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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • „Die Teppiche stehen für den Traum von einem besseren Leben”

    „Die Teppiche stehen für den Traum von einem besseren Leben”

    Lesia Pcholka gründete 2017 die Initiative VEHA – „als eine Reaktion auf die Unzugänglichkeit der belarussischen Archive und die einseitige Darstellung unserer Geschichte”. Denn die sei vor allem über die Tragödie des Großen Vaterländischen Krieges konstruiert. Seitdem sammelt Pcholka mit Mitstreiterinnen Fotos aus Familienarchiven, um die Alltagsgeschichte der Belarussen visuell aufzuarbeiten.  

    Für das Projekt Najlepšy bok (dt. Die beste Seite) hat die Initiative Fotos von Belarussen in der Provinz zusammengetragen, die sich in den 1920er und 1950er Jahren vor Webteppichen fotografieren ließen. Wir haben mit Lesia Pcholka gesprochen und zeigen eine Bilderauswahl. 

    Die Frau des Fotografen Schura Taranda steht rechts. Privatarchiv Mikola Taranda / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Die Frau des Fotografen Schura Taranda steht rechts. Privatarchiv Mikola Taranda / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok

    dekoder: Wie kam es zum Projekt Najlepšy bok
     
    Lesia Pcholka: Najlepšy bok war unsere erste Sammlung und auch das erste Projekt, das vom VEHA-Archiv präsentiert wurde. Wir haben dafür dieses visuelle Thema ausgewählt, das Porträts von Menschen aus Belarus und dem Begriff der Schönheit nachgeht. Im Sammeln von Familienfotos sahen wir eine Möglichkeit, uns mit von allen geteilten Erinnerungen und den non-verbalen Seiten des Alltagslebens zu befassen. Diese Heimatfotografien sind soziale Artefakte, die die Identität, Werte und Ästhetik der Menschen einfangen und aufdecken, wie sie von anderen gesehen und erinnert werden wollen.

    Es ging uns darum, die Menschen durch eine neue künstlerische Herangehensweise aktiv in die Bewahrung des kulturellen Erbes einzubeziehen. Für diese Idee waren die Webteppiche, die auf den Fotos der Sammlung Najlepšy bok als Hintergrund dienen, das perfekte Symbol.   

    Woher stammt die Tradition, Teppiche als Dekoration an die Wand zu hängen, und was verrät das über Belarus in diesen Zeiten?  

    Die Tradition, Teppiche als Wanddekoration aufzuhängen, entstand im ländlichen Belarus, vor allem zwischen den Kriegen und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die meisten Fotos in unserer Sammlung Najlepšy bok wurden in Dörfern aufgenommen, oft von fahrenden Fotografen, die Webteppiche mit sich führten, um ein einfaches, mobiles Fotoatelier aufzubauen. Sie dienten als Hintergrund für Familienporträts, ähnlich wie die Kulissen in städtischen Ateliers.

    Teppiche und Bettüberwürfe gehörten zu den schönsten Ausstattungsgegenständen in ländlichen Haushalten. Sie wurden von Frauen gefertigt, in Zeiten des Mangels und wirtschaftlicher Probleme. Das Weben war eine Notwendigkeit und zugleich eine Möglichkeit, sich kreativ auszudrücken. Textilien standen für Schönheit, Behaglichkeit und den Traum von einem besseren Leben. Sie wurden als Teil der Aussteuer von Generation zu Generation weitergereicht und rückten so nach und nach ins Zentrum der Inneneinrichtung und der visuellen Kultur. Die Verwendung von Webteppichen als Fotohintergrund ist Ausdruck tief verwurzelter sozialer, wirtschaftlicher und politischer Gegebenheiten und zeugt zugleich von der starken Tradition des Textilhandwerks in der Region und von Praktiken des visuellen Erzählens.   

    Wer waren die „fahrenden Fotografen“?  

    Diese Fotografen reisten von Dorf zu Dorf, vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, und machten Fotos der dort ansässigen Menschen. Fotoateliers befanden sich in den Städten, und die Dorfbevölkerung hatte oft nicht die Möglichkeit oder das Geld, dort Porträts oder Familienfotos machen zu lassen. Das war nicht gerade billig und der Weg dorthin war beschwerlich. Die fahrenden Fotografen wurden oft in Naturalien bezahlt – mit dem, was es im Dorf gerade gab, etwa Milch, Eier und andere Waren.   

    Existiert die Tradition, Teppiche als Hintergrund für Fotos zu nutzen, heute noch? 

    Die Tradition, Menschen vor Teppichen zu fotografieren, ist nicht verschwunden; sie hat sich verändert. Viele haben noch Fotos von sowjetischen Wohnungen, in denen ein Teppich an der Wand hinter dem Sofa hängt. Non-verbale Alltagspraktiken verschwinden nie völlig, sie entwickeln sich immer weiter. Das ist das Interessanteste an unserer Arbeit. Gewohnheiten und visuelle Codes dienen uns dazu, dass wir uns über die Gegenwart und die Alltagspraktiken verständigen, die uns prägen und von anderen unterscheiden.   

    Wie entstehen Projekte bei VEHA?

