In Russland sei es zwar etwas besser als in Honduras, aber etwa so wie in Papua Neuguinea – blickt man auf den Korruptionsindex von Transparency International, wird nachvollziehbar, warum so viele russische Kreml-Kritiker ihr Land solchen Vergleichen unterziehen. Regelmäßig belegt Russland einen Platz im unteren Viertel dieser Rangliste. Und tatsächlich ist Korruption in Russland allgegenwärtig: Laut Meinungsumfragen gehört sie zu den größten Problemen des Landes, außerdem halten nur acht Prozent der Menschen in Russland die Staatsmacht für gerecht.
An diesem neuralgischen Punkt setzt daher auch die Opposition in Russland an: Korruptionsermittlungen des von Alexej Nawalny gegründeten Fonds für Korruptionsbekämpfung (FBK) erreichen Millionen von YouTube-Klicks, auch die Recherchen unabhängiger Medien lösen regelmäßig öffentliche Debatten aus.
Der politischen Elite sind solche Korruptionsermittlungen offenbar ein Dorn im Auge: Der FBK etwa wurde im Juli 2020 faktisch zwangsgeschlossen, auch den Investigativmedien werden systematisch Steine in den Weg gelegt.
Inwieweit ist das System Putin eine Kleptokratie? Warum gilt das System als unreformierbar? Warum bleibt das Volk stumm? Und was haben Badeenten und Corgis mit Korruption zu tun? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich dieses dekoder-Dossier.
Die Beziehungen zwischen Russland und den USA haben eine zentrale Bedeutung für die Weltordnung. Für Moskau ist Washington schon zu Zeiten der Sowjetunion Referenzpunkt, so etwas wie das Maß aller Dinge. Das galt zunächst in negativer, später auch in positiver Hinsicht: Nach der jahrzehntelangen Feindschaft im Kalten Krieg standen die Zeichen im Russland der frühen 1990er Jahre ganz auf Freundschaft. Seit der NATO-Osterweiterung und der -Intervention im Kosovokrieg stellen die russischen Staatsmedien die USA zunehmend als Feind dar. Heute gilt das Feindbild USA für viele Beobachter als die wichtigste Legitimationsgrundlage für das System Putin.
Die Entwicklung dieser „Erzfreundschaft“ hängt allerdings nicht allein von Kreml-Propaganda ab, sondern ist auch Ergebnis einer Interaktion. Nicht nur Russland, auch die USA haben gewiss Öl ins Feuer gegossen: Der gesamte Westen habe Fehler gemacht, sagt etwa Historiker Ivan Kurilla, nicht nur in der Zeit der Annäherung in den 1990er Jahren.
Was genau für Fehler waren das? Kann man sie heute noch korrigieren? Wozu dienen die Feindbilder, und wie ist ihnen beizukommen? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich dieses dekoder-Dossier.
Da werden wir 5 und schon fühlt es sich an, als wären wir richtig groß. Unbeschwertes Feiern erinnern wir aus Kindertagen: Heißa, war das eine Freude, als wir 2016 – nach einem Jahr – frei von Erwartungen nach Köln zur Grimme-Gala fuhren und preisgekrönt und durchgefeiert wiederkamen.
Der nächste große Meilenstein war mit 3, als wir selbstständig wurden. Unser Gründer Martin Krohs machte uns zu Gesellschaftern der Dekoder gGmbh und sagte, „Nun macht mal, ihr Teufel“ – ohne uns je Zuneigung, Zuwendung und Kooperation zu entziehen. Das war auch die Geburtsstunde des dekoder-Klubs, der uns seitdem einen stabilen mentalen Hintergrund gibt in der volatilen Online-Welt. Unterdessen haben wir unser erstes Buch produziert, entschlüsseln Deutschland und Europa für russischsprachige Leserinnen und Leser und sind auf dem Weg, die Multimedia-Wissenschaftskommunikationswelt mit Specials aus dem dekoder-Lab zum Leuchten zu bringen.
Es gibt derzeit nichts zu beschönigen: Die Vergiftung eines Oppositionellen mit heftigem diplomatischem Schock zwischen Deutschland und Russland, das passt nicht zu Geburtstagsfeiern. Und doch zeigen uns die Entwicklungen einmal mehr, wie wichtig das gegenseitige Dekodieren und Entschlüsseln ist.
