, um die technologische Kluft zum Westen zu kitten.

    Punkt 6. In- und ausländisches Eigentum, das aus Russland stammt, wird voneinander abgekoppelt und intensiv umgestaltet. Auf wessen Seite steht ihr, meine hochverehrten Herrn Kapitalisten? Die besitzende Klasse muss entscheiden, an welchem Ufer sie bleiben möchte – dort in den Offshores der Schweiz oder Irlands oder hier bei uns, an unserem Ufer. Darauf drängt alles hin: die Sanktionen, die russischen Programme gegen die Offshores, der Austausch von Steuerdaten, die Kapital-Amnestie.

    Punkt 7. Der verheerende Rückzug von Ausländern aus der russischen Wirtschaft. Wir brauchen sie: für den Technologietransfer, wegen ihrer Managementerfahrung und ihrer neuen Produkte. Aber sie verlassen uns. Die Anzahl von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung lag 2013 bei 24.000. Bis 2015 ist sie mit 17.600 (Angaben von Rosstat) erheblich gesunken. Ende 2013 gab es in Russland 252 Banken mit ausländischen Beteiligungen, Ende 2017 waren es nur noch 160.

    Punkt 8. In der Wirtschaft herrscht eine bedrückende, finstere Atmosphäre voll schlechter Vorahnungen und hoher Risiken. Es ist ein Risiko, mit den Russen Geschäfte zu machen – davon zeugen die nicht abgeschlossenen Geschäfte und die niedrige Investitionsquote. Bezeichnend ist auch die Situation in der Baustoffindustrie, die ihrer Natur nach den Weg in die Zukunft weist: Hier herrscht das vierte Jahr in Folge eine Flaute. 2014 gab es bei den Backsteinen einen Einbruch um 25 Prozent, bei Beton- und Zementziegeln um 50 Prozent, bei Zement um 25 Prozent, bei Mauersteinen laut Schätzungen um 30 bis 35 Prozent. Der Umfang der Bauarbeiten sinkt seit fünf Jahren in Folge. Mittlerweile liegt er um etwa 15 Prozent niedriger als 2013.

    Punkt 9. Mehr Bomben. Die Rüstungsindustrie verzeichnete 2016 ein Wachstum von 10 Prozent, 2017 von 7,5 Prozent. Vergleichen wir das mit der „einfachen“ industriellen Produktion: Dort gab es 2016 ein Wachstum von 1,6 Prozent und 2017 von 1 Prozent.

    Was sagt uns das? Das Wettrüsten, wenn es in derselben Form und mit denselben Investitionen wie in den 1980er Jahren stattfindet, könnte die russische Wirtschaft in die Knie zwingen. Die Waffen, das Öl, ein über dem Weltdurchschnitt liegendes Wachstum, die Modernisierung – man müsste schon ein Genie sein, um diese einander widersprechenden Aufgaben gleichzeitig und zudem halb isoliert in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu lösen.

    Punkt 10. Schlechtere Lebensmittelqualität infolge der Gegensanktionen und ein Sinken des Realeinkommens der Bevölkerung. Wie kann man das herleiten? Dazu legt der Rospotrebnadsor keine Statistiken vor. Ein sehr einfacher Index ist der Import von Palmöl nach Russland: Der stieg bis 2017 im Vergleich zu 2011 um 50 Prozent (Angaben des Rosstat). Im Januar und Februar 2018 gab es im Vergleich zu jeweils demselben Monat 2017 abermals einen Zuwachs von fast 40 Prozent. 2018 könnten wir die Marke von einer Million Tonnen dieses wunderbaren Produkts knacken, das die Produktion von billigen Lebensmitteln ermöglicht.

    Fazit
    Die Wirtschaftssanktionen sind eine Herausforderung, auf die wohl oder übel sowohl die Staatsmaschinerie als auch alle anderen reagieren müssen. Durch Wachstum, neue Ideen oder Anreize, aber sicher nicht dadurch, dass man sich in sein Schneckenhaus verkriecht. 
    Mit einer ordentlichen Portion Ironie kann man den Sanktionen sogar danke sagen: Sie haben die Idee einer großen und verschiedenste Bereiche umfassenden russischen Wirtschaft wiederbelebt, die sich nach einer Modernisierung auf eine wachsende Binnennachfrage stützt und nicht auf den Export und die Kapitalabwanderung ins Ausland. Die Sanktionen haben sogar die Regierung dazu gebracht, in dieser Richtung aktiv zu werden. Ihre wirtschaftspolitische Formel ist allerdings äußerst schwach: maximale Menge an Hindernissen (Haushalt, Kredite, Zinsen, Währungskurs) + immer mehr bürokratische Hürden + Verstaatlichung + Anreize und Hilfskrücken, die ausgewählten Industriezweigen zugutekommen.

    Aber natürlich wäre es irrsinnig, für die Sanktionen dankbar zu sein, denn mit jeder neuen Runde wird die Atmosphäre im Land kälter, die Vertikale steiler und werden die Stimmen lauter, die finden, Russland befinde sich im Kalten oder sogar hybriden Krieg und auf Kriegshandlungen müsse man mit der Mobilmachung reagieren.

    Und das ist womöglich die schlimmste Folge der Sanktionen: Sie bringen uns einer isolierten und zentral-administrativen Mobilisierungswirtschaft immer näher. Hätte man diesem Szenario vor vier Jahren noch eine Wahrscheinlichkeit von 2 bis 5 Prozent beigemessen, so liegt sie heute wohl bei 15 bis 20 Prozent. 
    Und wenn Minderheitsmeinungen zur Norm werden, fragt man sich natürlich: Was sind das bitteschön für Sanktionen, die das Land dazu drängen, sich in fünf bis sieben Jahren in eine kasernenhafte Festung zu verwandeln, die weder für uns noch für die anderen erbaulich ist – und am allerwenigstens für unseren größten Wirtschaftspartner, die EU? 
    Und was sind ihre tatsächlichen Folgen, wenn sie ein extrem hohes Risiko für die ganze Welt bedeuten?

