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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Pjotr Pawlenski

    Pjotr Pawlenski

    Pjotr Pawlenski ist ein Performancekünstler aus St. Petersburg, der seinen eigenen Körper in teils radikaler Weise als Ausdrucksmittel einsetzt. Seine politischen Aktionen schaffen plakative Bilder für staatliche Repressionen und die Apathie der Bevölkerung. Bei einer seiner Aktionen nähte er sich selbst den Mund zu, um ein Zeichen gegen die Verhaftung der Punk-Aktivistinnen von Pussy Riot zu setzen.

    Der radikale Petersburger Performancekünstler Pjotr Pawlenski war laut dem Rating des Internetportals Artguide bereits im Jahr 2013 der einflussreichste russische Künstler.1 1984 geboren, hat er zunächst ganz klassisch an der Staatlichen Stieglitz-Akademie für Kunst und Kunstgewerbe (in der Sowjetunion als Mucha bekannt) Wandmalerei studiert und anschließend an der Schule für junge Künstler am Institut Pro Arte ein Aufbaustudium begonnen. So unterschiedlich die Ausbildungen dort waren, sah Pawlenski den Künstler in beiden Fällen zu „Knetmasse in den Händen der Auftraggeber“2, zu einem schlichten Befehlsempfänger degradiert. Anstatt sich diesen Bedingungen zu ergeben, begann er, „Kunst über Politik“ zu machen, zum Beispiel institutionskritische Fotoarbeiten, die er im Kunstkontext ausstellte. Doch als Anfang der 2010er Jahre eine Reihe neuer Gesetze erlassen wurde – gegen die „Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen“, für die Reinheit der russischen Sprache (also gegen die Verwendung von Schimpfwörtern), gegen die Verwendung religiöser Symbole in einem nichtreligiösen Kontext – ging er dazu über, „politische Kunst“ zu machen: „Der Anlass für meine Arbeiten ist der Wunsch des Staates, die Menschen zu erschrecken, indem er Angst als Steuerungsinstrument nutzt.“3

    In den letzten Jahren hat Pawlenski mehrere politisch motivierte Aktionen durchgeführt. Bei den meisten davon spielte die Verletzung des eigenen Körpers eine wichtige Rolle. So nähte er sich im Jahr 2012 zur Unterstützung von Pussy Riot den Mund zu und präsentierte, verstummt, ein Protestplakat. Ein Jahr darauf, 2013, legte er sich nackt in einer Stacheldrahtrolle vor das Gebäude des Sankt Petersburger Parlaments und nagelte im November des gleichen Jahres seinen Hodensack auf das Kopfsteinpflaster des Roten Platzes. Einige Monate später schnitt er sich, nackt auf der Mauer des Serbski-Zentrums für Sozial- und Gerichtspsychiatrie sitzend, das rechte Ohrläppchen ab. Er fügt sich jedoch nicht immer selbst direkte Gewalt zu: Als Unterstützung der Protestbewegung auf dem Kiewer Maidan verbrannte er im Februar 2014 auf einer Brücke im Sankt Petersburger Stadtzentrum Autoreifen und Motorhauben. In seiner jüngsten Aktion Anfang November 2015 legte er Feuer vor der Eingangstür der Moskauer FSB-Zentrale an der Lubjanka. Stets lässt er sich bereitwillig von den herbeieilenden Sicherheitskräften festnehmen.

    Foto © Pjotr Pawlenski/Kampnagel
    Foto © Pjotr Pawlenski/Kampnagel

    Mit seinen Aktionen richtet Pawlenski sich gegen die Exekutive, gegen den Polizei- und den Geheimdienstapparat. Er schafft schlagende Bilder, um zu zeigen, wie jede Handlung des Menschen in einem autoritären gesetzgebenden System Reaktionen des Gesetzes hervorruft, die sich direkt in den Körper des Individuums einschreiben. Er schafft „Metaphern auf die Apathie, die politische Unentschiedenheit und den Fatalismus der gegenwärtigen russischen Gesellschaft“.4 Vor allem aber schafft er eines: Durch seine eigene Bewegungs- und Hilflosigkeit macht er auch die Beamten hilflos. Durch die Gewalt, die er (in offensichtlicher Tradition der Body-Art) seinem eigenen Körper antut, schaltet er die Gewalt des Exekutivapparates aus. Angesichts des nackten, vermutlich oft unterkühlten und geschundenen, mit Wunden übersäten Körpers werden die Beamten ganz behutsam, ja vorsichtig.

