Unsere Chefredakteurin Tamina Kutscher verlässt dekoder zum 1. Februar 2023. Hier verabschiedet sie sich von euch Leserinnen und Lesern – und wir danken ihr für sieben gemeinsame Power-Jahre.
Liebe dekoder-Leserinnen und -Leser,
zum 1. Februar werde ich nicht mehr Teil von dekoder sein. Dies zu schreiben fällt mir nicht leicht. dekoder war nie nur ein Job für mich. Seit dekoder-Gründer Martin Krohs mich Anfang 2016 als Chefredakteurin ins damals drei Monate junge Projekt geholt hat, war dekoder eine Aufgabe, die mich voll gefordert und erfüllt hat.
Was heißt es, Russland zu entschlüsseln? Das wurde ich sehr oft gefragt in den letzten sieben Jahren. Auf dekoder heißt es, genau hinzuhören – auf den unabhängigen Diskurs, den wir ins Deutsche bringen. Und gleichzeitig, zu hinterfragen, zu kontextualisieren und einzuordnen – mittels Fakten und Expertise aus der Wissenschaft. Mit allzu einfachen Antworten geben wir uns auf dekoder nicht zufrieden, auch unsere Leserinnen und Leser nicht. In sieben Jahren ging es auch darum diesen dekoder-Geist, den Martin Krohs dem Projekt eingehaucht hat, weiterzutragen: Es sind zahlreiche neue Formate entstanden, ein Buch (und ein zweites ist auf dem Weg), wir haben einen russischsprachigen Europa-dekoder und einen Belarus-dekoder aus der Taufe gehoben, ein ganzes dekoder-lab und viele unterschiedliche Specials. Zwei Grimme Online Awards und der Friedrich-Wilhelm-Fricke-Preis waren uns dabei wichtige Anerkennung und Ansporn.
Der nahe und gleichzeitig analytische Blick, den dekoder bietet, auf Russland, auf Belarus und auf Europa, ist mit Sicherheit jetzt besonders wichtig, da Russland in der Ukraine einen schrecklichen Krieg führt. Wir merken es an den vielen Anfragen, die dekoder gerade seit dem 24. Februar 2022 erreichen, und auch an den deutlich gestiegenen Zugriffen auf unsere Seite.
Und doch: Für mich ist es nun Zeit zu gehen. Nach sieben ereignis- und erfolgreichen Jahren in einem großartigen Team gilt es, Neues zu wagen. Im Moment blicke ich erwartungsfroh auf noch Unbekanntes, als Journalistin werde ich mich auf jeden Fall weiterhin mit Gesellschaft und Medien in Russland/Osteuropa beschäftigen.
dekoder weiß ich dabei in Händen eines wunderbaren Teams, unterstützt von euch allen, interessierten, im besten Sinne kritischen und treuen Leserinnen und Lesern. Und ich weiß auch: Wohin mich der Weg auch führen mag, ich bleibe dekoderщik im Herzen.
Und wir alle wissen: Man sieht sich im Leben immer zweimal. Wann und wo auch immer – ich freue mich schon darauf!
Danke für alles.
Tamina
Liebe Tamina,
dieser Abschied fällt auch uns als Redaktion nicht leicht. In sieben Jahren haben wir gemeinsam ein Medium aufgebaut, haben angesichts von Krieg und immer neuen Repressionen Wut und Entsetzen geteilt, sind ausgerastet vor Freude, als wir diverse Preise erhalten haben, haben gemeinsam geflucht über „Bleiwüsten“ und „Textriemen“ (bzw. „RIEMEN“ in deiner Schreibweise), haben mit unseren tollen Übersetzerinnen und Lesern (leider viel zu selten!) Klubabende bis in die Nacht gefeiert, haben über das dekoder-lab weitere Brücken in die Wissenschaft errichtet, …
All das wäre niemals möglich gewesen ohne dich, liebe Tamina, ohne deinen unermüdlichen Einsatz als Chefredakteurin. Mit deiner fachlichen Kompetenz, deiner journalistischen Feinfühligkeit und Erfahrung hast du dekoder federführend zu einem professionellen Medium mit starken Partnern gemacht – ein Medium, das heute gefragter ist denn je.
Auf die intensiven Jahre und das gemeinsam Erreichte können wir voll Dankbarkeit zurückblicken. Und genau deswegen können wir auch trotz Abschiedsschmerz mit Zuversicht auf das Kommende blicken – sowohl bei dekoder als auch für deine Zukunft. Вперед!
Deine dekoderщiki
Alena, Anton, Bianca, Daniel, Ingo, Mandy, Leonid, Rike und Martin
Oh, darf ich (Martin) noch ein PS?
Liebe Tamina! Lass mich nur drei Sätze noch ergänzen – persönliche. Nach innen wie nach außen hast du dekoder verkörpert, wie es sich kein Gründer besser wünschen kann. Was für ein Glück, dass du bereit warst, diese Aufgabe zu übernehmen. Nicht nur als hochprofessionelle Fachperson – das steht sowieso außer Zweifel –, sondern auch als leuchtende Persönlichkeit, deren Integrität, Format, frische Gelassenheit und natürliche Souveränität uns alle um dich herum immer wieder beeindruckt und berührt.
Du wirst diesem Projekt sehr fehlen, publizistisch wie menschlich. Diese sieben Jahre hast du geformt, ja: geprägt. Sie werden weiter glänzen. Das Allerbeste dir. Hab größten Dank!
oder, wie es natürlich besser heißen sollte: До свидания! Nein, keine Sorge: dekoder wird weiter Russland entschlüsseln. Aber nun sind die Redakteure die alleinigen Herren und Damen im Haus! Und ich kehre, zwei Jahre nachdem ich dekoder gegründet habe und das Portal im Herbst 2015 online ging, auf meine alten, wissenschaftlichen Bahnen zurück. Was das für dekoder bedeutet – davon später.
Im Dezember 2014, dem Jahr der Ukraine-Krise und der Krim-Annexion, hielt ich es nicht mehr aus: Jeder sprach von Russland, dem Land, in dem ich zehn Jahre lang gelebt habe, das ich so liebe und das mich doch gleichzeitig so oft beunruhigt. Aber dabei schien kaum jemand von dem Russland zu reden, das ich kannte, vom Russland meiner russischen Freunde, vom Russland der unabhängigen russischen Medien, die ich jeden Tag las.
Ich wollte die Stimmen dieser Medien hierher in den Westen bringen, und ich wollte sie hier verständlich machen. Dafür habe ich mir das dekoder-Konzept ausgedacht, mit seiner Mischung aus Journalismus und Entschlüsselungs-Texten aus der Wissenschaft. Und dieses Konzept hat sich bewährt: Innerhalb dieser zwei Jahre ist dekoder zu einem Modellprojekt des jungen, innovativen Journalismus aufgestiegen.
Ich war in der glücklichen Lage, die dekoder-Idee dank einer persönlichen Erbschaft direkt verwirklichen zu können. Wer die Geschichte von dekoder verfolgt hat, weiß, dass das Portal derzeit hauptsächlich von meiner Konvert-Stiftung finanziert wird, in die ich diese Erbschaft eingebracht habe – aber auch, dass die Mittel dieser Stiftung begrenzt sind.