Wir sind jetzt 5 Jahre alt. Das erste Jubiläum! Als uns das bewusst wurde, hatten wir die Idee, uns beschenken zu lassen. Und so haben uns Wegbegleiter, Freunde und Förderer ihre Glückwünsche zugesandt. Und ganz ehrlich: Was kann es Schöneres geben, als sich gemütlich in den Sessel zu setzen und einem Chor der Freude zu lauschen – der Freude über das, was wir seit 5 Jahren tun. Dankbar dafür, in dieser schwierigen Zeit eventuell einen kleinen Beitrag zu leisten, und dankbar, vielen Menschen damit eine Freude zu machen, etwas zu geben, was ihnen wichtig ist. Dieses Gefühl ist ein großes Geschenk.
Danke und auf die nächsten 115! eure dekoderщiki
Falls ihr uns noch was Kleines oder Großes schenken wollt, wir freuen uns – jede Geburtstagsspende wird von der Konvert-Stiftung verdoppelt!
„Ich kenne kein anderes Portal, wo man sich über den Osten Europas so intensiv, so facettenreich informieren kann. Ich bin ständig auf eurem Portal und ich unterstütze es, soweit es geht!” Thomas Wiedling, Wiedling Literary Agency
„Die Wirklichkeit ist nicht immer so, wie sie erscheint. Danke, lieber dekoder, dass du seit 5 Jahren Russland für uns entschlüsselst“ Ulrich Schmid, Slawist und Buchautor („Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur“)
„Hi dekoder, ich finde toll, dass ich bei komplexen Zusammenhängen oft einfach einen Text von dekoder verlinken kann. Ich danke euch für eure tolle Arbeit.“ Denis Trubetskoy, Journalist, Kiew
„Cheppi Börsdej“ n-ost border crossing journalism
„Die Matrix des Putinismus wird von Geheimdienstlern geschrieben. Umso wertvoller die Arbeit des dekoder-Teams, Eindrücke, Hintergründe, Fundstücke für die mühevolle Spurensuche. Danke dafür und herzlichen Glückwunsch.“ Udo Lielischkies, Journalist und Buchautor („Im Schatten des Kreml“)
„dekoder hat sich zur Aufgabe gemacht, die Themen und Diskurse aus Russland heute nach Deutschland zu bringen. Das Goethe-Institut versucht auf dem Gebiet der Kultur und Sprache etwas sehr Ähnliches. Heute, im Sommer 2020, ist das vielleicht wichtiger denn je!“ Günther Hasenkamp, Goethe-Institut Sankt Petersburg
https://www.youtube.com/watch?v=R5n_rzTuslQ
„Fünf Jahre, in denen ihr alle Tage für Aufmerksamkeit gesorgt habt, für Verständnis gesorgt habt, für Genauigkeit und Entschlüsselung … Eine großartige und hochachtbare Arbeit, die ihr täglich tut, für viele, die ihr habt gewinnen können, sich darüber Gedanken zu machen, wie unsere Länder funktionieren, was dort geschieht, wie sie sich verstehen und verständigen können – man kann es nämlich auch, anders als das berühmte russische Zitat sagt, mit dem Verstand begreifen, durch Lesen und durch Gucken. Wir wünschen euch, dass ihr selbst begeistert bleibt, dass ihr uns weiter so begeistert, dass ihr diese differenzierte Betrachtung für uns weiter schafft.“ Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch
„Ich weiß gar nicht, was ich die ganzen Jahre ohne euch gemacht habe – dekoder ist mittlerweile unverzichtbar in der deutschen Medienlandschaft und ein unverzichtbarer Brückenbauer zwischen Russland und Deutschland.“ Christian Mihr, Reporter ohne Grenzen
https://www.youtube.com/watch?v=JA0_x3gFCOw