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  • Warum es unter Putin keine Reformen geben wird

    Warum es unter Putin keine Reformen geben wird

    Was ist der Unterschied zwischen einem Staat und einer Räuberbande? Diese Frage hat der Philosoph Augustinus im 5. Jahrhundert gestellt. Seine Antwort gehört zu den geläufigsten politikwissenschaftlichen Abgrenzungen: Es ist das Recht, was den Staat ausmacht; eine Räuberbande ist demgegenüber vor allem durch Willkür gekennzeichnet.

    Im Rechtsstaatlichkeits-Ranking von The World Justice Project besetzte Russland 2017–2018 Platz 89 von 113, weit abgeschlagen hinter Botswana oder Malawi beispielsweise. Viele russische Putin-Kritiker bemühen solche Afrika-Vergleiche, um auf Ungerechtigkeiten in der politischen Ordnung Russlands hinzuweisen. Sie sehen ihr Land kritisch als einen Selbstbedienungsladen für die politische Elite, vor allem für die Silowiki. Diese Amtspersonen, die in Sicherheitsorganen des Staates tätig sind, sind eigentlich mit der Ausübung des Gewaltmonopols betraut, um damit auch das Funktionieren des Rechtsstaats zu ermöglichen. Im Grunde würden viele von ihnen aber mehr einer Räuberbande gleichen, sodass es immer wieder zu willkürlichen Enteignungen komme, wie etwa im Fall Yukos, und es für Unternehmer keine Rechtssicherheit gebe. Ihre Argumentation untermauern Kritiker oft mit einem weiteren Ranking: Russland liegt auf Platz 138 von 180 im Korruptionsindex von Transparency International.    

    Unter Putin nahm die Zahl und die Bedeutung der Silowiki stetig zu. Viele Wissenschaftler sehen in dieser Elitengruppe sogar das Rückgrat des sogenannten System Putin. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl diskutieren sie nun vermehrt, was Putin tun kann, um die langanhaltende Stagnation zu überwinden. Auf Republic stellt auch der Wirtschaftswissenschaftler Dimitri Trawin die Frage: Da es offenbar kaum andere Möglichkeiten gibt, die Wirtschaft anzukurbeln, „könnte es da nicht vielleicht sein, dass Putin wenigstens jene zügelt, die über die Unternehmen herfallen“?

    Revolution, Evolution oder doch Stillstand –  wie groß ist Putins Reformwillen? / Foto © Marco Fieber/flickr.com
    Revolution, Evolution oder doch Stillstand – wie groß ist Putins Reformwillen? / Foto © Marco Fieber/flickr.com

    In den vergangenen Monaten, als klar wurde, dass es keine ernsthaften Reformen geben wird, nicht einmal nach den „Putin-Wahlen“ im März 2018, ist unter Optimisten die „Theorie der kleinen Dinge“ immer populärer geworden. Diese besagt im Wesentlichen, dass man das System in winzigen Schritten transformieren kann. Beispielsweise könne Putin dazu bewegt werden, die Willkür der Sicherheitsbehörden zu zügeln. Schließlich sprechen Wirtschaftsfachleute seit langem davon, dass Eigentum in Russland schutzlos ist, und dass die Überfälle auf Unternehmen für das Investitionsklima in Russland verantwortlich sind – das schlechter ist als das Märzwetter in St. Petersburg. Die Überfälle werden weniger von Banditen unternommen, als vielmehr von Leuten, die offiziell vom Staat zu unserem Schutz abgestellt werden. Wenn man die zügeln würde, dann bekäme das Land mir nichts dir nichts das Kapital, das es für eine Entwicklung braucht.

    Die „Theorie der kleinen Dinge“

    Die „Theorie der kleinen Dinge“ geht davon aus, dass Putin nicht auf sein Machtmonopol verzichten wird. Dass er sich nicht mit dem Westen versöhnen wird, weil er die Krim nicht herausrückt. Dass er die Bildung nicht fördern wird, weil er dafür kein Geld hat. Dass er nicht auf Importsubstitution verzichten wird, weil das ein Gesichtsverlust wäre.

    Könnte es da nicht vielleicht sein, dass er wenigstens jene zügelt, die über die Unternehmen herfallen? Dass das Regime zwar autoritär und autark bleibt, aber auch effektiver wird? Und wenn dieses Zwischenergebnis erreicht ist, würde das zu einem Meilenstein auf dem großen Weg zur Freiheit – weil wir noch nicht so weit seien, um diesen Weg gänzlich zu bewältigen.

    Derzeit ist allen – denen dort oben wie jenen unten – klar, dass Russland den Pfad einer lange währenden Stagnation eingeschlagen hat. Wie in dieser Situation die Macht gesichert wird und Wahlen gewonnen werden, wie das Volk „glücklich“ zu machen ist, auch wenn der Gürtel etwas enger geschnallt werden muss – dafür sind die Mechanismen bereits etabliert. 