    Bevor wir anfangen, Fotomaterial zu sammeln, legen wir ein Thema fest. Bei unserer Recherche in zahlreichen belarussischen Archiven sehen wir, dass bestimmte Stilmerkmale und Szenen immer wieder vorkommen. Aber am wichtigsten ist, dass wir – sobald das Thema steht – erst einmal abwarten, was die Menschen uns schicken und erst dann Schlussfolgerungen ziehen.

    Das betrifft auch die Datierung: Wir analysieren die Objekte, die bei uns eingehen, und dann können wir das Jahr und den Ort der Aufnahme ermitteln. So haben wir festgestellt, dass die Fotos in dieser Sammlung überwiegend in der Zwischenkriegszeit und vor allem im westlichen Teil von Belarus entstanden sind. Wir legen in unseren Texten zu den Projekten immer offen, dass unsere Schlussfolgerungen auf unseren Methoden beruhen und auch andere Herangehensweisen an die Geschichte denkbar sind.

    Unsere Recherche beschränkt sich auf die Gruppe derer, die sich aktiv beteiligen und uns Fotos zusenden. Das sind zwischen 50 und 500 Personen.  

    Wie erfahren die Leute von der Fotosammlung? 

    Wir machen öffentliche Aufrufe, um Fotos zu sammeln: Alle Menschen können uns Bilder aus ihrem Familienarchiv schicken, wenn diese vor 1980 auf dem Gebiet des heutigen Belarus aufgenommen wurden und in eine der fünf bestehenden VEHA-Sammlungen passen.

    Bei den ersten Sammlungen wie Najlepšy bok haben wir auch staatliche Museen und ethnografische Institutionen kontaktiert. Dank der Unterstützung von Medien und dem öffentlichen Interesse konnten wir die Materialien für das Buch innerhalb kurzer Zeit zusammentragen.

    Selbst wenn wir ein Foto nicht in die Sammlung aufnehmen, fördert das Stöbern im Familienarchiv das Bewusstsein für das Familiengedächtnis und trägt dazu bei, dass die Bilder weiter erhalten bleiben. Wir sammeln keine Originale, nur digitale Kopien.

    Aber VEHA ist mehr als nur ein Onlinearchiv. Wir wollen neue Sinnschichten im Alltag freilegen und die visuelle Geschichte von Belarus sichtbar machen. Wir heben die Rolle der einfachen Menschen in der Geschichte hervor und präsentieren Archivmaterial in zeitgemäßen, zugänglichen Formen. 

    Mittlerweile dürfte eine Kooperation mit staatlichen Stellen schwierig sein. 

    Heute kontaktieren wir keine staatlichen Museen mehr – auch deshalb, weil es unter den jetzigen politischen Umständen für sie womöglich nicht sicher ist, mit uns zusammenzuarbeiten. Aber wir sind offen für die Kooperation mit europäischen Einrichtungen, die viele Fotos aus Belarus aufbewahren (auch wenn diese schwer auffindbar sind, weil sie oft fälschlicherweise Polen oder dem Russischen Reich zugeordnet werden). Trotz dieser Schwierigkeiten verfolgen und unterstützen die Menschen unsere Arbeit weiterhin und das VEHA-Archiv ist seit 2017 bis heute aktiv.

    Zurzeit bereiten wir mit der Arsenal-Galerie in Białystok ein neues Buch mit dem Titel Ruinen von Belarus vor. Kürzlich ist unsere Arbeit in einer der umfassendsten Publikationen über belarussische Fotografie gewürdigt worden.1 Die Anerkennung durch die akademische Gemeinschaft und die Unterstützung durch so seriöse Institutionen wie Arsenal sind für uns ein sehr großer Ansporn.

    Wir sind ja im Grunde immer noch Erinnerungsaktivistinnen, eine kleine Gruppe von Frauen, die ein Onlinemuseum der belarussischen Geschichte aufbauen. 

     