„Ihr schafft auch für jemanden wie mich, der in der alten Gutenberg-Welt zu Hause ist, viele neue Zugänge und Informationen, die mir ganz unentbehrlich sind. Also vorwärts im Kampf, ihr wisst schon!“ Gerd Koenen, Historiker und Buchautor („Die Farbe Rot“)
„Alle Bücher hinter mir beschäftigen sich mit der alten Sowjetunion und mit Russland. Das war meine Vergangenheit. Heute ist dekoder meine Zukunft, denn dekoder informiert, dekoder orientiert und dekoder hilft zu verstehen, was Russland betrifft.” Johannes Grotzky, Journalist und Buchautor („Lenins Albtraum“)
„Happy birthday, dekoder“ Julia Spiering, Musikerin
https://www.youtube.com/watch?v=3iWhs_TUVyw
„S prasdnikom. Ich freue mich sehr, dass es euch gibt und dass ich euch kenne. Nicht nur wegen eurer Leidenschaft für Osteuropa, den freien Journalismus und das Dekodieren, sondern weil ihr mir auch die Möglichkeit gebt, dazuzulernen und zu teilen. Und an Wunder zu glauben. Wsego choroschego. Do 120!” Irina Bondas, Dolmetscherin und Übersetzerin
„Ihr berichtet ohne rosarote Brille, aber auch nicht schwarzweiß, sondern spendet Durchblick. Die Beschenkten sind wir. Dafür vielen Dank!“ Henrike Schmidt, Slawistin und dekoder-Gnosistin
„Ich bin russischer Cellist und wohne in Hamburg. Ich lese euch regelmäßig, ihr seid Teil meines Alltags. Ihr macht eine unglaublich wichtige und tolle Arbeit“ Alexey Stadler, Cellist
„Eure Arbeit ist eine Bereicherung! Ich habe durch eure Aufsätze und Hintergrundberichte so viel hinzulernen dürfen, dass ich nur sagen kann: Macht weiter so!“ Dirk Wiese, Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft der Bundesregierung bis August 2020
Advent, Advent auf dekoder: Jeden Adventssonntag zünden wir hier zwar kein Kerzchen an, aber Gnosisten und Klubmitglieder geben ausgesuchte Geschenke-, Lese- oder einfach Kulturtipps. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, … ihr wisst schon!
Pitirim Sorokin hat von 1889 bis 1968 gelebt und ist nicht zu verwechseln mit dem Gegenwartsautor Vladimir Sorokin. Pitirim Sorokin fasziniert mich seit langer Zeit. Ich war auf ihn gestoßen, weil er sich als Soziologe nicht mit den Ursachen, sondern mit den Folgen der Russischen Revolution befasst hatte. 1922 erschien sein Bericht Der aktuelle Zustand Russlands auf Russisch in Prag. Sorokin untersucht darin verschiedene Faktoren vom durchschnittlichen Gewicht der Neugeborenen bis hin zu Sterblichkeitsraten, um den Niedergang des gesellschaftlichen Lebens im bolschewistischen Russland zu dokumentieren. Seine Forschungsmethoden waren sehr innovativ, sein Buch erschien in der Folge auch in den USA und in Deutschland. Allerdings blieb Sorokin in seinen Erklärungen seiner Zeit verhaftet: Die Oktoberrevolution deutete er in einer organischen Metaphorik als Krankheit des gesellschaftlichen Körpers.
Und doch ist Pitirim Sorokin heute spannend und sehr aktuell – vor allem wegen seiner Deutungsansätze in anderen Schriften: So schrieb er über Wahrheitssysteme und medial vermittelte Informationen (The Crisis of Our Age, 1941), er forderte eine neue gesellschaftliche Solidarität nach der globalen Krise (The Reconstruction of Humanity, 1948) und unterstrich die Wichtigkeit von altruistischer Liebe (Altruistic Love: A Study of American Good Neighbors and Christian Saints, 1950).