Ohne Geld kann dekoder nicht funktionieren. Aber was dekoder ausmacht, das sind die Menschen – ihre Kompetenz, ihr Wissen, ihre Leidenschaft. Die Menschen, die Tag für Tag, Woche für Woche für euch Russland entschlüsseln. Und wenn ich als Gründer mich für etwas wirklich glücklich schätzen kann, dann dafür, dass sich genau diese Menschen gefunden haben. Ihr, die Leser, kennt sie alle aus Editorials, Interviews, Newslettern oder einfach, weil ihr der Redaktion Mails und Messages geschrieben und mit den Kollegen diskutiert und debattiert habt.
Meine Ansicht ist, dass dekoder denjenigen gehören soll, die auch tagtäglich den Content erstellen, neue Ideen entwickeln, das Schicksal des Projekts gestalten. Deshalb waren wir neulich alle gemeinsam beim Notar, haben die Übergabe an die dekoder-Macher besiegelt und nachher ein klein wenig diesen wichtigen Tag gefeiert – so, wie es sein soll! Ich bin von nun an bei dekoder nur noch Mit-Gesellschafter.
Für mich persönlich geht es nun dort weiter, wo ich 2014 unterbrochen habe. Wenn ihr euch manchmal fragt, wie eigentlich die Bäume, Vögel, Bakterien um uns herum und natürlich auch wir selbst zustandekommen und ob eure Vorstellungen dazu up-to-date sind, dann klickt ruhig einmal hier: Re-imagine Evolution! Ich denke, dass dieser Text euer Bild von der Welt des Lebendigen ein ganzes Stück verändern wird (natürlich ist auch Russland wieder mit von der Partie – ganz ohne geht’s einfach nicht). Und wenn ihr generell Interesse an Online-Publishing habt, dann könnte auch das neue Publishing-Tool Pleksetwas für euch sein, das ich derzeit entwickle.
Aber die Hauptsache in diesem Brief ist natürlich dekoder. Die Finanzen, die ich zur Verfügung stellen kann (nicht jeder ist ein Warren Buffett) reichen noch für knapp ein Jahr. Große deutsche Stiftungen, die sich ebenfalls den gemeinnützigen Journalismus auf die Fahnen geschrieben haben, fördern immer wieder Einzelprojekte bei dekoder. Aber eine neue Grundfinanzierung für den laufenden Betrieb muss bald gefunden werden – das gesamte dekoder-Team hat schon seine Fühler in alle denkbaren Richtungen ausgestreckt.
Und wie es immer so ist: Je mehr Leute mit anpacken, desto einfacher wird es – gerade jetzt, wo die Finanz-Sanduhr läuft. Daher gibt es künftig für die Leser, die sich regelmäßig für dekoder engagieren wollen, eine dekoder-Community: den dekoder-Klub. Macht mit – es gibt viel Neues zu entdecken! Zu den Einzelheiten erzählen die Kollegen euch hier mehr.
Nun aber ist es Zeit, wirklich zu sagen: Пока, dekoder. Mach es gut, mach deinen Weg. Macht es gut Tamina, Leonid, Rike, Alena, Daniel, Anton. Dieses schöne Stück Publizistik, das wir gemeinsam aufgebaut haben, liegt in euren Händen, und es sind die besten Hände, die man sich wünschen kann. Und euch, liebe Leser, wünsche ich weiter viel aufschlussreiche Lektüre, hörenswerte, relevante Stimmen aus Russland und fundierte, sachliche Erläuterungen dazu.
Dies ist eine der eigentümlichsten Episoden aus der Geschichte der russischen Fotografie, und sie ist bis heute noch nicht vollständig erforscht.
Ein junger Mann aus einer St. Petersburger Adelsfamilie begeistert sich für das damals noch junge Fach Chemie. Er studiert bei Dimitri Mendelejew, dem russischen Entwickler des Periodensystems der Elemente. 1889 geht Sergej Prokudin-Gorski („so der Name unseres Helden“, müsste man schreiben, wäre man sein Zeitgenosse) nach Berlin, wo er für zwei Jahre an der Technischen Universität unterrichtet. Zugleich forscht er zur Darstellung der Spektralfarben in der Fotografie und schließt Bekanntschaft mit Adolf Miethe, ebenfalls Chemiker. Miethe hatte eine Technik entwickelt, um mittels dreier übereinander projizierter Schwarzweiß-Diapositive (die Farbfotografie im eigentlichen Sinne wurde erst 1935 von Kodak praxistauglich gemacht) eine vollfarbige Abbildung eines fotografierten Objektes zu erhalten.
1901 kehrt Prokudin-Gorski nach St. Petersburg zurück. Er entwickelt die fotochemischen Methoden weiter, die er in Berlin erlernt hat, und in ihm reift ein Plan heran: Er will die Menschen, Landschaften und Bauwerke Russlands fotografisch dokumentieren – in Farbe. Etwas ähnliches hatten vor ihm nur die Peredwishniki versucht, aber sie waren Maler gewesen, ihre Ausrüstung beschränkte sich auf Palette und Staffelei. Prokudin-Gorski würde mehr benötigen: Die modernste Fotoausrüstung seiner Zeit, zerbrechlich, schwer und voluminös – und eine Menge Geld. Er musste den Zaren für sein Vorhaben begeistern. Dies gelang ihm nicht zuletzt durch ein Portrait des Schriftstellers Lew Tolstoi, das er bei einer Audienz an die Wand projizierte.
Nikolaus II finanzierte ihm ein mobiles Labor, das in einer Pferdekutsche untergebracht wurde und sogar einen Eisenbahnwaggon mit einem zweiten Labor. Und er stellte ihm Dokumente aus, die es ihm ermöglichten, sich auf den geplanten Routen frei zu bewegen – keine Selbstverständlichkeit im damaligen Russland. 1909 machte Prokudin-Gorski sich auf den Weg. Bis 1915 bereiste er das Zarenreich: den Westen Russlands, die Wolga-Gebiete, den Kaukasus, Mittelasien, Teile von Sibirien. Er fotografierte seine Sujets, wie er sie vorfand: Es mischen sich Arbeitsszenen, Ansichten industrieller Anlagen, Stadtpanoramen, Portraits. Insgesamt entstanden so über 3.000 Aufnahmen.
Zur geplanten großen Wanderausstellung seiner Bilder kam es in Russland nicht mehr, bald nach Beginn des ersten Weltkriegs versiegte die Finanzierung. 1917, nach der Oktoberrevolution, musste Prokudin-Gorski das Land verlassen, ging erst nach Norwegen, dann nach London und schließlich nach Paris, wo er 1944 starb. Sein Archiv wurde von der Library of Congress (Washington DC) erworben und ist heute in digitaler Form öffentlich zugänglich.
Die von Adolf Miethe entwickelte Technik, die Prokudin-Gorski verwandte, beruhte auf dem Prinzip dreier verschiedenfarbiger Filterscheiben (rot, grün und blau), die vor drei vertikal übereinander angeordneten Glasplatten-Negativen angebracht waren. Auf diese Weise konnte nur jeweils das entsprechende Teilspektrum des Lichts auf die einzelne Glasplatte einwirken. Während der Aufnahme wurden die Platten eine nach der anderen belichtet.