    Links: 1952, Dorf Sarytawa, Ljachawizki Rajon, Breszkaja Woblasz. Nadseja Mazjuschenka mit ihren Töchtern Ljubai und Waljai. Fotograf Petryk Taranda. Privatarchiv Mikola Taranda.  
    Rechts: Dorf Holjawitschy, Baranawizki Rajon, Breszkaja Woblasz. Privatarchiv Aljaxandr Huk. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    Um 1950. Privatarchiv  Sjarhei Leskez. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Um 1950. Privatarchiv Sjarhei Leskez. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Links: 1955 Hlybokaje, Wizebskaja Woblasz. Das Ehepaar Kutschynski. Historisch Ethnografisches Museum Hlybokaje.  
    Rechts: 1940, Nawassjolki, Hrodsenski Rajon, Hrodsenskaja Woblasz. Familie von Franzischek Martulja. Historisch Ethnografisches Museum Hlybokaje. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    1950er Jahre, Merkulawitschy, Tschatscherski Rajon, Homelskaja Woblasz. Familie Kuljaschowych. Privatarchiv Maxim Szepanenka. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    1950er Jahre, Merkulawitschy, Tschatscherski Rajon, Homelskaja Woblasz. Familie Kuljaschowych. Privatarchiv Maxim Szepanenka. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Anfang 1950er Jahre, Dorf Sdsitawa, Bjarosauski Rajon, Breszkaja Woblasz. Mikalai Wassileuski. Privatarchiv Anastassija Danilowitsch. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Anfang 1950er Jahre, Dorf Sdsitawa, Bjarosauski Rajon, Breszkaja Woblasz. Mikalai Wassileuski. Privatarchiv Anastassija Danilowitsch. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Links: 1950, Tscherwen, Minskaja Woblasz. Ema Lipen mit Freundin. Privatarchiv Jury Naidowitsch. 
    Rechts: 1950-1952, Dorf Puhatschy, Waloshynski Rajon, Minskaja Woblasz. Privatarchiv Dsmitry Sjarebranikau. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    1952-1953, Dorf Kanjuchi, Pinski Rajon, Breszkaja Woblasz. Valjanzina Marwenjuks Ehemann mit Freunden. Quelle: Belarussisches Oral History Archiv. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    Links: 1950-1952, Dorf Puhatschy, Waloshynski Rajon, Minskaja Woblasz.  
    Rechts: 1950-1952, Dorf Puhatschy, Waloshynski Rajon, Minskaja Woblasz. Privatarchiv Dsmitry Sjarebranikau. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    Um 1960, Hlybokaje, Wizebskaja Woblasz. Abschied in die Armee. Historisch Ethnografisches Museum Hlybokaje. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Um 1960, Hlybokaje, Wizebskaja Woblasz. Abschied in die Armee. Historisch Ethnografisches Museum Hlybokaje. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Links: Um 1950. Privatarchiv Sjarhei Leskez.  
    Rechts: 1950-1952, Dorf Puhatschy, Waloshynski Rajon, Minskaja Woblasz. Privatarchiv Dsmitry Sjarebranikau. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    1930-1940. Familie Paulouskich. Aljaxandr Lutschyna. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    1930-1940. Familie Paulouskich. Aljaxandr Lutschyna. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    1940-1950, Dorf Lapki, Staubzouski Rajon, Minskaja Woblasz. Privatarchiv Swjatlana Kukel. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    1940-1950, Dorf Lapki, Staubzouski Rajon, Minskaja Woblasz. Privatarchiv Swjatlana Kukel. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Links: 1966, Menewesh, Drahitschynski Rajon, Breszkaja Woblasz. Sofja Dsjamidauna Baryssjuk-Sorka aus Raschyn und Ahrypina Dawydauna Serada-Sorka aus Dseraunaja. Privatarchiv Iryna Sorko.  
    Rechts: 1950-1952, Dorf Puhatschy, Waloshynski Rajon, Minskaja Woblasz. Privatarchiv Dsmitry Sjarebranikau. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    1940, Dorf Paljaninawitschy, Bychauski Rajon, Mahiljouskaja Woblasz. Familie Lissawych. Privatarchiv Maxim Szepanenka. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    1940, Dorf Paljaninawitschy, Bychauski Rajon, Mahiljouskaja Woblasz. Familie Lissawych. Privatarchiv Maxim Szepanenka. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    Links: Um1950, Dorf Aharodniki, Lidski Rajon, Hrodsenskaja Woblasz. Priester Boris Shabrouski der Pryabrashenskai Kirche mit seiner Frau. Privatarchiv Vera Tyschkewitsch.   
    Rechts: 1946, Budslau, Mjadselski Rajon, Minskaja Woblasz. Hanna Sadouskaja, Erstkommunion. Privatarchiv Lesia Pcholka. / Fotos © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok 
    1945-1947, Dorf Lankau, Bjalynizki Rajon, Mahiljouskaja Woblasz. Familie Trussawych. Privatarchiv Darja Jakubowitsch. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok
    1945-1947, Dorf Lankau, Bjalynizki Rajon, Mahiljouskaja Woblasz. Familie Trussawych. Privatarchiv Darja Jakubowitsch. / Foto © VEHA-Archiv, Sammlung Najlepšy bok

    1 Siarhiej Hruntoŭ, Photography and the Culture of Memory among Belarusians in the Second Half of the 19th – Early 21st Century, Belarusian Science, 2023.

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  • Menschen des Waldes

    Menschen des Waldes

    „Eine wichtige Dimension des belarussischen Lebens ist immer noch die Schutz- und Ressourcenfunktion des Waldes, das Neue ist die ökologische Sorge um ihn.“ So heißt es im Ankündigungstext zum Fotoprojekt Menschen des Waldes (belaruss. Ludzi Lesu), das die Initiative VEHA im Jahr 2021 ins Leben gerufen hat. Das Projekt geht der Beziehung der Belarussen zu ihren Wäldern auf den Grund. Im Mai 2024 wurde das fertige Buch zum Projekt mit dem Michail Anempadystau-Preis ausgezeichnet. Wir haben mit Lesia Pcholka, Kuratorin von VEHA, über das Projekt gesprochen und zeigen eine Auswahl von Bildern. 

    1978, Wjalikaja Berastawiza. Auf der Birke: Hieorhij Stracha, seine Tochter Tazzjana, sein Sohn Aleh und Natallja Lytschkouskaja. Natalljas Mutter Swjatlana steht rechts / Foto © Aljaxandr Lytschkousk, zur Verfügung gestellt von Mikola Taranda. VEHA-Archiv, Sammlung „Menschen des Waldes

    dekoder: Wie ist die Idee zum Projekt entstanden?

    Lesia Pcholka: Die Idee, ein Buch zum Thema Wald zu machen, hatten wir im Jahr 2021. Direkt nach den Protesten von 2020 und während der einsetzenden massenhaften Repressionen. Die Straßen der Städte waren damals unsicheres Gelände geworden, die Wände unserer Wohnungen boten keinen Schutz mehr. Man hatte uns den städtischen Raum genommen. Die Wälder boten damals vielen Belarussen Ruhe, viele zogen aufs Land. 

