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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Mediamasterskaja #3: Wissenschaftsjournalismus – seine Bedeutung und seine Herausforderungen

    Mediamasterskaja #3: Wissenschaftsjournalismus – seine Bedeutung und seine Herausforderungen

    Wo liegen die Besonderheiten des wissenschaftlichen Journalismus, wie geht man mit schwierigen Quellen um und was macht die Arbeit des Wissenschaftsredakteurs so aktuell? In der vorerst letzten Folge unseres russischsprachigen Mediamasterskaja-Podcasts sprachen wir mit ausgewiesenen Wissenschaftsjournalisten über ihren Berufsalltag, die komplexen Feinheiten des Berufs als Wissenschaftsredakteur und die häufigsten Fehler bei der Arbeit.

    In der ersten Folge des Podcasts diskutierten die belarussische Philosophin Olga Shparaga und die Gender-Forscherin Lena Ogorelyschewa, inwieweit die Rolle der Frauen bei den Protesten auch die belarussische Medienwelt geprägt hat.

    In der zweiten Folge fragten wir den russischen Journalisten Maxim Trudoljubow und seinen belarussischen Kollegen Alexander Klaskowski, inwiefern der starke Druck auf Medien den unabhängigen Journalismus in beiden Ländern beeinflusst. 

    Und in dieser Podcast-Folge waren zu Gast: Leonid Klimov, Wissenschaftsredakteur bei dekoder, und Darja Sarkissjan, medizinische Redakteurin bei Meduza. Wir bringen einige Auszüge aus dem russischsprachigen Podcast in deutscher Übersetzung.

     

    Leonid Klimov: Ich bin wissenschaftlicher Redakteur bei dekoder.org, einem Medium, das auf Deutsch und auf Russisch erscheint. Die deutschsprachige Version, für die ich zuständig bin, beschäftigt sich mit Russland und Belarus. Wir übersetzen unabhängige Medien aus Russland und Belarus ins Deutsche. Weil die Texte in erster Linie für das russische beziehungsweise belarussische Publikum geschrieben wurden, enthalten sie häufig vieles, das für den europäischen – in diesem Fall deutschen – Leser unverständlich ist (wie spezifische Realien, historische Ereignisse und so weiter). Um nur ein anschauliches Beispiel zu nennen, das mit der wörtlichen Übersetzung von Begriffen zu tun hat: Nehmen wir die Begriffe „Liberalismus“, „Demokratie“ – im russischen Kontext können sie etwas anderes meinen, als gemeinhin im deutschen Kontext darunter verstanden wird. Wenn der europäische Leser den Begriff „liberal-demokratische Partei“ liest, stellt er sich eine liberal-demokratische Partei vor. Er käme nicht auf die Idee, dass sich dahinter eine rechtsradikale Organisation verbergen könnte, die von jeher von ein und derselben Person angeführt wird.

    In unseren Texten gibt es viele solcher Beispiele, deshalb haben wir von Anfang an – als wir 2015 an den Start gingen – beschlossen, dass wir ein „Kompetenzmodul“ brauchen. Dabei handelt es sich um ein System von kurzen Artikeln zu allen möglichen Themen, von „Wer ist Alexej Nawalny?“ bis hin zu der Frage, warum die Russen ihre Wände so gerne mit Teppichen schmücken. Die Texte werden von Wissenschaftlern aus verschiedenen – in der Regel europäischen – Forschungseinrichtungen für uns geschrieben. Als Redakteur war ich an der Entstehung und Weiterentwicklung dieses Textgenres beteiligt und betreue die ganze Infrastruktur. Das ist meine primäre Aufgabe bei dekoder.org.