Zum Betrachten der Bilder existierte ein spezieller Dreifarben-Projektor, der die drei nacheinander entstandenen Einzelbilder, wiederum durch entsprechende Farbfilter, an die gleiche Stelle projizierte, so dass sich ein vollfarbiges Bild ergab.
Diese additive Dreifarben-Fotografie bringt einige Besonderheiten mit sich, so scheint etwa ein bewegtes Objekt in verschiedenen Farben zu schillern – unten in der Fotoserie zu sehen beim Wasser auf dem Bild des Schleusenwärters Karlinski oder auch beim Gesicht eines der Besatzungsmitglieder des Dampfschiffs Scheksna. Hier finden sich weitere technische Details zu dieser längst vergessenen Fotografier-Methode.
Prokudin-Gorski wurde 1863 auf dem Familiengut Funikowa Gora im Gouvernement Wladimir geboren. Mit ihm und seinem Werk befassen sich verschiedene Buchveröffentlichungen, auf Deutsch unter anderem beim Gestalten-Verlag. Ein russisches Internet-Projekt widmet sich der Erforschung seiner Reisen und seines Werks, ein anderes rekonstruiert die Aufnahmeorte und dokumentiert ihren heutigen Zustand im Vergleich zum historischen. Einen Dokumentarfilm auf Prokudin-Gorskis Spuren drehte 2013 der Moskauer Journalist Leonid Parfjonow. Wohl keine andere visuelle Quelle erschließt die Realitäten des späten russischen Zarenreichs mit solcher Unmittelbarkeit wie die Aufnahmen dieses wissenschaftsbegeisterten Forschers und Fotografen.
Oben: Selbstbildnis Sergej Michailowitsch Prokudin-Gorski am Flüsschen Skuritskhali, bei Batumi, Georgien, 1912
Bahnhof von Borodino. Als Fotolabor ausgerüsteter Eisenbahnwaggon, Borodino, 1911
Preobrashenski Kirche, innerhalb der Kremlmauern, Belosersk, 1909
Mittagessen während der Heuernte, 1909
Kornblumen im Roggenfeld, 1909
Bauernmädchen, 1909
Holzfäller am Fluss Swir, 1909
Zwischen dem Staubecken am Fluss Tschussowaja und dem Reschotka-Flüsschen, 1912
Hütte des Siedlers Artemi, mit Spitznamen Kot [Kater], der seit über 40 Jahren dort lebt, 1912
Ernte nahe dem Dorf Bytschi, 1912
Mühlen im Bezirk Jalutorowsk im Gouvernement Tobolsk, 1912
Beim Spinnen von Garn, Dorf Iswedowo, 1910
Blick über die Stadt von der Kreml-Mauer aus, Belosersk, 1909
Igumen Xenofont, Vorsteher des Klosters in Werchoturje, 1910
Links: Wundertätige Ikone der Gottesmutter Hodegetria in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale, Smolensk, 1912.
Rechts: Phelonion aus Seidenbrokat, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, an der Schulterpartie perlenbestickter karminroter Samt. Im Museum von Rostow Weliki, 1911
Mönche bei der Feldarbeit, Kartoffelsaat. Gethsemane-Kloster, 1910
Friedhof des Uspenski-Klosters, 1909
Links: L. N. Tolstoi in Jasnaja Poljana, 23. Mai 1908 (der Verbleib des originalen Negatives ist unbekannt, hier handelt es sich um die Reproduktion eines durch Prokudin-Gorski selbst angefertigten dreifarbigen fotolithografischen Abzugs)
Rechts: Arbeitszimmer von L. N. Tolstoi in Jasnaja Poljana, 1908
Links: Im Museum von Borodino. Kugeln und Geschosse aus der Schlacht bei Borodino (1812), 1911
Mitte: Befestigungsanlagen auf dem Schlachtfeld von Borodino, wo ein Denkmal errichtet werden soll, 1911
Rechts: Gemälde von Napoleon, zwischen 1905 und 1915
Grenze zwischen Europa und Asien bei der Bahnstation Urshumka. In der Nähe von Tscheljabinsk, 1910
Wolgaquelle, 1910
Pinchus Karlinski, 84 Jahre alt. Davon 66 im Dienst als Schleusenwärter der Tschernigow-Schleuse, 1909
Dampfschiff Tjumen des Verkehrsministeriums, auf dem Prokudin-Gorski den Fluss Tobol befuhr. Prokudin-Gorski ist auf dem Deck des Schiffes zu sehen, an einem Tisch sitzend, 1912
Mannschaft des Dampfschiffs M. P. S. Scheksna, auf dem Prokudin-Gorski von der Mündung des Flusses Swir bis Rybninsk fuhr, 1909
Blick auf die Stadt Tobolsk von Norden. Vom Glockenturm der Preobrashenskaja-Kirche aus, 1912
Herstellung von Stahlbeton-Rahmen für die Wände einer Schleuse, Beloomut, 1912
Eine Speiche wird aus einem Damm gezogen (nach der Methode von Poiré), 1909
Signalmast beim Dorf Burkowo, 1909
Schmelzöfen der Eisenhütte bei Satka, 1910
Österreichische Kriegsgefangene vor einer Baracke nahe Kiappeselga / Kannesemga, 1915
Arbeit in der Eisenmine, bei Bakal, Ural 1910
Auf der Draisine über die Murmansk-Bahnstrecke, bei Petrosawodsk, 1915
Brücke der Transsibirischen Eisenbahnlinie über den Fluss Kama nahe Perm am Ural, 1910
Die Evgenieski-Mineralwasserquelle Borshomi, Georgien, zwischen 1905 und 1915
Versand des Borshomi-Mineralwassers. Borshomi, Georgien, zwischen 1905 und 1915
Menschen in Dagestan, zwischen 1905 und 1915
Links: Bambus-Hain. Tschakwi, Georgien, zwischen 1905 und 1915
Rechts: Knurrhahn. Batumi, Georgien, zwischen 1905 und 1915
Eine Gruppe von Arbeitern bei der Tee-Ernte (griechische Frauen), Tschakwi, Georgien, zwischen 1905 und 1915
In der Abwiege-Abteilung der Teefabrik von Tschakwi, Georgien, zwischen 1905 und 1915
Haus von Umsiedlern mit einer Gruppe von Landarbeitern bei Nadeshdinsk, zwischen 1905 und 1915
Beobachten einer Sonnenfinsternis am 1. Januar 1907. In der Nähe der Bahnstation Tschernjajewo im Tian-Shan-Gebirge oberhalb der Saljutkin-Minen, Golodnaja Steppe 1907
Die rechte Kuppel der Sher-Dor-Moschee, Samarkand, zwischen 1905 und 1915
Der Emir von Buchara, zwischen 1905 und 1915
Sarten-Frau in einem Paranja, Samarkand, zwischen 1905 und 1915
Studenten in einer Medresse (Islamschule), Samarkand, zwischen 1905 und 1915
Friseure auf dem Registan in Samarkand, zwischen 1905 und 1915
Arbeiter, zwischen 1905 und 1915
Hanffeld, 1910
Bildredaktion: Nastya Golovenchenko Text: Martin Krohs Veröffentlicht am 01.12.2016
Im November wird dekoder zu einer Galerie. Wir zeigen ein Kunstprojekt, das auf langsame Wahrnehmung angelegt ist, auf ein gemächliches Eintauchen – ein Projekt, in dem sich Bild und Text zu einer Einheit verbinden.