    Wir machten eine Ausschreibung zu dem Thema, um Fotos zu bekommen. Die Frist endete am 20.02.2022, vier Tage vor Russlands großer Invasion in der Ukraine. Wir hatten das Material vorliegen und waren schon tief in das Thema eingestiegen, aber dann kam der Schock des Krieges. Wir diskutierten im Team lange, ob wir das Recht haben, in Zeiten solchen Leids über ein belangloses Thema wie den Wald zu sprechen. Es fehlte auch Kraft, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Trotzdem gaben wir das Buch heraus, denn wir fühlten uns dem Plan für das Projekt verpflichtet. 

    In der Folge erhielten wir Rückmeldungen, dass diese anderen Nachrichten für die Menschen wichtig waren, sie führten sie vom Schrecken weg, zeigten etwas über sie selbst, die Belarussen, über das weitergehende unsichtbare Alltagsleben in Zeiten von Krieg und Repression. Mit der Zeit begriffen wir, dass unser Thema nicht schlecht gewählt war, ich bin froh, dass wir die Arbeit am Buch zu Ende gebracht haben.

    Was für eine Beziehung haben Belarussen zum Wald?

    Dieses Thema hat meine Kollegin Asia Cimafiejeva sehr gut dargestellt in ihrem Artikel Der Wald und der Alltag der Belarussen für unser Buch. Sie schreibt darin, die Kollektion von VEHA Ludzi lesu zeige verschiedene Aspekte – sowohl private als auch öffentliche. Auf den Bildern sehen wir einerseits die lebendige Beziehung zwischen Mensch und Wald, wie sie für ein traditionelles Denken typisch ist. Wir sehen die modernistische Entfremdung von der Natur und die Rückkehr zu ihr als einem Ort der Erholung oder gar Flucht vor der Realität. Wir beobachten aber auch staatliche Interessen: wirtschaftliche und militärische. Der Wald ist Hintergrund für viele Beziehungen und Tätigkeiten des Menschen. Wir betrachten ihn nicht getrennt von uns – schon die Präsenz des Fotoapparats bezeichnet unseren Einbruch in sein Territorium. Wie positiv dieses Eindringen für den Wald ist, bleibt eine offene Frage.

    Wie kommen Sie an die Fotos für die Projekte?

    Aktuell hat das VEHA-Archiv fünf thematische Sammlungen: The Best Side/ Najlepšy bok; Girl’s night/Dziavočy viečar; Last photo/Apošny fotazdymak; People of the Forest/Ludzi Lesu; Ruins of Belarus/Ruiny Belarusi. Wir analysieren verschiedene belarussische Familienarchive und schauen, welche Motive am häufigsten auf den Fotos auftauchen, auf dieser Grundlage wählen wir unsere Themen aus. Wir machen eine Ausschreibung und die Menschen schicken uns digitale Kopien von Fotos aus ihren Privatarchiven. Darüber hinaus bitten wir um detaillierte Informationen zu Jahr und Ort der Aufnahme sowie den Namen der Abgebildeten. So bleiben die Originalfotos in den Familien, nur die Kopien werden zum Forschungsgegenstand, zum Teil des VEHA-Onlinearchivs, und in Ausstellungen und Büchern veröffentlicht. 

    Unsere letzten Bücher wurden in Belarus herausgegeben, in kleinen Auflagen von etwa 200 Exemplaren. Das Buch Ludzi Lesu ist das erste, das im Exil erschien, in Polen. Es besteht aus drei Teilen. Den ersten Teil könnte man beschreiben als Einssein mit der Natur – Menschen umarmen Bäume oder verstecken sich in hohen Waldblumenwiesen. Der zweite Teil zeigt Fotos, die den Wald als Ressource darstellen. Im dritten Teil geht es um den Wald als Erholungsgebiet und Schauplatz von Alltagshandlungen.

    Wie kommt das Projekt bei den Belarussen an?

    Das Buch Ludzi Lesu ist 2022 erschienen. Immer mehr Menschen verlassen das Land und das letzte, woran sie denken, ist ihre Bibliothek aufzufüllen. Zwar haben wir in der Galerie FAF in Warschau eine Buchpräsentation organisiert, aber es gab keine nennenswerten Rezensionen zu dem Buch. Die belarussische Kultur hat 2022 einen harten Schlag versetzt bekommen, von dem sie sich nicht so schnell erholen wird. Ich weiß nicht, wie bewusst es den Menschen im Ausland ist, dass es für Belarussen innerhalb von Belarus gefährlich ist, sich mit ihrer nationalen Kultur zu beschäftigen. Außerhalb der Landesgrenzen gilt man als Besatzernation, zusammen mit den Russen. Das sind keine förderlichen Bedingungen.

    Welches Ziel hat die Arbeit von VEHA?