    Daneben bin ich für die Koordination des Projekts dekoder-Lab verantwortlich, in dessen Rahmen wir Specials an der Schnittstelle von Journalismus und Forschung herausbringen. Diese Specials werden in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen erarbeitet, wie dem Forschungszentrum Osteuropa in Bremen oder der Universität Basel, und behandeln ganz unterschiedliche Themen: Das erste Special war der Annexion der Krim gewidmet, das jüngste – der Geschichte der Dissidenten-Bewegung in der UdSSR.

    Mediamasterskaja: Warum ist Wissenschaftsjournalismus so wichtig?

    Leonid: Wissenschaftsjournalismus ist in erster Linie Journalismus. Genau, wie es investigativen, politischen, Wirtschafts- und Kulturjournalismus gibt, gibt es auch den wissenschaftlichen. Je nach Genre verändert sich der Gegenstand, aber die Prinzipien der journalistischen Arbeit bleiben dieselben.

    Ein Wissenschaftsjournalist muss also zum Beispiel wie jeder andere Journalist die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung kritisch hinterfragen. Die Besonderheiten des wissenschaftlichen Journalismus hängen mit ihrem Gegenstand zusammen, also der Wissenschaft, die sich vor allem durch ihre Komplexität auszeichnet.

    Bei allen Unterschieden haben Wissenschaft und Journalismus einiges gemeinsam. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist wohl das Ziel: Beide streben letzten Endes nach der Wahrheit. Allerdings gehen sie mit ganz unterschiedlichen Methoden und Instrumenten dabei vor.

    Die Unterschiede sind vor allem institutioneller Natur, aber auch was die Wahrnehmung von Zeit angeht. Ein Wissenschaftler braucht manchmal Jahre oder gar Jahrzehnte, um einen bestimmten Gedanken oder eine These zu formulieren, der Journalist hingegen muss seinen Text, nunja, am besten vorgestern abgegeben haben.

    Journalismus und Wissenschaft verbindet eine besondere Beziehung zueinander

    Auch die Fragen, die sich ein Journalist stellt, können ganz andere sein als die, die sich ein Wissenschaftler stellt. Es gibt eine ganz andere Vorstellung von der Relevanz einer Information als in der Wissenschaft – wissenschaftliche Relevanz verhält sich selten proportional zur gesellschaftlichen Relevanz.

    Journalismus und Wissenschaft verbindet eine besondere Beziehung zueinander. Oder besser gesagt: eine besondere Beziehung zu dem Wert „Wissen“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wählen weder Journalisten noch Forscher ihren Beruf, weil sie auf schnelles Geld oder sozialen Status aus sind. Beide gehen ihrer Tätigkeit nach, weil sie wissen wollen, wie die Welt funktioniert, weil sie sie gerne beobachten, ihre Schwierigkeiten sehen und bereit sind, kritische Fragen zu stellen. Aber vor allem sind sie bereit, um Antworten zu ringen, die oft unbequem sind. Und das hat, glaube ich, mit eben diesem besonderen Verhältnis zum Wissen zu tun, der Wissenschaft und Journalismus gemeinsam ist.

    Wissen ist ein ganz besonderer Wert. Nehmen wir zum Beispiel den Wert „Toleranz“: Man kann sich leicht jemanden vorstellen, der den Wert der Toleranz bestreitet, oder der Solidarität, der Demokratie etc. Aber dass jemand sagt, Nichtwissen sei besser als Wissen, also den Wert des Wissens bestreitet, ist hingegen vermutlich nur in einem satirischen Kontext vorstellbar.

    Andererseits wollen die Menschen einfache Antworten auf komplexe Fragen, und dieser Widerspruch scheint mir das eigentliche Problem. Ich habe mich schon oft gefragt, was Forscher und Journalisten antreibt, und jedes Mal komme ich an den Punkt, dass es die Freude an der Komplexität der Welt ist, daran, dass sie diese Komplexität wahrnehmen können. Einerseits wahrnehmen, und sie andererseits mit anderen teilen.