Die Künstlerin und Fotografin Anastasia Khoroshilova nimmt in der russischen Fotografie-Szene eine Sonderstellung ein. Sie ist in Moskau geboren, hat an der Folkwang-Schule in Essen studiert und wohnt derzeit in Berlin. Ihre Sujets aber findet sie weiterhin in Russland, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die Themen richtet, die den großen visuellen Narrativen entgehen: auf die subtilen Spuren, die das Leben des Einzelnen hinterlässt, auf das Schicksal der namenlosen Menschen, auf ihre Verletzlichkeit und immer wieder auf die russische Provinz. Mit deren Bildwelt und ihrem unaufhaltsamen, an ein stilles, unendlich langsam fortschreitendes Naturgeschehen erinnernden Wandel beschäftigt sich auch diese Arbeit. Ein Ort aus den Erzählungen von Turgenjew, zugleich Heimat der Vorfahren von Anastasia Khoroshilova, verwandelt sich über die mehr als zehn Jahre, die sie sich ihm fotografierend nähert, in eine Landschaft des Übriggebliebenen, eine zeitvergessene Lichtung, bis er allein aus verblassender Erinnerung zu bestehen scheint – kaum mehr als die Metapher seiner selbst.
Anastasia Khoroshilova ist Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie und Dozentin an der Rodchenko School of Photography and Multimedia in Moskau. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzelausstellungen unter anderem in Wien, Tokyo, Toronto, Moskau und St. Petersburg gezeigt und sind in den Sammlungen des Stedelijk Museum, Amsterdam, der Pier 24 Photography Collection, San Francisco, und vielen anderen vertreten. Wir freuen uns besonders, dass die Fotografin uns ihre neue Arbeit Einst war hier das Meer zur online-Erstveröffentlichung anvertraut hat.
Blick auf Beshin Lug (Beshin-Wiese), von Norden
Von 2003 bis 2004 habe ich an der Serie Beshin Lug (Beshin-Wiese) gearbeitet. Sie war den Realien des russischen Dorfes in postsowjetischer Zeit gewidmet. Die Reisen, die ich dafür machte, eher Expeditionen, dienten dem Ziel, dokumentarisches Fotomaterial für visuelle Forschung zu sammeln. Der Titel der Arbeit stand für mich damals in Zusammenhang mit russischen Werken, wie der gleichnamigen Erzählung von Iwan Turgenjew, dem Film von Sergej Eisenstein und dem Roman mit dem Titel Romanvon Vladimir Sorokin. Inzwischen ist dieser Arbeitstitel für mich zu etwas Allgemeinerem geworden, zu einem Symbol dessen, was ich im sich verändernden Raum des russischen Dorfes entdeckte.
Im Dorf Bogorodizkoje (aus der Serie Beshin Lug, 2004)
2015 und 2016 habe ich mich dem Thema des russischen Dorfes erneut zugewandt. Die Veränderungen, die ich nun sah, erschienen mir noch grundlegender und unumkehrbarer. Der metaphorische Charakter dessen, was schon geschehen war und sich weiterhin vor meinen Augen abspielte, erhielt einen klar umrissenen Sinn: den des Verschwindens. Und so basiert die Arbeit Einst war hier das Meer auf der Metapher des Fortnehmens.
Im Dorf Chludnewo, Maria Iwanowna (aus der Serie Beshin Lug, 2004)
Die Ortschaften, die ich vor mehr als 10 Jahren besucht hatte, haben sich sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Dörfer verwandelten sich in Datschen-Siedlungen und wurden von Städten aufgesogen. Die abgelegenen Dörfer verschwinden – einerseits physisch, aber auch, nach und nach, aus der administrativen Topographie. Das Dorf beispielsweise, in dem mein Urgroßvater zur Welt kam, wurde fast vollständig von seinen Einwohnern verlassen.
Die Aufnahmen entstanden vielfach an historischen „Turgenjewschen Orten” (in den Gebieten Orlow und Tula). Die historische Beshin-Wiese ist heute ein Ort, der gelegentlich von Touristen aufgesucht wird, ab und zu werden lokale Feste gefeiert. (Die Beshin-Wiese selbst liegt mitten in einem Wirrwarr elektrischer Leitungen, es gibt auch eine stillgelegte Sandgrube – unerlaubt in einem Schutzgebiet ausgehoben – und ein Privathaus am Rand der Wiese).
In der Ortschaft Seljonaja Sloboda (aus der Serie Beshin Lug, 2004)
Fast alle „Turgenjewschen Orte“, die einst existierten und die in das Leben der Einheimischen eingeschrieben sind, gibt es heute nur noch in den Akten des Katasteramtes. Man kann sie der Erinnerung nach ausfindig machen, oder anhand einer bestimmten Anordnung der Bäume und ihrer Arten.
Das Projekt beschreibt das Dorf sozusagen als Grundtyp, verallgemeinernd. Auf den Bildern sind fast keine Menschen zu sehen, kaum Spuren ihrer Anwesenheit zu bemerken.
Die Titel der Bilder ergeben sich aus dem dokumentatorischen Anspruch des Projekts. Sie bilden gemeinsam mit meinen Notizen den textuellen Teil der Arbeit.
Anastasia Khoroshilova
2016
Im Dorf NawolokWera Iwanowna Lusanowa. In NawolokMaria Iwanowna. In der Ortschaft Pokrowskoje (Nishnjaja Ljubowscha)Beim Dorf KolotowkaIm Dorf Beshin Lug, Haus des Generals (ehemalige Schule)Valentina Fjodorowna Petrowa. Im Dorf Chotjash, PooserjeСлева: Деревня Велевашево. Справа: In der Ortschaft Golun. Pferdehof auf dem Gut der Grafen GolizynSt.-Nikolas-Kirche auf Lipno, 13. Jh., AltarapsisViktor Iwanowitsch Jakowlew. Inseldorf WoizyBei der Ortschaft Pokrowskoje (Nishnaja Ljubowscha). Hauptstraße
Früh am Morgen. Gestern war ich noch in Moskau, jetzt – auf Nowgoroder Boden. Nach zwölf Jahren bin ich wieder hier. Ich gehe schnellen Schrittes zur Anlegestelle am Ilmensee, wo ein Boot auf uns wartet. Mein Körper fühlt den Schlafmangel, der Rucksack hängt schwer auf den Schultern, das Stativ baumelt unbequem am Arm. Ich ärgere mich über mich selbst wegen dieser spontanen Idee, jetzt auf die Insel zu fahren – irgendwann später wäre das sicher auch noch möglich gewesen.
An der Anlegestelle treffe ich Leute. Wir kommen ins Gespräch. Einer, in einem gestreiften Hemd, ist, wie sich herausstellt, ein bekannter russischer Schriftsteller. Eine andere, mit Strohhut, ist Restauratorin, Ehefrau eines Archäologen. Außerdem ist dort eine Künstlerfamilie. Sie sind mit ihren Kindern, verschlafen und in Wolldecken gepackt, zur Anlegestelle gekommen. Auch sie wollen nach Lipno hinüber.