    Die Rolle der Silowiki

    Für die Umsetzung dieser Strategie, die sich in etwa seit 2014 verfestigt hat, sind die Silowiki von immenser Bedeutung. Denn sie sind für einen Autokraten, der seine Macht realistisch einschätzt, sehr viel wichtiger, als illusorische Wünsche, die Wirtschaft mit Hilfe von Reformen wieder auf die Beine zu bringen. Die Silowiki existieren hier und jetzt. Sie sind durchschaubar, zugänglich und wohl motiviert. Ob die Wirtschaft aber am Gängelband der Silowiki wachsen wird, ist die große Frage. Was man allerdings sicher sagen kann, ist, dass angesichts aller für unsere Entwicklung höchst ungünstigen Umstände (Sanktionen, strukturelle Schieflagen, Kapitalflucht) die Wirtschaft selbst im besten Falle kaum jenes denkwürdige Wachstum von sieben Prozent des BIP erreichen wird – wie in den 2000er Jahren, als das Wachstum einen realen Einkommenszuwachs erzeugte und Putin eine aufrichtige Liebe des Volkes einbrachte. Wer würde in einer solchen Situation schon auf die Wirtschaft setzen, und nicht auf die Silowiki?

    Logik des Überlebens

    Es gibt allerdings ein Detail. Könnte es nicht sein, dass die Silowiki dermaßen außer Kontrolle geraten, dass sie die Stagnation zu einer Rezession machen, zu einer Rezession, die unabsehbar lang anhält, vernichtend wirkt und breite Bevölkerungsschichten auf ein Lebensniveau vor dem Maidan zurückwirft? Könnte es nicht passieren, dass sich die Silowiki von „stationären Banditen“ (nach Mancur Olson) zu „umherziehenden Banditen“ mausern? Dass sie endgültig auf Russland pfeifen, selbst auf Russland als ihren „Beute-Raum“, dass sie aus Russland alle Lebenssäfte absaugen und mit ihren Geldern in den Westen emigrieren, der günstige Lebensbedingungen bietet, und wo sich Millionen wohl versorgter ehemaliger Landsleute niedergelassen haben?

    Sollten die Dinge derart liegen, folgt daraus, dass bei einem Machterhalt der Silowiki sogar einem nicht wohlmeinenden Autokraten Gefahr droht. Er daselbst kann ja nicht emigrieren, da er eine allzu sichtbare Figur ist, die in der Weltpolitik keine geringen Spuren hinterlassen hat, und der bei vielen westlichen Richtern und Staatsanwälten den Wunsch geweckt hat, irgendeinen aufsehenerregenden Prozess anzustrengen. In Russland selbst erwartet ihn früher oder später eine soziale Explosion.

    Eine solche Entwicklung ist tatsächlich in einem gewissen Maße wahrscheinlich. Аllerdings hält die überwiegende Mehrheit der qualifizierten Wirtschaftsexperten nicht einen völligen Zusammenbruch, sondern Stagnation für die wahrscheinlichste Entwicklungsperspektive Russlands. 
    Heute weist kaum etwas darauf hin, dass der Lebensstandard künftig derart stark absinken könnte, dass die Leute von außenpolitischen Abenteuern und geistigen Klammern enttäuscht wären.

    Das eskalierende Vorgehen der Sicherheits- und Polizeibehörden, das – den Festnahmen von Gouverneuren und den innerelitären Konflikten nach zu urteilen – in unserem Land tatsächlich stattfindet, betrifft eher die Machtgruppen, nicht die Bevölkerung insgesamt. Im Zuge dieser Konflikte werden die eher schwächeren Silowiki ausgeschaltet, wodurch die Ressourcen dann bei einer nun kleineren Zahl von „Banditen“ konzentriert sind.

    Eine solche Art der Krisenbewältigung ist leicht zu erklären: Technisch gesehen ist es sehr viel einfacher, einem anderen „Banditen“ an die Kehle zu gehen und leicht zugängliche, höchst liquide Ressourcen abzuschöpfen (Bankguthaben, Unternehmensaktien, Staatspapiere, Luxus-Immobilien). Schwieriger wäre es, bei der verarmten Bevölkerung und den Kleinunternehmen (die in die Schattenwirtschaft abtauchen) kärgliche Beträge herauszupressen, indem man die Besteuerung „optimiert“, die Repressionen gegen säumige Steuerzahler verschärft und so einen Maidan der Enttäuschten riskiert.

    Putin gegen die Putinisten?

    Neben der wirtschaftlichen Hypothese, die erklärt, warum sich ein Autokrat mit den Silowiki anlegen sollte, gibt es auch eine politische: Diesem Ansatz zufolge sollte Putin die Putinisten an die Leine nehmen, weil sie bald für ihn selbst gefährlich werden könnten.

    In letzter Zeit ist immer häufiger zu hören, dass unser Präsident eine „lahme Ente“ sei (trotz seines garantierten Wahlsiegs 2018), da er den Kreml nach 2024 verlassen muss. Immer häufiger wird auch darüber geredet, dass Putin in Wirklichkeit bereits jetzt an realer Macht verliere und die Silowiki in einer Reihe von Fällen schon ohne Putins Genehmigung handelten, etwa bei der Verhaftung von Alexej Uljukajew.

    Thesen dieser Art sind allerdings sehr zweifelhaft. Eliten verschwören sich nur dann gegen den Autokraten, wenn sich durch dessen Verbleib im höchsten Staatsamt mehr Nachteile als Vorteile ergeben. Bei uns liegt der Fall eindeutig anders. Die Nachteile werden zwar ganz offensichtlich und zügig größer, wegen der Sanktionen, des Kapitalabflusses und der sinkenden Reputation des Landes. Der Vorteil besteht aber ganz eindeutig darin, dass Putin in der Lage ist, Präsidentschaftswahlen mit Leichtigkeit zu gewinnen und das Regime unter minimalem Kostenaufwand zu erhalten. In diesem Regime können die unterschiedlichen Angehörigen der Elite (einschließlich der Silowiki) ihre Einnahmen vermehren, indem sie die nationalen Ressourcen verwerten und ihre Mittel ins Ausland schaffen. Dort lassen sie sich dann nieder, während in Russland alles vor die Hunde geht. Diese Strategie ist optimal für sie, und so haben sie keinerlei Absichten, sich auf gefährliche Spiele mit Staatsstreichen einzulassen.