    Bei vielen Themen ist die Relevanz nicht einfach gegeben

    Aber sich mitzuteilen und andere davon zu überzeugen, was wirklich wichtig ist, sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Wissen wird oft als ein Gegenstand wahrgenommen, sagen wir, ein Aktenkoffer, den ein Mensch dem anderen einfach geben kann, nach dem Motto: „Ich weiß, dass du dieses Wissen nicht hast, also gebe ich es dir, und dann hast du es auch.“ Aber so einfach ist das in der Regel nicht. Manchmal bleibt der Koffer, um bei dieser Metapher zu bleiben, ungeöffnet in der Ecke stehen.

    Was muss geschehen, damit der Koffer geöffnet wird? Da gibt es zwei Antworten. Die erste betrifft die Relevanz, die von außen vorgegeben ist. Nehmen wir zum Beispiel die Pandemie: Wir alle befinden uns in einer Extremsituation und sind auf Informationen angewiesen, denen wir vertrauen können. In der Regel kommen diese Informationen aus der Wissenschaft, und wir verarbeiten sie auf die eine oder andere Weise weiter. Hier werden Wissenschaftsjournalisten gebraucht, die die Komplexitätsschwelle herabsetzen und dem Leser die Ergebnisse der Forschung näherbringen.

    Aber bei vielen Themen ist die Relevanz nicht einfach gegeben, man muss sie mit anderen Mitteln generieren. Die Wissenschaft verfügt über solche Mittel so gut wie gar nicht, weil sie sich fast ausschließlich an ein internes Publikum richtet. Das ist eine Besonderheit dieses Systems – es ist gewissermaßen in sich geschlossen, wobei wir durchaus beobachten können, dass sich die Wissenschaft allmählich öffnet. Das ist ein langwieriger Prozess, der noch viel Zeit brauchen wird.

    Bei diesem Prozess spielt der Wissenschaftsjournalismus meines Erachtens eine Schlüsselrolle. Nicht, weil die Wissenschaft daran interessiert wäre, sich als System nach außen hin zu öffnen, sondern weil man Instrumente und Mechanismen braucht, mit denen man Forschungsergebnisse in den gesellschaftlichen oder den Mediendiskurs konvertiert.

    Mediamasterskaja: Wie muss die Sprache eines Beitrags beschaffen sein, der auf Forschungsergebnissen basiert?

    Leonid: Einerseits muss der Wissenschaftsjournalist die komplexe Information in eine zugängliche Sprache bringen. Besonders wichtig ist das bei solchen Themen wie Covid-19, wo regelmäßig neue Studien herauskommen, die sich unmittelbar auf unser Leben auswirken. Dort ist das primäre Ziel tatsächlich, die Distanz zwischen der wissenschaftlichen Studie und dem Leser zu verkürzen. Hier muss genau nachvollziehbar sein, worum es geht, was das für eine Studie ist, woher die Daten kommen und vor allem, wie sie sich auf unser Leben im Alltag und darüber hinaus auswirken. Diese Distanz zu überbrücken ist die Hauptaufgabe, die gelöst werden muss.                                         

    Aber es reicht nicht immer aus, eine komplexe Sprache in eine einfache zu übersetzen. Im Fall von Covid-19 liegt die Relevanz der Forschung auf der Hand, sie ist offenkundig gegeben, aber in vielen anderen Bereichen ist die Relevanz nicht so offenkundig. Dann ist es die Aufgabe des Journalisten, die Relevanz aufzudecken – und manchmal sogar zu erzeugen.

    Ich glaube, Journalisten und Redaktionen werden in Zukunft verstärkt nach Formaten suchen müssen, mit deren Hilfe man mit dem Leser wissenschaftliche Themen näherbringen kann. Diese Formate haben nicht immer mit Vereinfachung zu tun.