Das Wetter spielt nicht mit! Dicke Wolken ballen sich zusammen, es zieht wohl ein Gewitter auf. Wir sind jetzt schon über eine Stunde hier. Jelena (sie betreut ein Museum und begleitet uns) sagt, wir sollen noch ein wenig warten. Ich hatte keine Zeit zum Frühstücken, das lässt mich mein Magen jetzt spüren. Nochmal vergeht eine halbe Stunde.
Endlich kommt aus einem Haus nebenan ein Fischer. Ich schaue zu, wie er ohne Eile zwei einfache, sehr alte Boote aneinanderbindet. Danach fängt er an, mit einer abgeschnittenen Flasche das Wasser aus ihnen herauszuschöpfen … „Man braucht ziemlich lange da rüber”, sagt er.
Na gut, genug. Ich verzichte, sage, die Überfahrt sei für meine Fototausrüstung zu gefährlich. Die Frau mit Hut will auch nicht mehr zur Insel übersetzen. Die anderen tauschen Blicke, möchten aber anscheinend weiterhin fahren.
Auf dem Weg ins Hotel wird mir klar: Auf die Insel muss ich trotz allem. An der Anlegestelle im Ort überrede ich den Besitzer eines Bootes, der Touristenfahrten auf dem Fluss Wolchow anbietet.
Ich bin auf der Insel Lipno. Kämpfe mich durch hohe Sträuche und Gras. Brennnesseln brennen an den Beinen, einen Pfad gibt es nicht. Es ist sehr heiß, der Rucksack klebt am Rücken. Ich räume mir den Weg mit dem Stativ frei. Ich schaue zum Himmel: Ein Gewitter wird es doch nicht geben. Mit einem Mal sehe ich eine Kuppel, dann eine Apsis und schließlich finde ich mich vor einer Kirche wieder. Rundherum Stille. In der Ferne sind Vögel zu hören. Jelena macht die Tür auf, und wir treten hinein.
Durch die Fenster fällt gedämpftes Licht in die Kirche. Die Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit. Die Umrisse alter Gerüste von Restaurationsarbeiten zeichnen sich ab. An den Wänden erkenne ich Fresken. Jelena erzählt mir von der Geschichte der Kirche. Ihre Worte, bemerke ich bald, klingen wie von weit weg.
Schweigend hole ich meinen Fotoapparat hervor. Wir sind allein. Es ist still, gelegentlich klickt der Verschluss. Ich fotografiere wenig. Ich spüre: Dieser Tag wird mir lange im Gedächtnis bleiben.
Ich gehe hinaus. Sergej kommt zu mir herüber. Er lebt auf der Insel, mit seiner Mutter. Sie bleiben sogar den Winter über hier, mit Vorräten an Proviant und allem Nötigen, ohne Strom und Telefon. Sonst wohnt hier niemand.
Sergej ist unleidlich, wir haben ihn gestört. Meine Frage, ob ich ihn fotografieren kann, wehrt er gleich ab, unterbricht mich grob, dreht sich von mir weg und geht. Das ist seine Insel und seine Kirche. Wir sind für ihn Zufallsbesuch, lästige Touristen.
Wir kehren zum Boot zurück. Am Ufer treffen wir auf unsere Bekannten vom Vormittag: den Schriftsteller und die Künstlerfamilie. Sie haben es doch bis hierher geschafft. Über einem Lagerfeuer braten Fleischspieße. Wir unterhalten uns über das Wetter und über Moskau. Der Kapitän des Bootes schaut mürrisch auf seine Uhr.
Anastasia Khoroshilova
2015
Im Dorf Beshin LugLinks – Im Dorf Stekolnaja Slobodka. Rechts – Maria IwanownaIn Pokrowskoje (Nishnaja Ljubowscha). Historisches Zentrum der OrtschaftDas Örtchen Petrowskoje. Beim Gutshaus von Warwara Petrowna Turgenjewa, TeicheOrtschaft Wjashi-Sawerch, VerwaltungsgebäudeLinks – im Dorf Tschastowa. Rechts – Pelageja Alexejewna Kuljabina, Dorf Guschtschino
Ich kehre in das Dorf Beshin Lug (Beshin-Wiese) zurück. Seit genau einem Jahr war ich nicht mehr hier. Ich möchte noch einmal Maria Iwanowna fotografieren. Sie ist 86 Jahre alt und hat ihr ganzes Leben am gleichen Ort zugebracht. Ihr Haus an der Malenkaja-Straße finde ich recht schnell. Im Hof erwartet mich ihre Tochter. Ich bitte sie um Erlaubnis einzutreten.
Maria Iwanowna spricht während der Aufnahme nicht, sie schaut nur unverwandt ins Objektiv. Meine Arbeit wird von ständigen Kommentaren der Tochter begleitet. Sie ist beunruhigt, dass der Ofen in ihrem Haus schief sei, und das Zimmer nicht mit Ruschniki geschmückt. Sie seien ganz stockig und vergammelt und zu nichts mehr gut. Sie will nicht, dass der Ofen ins Bild gerät.
Maria Iwanowna sagt kein Wort und posiert geduldig, ohne ihre Tochter zu beachten.
Ich bitte sie, sich für die letzte Aufnahme auf die Bank vor dem Hauseingang zu setzen. Wir gehen in den Hof hinaus. Maria Iwanowna geht hinter mir, setzt sich schweigend hin. Wir sprechen nicht miteinander. Für eine Weile sind nur die Klickgeräusche des Kameraverschlusses zu hören. Danach herrscht wieder Stille.
Ich habe heute viel vor, muss noch an viele andere Orte. Ich bedanke mich und packe die Geräte zusammen und verabschiede mich.
Maria Iwanowna nickt mir zu. Dann, auf einmal, winkt sie mich zu sich. Ich gehe zu ihr hin, und jetzt spricht sie das erste Mal mit mir: „Wollen Sie wissen, was hier früher war?“ „Ja, natürlich“, antworte ich höflich und richte mich auf eine Erzählung über die Kolchose ein, die es im Ort früher gab.
Maria Iwanowna hält für einen Augenblick inne, schaut in die Ferne und sagt: „Einst war hier das Meer.“
Dann geht sie ins Haus zurück.
Anastasia Khoroshilova
2016
Inseldorf WoizyLinks – beim Dorf Schelamowo. Lindenallee auf dem verschwundenen Gut Turgenjews. Rechts – Sergej Wasiljewitsch Tolstow, im Dorf TschortowoIm Dorf SpeschnewoSpeschnewo, Dorfplatz, Ruine der Kirche des Heiligen Johannes des TheologenBeim Dorf Tschastowa, Fluss Msta
Fotos und Texte: Anastasia Khoroshilova Bildredaktion: Nastya Golovenchenko, einführender Text: Martin Krohs
Was vom Fortschritt übrig bleibt: Danila Tkachenko fotografiert Relikte technischer Utopien im postsowjetischen Raum. Viele der Objekte befinden sich in Restricted Areas, ehemaligen Sperrzonen, die früher nur einem sehr engen Kreis von Mitarbeitern zugänglich waren. Einsam stehen die technischen Gebilde auf Tkachenkos Fotografien da, außerhalb aller Zivilisation, die Farbe ist bis auf ein Minimum zurückgenommen, die Zeit scheint in Schnee und Eis zum Stillstand gekommen zu sein.