    Folglich kann man Putin nur schwerlich mit den Silowiki schrecken. Kopfschmerzen bereiten diese Leute natürlich reichlich, doch hat der Präsident sehr wohl die jüngste Geschichte des Landes in Erinnerung: Reformer bedeuten für Autokraten sehr viel größere Probleme. Der Autokrat weiß: Wenn du deine Macht erhalten willst, dann solltest du in keinem Fall Reformen anstoßen, und schon gar keine wirtschaftlichen. Schließlich sind Michail Gorbatschow und Boris Jelzin gescheitert, weil sie übermäßig bestrebt waren, die soziale Ordnung zu transformieren. Die befand sich so gerade eben noch im Lot und setzte eher der breiten Bevölkerung zu, denn den Angehörigen der Elite. Erstere musste versuchen, Nahrungsmittel ohne Schlangestehen zu ergattern, während letztere über spezielle Versorgungsstellen, staatliche Datschen, eigene Autos und andere Annehmlichkeiten verfügten, mit denen sich das armselige sowjetische System ertragen ließ.

    Reformen wird es unter Putin nicht geben. Weder kleine, noch große. Weder radikale, noch übergangsweise. Nur imitierende und adaptierende. Einfacher gesagt: Sie könnten zum Beispiel eine Steuerreform verkünden, dabei ein oder zwei Steuern senken und das im Fernsehen herumposaunen, gleichzeitig aber die übrigen Steuern derart anheben, dass die Abgabenlast und die Haushaltseinnahmen steigen. Schließlich wird man ja das Haushaltsdefizit irgendwie ausgleichen müssen, wenn alle Reserven aufgebraucht sind.

    Aktualisiert am 29.01.19

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  • Vom Ökostrom-Vorreiter zum Erdöl-Junkie

    Vom Ökostrom-Vorreiter zum Erdöl-Junkie

    Elektroautos, Windkraft und Solaranlagen: Die Sowjetunion hatte das alles schon. Wie die UdSSR zunächst Vorreiter der erneuerbaren Energien wurde und weshalb daraus schließlich doch nichts wurde – das beschreibt Konstantin Ranks in einem Rückblick auf Republic.ru.

    Der Sonnenofen „Sonne“ lenkte mit Hilfe von Heliostaten das Sonnenlicht auf einen Sammelspiegel / Fotos © Victor Borisov/Livejournal

    Was erneuerbare Energien angeht, liegt Russland weit hinter den Weltmarktführern zurück. Was bei genauerer Betrachtung recht sonderbar ist: Denn noch vor einem halben Jahrhundert gehörte Russland zur Avantgarde innerhalb der Bewegung für eine neue Energiewirtschaft. Damals ging es allerdings noch nicht um ökologische Nachhaltigkeit – eher um eine billige Energievariante.

    Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber bis Mitte der 1960er Jahre war die Sowjetunion im Grunde Erdölmangel-Land. Die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energiequellen war eine objektive Notwendigkeit – zumal der Führer des Weltproletariats Lenin und seine Gesinnungsgenossen die saubere Elektroenergie als Hauptquell der neuen Industrialisierung ansahen – und nicht die durch Dampf oder Benzin erzeugte Energie. Der GOELRO-Plan zur staatlichen Elektrifizierung Russlands aus dem Jahr 1920, der von einem 200-köpfigen Wissenschaftlerkollektiv vorgelegt worden war, sah den Einsatz unterschiedlichster Energiequellen vor.

    Exotische ingenieurtechnische Forschungen

    Die Frage, wo die elektrische Energie herkommen sollte, um Industriebetriebe und die über das riesige Land verteilten Orte zu versorgen, regte zu recht exotischen ingenieurtechnischen Forschungen an, die bis Anfang der 1990er Jahre fortgeführt wurden. Im Moskauer Krshishanowski-Institut für Energietechnik erforschte man die Nutzung von Sonnenenergie mit dem Ziel, Sonnenöfen und Solarheizkraft­werke zu bauen.

    Ein Solarofen namens Sonne in Taschkent

    Ein Solarofen namens Sonne wurde 1981 in der Nähe von Taschkent errichtet. Der Ofen war mit 62 beweglichen Heliostaten ausgestattet, die die Sonnenstrahlen auf einen Sammelspiegel lenkten; dieser wiederum bündelte die Strahlen dann auf einem speziellen Versuchstisch. Innerhalb weniger Sekunden stieg die Temperatur im Brennpunkt des Systems auf über 3000 Grad Celsius. Das ermöglichte es, das Verhalten von Stoffen unter den Bedingungen des sogenannten thermischen Schocks zu untersuchen.

    62 bewegliche Heliostaten bündeln das Sonnenlicht auf einem Versuchstisch – in kürzester Zeit steigt die Temperatur auf über 3000 Grad Celsius

    Das Sonnenwärmekraftwerk SES-5 funktionierte nach dem gleichen Prinzip: Ein System von 1600 Heliostaten, die sich automatisch nach der Sonne ausrichteten, warf das Sonnenlicht auf einen in der Spitze des 99 Meter hohen Turms untergebrachten Dampfkessel. Der erhitzte Dampf wurde in den Turbinenraum im unteren Teil des Turms geleitet. Mit Hilfe der dort befindlichen Wärmespeicher konnte der Normalbetrieb des Kraftwerks für drei bis vier Stunden aufrecht­erhalten werden, etwa im Fall unerwarteter Bewölkung.