    Die Wissensvermittlung muss mit einer positiven Erfahrung einhergehen

    Aus unserer Dekodierungs-Praxis kann ich sagen: Wir haben sehr viel darüber nachgedacht, wie wir die Relevanz von wissenschaftlichen Studien deutlich machen, bei denen sie nicht auf der Hand liegt. Meine Auffassung ist, dass die Wissensvermittlung mit einer positiven Erfahrung einhergehen muss, das Wissen muss buchstäblich ästhetischen Genuss bringen. Und genau daran arbeiten wir bei dekoder.org: Wir entwickeln Formate, die eine positive Erfahrung mit dem Erkenntnisgewinn verknüpfen. Wir experimentieren mit unterschiedlichen Formaten: grafisch, visuell. Manchmal sind das Zeichnungen, die eine Geschichte erzählen, oder Biografien, wie im Falle des Dissidenten-Specials. Manchmal ist das eine stufenartige Struktur, bei der der Leser erst mit ganz einfachen Dingen in Berührung kommt, die sein Interesse wecken, und sich dann diese Treppe bis nach oben vorarbeiten kann, bis er schließlich bei wissenschaftlicher Literatur ankommt.

    Mediamasterskaja: Wie sind die Arbeitsabläufe bei dekoder.org? 

    Leonid: Bei unseren Planungssitzungen legen wir fest, welche Themen uns interessieren und wir für relevant halten, dann begeben wir uns auf die Suche nach Autoren und beauftragen einen Text. Der Redakteur bereitet sich gleichzeitig darauf vor, den Text zu redigieren. Er führt eine eigene, unabhängige Recherche durch und stellt, wenn er den fertigen Text bekommt, genau jene unbequemen Fragen, von denen ich sprach.

    Der Text entsteht also in Zusammenarbeit zwischen Autor und Redakteur. Er wird oft mehrmals hin und her geschickt: Redakteur und Autor suchen gemeinsam nach dem richtigen Ton, korrigieren, arbeiten am Textaufbau, um das Interesse des Lesers einzufangen, ihm die Relevanz, die Bedeutung und die Wichtigkeit des Themas aufzuzeigen.

    Ein anderes wichtiges Element ist, dass ein wissenschaftsjournalistischer Text im Idealfall in sich geschlossen sein muss. Nicht in dem Sinne, dass er nicht mitten im Satz aufhört, sondern dass die Information, die der Leser braucht, um diesen konkreten Text zu verstehen, darin enthalten sein muss. Wenn es um wissenschaftliche Studien geht, ist das natürlich nicht immer eins zu eins möglich, aber das ist nichtsdestoweniger das, was man anstreben muss.

    Außerdem muss man immer im Blick behalten, dass Wissenschaft an sich komplex ist. Sie bedient sich eines komplexen Instrumentariums, einer komplexen Sprache, behandelt komplexe Themen, von denen der konkrete Leser die in der Regel sehr weit entfernt ist. Deshalb spielt bei einem wissenschaftsjournalistischen Text auch das Narrativ, die Erzählung, eine nicht minder wichtige Rolle als die Sprache.

    Ich denke oft an ein Beispiel aus dem Buch eines Schweizer Journalisten, der, um ein großes Schiffsbauteil zu beschreiben, anstatt der Größenangabe einen Vergleich angeführt hat: „Das Bauteil hatte die Größe einer kleinen Bankfiliale.“ Eine Meterangabe hätte wohl nicht dieselbe Wirkung auf den Leser wie diese anschauliche Beschreibung, die jedem Leser einleuchtet. Es ist wichtig, in komplexen Texten zu komplexen Themen solche vertrauten „Inseln“ zu verteilen, die den Leser bis zum Ende durch den Text begleiten.

    Mediamasterskaja: Warum sind Wissenschaftler und Journalisten nicht unbedingt Freunde?