    Pawlenski wird zuweilen in eine Traditionslinie mit den Performancekünstlern Avdej Ter-Oganjan und Oleg Mavromatti gestellt, die um die Jahrtausendwende wegen Verletzung der religiösen Gefühle anderer angeklagt (jedoch nicht verurteilt) worden waren. Manche sehen ihn auch als Nachfolger der Punk-Aktivistinnen von Pussy Riot, die wegen Störung der öffentlichen Ordnung (Rowdytum) aus religiösem und nationalem Hass verurteilt worden waren. Doch diese Traditionslinie ist nicht ganz zutreffend, denn Pawlenski verletzt nicht andere, sondern sich selbst.

    Die Reaktionen der Polizisten als Vertreter der Exekutive oder eben auch des Gerichts als Judikative sind dabei ein wesentlicher, einkalkulierter Bestandteil seiner Aktionen. Schon mehrfach wurden im Anschluss an seine Aktionen psychologische Gutachten in Auftrag gegeben, die ihn bislang allerdings alle für zurechnungsfähig erklärten. Auch Klagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung (Hooliganismus) oder Sachbeschädigung (Vandalismus) wurden bisher abgewiesen. Es scheint jedoch, dass Pawlenski mit seiner jüngsten Aktion Bedrohung (Ugroza), dem Anzünden der FSB-Pforte, die direkte Konfrontation mit dem Gericht herbeiführen wollte, um so seine sonst übliche Autoaggressivität in die Hände der Staatsgewalt zu legen. Am 8. Juni 2016 wurde er von einem Moskauer Gericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 500.000 Rubel (rund 6800 Euro) verurteilt sowie zu 481.000 Rubel (rund 6500 Euro) Schadenersatz für die angezündete FSB-Tür und kam aus dem Gefängnis frei.

    Da Pawlenskis Aktionen an neuralgischen Punkten im öffentlichen Raum – in den Zentren der Macht – stattfinden, ist seine Medienrezeption groß. Die staatlichen Fernsehsender berichten ebenso über ihn wie Zeitungen und Radiostationen. Über die Motivation und Ziele seiner Aktionen wird jedoch vor allem im engeren Kunstkontext diskutiert. Die staatliche Berichterstattung klammert diese weitgehend aus, um sich nicht mit deren kritischem Potential befassen zu müssen.

    Im Januar 2017 verließ Pawlenski gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Oxana Schalygina Russland. Anastasia Slonina, eine Schauspielerin am bekannten Off-Theater teatr.doc, wirft dem Paar versuchte Vergewaltigung vor. In einem anderen Fall wird er außerdem der schweren Körperverletzung beschuldigt, Ermittlungen laufen. Pawlenski bestreitet die Vorwürfe und sieht sie politisch motiviert. Er und Oxana Schalygina erhielten im Mai 2017 politisches Asyl in Frankreich.5

    Im Oktober 2017 wiederholte er seine Lubjanka-Performance: Diesmal setzte er in Paris den Eingangsbereich der französischen Zentralbank in Brand. Auch hier kann man die darauf folgende Verhaftung als Teil der Performance begreifen. Pawlenski nannte die Aktion, für die er wegen Sachbeschädigung elf Monate im französischen Gefängnis verbringen musste, Eclairage (franz. Beleuchtung) und kommentierte sie mit den Worten: „Die Wiedergeburt des revolutionären Frankreich wird das weltweite Feuer der Revolutionen entzünden. In diesem Feuer wird die Befreiung Russlands beginnen.“6


     

    1. artguide.com: Top-20 samych vlijatelʼnych chudožnikov v russkom isskustve 2013 goda ↩︎
    2. Radio Svoboda: Revoljucionnyj ėtjud ↩︎
    3. artguide.com: Čto nado znatʼ: Petr Pavlenskij ↩︎
    4. grani.ru: Chudožnik Petr Pavlenskij pribil mošonku gvozdem k brusčatke na Krasnoj Ploščadi ↩︎
    5. 2020 veröffentlichte Schalygina, die mittlerweile von Pawlenski getrennt lebt, ein Buch, in dem sie ihn schwerer körperlicher und seelischer Misshandlungen während ihrer Beziehung beschuldigt und auch die fragliche Vergewaltigung schildert. Vgl.: Schalygina, Oxana (2020): Po licu on menja ne bil. Istorija o nasilii, abjuze i osvobozhdenii. Moskau ↩︎
    6. graniru.org: V Pariže Pavlenski podžeg zdanie Banka ↩︎