    Das Kraftwerk stand im Osten der Krim, seine Leistung betrug 5000 kW, womit es damals (1985) zu den stärksten Solarkraftwerken der Welt gehörte. Im Übrigen war das Krim-Kraftwerk in erster Linie eine Versuchsplattform, dort sollte erarbeitet werden, welche Besonderheiten bei einem Kraftwerk mit erheblich höherer Leistung zu beachten wären. Doch als mit dem Zerfall der UdSSR die Finanzierung eingestellt wurde, stellte auch SES-5 seinen Betrieb ein und kam auf den Schrott.

    Erfinder sahen für die Windkraft in Russland eine große Zukunft

    Insgesamt hatte die Nutzung von Wasserkraft einen bedeutenden Anteil an der Energiebilanz des Landes (bis zu 20 Prozent). Doch die Gewinnung von Wasserkraft im Flachland erfordert den Bau von Staudämmen (und verursacht entsprechende Kosten), wohingegen die Nutzung von Windkraft nichts Derartiges notwendig machte.

    Elektroautos, Windkraft und Solaranlagen: Die Sowjetunion war lange Zeit Vorreiter in der Entwicklung erneuerbarer Energie

    1923 hatte der sowjetische Staat für die Windkraftanlage des Kursker Erfinders Anatoli Ufimzew 5000 Rubel bereitgestellt. Im Februar 1931 ging das Kraftwerk an den Start. Die Erfinder sahen für die Windkraft in Russland eine große Zukunft – sie sprachen [in Anspielung auf Lenins Staatsplan zur Elektrifizierung] von der „Anemofizierung“ Russlands: das Ufimzewsche Windrad überlebte sowohl den Zweiten Weltkrieg als auch seine Erbauer und gab erst in den 1950er Jahren seinen Geist auf.

    Nach dem Krieg wurden serienmäßig kleinere Windaggregate für den Betrieb von Rundfunkstationen und für die Ortsbeleuchtung hergestellt. Damals kamen auch die sogenannten kombinierten Windkraftanlagen auf, bei denen Windgeneratoren mit Dieselanlagen kombiniert wurden (sobald der Wind nachließ, sprangen automatisch die Dieselgeneratoren an).

    Auf der Suche nach dem Energie-Eldorado der UdSSR

    In den 1950er Jahren weckte die Suche nach einem Energie-Eldorado in der UdSSR das Interesse an den unterschiedlichsten Energieformen. Neben industriellen Experimenten mit Atom-, Sonnen- und Windenergie wurde auch Exotischeres erforscht. So zum Beispiel im Jahr 1966 in einem Flusstal auf der Kamtschatka-Halbinsel, wo ein Geothermie-Kraftwerk mit einer Leistung von 5000 kW gebaut und in Betrieb genommen wurde – es war landesweit das erste und weltweit das erste mit Niedertemperatursystem. Solche Kraftwerke, die als Wärmeträger leichterhitzbare Flüssigkeiten benutzen, hätte man gut auch im Nordkaukasus, in Ostsibiren und sogar in der Ukraine errichten können.

    Erdölmangelverwaltung

    Offensichtlich konnte Sowjetrussland auf dem Gebiet der Erdölförderung mit den entwickelten Ländern nicht Schritt halten. Obwohl 1932 Öl in Baschkirien entdeckt worden war, kam die Erschließung nur schleppend voran. Zwar betonte die sowjetische Führung stets die Notwendigkeit, die Erdölförderung auszubauen, Öl galt als strategische Ressource, unter anderem für Verteidigungszwecke. Die Frage, weshalb sie damals dennoch prioritär auf Kohleförderung setzte, ist in der Geschichtsforschung Gegenstand zahlreicher Diskussionen.

    Ende der 1960er Jahre hatte die Sowjetunion die Chance verpasst, in der Entwicklung moderner Technologien weiter mitzuhalten

    Der Entwicklung erneuerbarer Energien hingegen lag eine klare Logik zugrunde: Je mehr die nur knappen Erdölprodukte durch „kostenlose“ Elektrizität ersetzt werden konnten, desto mehr blieb für den Bedarf von Armee, Luftwaffe und Flotte sowie weitere nach Ansicht der sowjetischen Führung elementare Aufgaben übrig.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde schnell klar, dass großzügige Erdölreserven eine entscheidende strategische Ressource darstellten. Die USA schwammen in billigem Öl. Auch die Europäer hatten diese Quelle angezapft, aber das Fahren solcher Riesenschlitten, wie sie bei den Amerikanern mittlerweile beliebt waren, konnte man sich im vom Krieg zerstörten Europa und in der UdSSR nicht leisten. Der Bau von Wasserkraftwerken, eines leistungsstärker als das andere, die Errichtung des ersten Atomkraftwerks der Welt in Obninsk, Experimente mit Wind-, Erdwärme- und Flutkraftwerken waren weniger Ausdruck eines neuen Umweltbewusstseins, als vielmehr Konsequenz mangelnder Kohlenwasserstoff­reserven.