Danila Tkachenko (geboren 1989 in Moskau und Absolvent der dortigen Rodchenko School of Photography and Multimedia) begreift sich als Visual Artist, der mit den Mitteln der Dokumentarfotografie arbeitet. Zu seiner Serie Restricted Areas sagt er: „Ich suche auf meinen Reisen Orte, die einen großen Stellenwert für den technischen Fortschritt hatten und die nun verlassen sind. Diese Orte haben ihre Bedeutung verloren zusammen mit der utopischen, nun obsolet gewordenen Utopie: Die perfekte technokratische Zukunft, die nie eingetreten ist.“
Tkachenko ist einer der wichtigsten Vertreter der jungen russischen Fotokunst. Für seine Serie Escape, die modernen Einsiedlern in Russland gewidmet ist, wurde er 2014 mit einem ersten Platz beim World Press Photo Award ausgezeichnet. Auch Restricted Areas (entstanden von 2013 bis 2015) wurde vielfach prämiert, das zugehörige Buch in fünf Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Arbeit im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie in der traditionsreichen OstberlinerFotogalerie Friedrichshaingezeigt, ergänzt durch Archivmaterial zu den abgebildeten Objekten. Die Ausstellung läuft bis zum 28. Oktober.
Landekapseln für Rückkehr der Astronauten und Forschungsausrüstung zur Erde – Kasachstan, Gebiet Qysylorda, 2013Verlassenes Observatorium – Kasachstan, Gebiet Almaty, 2015
„Tschaika“ – Antenne für Troposphärenfunk – Russland, Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen, 2014
Berijew WWA–14, Amphibien-Flugzeug mit Senkrechtstart-Möglichkeit (VTOL) – Russland, Monino bei Moskau, 2013
Förderpumpen auf einem erschöpften Ölfeld – Russland, Republik Baschkortostan, 2014
Sarkophag über einem 4 km tiefen Bohrloch, seinerzeit eine der tiefsten wissenschaftlichen Bohrungen weltweit – Russland, Region Murmansk, 2013
Test auf Wasserkontaminierung in einem See bei Osjorsk (früher Tscheljabinsk-40). Im Jahr 1957 kam es hier zum ersten Kernkraftunfall; er wurde etwa 30 Jahre lang geheimgehalten. Die Stadt ist umgeben von Seen, die bis heute radioaktiv kontaminiert sind
Geborgenes Wrack des Passagierschiffs „Bulgaria“, bei dessen Untergang 122 Menschen ertrunken sind – Republik Tatarstan, 2014
Schutzschirm gegen die biologischen Einflüsse von Radarstrahlung – Kasachstan, Qaraghandy Gebiet, 2015
Anlage zur Kohleverarbeitung. Russland – Republik Komi, 2014
Busludscha-Denkmal zu Ehren der sozialistischen Bewegung Bulgariens – Bulgarien, Chadschi Dimitar, 2015
Fotos: Danila Tkachenko Bildredaktion: Nastya Golovenchenko, Text: Martin Krohs Veröffentlicht am 01.10.2016
Satt und speckig wölbt sich das Ölzeug des Fischers auf Deck, der Kabeljau im Tanzschwung schwebt prall vorm glasigen Himmel, eine bleigraue Welle scheint wie gewischtes Wachs, wie der Rand eines übergroßen Fingerabdrucks hinter der schwankenden Schaluppe zu stehen: In den Fotografien von Oleg Klimov gibt es kaum einmal eine Bildfläche. Die Gegenstände seiner Fotografie sind in höchstem Maße plastisch, es sind Dinge, Volumina, die Aufnahmen strotzen geradezu vor Relief und Tiefe.
Mit solcher empfindungsstarker, sinnlicher Dokumentarfotografie ist Oleg Klimov (geb. 1964 in Tomsk, nun in Moskau lebend) zu einem der renommiertesten Reportagefotografen Russlands geworden. In den 1990er Jahren hat er als Kriegsfotograf die Konflikte des postsowjetischen Raums dokumentiert. Doch sein Thema ist schon immer auch das Wasser. Er machte die Wolga zum Inhalt seiner Arbeiten, drei Mal verbrachte er Monate am Weißmeer-Ostsee-Kanal, um sich mit einem fotografisch-forscherischen Projekt – Klimov ist studierter Astrophysiker – auf die Spuren des Zusammenhangs zwischen Bild und Politik zu begeben: Der Kanal wurde von Strafarbeitern erbaut, der Bauvorgang selbst vom großen sowjetischen Fotografen Alexander Rodtschenko in hochgradig ästhetisierender Weise dokumentiert, ohne jegliche Achtung des menschlichen Leids und Unrechts. Klimov, der einige Zeit Dozent an der zu Ehren Rodtschenkos benannten Schule für Fotografie und Multimedia in Moskau war, hat sich diesen Fall ethischer Blindheit des fotografischen Dokumentalisten auch schreibend zum Thema gemacht.
Seit 2007 erforscht Klimov mit der Kamera die Meeresgrenzen Russlands, immer wieder kehrt er auf die Kurilen und die Insel Sachalin zurück. Dort, nördlich von Japan im Ochotskischen Meer, hat er die Fischer auf ihren Fahrten begleitet. Von den dabei entstandenen Aufnahmen werden einige hier erstmals gezeigt.
Die Insel Sachalin gehört zur Oblast Sachalin – der einzigen Region Russlands, die sich vollständig über 59 Inseln erstreckt.
Alles, was man aus der Oblast Sachalin verkaufen kann, ist Erdöl, Gas und Fisch.
Ein Fischer wirft einen Rochen über Bord, der sich zufällig im Netz verfangen hatte. Die Arten der Fische und ihre Anzahl sind durch Quoten begrenzt, weswegen der Rochen nur Platz wegnimmt auf dem Fischerboot № 47.
Eigentlich fängt nur einer auf dem Schiff den Fisch – und zwar der Kapitän. Alle anderen helfen ihm dabei.Es werden „Küsten-“ von „Meeresarbeitern“ unterschieden. Letztere nennt man auch Mobr, von Matros-Obrabotschik: Matrose, der den Fisch zerlegt. Hier bereitet ein Mobr erstmal das Fangnetz vor.
Fischer „schütten“ ihren Fang in den Laderaum des Fangschiffes Taimanija. Als Mobry arbeiten vor allem Einheimische.
Die einfachen Obry, Fischverarbeiter zu Lande, brauchen keinerlei Qualifikation und sind meist Zugereiste, auf der Suche nach dem schnellen Geld.
Die Mobry erhalten ein Vielfaches an Gehalt gegenüber den Obry. Letzten Endes hängt die Höhe des Lohns auch von der Fangmenge ab.
Ein gefangener Hai an Bord des Fangschiffs Star.
Fischwilderer in der Terpenija-Bucht bei Poronaisk auf Sachalin. Wer kann, verkauft den Fang nicht in Russland, sondern in Japan, China oder Korea. Auch die Wilderer. Denn das bringt bedeutend mehr ein.
Dorsch und Seelachs sind so rentabel wie die Öl- und Gasförderung auf Sachalin.