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  • Comics in Russland

    Comics in Russland

    „Die bestialischen Comics sind eine tödliche Gefahr für die geistige und physische Gesundheit der Nation“ – diese Meinung stammt nicht aus der Zeit der UdSSR, in der die westliche Kultur oft per se gebrandmarkt wurde. Sie wurde 2002 von einer Teilnehmerin der Gesprächsrunde über das Thema Comics im Schulunterricht geäußert, die von der Zeitschrift Narodnoje obrasowanije organisiert wurde. Comics führen zu kriminellem Verhalten, sexueller Perversion, Diskreditierung klassischer Literatur und zur Ersetzung realer Fakten durch gefälschte, argumentierte eine Teilnehmerin.1 Auch wenn diese Stimme in der zeitgenössischen russischen Kultur eher eine Nebenrolle spielt, spiegelt sie doch Vorurteile gegenüber der westlichen Comic-Kultur wider, die in der Sowjetunion weit verbreitet waren. Auch heute erschweren diese Vorurteile eine Entwicklung der Comicszene in Russland.

    Nur wegen Tim und Struppi, so besagt die Legende, sei in der Sowjetunion ein totales Comic-Verbot erlassen worden – nachdem der belgische Zeichner Hergé in seinem Comic-Heft Tim im Lande der Sowjets (1930) den Kommunismus und die sowjetische Realität humoristisch kritisiert hatte. Einer anderen weit verbreiteten Theorie nach wurden Comics in der Sowjetunion allgemein als feindliches, staatszersetzendes, vor allem aber als US-amerikanisches Phänomen diskreditiert. Sie seien Pseudo-Literatur für den hohlen kapitalistischen Verstand, der Bilder brauche, um Inhalten zu folgen, so der Tenor.2

    Propaganda und Kinderliteratur

    Desungeachtet war die sowjetische Kultur voll mit Bildern, Karikaturen und Comicstrips. Sie erzählten auch Geschichten: in der frühen Sowjetzeit zu Propagandazwecken für die kaum alphabetisierte Bevölkerung, später dann zu erzieherischen Zwecken für Kinder. Diese beiden Pole – Propaganda und Kinderliteratur – bestimmten auch über das Ende der Sowjetunion hinaus die Wahrnehmung von Comics im heutigen Russland.

    Die sowjetische Helden wichen ersten Reprints von Mickey Mouse
    Die sowjetische Helden wichen ersten Reprints von Mickey Mouse

    Durch die Perestroika wurden auch Comics aus ihrem Nischendasein in die Öffentlichkeit geholt. Das in der UdSSR herrschende Verlagsmonopol wurde aufgehoben, wodurch jeder ungehindert publizieren durfte. Nun konnte nach Herzenslust mit der Kadrierung der einzelnen Bilder gearbeitet werden, mit Sprechblasen und ihren verschiedenen inhaltsvermittelnden Formen, mit lautmalerischen Effekten wie „Zack! Uff! Bam!“ und mit der Verschmelzung von Text und Bild zu einer ästhetischen Einheit.

    Mursilka vs. Spiderman

    Die sowjetische Direktive für Kinderbücher und -zeitschriften, die eine positive Grundstimmung, Partei-Werte, Kollektivismus, Optimismus und Heimatliebe propagierte, war hinfällig geworden.3 Die stets hilfsbereiten und freundlichen Helden aus Zeitschriften wie Mursilka (seit 1924) oder Wesjolyje kartinki (dt. Lustige Bilder, seit 1956) wichen Ende der 1980er Jahre ersten Reprints von Mickey Mouse, Spiderman oder Batman. Sowjetische Bildergeschichten für Kinder, wurden weitgehend abgelöst von westlichen und asiatischen Comics für alle Altersgruppen.4