    Das „große Öl“ in Westsibirien

    Kurioserweise gab es nach der Entdeckung des „großen Öls“ in Westsibirien 1963 noch mehrere Jahre ein Gerangel mit den Wasserkraftanhängern, die im Flusstal des Ob ein neues Wasserkraftwerk bauen wollten. Doch Ende der 1960er Jahre und besonders nach dem Erdölembargo der arabischen Länder 1973 sah die sowjetische Führung im Öl eine einfache Lösung für den Berg von Problemen, mit denen sich die Wirtschaft der UdSSR konfrontiert sah.

    Die Arbeit mit erneuerbaren Energieträgern verlor vor diesem Hintergrund für die Parteiführung an Reiz. Sie verteilte nun begeistert Öldevisen an Länder, die sich für den „sozialistischen Entwicklungsweg“ entschieden hatten. 

    Entwicklung zum Erdöl-Junkie

    Im Westen hingegen setzte ab Mitte der 1970er Jahre im Zuge der Vervierfachung des Erdölpreises ein rasanter Wettlauf um die Effektivierung der Ressourcennutzung ein. Letztlich hatte die Sowjetunion Ende der 1960er Jahre die Chance verpasst, in der Entwicklung moderner Technologien weiter mitzuhalten. Sonnenöfen und Wärmekraftwerke, Windgeneratoren- und Hydrothermal­kraftwerke auf der Basis von Niedertemperatur-Kältemitteln – das alles war Weltniveau. Darüber hinaus war im Wolga-Automobilwerk jahrelang an der Entwicklung von Elektroautos gearbeitet worden.

    Jahrelang arbeitete man im Wolga-Automobilwerk an der Entwicklung von Elektroautos / Foto © Sergey.G/flickr

    Welches Verhängnis für Russland darin lag, sich zum „Öl-Junkie“ zu entwickeln, erkannte man sogar in der Erdölbranche. Der Entdecker des sibirischen Öls Salman Farmanow sowie der ehemalige Erdölindustrie-Minister und stellvertretende Vorsitzende des sowjetischen Ministerrats Nikolaj Baibakow hatten in den 1980er Jahren nachdrücklich davor gewarnt, dass eine Wirtschaft, die sich auf den Ölhandel gründet, das Land in die technologische Abhängigkeit führen werde. Doch um diese Gefahr abzuwenden, war es bereits zu spät, wie die folgende Entwicklung zeigte. Dass neue Generationen von russischen Ingenieuren in der Lage sein werden, auf dem Gebiet der regenerativen Energien Neuigkeiten vorzulegen – davon kann man ausgehen.

    Das Problem liegt vielmehr darin, dass es eine Nachfrage für diese Entwicklungen nicht nur auf dem Weltmarkt, sondern auch in Russland geben müsste. 

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  • Gesetzesbrecher made in Russia

    Gesetzesbrecher made in Russia

    Betrug, so lautet der Vorwurf gegen Regisseur Kirill Serebrennikow, der seit vergangener Woche unter Hausarrest steht. Die ehemalige Chefbuchhalterin seiner Produktionsfirma belastet ihn, er soll staatliche Gelder veruntreut haben.

    Unmittelbar nach einer Festnahme war eine heftige Debatte entbrannt. Seine Unterstützer sehen einen politischen Hintergrund und argumentieren teilweise, dass Gesetze oft so vage oder so rigide formuliert seien, dass es fast unmöglich sei, sie nicht zu brechen – und zwar ganz ohne kriminellen Vorsatz.

    In diese Richtung geht auch der Facebook-Post von Andrei Movchan, Finanzexperte und Leiter des Programms für Wirtschaftspolitik am Carnegie Center in Moskau. Ohne den Namen Serebrennikows zu erwähnen, wirft er die Frage auf: Kann man in Russland überhaupt Geschäfte machen, ohne das Gesetz zu brechen?

    Sehr viele wundern sich: „Was denn, man kommt nicht umhin, die Gesetze zu verletzen, wenn man in Russland Geschäfte macht? Es gibt Gesetze, also befolgt sie bitteschön, und alles wird gut! Mal angenommen, die Gesetze sind schlecht – aber das wisst ihr doch vorher, dann lasst lieber die Finger davon!“

    Hier ein Beispiel, kein allzu ernstes, und auch kein allzu eklatantes. Einfach nur ein Fall, der mir untergekommen ist, eine reale Geschichte: Stell dir vor, du hast eine kleine Firma, die Dienstleistungen anbietet, und du hast Glück – eine ausländische Firma erteilt dir einen Auftrag. Deine Firma heißt beispielsweise OOO Programmist, und der Auftrag kommt von Google höchstselbst. Du bist klein, hast Aufträge über 200.000 Dollar im Jahr, Google ist groß und du tanzt vor Freude wild herum.

    Überall auf der Welt wäre das ein Erfolg und es hieße: Mach weiter und verdien‘ dein Geld. In Russland allerdings besteht nun die wichtigste Aufgabe darin, die Unterlagen für die Devisenbescheinigung bei der Bank und den Geschäftspass korrekt zusammenzustellen. Denn selbst wenn die Devisen nicht ins Ausland sondern ins eigene Land fließen, befindest du dich nun unter minutiöser Aufsicht, und das auch noch auf eigene Kosten (mehr noch: selbst wenn Google in Rubel zahlen würde, würde sich an der Situation nicht das Geringste ändern). 