Außerdem durchlebte Sorokin eine ebenso abenteuerliche wie erfolgreiche Biographie. Er wurde im äußersten Norden Russlands als Sohn eines russischen Vaters und einer Komi-Mutter geboren. Nach einer Gymnasialausbildung in einem orthodoxen Lehrerseminar studierte er an der Petersburger Universität eine Reihe von Fächern von Recht über Psychologie bis zu Geschichte. Besonders interessierte ihn die Soziologie, also eine damals noch sehr junge Disziplin, die erst 1908 mit persönlicher Zustimmung von Zar Nikolaus II. in den akademischen Fächerkanon aufgenommen wurde. Auch politisch engagierte er sich und geriet dabei zwischen alle Fronten: Er stand den Sozialrevolutionären nahe und wurde dreimal vor und dreimal nach der Oktoberrevolution verhaftet. Er entging 1918 sogar einer Verurteilung zum Tode. 1922 musste er Russland verlassen. Nach einem kurzen Aufenthalt im „russischen Oxford“, wie Prag damals genannt wurde, bekam er eine Einladung in die USA. Dort war er zunächst Professor in Minnesota, ehe er 1930 nach Harvard berufen wurde, um dort das soziologische Institut zu gründen.
Trotz seines umfassenden Werks, das in der dreibändigen Untersuchung Social and Cultural Dynamics (1937) gipfelt, ist Sorokin heute weitgehend vergessen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass die italienische Soziologin Emiliana Mangone ein kurzes Buch mit dem Titel Social and Cultural Dynamics. Revisiting the Work of Pitirim A. Sorokin veröffentlicht hat. Ich empfehle es allen LeserInnen und Lesern zur (Wieder-)Entdeckung des Schaffens von Pitirim Sorokin.
Ulrich Schmid ist dekoder-Klub-Mitglied, Gnosenautor und Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen (Schweiz). Der Fokus seiner Forschung liegt auf Politik und Medien in Russland und Nationalismus in Osteuropa.
Alexej Nawalny ist in der Strafkolonie gestorben. Das meldete am 16. Februar 2024 der russische Strafvollzugsdienst FSIN. Als Oppositionspolitiker und Kämpfer gegen die Korruption forderte er wie kein Zweiter das System Putin heraus. Er überlebte 2020 nur knapp eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok und wurde zur Behandlung nach Deutschland ausgeflogen. Doch schon im Januar 2021 kehrte er in seine Heimat zurück – obwohl Recherchen seines Teams nahelegten, dass die Vergiftung offenbar in staatlichem Auftrag geschah und ihm in Russland Schlimmes droht. Noch am Moskauer Flughafen wurde er verhaftet und kurz darauf zu mehreren Jahren Haft verurteilt. In seiner berühmten Rede vor Gericht beschrieb er das Kalkül der Machthaber im Kreml so: „Einen einsperren, um Millionen einzuschüchtern“.
In unserem Dossier sammeln wir Gnosen, Interviews und Hintergrundartikel zu Nawalny, seiner Tätigkeit und seiner Wahrnehmung in Russland.
„Wir sehen eine Nation, die sich ihrer selbst bewusst wird“, schreibt der belarussische Ökonom Sergej Tschaly wenige Tage nach der Präsidentschaftswahl am 9. August 2020: Die offiziellen 80 Prozent für Amtsinhaber Lukaschenko bei einer immer deutlicher dokumentierten massiven Wahlfälschung, der exzessive Gewalteinsatz von Polizei und Sondereinheiten schon im Vorfeld der Wahl, der dann am 9. August und an den Tagen danach seinen blutigen Höhepunkt fand mit Blendgranaten und Schusswaffen gegen Demonstranten, die Verstorbenen, mehrere tausende Festgenommene, von denen viele später über beispiellose Gewalt, Erniedrigungen und Misshandlungen in den Gefängnissen berichteten – all das hat für viele Menschen in Belarus das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht und einen Wandel- und Selbstermächtigungsprozess in Gang gesetzt, dessen Ausgang immer noch unklar ist. Auch wenn dieser Prozess durch die anhaltenden Repressionen vorerst gestoppt wurde bzw. ins Ausland verlagert wurde, wo eine neue belarussische Diaspora sich darum bemüht, die 2020 entstandene Demokratiebewegung weiterzuentwickeln.
Was es mit der allgegenwärtigen weiß-rot-weißen Fahne auf sich hat, wieso die Frauen bei dem Protest eine so eine wichtige Rolle spielten, welche Rolle Alexander Lukaschenko und Belarus beim Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine spielen – hier bündeln wir alle dekoder-Materialien zu den schon jetzt historischen Ereignissen in Belarus, die wir seit 1. November 2020 mit einem eigenen Belarus-dekoder verstärkt begleiten.