    Die Fotografien im VEHA-Archiv sind keine künstlerischen Attraktionen, sondern eine kollektive Darstellung von Alltäglichkeit. Ein Abbild dessen, wo wir heute stehen. Unsere Routine, das, was wir für bedeutsam genug halten, um es zu fotografieren. Gerade in den alltäglichen Praktiken provozieren wir Veränderungen – oder aber entscheiden uns für Akzeptanz und Normalisierung. Dafür setzen wir das, was wir auf dem Foto sehen, in Beziehung zu der Zeit, in der das Foto entstanden ist, zu den politischen und sozialen Ereignissen dieser Zeit. Diese Praxis hilft dabei, das Vergangene zu ordnen, sich die eigene Geschichte zurückzuholen.

    1966, der See Naratsch / Foto © zur Verfügung gestellt von Uladsimir Sadouski, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    Links: 1968, Tscherwen / Foto © zur Verfügung gestellt von Stanislawа Naidowitsch, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes
    Rechts: 1969–1970, Retschyza. Woĺha und Ljubou Karunnaja / Foto © zur Verfügung gestellt von Aljaxandr Drahawos, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes
    1974, Wolha Shukawa (links) mit einer Freundin / Foto © zur Verfügung gestellt von Vassilina Sakalouskaja, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1930er Jahre, Polesien / Foto © zur Verfügung gestellt von Fundacja Archeologia Fotografii, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    Links: 1959, Tscherwen. Vera Lipen / Foto © zur Verfügung gestellt von Stanislawa Naidowitsch, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes
    Rechts: 1956, Tscherwen. Vera Lipen / Foto © zur Verfügung gestellt von Stanislawa Naidowitsch, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1966, Der See Naratsch / Foto © zur Verfügung gestellt von Uladsimir Sadouski, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1900–1910er Jahre, Schklou. Arbeiter der Fabrik Spartak am Ufer des Dnjepr / Foto © zur Verfügung gestellt vom Shklou District Historical and Regional Studies Museum, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1950er Jahre,das Dorf Starasselle. In einem Garten am Apfelbaum / Foto © zur Verfügung gestellt vom Shklou District Historical and Regional Studies Museum, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    Links: 1950, Baranawitschy. Valjanzina Bahuschewitsch / Foto © zur Verfügung gestellt von Maxim Schwed, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes
    Rechts: 1945–1950, Maryja Jeudakimauna Pesljak / Foto © zur Verfügung gestellt von Julija Kaljada, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1934, Schklou. Im Park / Foto © zur Verfügung gestellt vom Sklou District Historical and Regional Studies Museum, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1978, Studentin des Medizinischen Institutes Hrodna (heute staatliche Medizinische Universität Hrodna) während der studentischen Baubrigade / Foto © Alina Taranda, zur Verfügung gestellt von Mikola Taranda, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1960er Jahre, Kusali. Tolik und Siarhej Protscharawy mit Mikalai Palikarpau / Foto © zur Verfügung gestellt von Darja Palikarpawa, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1920–1930er Jahre. Mädchen beten während eines Sommercamps vor einer behelfsmäßigen Kapelle auf dem Baumstumpf eines alten Baumes / Foto © zur Verfügung gestellt von Siarhej Leskiec, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    Links: 1920–1930er Jahre / Foto © zur Verfügung gestellt vom Luninets District Local History Museum, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes
    Rechts: 1980, Hluscha, Region Mahilioŭ. Ales Adamowitsch / Foto © Jauhen Koktysch, zur Verfügung gestellt von Natallja Adamowitsch, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    1966, Am See Naratsch. Raman Chacjalowitsch / Foto © zur Verfügung gestellt von Uladsimir Sadouski, VEHA Archiv, Sammlung „​Menschen des Waldes

     

    Fotos: VEHA-Archiv, Sammlung Menschen des Waldes
    Bildredaktion: Andy Heller
    Interview: Ingo Petz
    Veröffentlicht am: 28.05.2024

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     „Mir fällt es schwer, über die Gegenwart zu sprechen, wenn ich die Vergangenheit nicht verstehe.“ In diesem Satz liegt wohl die Quintessenz dessen, was Lesia Pcholka antreibt und was ihre Arbeit ausmacht. Die Belarussin beschäftigt sich als Fotografin, Künstlerin oder Projektmanagerin in unterschiedlichen Formen mit der Aufarbeitung der Geschichte ihres Landes, seiner Kultur und seinen Traditionen. Gerade hat sie mit ihrer Initiative VEHA nach drei Jahren Arbeit zwei Projekte zum Abschluss gebracht: Die beiden Bücher Dsjawotschy wetschar (dt. Jungfernabend) und Aposchni fatasdymak (dt. Das letzte Foto) umfassen 100 Fotografien aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Belarus zum Russischen Zarenreich gehörte, bis zur zweiten Hälfte der 1980er Jahre in der Sowjetunion. Die beeindruckenden Fotos von Hochzeiten und Beerdigungen stammen aus unzähligen Familienarchiven, die Lesia Pcholka in den vergangenen Jahren zusammentragen konnte. Die Bilder zeigen die Veränderung von Traditionen und Ritualen vor dem Hintergrund von gesellschaftspolitischen und kulturhistorischen Wandlungsprozessen in Belarus.

    1915–1925, Sluzk, Oblast Minsk. Aus dem Archiv von Dzmitry Sjarebrnikau. Alle Fotos © VEHA.by
    1915–1925, Sluzk, Oblast Minsk. Aus dem Archiv von Dzmitry Sjarebrnikau. Alle Fotos © VEHA.by

    dekoder: Mit was beschäftigt sich VEHA? Und wie ist das Projekt entstanden?