    Selbst wenn die Devisen nicht ins Ausland sondern ins eigene Land fließen, befindest du dich nun unter minutiöser Aufsicht

    Das Gesetz Über die Devisenregulierung und die Devisenkontrolle hat fünf Kapitel und 28 Artikel, die Anleitung der Zentralbank für die Erklärung über Devisenoperationen ganze 21 Abschnitte und neun Anlagen. Du bist aber auf solche Manöver rundum vorbereitet und deine Buchhaltung reicht ordnungsgemäß Stapel von Dokumenten ein und beantwortet die Rückfragen der Bank zu jedem Zahlungsvorgang (nicht umsonst kostet in Russland selbst das billigste Outsourcing der Buchhaltung immer noch ein Vielfaches von dem, was man für den gesamten Bereich einer tatsächlich aktiven Firma auf Zypern zahlt). Du hast Google sogar dazu gebracht, jenseits des sonst überall auf der Welt ausreichenden Briefwechsels, etwas Vertragsähnliches zu unterschreiben und sogar die Abnahmeprotokolle gegenzuzeichnen (ich weiß nicht wie, aber es ist dir gelungen) – sonst droht Gefängnis, Einfrieren der Gelder und Kontenschließung durch die Bank. Tatsächlich hat die Bank auch so alles einfrieren wollen – auf dem Vertrag fehlte der Stempel – aber du hast geschrien und gefleht, und die von der Devisenkontrolle der Bank haben entschieden, dass es doch geht.

    Kann man in Russland überhaupt Geschäfte machen, ohne das Gesetz zu brechen? / Foto © sajinka2/Pixabay
    Kann man in Russland überhaupt Geschäfte machen, ohne das Gesetz zu brechen? / Foto © sajinka2/Pixabay

    Nun hast du also ein Jahr gearbeitet. Du hast, sagen wir mal, drei von vier Quartalszahlungen erhalten. Eine davon hatte Google allerdings zwei Monate zurückgehalten, es hatte bei denen irgendwelche Komplikationen gegeben, aber Google verzeiht man das, und welchen Unterschied macht das schon für dich? Eine andere Zahlung von Google fiel um 1000 Dollar zu hoch aus; das allerdings wurde bei der nächsten Zahlung berücksichtigt, die dann eben 1000 Dollar weniger betrug. Die vierte Zahlung schicken sie erst im nächsten Jahr, weil bei denen Weihnachten ist und sie noch überprüfen müssen, ob du den Auftrag auch vollständig erledigt hast. Insgesamt also ein normaler Job und nicht der schlechteste Vertragspartner.

    Du verdammst die russische Bürokratie

    Du hast einen Vertrag abgeschlossen (und die Bank hat mehrfach alle Unterlagen erhalten, einschließlich Sonderschreiben zum Thema „Warum 1000 Dollar zu viel?“, „Warum 1000 Dollar zu wenig?“, „Warum zwei Monate später?“ und so weiter). Und hast vergessen, dass es damit nicht getan ist:  Ein Jahr später erreicht dich eine höfliche Aufforderung vom Finanzamt: Innerhalb von fünf Tagen sind die Unterlagen zu allen Devisenoperationen in Kopie vorzulegen. Das tust du und verdammst die russische Bürokratie. Und fünf weitere Tage später wirst du ins Finanzamt zum Gespräch einbestellt, wo man dir im Wortlaut Folgendes verkündet:

    (1) Du hast in erheblichem Maße gegen die Devisengesetze verstoßen.
    (2) Die Verstöße bestehen darin, dass du
    a. die vertragsgemäßen Fristen für den Eingang der Mittel nicht eingehalten hast. Das bedeutet, dass die im Geschäftspass zu diesem Auftrag aufgeführten Daten nicht stimmen, was wiederum bedeutet, dass du nicht nur die Mittel nicht vorschriftsgemäß ins Land verbracht, sondern darüber hinaus staatliche Stellen getäuscht hast.
    b. zudem einen Teil der Mittel nicht erhalten hast, obwohl dies hätte geschehen müssen (dass dieser Teil im Folgejahr eingegangen ist, tut nichts zur Sache, da wir hier ja das Vorjahr prüfen).
    (3) Die Dinge stehen schlecht: Deine Verfehlungen könnten sich auf über 9 Millionen Rubel [ca. 128.600 Euro – dek] belaufen – das ist laut Artikel 193 Strafgesetzbuch ein schwerer Fall und bedeutet bis zu vier Jahre Gefängnis.
    (4) Wir sind jedoch der menschenfreundlichste Staat der Welt, deshalb: Entweder
    a. wir nehmen Verstöße über 6,5 Millionen Rubel [ca. 92.900 Euro – dek] zu Protokoll und stellen deiner Firma einen Bußgeldbescheid über sagen wir insgesamt 5 Millionen Rubel [ca. 71.400 Euro – dek]  nach Artikel 15.25.4 des Ordnungswidrigkeitsgesetzbuchs aus (wir könnten auch die vollen 6,5 nehmen, du siehst ja, hier heißt es: „bis zu 100 Prozent der Summe“), dann gibt es kein Strafverfahren. Sei jetzt nicht sauer – wir haben da bei Bußgeldern unsere Vorgaben, du verstehst schon … Und des Weiteren würden wir dich bitten, dich mit uns zu beraten, wie künftig Verträge abzufassen sind, wir sind ja keine Unmenschen, wir stehen stets mit Rat zur Seite, hier sind unsere Telefonnummern … oder
    b. wir ziehen vor Gericht und klagen parallel nach Artikel 193 auch den Generaldirektor und den Chefbuchhalter an, und dann wird man sehen, was kommt, da läuft dann die Maschine, und wen sie in ihren Fängen hat, den lässt sie nicht los. Du weißt ja, wie das ist: Du willst zurückrudern, aber es ist schon zu spät, dann werden wir nichts mehr für dich tun können.