    Eine eigenständige russische Comic-Industrie entwickelte sich jedoch nur schleppend. Einige wenige Verlage und Studios, darunter das Moskauer Comic-Studio KOM, Mucha in Ufa und Tema in Nowosibirsk, widmeten sich ausschließlich russischen Comics. Sie konnten sich jedoch wegen der mangelnden Nachfrage nicht lange halten. Spätestens die Finanzkrise 1998 setzte ihren Aktivitäten ein Ende. Bis dahin waren Comics hauptsächlich als Ein- bis Vierseiter in Zeitschriften oder im Samisdat erschienen. Künstlerisch orientierte Comics fanden sich im Moscow Art Magazine, das sich wie viele andere Zeitungen und Zeitschriften nach westlichem Vorbild eine Comic-Rubrik zugelegt hatte. Einige Künstler wie Ilja Kitup nutzten Mitte der 1990er Jahre den bis dahin ungekannten freien Zugang zu Kopiergeräten, um eine Do-it-yourself-Ästhetik zu erzeugen. Kitup kommentierte treffend, dass sein im Eigenverlag erschienenes Kitup’s Own Propeller Comic Monthly anderswo als Underground gelten würde, nur nicht in Russland, wo der Mainstream fehlt.5

    Zufluchtsort Internet

    Um die Jahrtausendwende waren Comics in Russland vor allem im Internet zu finden. Für viele russische Comiczeichner war (und ist) dies oftmals die einzige Publikationsmöglichkeit überhaupt. Der ehemalige KOM-Künstler Andrej Ajoschin (aka Tzratzk) begründete 1999 die Website Komiksoljot – ein umfangreicher Internet-Fundus russischer Comics seit der Perestroika. Seit 2009 existieren die Chroniki Tschedrika, die sich eher als comic-theoretisches Web-Journal verstehen. Weit verbreitet ist die sogenannte Scanlation: Scannen und Übersetzen (engl. translation) von Comics. Ungeachtet der Urheberrechtsverletzungen war dies lange Zeit die einzige Möglichkeit, um Zugang zu seltenen oder älteren Comics zu bekommen.6

    Comics als allgemein anerkannte Kunstform

    Erste Plattformen für Austausch, Geschäftsanbahnung und auch Aus- und Weiterbildung tauchten erst Anfang der 2000er Jahre auf. 2002 gründete Pawel Suchich (aka HeeHoos) – eine der Gallionsfiguren der russischen Comicszene – in Moskau das erste russische Comic-Festival KomMissija. 2007 folgte das Festival Boomfest in Sankt Petersburg, das Mitglieder der Gruppe Spb. Nouvelles Graphiques initiierten. HeeHoos, der als Jugendlicher nach Dänemark emigrierte und dort mit Comics in Kontakt kam, ging es vor allem darum, Comiczeichner aus den GUS-Ländern zusammenzubringen, um überhaupt eine Comicszene ins Leben zu rufen.7 Auch die 2001 gegründete Gilde der Comic-Verleger (GIK) hatte ein ähnliches Ziel. So konnten größere Netzwerke entstehen. Mit Dimitri Jakowlews Verlag Boomkniga, hervorgegangen aus dem Boomfest, wurde schließlich eine Institution begründet, die russische Graphic Novels verlegt und auch Werke internationaler Autoren wie Mawil, Uli Lust oder Joe Sacco auf Russisch herausbringt. Sie alle haben sich auf die Fahnen geschrieben, Comics als allgemein anerkannte Kunstform in Russland zu etablieren.

    Eine eigenständige russische Comic-Industrie entwickelte sich jedoch nur schleppend. Kitups Own Propeller Comics © Ilja Kitup
    Eine eigenständige russische Comic-Industrie entwickelte sich jedoch nur schleppend. Kitups Own Propeller Comics © Ilja Kitup

    Doch das Vorurteil, dass Comics lediglich etwas für Kinder seien, hält sich hartnäckig. In der Gesprächsrunde Comics im Schulunterricht8 attestierten Lehrer, Kinderpsychologen, Literaturkritiker und Verleger den Comics einen positiven Einfluss auf die Lerngeschwindigkeit. Sie hoben hervor, dass Schüler sich Lerninhalte deutlich besser merken können, wenn sie über Bild und Text gleichermaßen vermittelt werden. Sie versuchten zudem, Schluss mit den sowjetischen Stereotypen zu machen, Comics seien lediglich ein Propagandamittel für Gewalt und Sex. Doch der Einsatz eines solch bekannten Werks wie Art Spiegelmans Maus über die traumatischen Erlebnisse seiner Eltern während der Shoah in Polen wäre in Russland nach wie vor undenkbar, obwohl das Werk in zahlreichen Ländern Schullektüre ist. Stattdessen konnte Maus 2015 wegen des Hakenkreuzes auf dem Cover nur unter dem Ladentisch verkauft werden.9