    Lesia Pcholka: VEHA lässt sich am ehesten als eine unabhängige Initiative beschreiben, die sich mit Archivfotografie und der Alltagsgeschichte der Belarussen beschäftigt. Ich habe sie 2017 gegründet, und zwar als eine Reaktion auf die Unzugänglichkeit der belarussischen Archive und die einseitige Darstellung unserer Geschichte. Die wird vor allem über die Tragödie des Großen Vaterländischen Kriegs konstruiert und über die Angst, dieser könnte sich jederzeit wiederholen. Das öffentliche Narrativ beginnt natürlich mit dem einigermaßen bequemen Jahr 1941 und endet mit den Erben des Sieges (so heißt ein Saal im neuen Museum des Großen Vaterländischen Kriegs in Minsk, in dem Porträts des Präsidenten und seiner Familie ausgestellt sind). Die Erinnerungsmuster, die man uns bietet und die uns zugänglich sind, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Der Große Vaterländische Krieg aus Sicht der heutigen Regierung, das Großfürstentum Litauen als einer der Vorgängerstaaten von Belarus, aus Sicht der damaligen Opposition. VEHA aber geht es um die Bewahrung der unsichtbaren Geschichte, um das Verstehen der kulturellen Codes auf alten Fotografien und um die Beteiligung jedes einzelnen am Erhalt des kulturellen Erbes. Das erscheint dem gegenwärtigen Regime so langweilig, dass es nicht einmal unter die Zensur fällt. 

    Woher kam die Idee für die Projekte zu den Hochzeits- und Beerdigungsfotos?

    2018 haben wir das erste Buch Nailepschy bok (dt. Die beste Seite) herausgegeben, in dem wir Portraits von Belarussen vor gewebten Teppichen gesammelt haben. Es sind Aufnahmen von armen Leuten auf dem Land in der Zwischenkriegszeit. Sie konnten sich keinen Besuch im Fotostudio leisten, deswegen wird das auf den Fotos imitiert. Das erkennt man nur, wenn man den Kontext kennt, in dem diese Bilder entstanden sind. Auf den Fotos sehen wir schön gekleidete Menschen, die sich von ihrer „besten Seite“ zeigen, um für ihre Nachfahren ein positives Bild von ihrem Leben zu hinterlassen. Nach dem Erscheinen des ersten Buchs beschlossen wir, eine Retrospektive des gesamten 20. Jahrhunderts zusammenzustellen, und mit etwas Glück auch des auslaufenden 19. Jahrhunderts, um zu sehen, wie sich Generation um Generation verändert, um eine visuelle Chronologie zu kreieren. 

    Das beliebteste Thema, das dokumentiert wird, war und ist die Hochzeit. Wir fingen also an, Hochzeitsfotos zu sammeln, um ein Narrativ anhand der Kommunikation von Frauen während der Erstellung eines wjasselnaga wjanka (eines Kranzes aus Kunstblumen für die Braut) herauszuarbeiten. Viele Hochzeitsbräuche, die heute tradiert werden, wurden künstlich geschaffen, ihnen liegt die Idee der Manipulation zugrunde, etwas zu lenken, durch sie werden Politik oder kapitalistische Prinzipien des Konsums umgesetzt. Nicht viele Menschen kennen die Herkunft, Bedeutung und Authentizität der Bräuche. Die Fotografien zeigen die Entstehungszeit von Bräuchen und ihr Verschwinden.  

    Belarus ist ein sehr ländlich geprägtes Land, das viele Kriege und Katastrophen erlebt hat. Welchen Einfluss hat dies auf Familienarchive und die Fotografie an sich?

    Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war die Fotografie ein Privileg der Städter. Um sich fotografieren zu lassen, musste man ein Studio aufsuchen, diese befanden sich meist in der Nähe der Eisenbahn und wurden überwiegend von jüdischen Familien betrieben. Dorfbewohner konnten sich teure Fotografien oft nicht leisten, außerdem hätten sie dafür in die Stadt fahren müssen. Die meisten Familienarchive wurden seit Anfang der 1950er Jahre gesammelt – nachdem die Fotografie nicht mehr an Studios gebunden war und sich schnell ausbreitete. Nicht zu vergessen sind auch die zwei Weltkriege und die Repressionen, als in Familien viele Fotografien einfach vernichtet wurden, um bestimmte Verwandtschaftsbeziehungen zu verbergen. Derzeit erleben wir einen weiteren Verlust einer ganzen Schicht unserer visuellen Geschichte, weil die Menschen den Wert von Familienfotografie nicht sehen und sie dementsprechend auch nicht in der nötigen Form aufbewahren. 

    Kümmern sich in Belarus nicht die staatlichen Museen um den Erhalt solcher Fotos?