    Vor der Verhandlung findet bei dir ein Mummenschanz statt, die Konten werden eingefroren und der Buchhalter festgenommen

    Du kannst dich auch ans Gericht wenden. Das wird dich vielleicht nicht zu fünf Millionen verurteilen, sondern zu ein paar Hunderttausend (Artikel 15.25.4 lässt eine Geldstrafe zu, die in zwei Jahressätzen der Zentralbank zur Refinanzierung bezogen auf den Zeitraum des Zahlungsverzugs bemessen wird). Vielleicht findet aber auch lange vor der Verhandlung bei dir ein Mummenschanz statt, die Konten werden eingefroren und der Buchhalter festgenommen (und du kannst von Glück sagen, wenn es nur ihn trifft); dann verlierst du deine Firma und siehst deinen Buchhalter nach einem Jahr wieder, völlig krank und gebrochen. Von den 12 Millionen wirst du wohl 5 zahlen müssen (wenn der Gewinn 20 Prozent betrug, zahlst du also zwei Margen) – nur dafür, dass dein Vertragspartner bei den Zahlungen nicht akkurat vorgegangen ist.

    Alles im Einklang mit dem Gesetz. Ich zitiere: „Einheimische Firmen sind verpflichtet, für den Eingang von Zahlungen in ausländischer Währung oder der Währung der Russischen Föderation durch ausländische Firmen, die gemäß den Bestimmungen eines Außenhandelsvertrages für überlassene Waren, erbrachte Dienstleistungen, übergebene Informationen und Ergebnisse geistiger Arbeit anfallen, einschließlich der Exklusivrechte hieran, innerhalb der vertraglich festgelegten Fristen auf ihr Bankkonto bei den zuständigen Banken zu sorgen.“ Es muss also nicht einfach nur für den Empfang gesorgt werden (wobei auch das Schwachsinn ist), sondern dies auch „innerhalb der in Verträgen festgelegten Fristen“. Du übernimmst also für Google die Verantwortung.

    Diese Bestimmung ist absurd und widerspricht den Grundlagen des römischen Rechts

    Diese Bestimmung ist absurd und widerspricht den Grundlagen des römischen Rechts. Sie ist eine von tausenden Bestimmungen im rechtlichen Minenfeld in Russland, und je weiter ein Unternehmer vorankommt, desto heftiger detonieren diese Minen unter seinen Füßen.

    Du schreibst darüber auf Facebook und bekommst Hunderte Kommentare nach dem Motto: „Gesetze müssen befolgt werden!“, „Ihr habt doch selbst den Rechtsstaat gewollt, und jetzt heult ihr rum“, „Erst alles klauen, und jetzt keine Verantwortung übernehmen wollen“ oder „Was’n Scheißdreck soll’n wir für die Yankees arbeiten, gibt’s in Russland etwa keine Arbeit?“.

    Was machst du bitte sehr, wenn dir durch eine solche Detonation 5 Millionen Rubel [ca. 71.400 Euro – dek] entrissen wurden, aber Google weiterhin mit dir zusammenarbeiten will? Du wolltest aufrichtig das Beste für Russland. Du hast daran geglaubt, dass man, solang man sich nicht in die Politik einmischt, arbeiten kann. Du hast geglaubt, dass du alle Gesetze und Vorschriften beachtest. Du hast gerade an einem großen neuen Projekt gearbeitet, hast deinen Beitrag zur Entwicklung des Vaterlandes geleistet. Und denkst: Teufel nochmal – nächstes Mal bring ich keinen echten Vertrag mit Google zur Bank, in dem es Fristen und Volumina gibt, und keine Stempel und Unterschriften. 

    Und du schusterst dir eine eigene Version zusammen, in der es keine Fristen gibt, und auch keine Beträge – einfach Zahlung nach Rechnungsstellung und acht blaue Stempel mit Google-Wappen. Du unterschreibst im Namen von Google und bringst alles zur Bank und verfasst dann zu jeder Zahlung eine Rechnung und ein Protokoll je nach Zahlungsdatum – und alle sind zufrieden. 

    Beruhige dich, das alles war nur ein schlechter Traum

    Und dann vergehen noch ein paar Jahre, und unsere ständig über sich hinauswuchernden Steuerbehörden erstellen einen Abgleich mit den ausländischen Vertragspartnern. Dann wird man dich um 5 Uhr morgens heimsuchen – mittlerweile wird es sich bei dir laut Artikel 193 um einen besonders schweren Fall handeln, und es werden Urkundenfälschung, Betrug und noch ein paar andere Artikel hinzukommen.

    Beruhige dich, das alles war nur ein schlechter Traum. Nach der Zahlung von 5 Millionen Rubel [ca. 71.400 Euro – dek] und diesem Traum wirst du mit zitternden Händen in durchgeschwitztem Bettzeug aufwachen und schon beim Frühstück auf die Entwicklung des Vaterlandes pfeifen. Deine Firma wird nach Zypern umziehen oder ins Baltikum. Dort gibt es übrigens nicht nur keine Devisenkontrolle – dort kostet die Buchhaltung 1000 Euro pro Jahr und die Steuern auf Erträge bis anderthalb Millionen Rubel [ca. 21.400 Euro – dek] liegen bei Null.

    Eines aber solltest du bedenken: Ohne dich wird es noch schwieriger sein, den Bußgeldplan zu erfüllen, und die im Land Verbliebenen werden auf noch absurderer Grundlage mit Strafen und Haft belegt werden. Ich beneide denjenigen nicht, der als letzter hier übrigbleibt – der wird wohl lebenslänglich eingelocht und bekommt alles abgenommen, eine Begründung, und sei sie noch so absurd, fehlt dann ganz. Oder wird das schon den letzten Tausend blühen, oder gar der letzten Million?

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