Am 1. April 2021 startete unser Projekt Peremen – Belarus im Wandel, mit dem dekoder nicht nur den gesellschaftspolitischen Wandlungsprozess in dem immer noch unbekannten osteuropäischen Land journalistisch darstellt und aufbereitet, sondern auch differenzierte Beiträge mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten zu diesem faszinierenden Kulturraum bietet. Auf diesem Projekt baute seit dem 1. April 2022 die Erweiterung Perspektiven für Belarus auf. Zusätzlich zu den journalistischen und wissenschaftlichen Beiträgen, die wir weiterhin zu Belarus liefern, bieten wir in der Reihe „Exiljournalismus“ Beiträge von russischen, belarussischen oder auch ukrainischen Journalistinnen und Journalisten. Sie schreiben über aktuelle Debatten und Entwicklungen zu osteuropäischen Themen. Die Texte werden weitgehend von Journalistinnen und Journalisten geschrieben, die sich gezwungen sahen, aufgrund der Repressionen in ihren Ländern ins Exil zu gehen. Darauf folgte ab 1. April 2023 unser Projekt unter dem Titel Belarus sichtbar machen. Am 1. April 2024 haben wir mit dem Projekt Belarus: Kampf um die Zukunft begonnen. Denn darum geht es in dieser weiterhin erschütternden Zeit: differenziertes und vertieftes Wissen zu Belarus zugänglich zu machen, ein besseres Verständnis für diesen lange vernachlässigten Kulturraum und weiterhin auch für die Lebensweiten der Berlarussen in ihren neuen Exilländern und in Belarus selbst zu ermöglichen.
„Ostarbeiter“ ist ein nationalsozialistischer Begriff, in dem sich Unmenschlichkeit, Rassismus und Antislawismus der Nazis spiegelt. Nur stark verkürzt beschreibt der Begriff die Situation von fast drei Millionen zivilen Bürgerinnen und Bürger aus der Sowjetunion, die während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten. Auch nach der Befreiung erfuhren viele Überlebende – die meisten von ihnen Frauen – Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und sogar Gewalt.
Ein „Ostarbeiter“ gewesen zu sein – das war in der Sowjetunion auch nach Stalins Tod ein Stigma. Vielen von hunderttausenden Menschen wurde Landesverrat vorgeworfen, erst im Zuge der Perestroika brachen die Überlebenden ihr Schweigen. In der offiziellen Erinnerungskultur des heutigen Russlands spielen sie jedoch kaum eine Rolle.
In Deutschland waren „Ostarbeiter“ sehr lange Zeit nicht als Opfer des NS-Regimes anerkannt. Sie gehörten zu den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus, auch viele der über 30.000 Zwangsarbeitslager gerieten in Vergessenheit. Heute, 75 Jahre nach Kriegsende, sind einige davon Gedenkorte. Über die Opfergruppe wird in den vergangenen Jahren immer mehr geforscht, auch zivilgesellschaftliche Initiativen beschäftigen sich immer intensiver mit dem Schicksal der „Ostarbeiter“.
Die Schicksale der „Ostarbeiter“ aus ihrem Erinnerungsschatten zu lösen, ist auch Ziel dieses Dossiers, das dekoder mit Unterstützung der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« realisiert. In Text, Bild und Ton lässt es russische wie deutsche Zeitzeugen, Journalisten und Wissenschaftler zu Wort kommen.
Im Donbass-Konflikt konnten sich Kiew und Moskau vor Kurzem auf die sogenannte „Steinmeier-Formel“ verständigen. Diese sieht eine weitreichende Autonomie für den Donbass vor, sobald dort freie und faire Wahlen stattfinden. Ein Knackpunkt bleibt jedoch die Frage nach der genauen zeitlichen Abfolge von Wahlen und Übergabe der Grenzkontrolle.
Bevor es Wahlen in den umkämpften Donbass-Gebieten geben kann, muss die Ukraine ihre eigenen Außengrenzen kontrollieren, so die Position des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky. Auf der Pressekonferenz des Normandie-Treffens in Paris am 9. Dezember 2019 erklärt sein russischer Amtskollege Wladimir Putin, warum er das anders sieht.