    Doch, aber sie betreiben das völlig losgelöst von den Menschen. Auf den Webseiten der Museen finden sich kaum Fotoarchive, und es ist nahezu unmöglich, an die Bestände zu kommen. Im vergangenen Jahr habe ich selbst versucht, mir die Frage zu beantworten, was denn mit unseren Museen nicht stimmt, und kam zu folgendem Ergebnis: Für 2017 bis 2020 gab es einen Plan, der eine Modernisierung der Museen und eine Digitalisierung der Exponate vorsah, es sollten Kataloge erstellt, neue Technologien bei der Ausstellungs- und Bildungsarbeit eingeführt werden (so stand es im Gesetz zu den Museen und Museumsbeständen der Republik Belarus). Das wurde auch umgesetzt – alle belarussischen Museen haben jetzt eine Webseite. Ich habe es selbst überprüft. Das Problem ist nur, dass es meistens Standardwebseiten sind, die nur ein Minimum an Information enthalten; Kataloge der Bestände finden sich dort gar nicht. Ich habe mit einigen Museumsmitarbeitern gesprochen und sie gefragt, warum die staatlichen Museen so einen schlechten Internetauftritt haben. Die häufigste Antwort war: Fehlende Mittel und die Machtvertikale im Entscheidungsprozess (der sogenannte Plan „von oben“, der einen strengen Rahmen vorgibt). Die zweithäufigste: Die Museumsmitarbeiter wollen die Exponate aus ihren Beständen nicht online präsentieren, weil sie befürchten, dass die Besucher dann nicht mehr ins Museum kommen. Ließe sich das erste mit finanziellen Mitteln lösen, so ist das zweite eine Frage des Umdenkens darüber, was ein Museum eigentlich ist – dafür braucht es Weiterbildung und Zeit. 

    Auf den Beerdigungsfotos sind Freunde und Verwandte um den Sarg der Verstorbenen gruppiert. Was ist das für eine Tradition, und wie ist sie entstanden?

    Das ist eine sehr alte Tradition, solche Fotos finden sich in fast jedem Familienalbum. Besonders verbreitet waren sie in den 1970er Jahren, damals wurden halbautomatische Kameras jedem zugänglich. Im Gegensatz zu europäischen Traditionen wurden Tote nie wie Lebende fotografiert, also mit offenen oder aufgemalten Augen, in netten Posen. So etwas zu tun, galt als ein beleidigender Umgang mit dem Körper des Verstorbenen. Die kanonisierten Traditionen waren ein Porträt vom Verstorbenen im Sarg in Nahaufnahme und unbedingt ein Foto von einer Menge an Verwandten um den Sarg. Während die Trauernden in den 1930er Jahren in die Kamera gesehen und posiert hatten, sahen sie später, ebenfalls posierend, den Toten an, um ihm quasi die letzte Ehre zu erweisen. Im Moment der Aufnahme gehörte es sich nicht, Gefühle zu zeigen (die Angehörigen weinten und klagten nicht); Menschen verschiedenen Alters sahen dem Verstorbenen ruhig und ernst ins Gesicht. Heute berichten sie, dass diese Kollektivaufnahmen angefertigt wurden, „um sich zu erinnern, wer bei der Beerdigung war“, und dass sie daran teilgenommen haben, weil es wichtig sei „Traditionen zu achten“. 

    Werden solche Fotos auch heute noch gemacht?

    Heute wollen viele Menschen ihre Angehörigen nicht tot auf Fotos sehen, sie wollen sie „lebend in Erinnerung behalten“, deswegen werfen sie die Fotos von Beerdigungen weg. Die Erinnerung an den Tod wird aus dem Leben der Menschen verdrängt, was typisch ist für eine postchristliche, atheistische Gesellschaft, die den Tod fürchtet. Beerdigungsfotos werden aus Familienalben entfernt und nur die ältere Generation bewahrt sie aus Tradition auf. Wobei diese Träger der Tradition selbst nicht wirklich erklären können, wozu sie es machen.