Die Menschen auf den Inseln leben in Armut und vom Fisch. Den verkaufen sie in Russland und Japan, die bis heute darüber streiten, zu wem die Inseln eigentlich gehören.
Fisch überall – selbst im Aufenthaltsbereich.
Beliebter Zeitvertreib zwischen den Fangzeiten: Domino-Spiel auf einem Fischerboot.
Die Fischer werden ähnlich wie Zeitarbeiter eingesetzt – sie bleiben für die gesamte Dauer der Fangfahrt auf dem Meer.
Fisch satt: Eine Lachszucht auf den Kurilen.
An der Küste gibt es kaum genügend Infrastruktur, wie sie die Sowjetbehörden nach 1945 eigentlich geplant hatten.
Die Fischverarbeiter sind meist Saisonkräfte. Sie kommen aus allen möglichen ehemaligen Sowjetrepubliken, aus Russland, aus China oder aus ärmeren Inselgegenden des Stillen Ozeans.
Die Einheimischen nennen die Saisonarbeiter die „Zugezogenen“. Obwohl es auf den Kurilen keine wirklich Einheimischen gibt, letzten Endes besteht die große Mehrheit aus „Zugezogenen“.
Da ein Teil des Fisches exportiert und nicht in Sachalin auf den Markt gebracht wird, ist der Fisch in den Geschäften vor Ort nicht günstiger als zum Beispiel in Moskau, manchmal sogar teurer.
Ein Fischer fängt Lodden (die dort „Ujok“ genannt werden) an der Küste des Ochotskischen Meeres, unweit des Dorfes Wsmorje auf Sachalin.
Fotos: Oleg Klimov Bildredaktion: Nastya Golovenchenko einführender Text: Martin Krohs Veröffentlicht am 02.09.2016
Die Fotografin Anastasia Tsayder hat sich angesehen, was heute noch in Moskau von den damaligen Spielen zeugt, wie die Architektur das Stadtbild prägt, wie die Sportstätten nun genutzt werden.
Die Bauwerke stammen zum Großteil aus den Jahren 1975–1978. Ihre futuristische Architektur sollte die Hoffnung auf eine lichte Zukunft zum Ausdruck bringen. „Viele dieser Gebäude, die eigentlich als Botschafter aus der Zukunft entworfen wurden“, sagt die Fotografin zu ihrer Serie, „wirken heute wie außeridische Gäste aus der Vergangenheit.“
Anastasia Tsayder wurde 1983 in St. Petersburg geboren, wo sie an der Fakultät für Fotokorrespondenten des Petersburger Journalistenverbands auch ihre Ausbildung erhalten hat. Sie lebt derzeit in Moskau. Ihre Arbeiten wurden international veröffentlicht (u. a. The Guardian, Die Zeit, WIRED, GEO, Prime Russian Magazine, Colta). 2015 war sie Finalistin des russischen Kandinsky-Preises, eines Analogons zum Londoner Turner Prize. Die hier gezeigten Fotos sind in den Jahren 2012–2014 entstanden.
… liebe dekoder-Leser, funktioniert ja meist ziemlich anarchisch. Nur selten hangelt er sich zielstrebig von einem Gedanken fort zum nächsten. Seine Bewegung gleicht eher dem Gang über ein lockeres Wolkenfeld: Da ist zwar manchmal ein gezielter Sprung von einem wattigen Gebilde zum nächsten angesagt, an anderen Stellen aber wollen so viele Assoziationen, Erinnerungen, Vermutungen andocken, dass es einen nach rechts und links und noch in mehrere Diagonalen zugleich weiterzieht.
Im Zeitalter der papierenen Bücher und der Bibliotheken war es eine mühsame Sache, solchen Querverbindungen des Geistes zu folgen. Man musste sich durch Fußnoten, Verweisapparate und Bibliographien kämpfen, es dann mit Zettelkatalogen und Bibliothekaren aufnehmen, und wenn man schließlich die nächste ersehnte Gedankeninsel in den Händen trug, war der Grund, aus dem man sie aufsuchen wollte, vielleicht schon fortgeweht.
Das Internet macht es uns heute viel einfacher, in alle Richtungen zugleich zu lesen – so, wie die Dynamik unseres Geists und unseres Hirns es uns vorschlägt. Der Hyperlink hat aus dem Text das gemacht, was er ursprünglich schon einmal gewesen sein sollte: eine Textur, ein Gewebe, in dem die Fäden in Kreuzform ineinandergelegt sind.
Das muntere Sprießen des Netzes bringt aber auch eine Gefahr mit sich: die nämlich, von den allseits lockenden Linkkaskaden fortgetragen zu werden. Jeder hat ja schon erlebt, wie sich ein neugieriger Klick auf eine vermeintlich notwendige Zusatzinfo hinterrücks in eine ausgewachsene Prokrastinations-Sitzung verwandelte. Nicht, dass nicht auch das gelegentlich produktiv sein könnte. Aber will man bei einem Thema bleiben, dann ist eben das richtige Verhältnis zwischen grob angepeiltem Kurs und seitlichen Sprung- und Abzweigungsmöglichkeiten entscheidend.
Sie ahnen, worauf ich hinaus will. Natürlich können Sie einen journalistischen Artikel hernehmen und immer dann, wenn ein Begriff Ihre Aufmerksamkeit erregt oder ein Fakt nach Überprüfung ruft, ein weiteres Browserfenster öffnen und dort Google oder Wikipedia befragen. Aber nicht nur bekommen Sie dabei Material höchst unterschiedlicher Güte geboten, das Sie zunächst selbst wieder auf seine Verlässlichkeit überprüfen müssen. Sie laufen auch Gefahr, sich nach einiger Zeit nicht auf einer tragfähigen und für Ihre Frage relevanten Gedankenscholle wiederzufinden, sondern weit abseits, in irgendeinem Wolkenkuckucksheim.
Deshalb ist bei dekoder die Grundidee, dass sich alles bereits beieinander befindet, was man für den Ritt durch ein Thema benötigt: Der Haupt-Text, der zu einem Ziel will, und der Kon-Text, der sich beidseits von ihm aufbauscht. Auf langgestreckten Wolkenbahnen kann man so seiner eingeschlagenen Richtung folgen und dennoch den Bedürfnissen des lesenden Geistes nach dem Links und dem Rechts, dem Kreuz und dem Quer nachgehen: Man hat gewissermaßen das Beste beider Welten.
In solchen hybriden Textformen steckt viel Zukunft, davon bin ich überzeugt. Stand das vielleicht mit dahinter, als dekoder Ende Juni in Köln mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde? Der renommierte Preis geht an „herausragende Beiträge, die demonstrieren, wie das Internet oder Apps für aktuelle Formen des Online-Journalismus und der Informationsvermittlung eingesetzt werden können“. Die Auszeichnung jedenfalls ist gerade für ein so junges Medium wie dekoder von hochmotivierendem Wert.
Eine flüssige Juli-Lektüre wünscht – egal ob längs, kreuz oder quer – Ihr
Eine große Altbauwohnung in St. Petersburg. Die Wohnung steht leer, die Bewohner sind längst ausgezogen, längst verstorben. Es waren viele.