    Zwischen Professionalisierung und staatlicher Angst

    In den letzten Jahren hat sich die Ausbildungssituation für angehende Comic-Künstler deutlich verbessert. Mittlerweile gibt es an der privaten Moskauer Universität für Industrie und Finanzen Synergy einen Comic-Studiengang, und die Russische Staatliche Jugendbibliothek hat ein Comic-Zentrum eingerichtet. Auch einige Buchhandlungen, beispielsweise Chook and Geek in Moskau, haben sich ausschließlich auf Comics spezialisiert.

    Es haben sich neue, spezifisch russische Genres entwickelt, wie die dokumentarisch-journalistische Graphic Reportage. Comic © Victoria Lomasko
    Es haben sich neue, spezifisch russische Genres entwickelt, wie die dokumentarisch-journalistische Graphic Reportage. Comic © Victoria Lomasko

    Mit dem Aufkommen von Comics für ein explizit nicht kindliches Publikum haben sich sowohl die Comics als auch die Leserschaft verändert. Neben klassischen Romanen wie zum Beispiel Anna Karenina von Leo Tolstoi erscheinen mittlerweile auch reflexive autobiographische Sujets als Comics. Zu den bekanntesten Beispielen zählen die künstlerische und persönliche Selbstfindung von HeeHoos sowie der Künstlerinnen Anna Sutschowka (aka Lumbricus Terrestris), Jelena Ushinowa/Aljona Kamyschewskaja.

    Zudem haben sich neue, spezifisch russische Genres entwickelt, wie zum Beispiel die dokumentarisch-journalistische Graphic Reportage. Deren Hauptvertreterin Victoria Lomasko macht in ihren gesellschaftskritischen Arbeiten Anleihen bei den frühsowjetischen Foto-Essays. Dies sind zwar nicht mehr Comics im klassischen Sinn, doch es zeigt sich, wie alte sowjetische Formate eigenständige grafisch-erzählerische Formen hervorbringen können. Diese reportageartigen Arbeiten finden sich allerdings vornehmlich im Internet oder werden im Ausland publiziert – nicht zuletzt aus Angst der Verleger vor Repressionen.


    1. Zit. nach Alaniz, José (2010): Komiks. Comic Art in Russia, Jackson, MS, S. 110. Der Beitrag von Natalia Markowa wurde wegen seiner radikalen und aggressiven Position nicht veröffentlicht. Diese Rhetorik lässt vermuten, dass Markova eine der Gutachterinnen der Anklage im Prozess gegen die Organisatoren der Ausstellung Achtung, Religion! von 2003–2005 war, in dem eine Gutachterin gleichen Namens mit einer deckungsgleichen Rhetorik die Gegenwartskunst als der russischen Kultur fremdes Phänomen bezeichnete. ↩︎
    2. Vgl. Alaniz, S. 69 ↩︎
    3. Vgl. ebd., 90. ↩︎
    4. Vgl. Vitalij Šišikin (2011): Vesëlye kartinki. Komiksy v SSSR i Rossii, in Mir fantastiki, Nr. 94 (Juni), ↩︎
    5. Zit. nach Alaniz, 99. ↩︎
    6. Vgl. Afisha.ru: Komiksy i grafičeskie romany. Vosem’ važnejšich izdatel’stv i glavnye proivedenija, kotorye vyšli po-russki ↩︎
    7. Vgl. Zhikhoreva, Galina (2013): Russian comics: The past, present and future, in RBTH 31.10.2013 ↩︎
    8. Siehe Maksimova, Svetlana (2002): Komiks v obrazovanii: est’ li pol’za ot dela?, in Narodnoe obrazovanie 9/1322, 131-135 ↩︎
    9. Vgl. Afisha.ru: Iz knižnych ubrali ‚Mausa‘ Arta Špiegelmana iz za svastiki na obloške ↩︎

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