    1900–1915, Minsk. Fotostudio von Hirscha Hatouskau. Aus dem Archiv von Ivan Maraŭjeŭ
    1900–1915, Minsk. Fotostudio von Hirscha Hatouskau. Aus dem Archiv von Ivan Maraŭjeŭ
    1920–1939, Brest. Aus dem Archiv von Aliaksandr Paščuk
    1920–1939, Brest. Aus dem Archiv von Aliaksandr Paščuk
    Links - 6. August 1933, Kamjanez, Oblast Brest. Aus dem Archiv von Andrej Astašenia. Rechts - 1936, Polesien. Traditionelles Hochzeitskleid. Foto von Zofja Chamiantoŭskaja. Aus dem Archiv der Stiftung für Archäologie der Fotografie
    Links – 6. August 1933, Kamjanez, Oblast Brest. Aus dem Archiv von Andrej Astašenia. Rechts – 1936, Polesien. Traditionelles Hochzeitskleid. Foto von Zofja Chamiantoŭskaja. Aus dem Archiv der Stiftung für Archäologie der Fotografie
    1930–1940, Oblast Vitebsk. Aus dem Archiv des historisch-kulturellen Museumskomplexes Polazk
    1930–1940, Oblast Vitebsk. Aus dem Archiv des historisch-kulturellen Museumskomplexes Polazk
    1950–1960, Brest. Aus dem Archiv von Alieh Pališčuk
    1950–1960, Brest. Aus dem Archiv von Alieh Pališčuk
    1950–1955 Staryna, Rajon Ljosna, Oblast Vitebsk. Aliena Bierzin and Viktar Varapajeŭ. Aus dem Archiv des Militärmuseums von Ljosna
    1950–1955 Staryna, Rajon Ljosna, Oblast Vitebsk. Aliena Bierzin and Viktar Varapajeŭ. Aus dem Archiv des Militärmuseums von Ljosna
    1950–1960, Hradzianka, Asipovichy Rajon, Mogiljow Oblast. Aus dem Archiv der Familie Byčkoŭ
    1950–1960, Hradzianka, Asipovichy Rajon, Mogiljow Oblast. Aus dem Archiv der Familie Byčkoŭ
    1955–1960 Dzivin, Rajon Kobryn, Oblast Brest. Familie Skraščuk. Aus dem Archiv von Iryna Dajnakova
    1955–1960 Dzivin, Rajon Kobryn, Oblast Brest. Familie Skraščuk. Aus dem Archiv von Iryna Dajnakova
    1957–1958 Smorgonski Rajon, Oblast Hrodna. Archiv von  Siarhiej Lieskieć
    1957–1958 Smorgonski Rajon, Oblast Hrodna. Archiv von Siarhiej Lieskieć
    Ca. 1956 Minsk. Viktar Paŭloŭski and Maryja Lučyna. Aus dem Archiv von Aliaksandr Lučyna
    Ca. 1956 Minsk. Viktar Paŭloŭski and Maryja Lučyna. Aus dem Archiv von Aliaksandr Lučyna
    10. Oktober 1962, Mir, Kareličy Rajon, Oblast Hrodna. Uladzimir and Tamara Rafiejenka. Aus dem Archiv von Voĺha Kalasoŭskaja
    10. Oktober 1962, Mir, Kareličy Rajon, Oblast Hrodna. Uladzimir and Tamara Rafiejenka. Aus dem Archiv von Voĺha Kalasoŭskaja
    1965–1985, Dsjarschynsk, Oblast Minsk. Foto von Ivan Šabalinski. Aus dem Archiv von Hienadź Dubatoŭka
    1965–1985, Dsjarschynsk, Oblast Minsk. Foto von Ivan Šabalinski. Aus dem Archiv von Hienadź Dubatoŭka
    1965–1985, Dsjarschynsk, Oblast Minsk. Foto von Ivan Šabalinski. Aus dem Archiv von Hienadź Dubatoŭka
    1965–1985, Dsjarschynsk, Oblast Minsk. Foto von Ivan Šabalinski. Aus dem Archiv von Hienadź Dubatoŭka
    1908, Vialikaja Bierastavica, Oblast Hrodna. Paviel Valyncevič am Grab seines Vaters. Aus dem Archiv von Dzmitry Siarebranikaŭ
    1908, Vialikaja Bierastavica, Oblast Hrodna. Paviel Valyncevič am Grab seines Vaters. Aus dem Archiv von Dzmitry Siarebranikaŭ
    1940–1950, Asipovičy Rajon, Magіljoўskaja Oblast. Archiv von Hanna Čarapko
    1940–1950, Asipovičy Rajon, Magіljoўskaja Oblast. Archiv von Hanna Čarapko
    1950–1952, Puhačy, Rajon Valožyn, Oblast Minsk. Aus dem Archiv von Dzmitry Siarebranikaŭ
    1950–1952, Puhačy, Rajon Valožyn, Oblast Minsk. Aus dem Archiv von Dzmitry Siarebranikaŭ
    1960–1970, Vialikaje Zarečča, Rajon Schklou, Magіljoўskaja Oblast. Fotografie von Ivan Daŭhin. Aus dem Archiv von Siarhiej Lieskieć
    1960–1970, Vialikaje Zarečča, Rajon Schklou, Magіljoўskaja Oblast. Fotografie von Ivan Daŭhin. Aus dem Archiv von Siarhiej Lieskieć
    1964, Lushki, Rajon Sharkawshchyna, Oblast Vitebsk. Beerdigung von Uladzislaŭ Akušk. Aus dem Archiv von Iryna Skakoŭskaja
    1964, Lushki, Rajon Sharkawshchyna, Oblast Vitebsk. Beerdigung von Uladzislaŭ Akušk. Aus dem Archiv von Iryna Skakoŭskaja
    1960–1970, Vialikaje Zarečča, Rajon Schklou, Magіljoўskaja Oblast. Totengedenktag Raduniza. Foto von Ivan Daŭhin. Aus dem Archiv von Siarhiej Lieskieć
    1960–1970, Vialikaje Zarečča, Rajon Schklou, Magіljoўskaja Oblast. Totengedenktag Raduniza. Foto von Ivan Daŭhin. Aus dem Archiv von Siarhiej Lieskieć
    1985, Ljubіschtscha, Magіljoўskі Rajon, Magіljoўskaja Oblast. Aus dem Archiv von Andrej Karačun
    1985, Ljubіschtscha, Magіljoўskі Rajon, Magіljoўskaja Oblast. Aus dem Archiv von Andrej Karačun
    1988, Brest. Foto von Vadzim Kačan. Aus dem Archiv von Vadzim Kačan
    1988, Brest. Foto von Vadzim Kačan. Aus dem Archiv von Vadzim Kačan
    Vorbereitung der VEHA-Ausstellung "Dziavočy viečar" („Jungefernabend”), FAF Galerie | Warschau
    Vorbereitung der VEHA-Ausstellung „Dziavočy viečar“ („Jungefernabend”), FAF Galerie | Warschau

    Fotos: Lesia Pcholka/VEHA
    Bildredaktion: Andy Heller
    Interview: dekoder-Redaktion
    Übersetzung: Maria Rajer
    Veröffentlicht am 27.05.2021

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