Die Wohnung soll entrümpelt werden, das Alte soll fort, doch es sind Menschen vor Ort, die gerade für dieses Alte einen Blick haben: eine Gruppe Architekten und der Fotograf Max Sher. Ihm fallen Fotoalben der früheren Bewohner in die Hände. Aufnahmen aus den 1960ern, den 1970ern, den 1980ern. Der Fotograf ist Sohn eines Archäologen, und mit einem solchen Blick – einem archäologischen – macht er sich ans Betrachten.
Gefundene Fotografien, Gebrauchsfotografie: Hinter den englischen Stichwörtern found photography und vernacular photography steht eine aktuelle Bewegung, die dem alltäglichen Bild einen hohen Wert beimisst. Die Fotos, mit denen sie arbeitet, entdeckt sie auf Flohmärkten, Dachböden, ja auf der Straße. Das gefundene Bild wird zum zufälligen Zeugnis eines Lebens, das real war wie das eigene, das noch nicht lang vergangen ist, das doch fremd bleibt und sich nie ganz erschließt. Sammeln und Zusammenstellen ist hier Forschung und Kunst zugleich.
Die Fotos, die Max Sher in der Petersburger Wohnung fand, offenbaren auf doppelte Weise eine besondere Welt. Es ist die Zeit des Tauwetters, dann die Breshnew-Zeit. Eine schüchterne Romantik durchwehte die Sowjetunion, man war nicht mehr ständig beobachtet, nicht mehr alle, nicht auf Schritt und Tritt kontrolliert. Liedermacher sangen nicht von der Partei, sondern vom Leben. Und die Archäologie – sie spielt nicht nur beim forschenden Fotografen, sondern auch in den Fotoalben selbst eine wichtige, wenn auch kaum sichtbare Rolle – wurde zu einer Nische der Freiheit: Sie erlaubte es zu reisen, um zu forschen, auch denen, die keine Fachleute waren. Im Sommer „zu Ausgrabungen” zu fahren, in den Süden, in die Natur, wurde zum verbreiteten kleinen Abenteuer.
Eine besondere Welt zeigen diese Bilder auch, weil die Alben aus einer Kommunalka stammen. Aus einer Wohnung, in der man zusammenlebte, ob man es wollte oder nicht: meist eine Familie pro Zimmer, oft die des Lehrers neben der der Schauspielerin, die der Professorin neben der des Säufers. Die Kommunalka ist legendär, im guten wie im üblen Sinne. Sie hat eine ganze Generation geprägt, mit ihrem Mangel an Privatheit, ihrem Zwang zum endlosen Improvisieren, den Streits, den Versöhnungen, den verschlungenen Geschichten, die sie gebar.
Die Dame mit dem strengen Blick: Galina Babanskaja, geboren 1920 in dieser Wohnung, gestorben 2002 ebenfalls in dieser Wohnung. Sie war Ethnografin und Archäologin. Ihr gehörten die Alben, sie waren ihr persönliches Familienarchiv. Babanskajas erster Mann, Alexander Bernstam: einer der führenden Archäologen der UdSSR. Er starb 1956 – in dieser Wohnung –, nachdem die sowjetische Propaganda auf ihn als einen „kirgisischen Bourgeois” eingehackt hatte (Bernstam ist auf den Fotos nicht zu sehen, dafür aber mehrfach Galinas zweiter Mann, Wenjamin Awerbach, ein Ingenieur, gestorben 2009). Und, Verkettung von Umständen: Zwischen der Familie des Fotografen Max Sher und den Personen auf den Fotos gab es eine Verbindung, wenn auch nur eine haarfeine. Max Shers Vater war Bernstam einmal begegnet, 1951, das Treffen hatte seine Begeisterung für den zukünftigen Beruf geweckt. All das ließ sich nun nach und nach rekonstruieren.
Alle hier gezeigten Fotos stammen aus den gefundenen Archiven, mit Ausnahme der quadratischen, die Max Sher in der Wohnung vor ihrer Entrümpelung aufgenommen hat. Max Sher ist 1975 in St. Petersburg, damals Leningrad, geboren, wuchs in Sibirien auf, studierte Linguistik in Kemerowo und Straßburg und wandte sich 2006 der Fotografie zu. Seine Fotografien sind international publiziert, waren nominiert unter anderem für den niederländischen Paul Huf Award und den Cord Prize. Aus seiner Arbeit mit gefundenen Fotografien ist ein Buch entstanden mit dem Titel A Remote Barely Audible Evening Waltz – ein Zitat aus einem Roman von Sascha Sokolov.
Die Bilder in den Alben waren bereits vergessen, der Container, der sie vernichtet hätte, stand auf der Straße bereit. Sie wurden erhalten, und nun schauen wir, Fremde, sie an: Worüber diskutierten diese Menschen rauchend am Besprechungstisch? Wie klangen ihre Stimmen? Wer fotografierte die Troika der Stechfliegen? Wohin kämpfte sich der Bus durch die tauenden Schwaden von Schnee?
Fotos: Max Sher Bildredaktion: Nastya Golovenchenko Text: Martin Krohs Veröffentlicht am 01.07.2016
60.000 Besucher, Musik von Blues über Reggae bis zur Elektronik, freier Eintritt, viel Natur und eine gewaltige Portion Idealismus: Beim Festival Pustye Kholmy, die „Leeren Hügel“, kommt einem unweigerlich Woodstock in den Sinn oder der Burning Man in Nevada.
Fast zehn Jahre lang trafen sich jedes Jahr im Juni musik- und sonnenhungrige Städter zum gemeinsamen Feiern und Chillen – immer in der Provinz, nicht zu weit von Moskau, in der Oblast Kaluga oder Smolensk, und immer an den Ufern von Flüssen oder Seen.
Im Jahr 2011, bei einem der letzten grossen Leeren Hügel (die während des Festivals alles andere als leer sind), war der Fotograf Nikita Shokhov mit dabei. Shokhov, Jahrgang 1988, geboren in Ekaterinburg und zur Zeit dieser Aufnahmen noch Student an der Rodchenko School of Multimedia in Moskau, hatte sich zuvor schon als Fotograf des Moskauer Nachtlebens einen Namen gemacht. Auf dem Festival wechselte er nun vom Schummerlicht der Klubs in die pralle Sonne – ließ den Blitz aber auf dem Fotoapparat. „Der Blitz“, sagt Shokhov „bringt eine Übertreibung in die Körperoberflächen“ – und lässt sie mal besonders natürlich, mal fast künstlich-plastisch erscheinen. Nikita Shokhov hat 2014 einen dritten Platz im World Press Photo Award errungen und hat sich seit Neuestem einer sehr technischen Fotografie zugewandt: Er fängt das Fließen der Zeit in Aufnahmen mit einer Scanner-Kamera ein.
Auch das „Festival der freien Schöpfungen“, wie sich die Leeren Hügel selber nannten, gibt es in dieser Form nicht mehr – Einzelprojekte aus dem Programm werden nun gesondert an anderen Orten fortgeführt. Es bleiben legendäre Erinnerungen und die nie versiegende Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, Sommer, Freiheit und Musik.
Fotos: Nikita Shokhov Bildredaktion: Nastya Golovenchenko, Text: Martin Krohs Veröffentlicht am 01.06.2016