    Leonid: Auf beiden Seiten bestehen gewisse Ressentiments. Journalisten sind oft der Meinung, dass sich Wissenschaftler häufig mit Themen beschäftigen, die niemanden interessieren oder sie absichtlich in einer Sprache schreiben, die niemand versteht. Wissenschaftler andererseits empfinden den Kontakt zu Journalisten als unbefriedigend, weil sie glauben, dass man sie zu sehr vereinfacht, wichtige Informationen wegkürzt etc.

    Wissenschaftler sind selten „bequeme“ Autoren. Es ist schwer, mit ihnen zu arbeiten, ihre Texte sind schwer zu redigieren. Aus ebendiesem Grund muss der Wissenschaftsjournalist in beiden Welten zu Hause sein, er muss eine Vorstellung davon haben, wie der Journalismus auf der einen und die Wissenschaft auf der anderen Seite funktioniert. Außerdem muss er immer bedenken, dass im Fokus der journalistischen Arbeit nicht der Wissenschaftler steht, sondern der Leser, dem er diese komplexe Welt näherbringen will, indem er sein Interesse, seine Neugier und seine Begeisterung weckt.

    Mediamasterskaja: Wie wird man Wissenschaftsjournalist?

    Leonid: Es gibt nicht den einen richtigen Weg in den Wissenschaftsjournalismus: Ob man sich als „normaler“ Journalist auf den Wissenschaftsjournalismus spezialisiert, oder ob man aus der Wissenschaft zum Journalismus kommt – beide Wege sind gleichermaßen möglich. Ich denke, eine größere Rolle spielen die persönlichen Präferenzen und Fähigkeiten, es ist ein individueller Weg, den man nicht unbedingt institutionell einfassen kann. Ich für meinen Teil komme aus der Forschung und muss gestehen, dass ich nie den Plan hatte, Journalist zu werden, das hat sich zufällig so ergeben.

    Ich bin überzeugt, dass ein seriöses Medium sich nicht erlauben kann, keine Wissenschaftsjournalisten in seinem Stab zu haben, weil sonst die Tiefe der Berichterstattung verloren geht. Das ist genau wie in jedem anderen journalistischen Bereich: Praktisch in jeder großen Redaktion muss es Leute geben, die ihre Informationsquellen aus der Politik, aus der Wirtschaft und anderen Bereichen haben. Dasselbe gilt auch für Wissenschaftsjournalisten. Ein guter Wissenschaftsjournalist hat selbstverständlich seine Leute, die er zu Rate ziehen kann und die ihn an Kollegen verweisen. Solche Quellen sparen sehr viel Zeit bei der Vorbereitung eines Texts. Der Weg von der Erkenntnis eines Problems bis zur Realisierung der Idee im Text wird so deutlich kürzer. Gleichzeitig gibt es der Beleuchtung des Themas eine Tiefe, die für jedes ernstzunehmende Medium unabdingbar ist.

    Konkret: Die Besonderheiten des Medizinjournalismus

    Darja Sarkissjan: Mein Name ist Dascha Sarkissjan. Ich arbeite als Medizinredakteurin bei Meduza und bin seit über zehn Jahren im Bereich des Medizinournalismus tätig. In den Beruf bin ich ohne medizinische Ausbildung gekommen, ich habe an der MGU Journalismus studiert. Irgendwann gegen Ende des Studiums habe ich gemerkt, dass ich mich für Medizin begeistere. Mir gefällt es, dass es dort Fakten gibt, auf die man sich stützen kann. Mir gefällt die soziale Komponente, dass es Probleme gibt, über die man unbedingt sprechen möchte. Ich glaube, mit Hilfe des Medizinjournalismus lassen sich Konflikte aus dem Weg räumen, denn ist es ja oft so, dass sich Ärzte und Patienten wegen Dingen streiten, die es gar nicht wert sind. Und die Rolle des Journalisten besteht genau darin, diese Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.

    Der Medizinjournalismus überschneidet sich in großen Teilen mit dem Wissenschaftsjournalismus – es gibt ja auch den Begriff der „medizinischen Wissenschaft“ –, und ein großer Teil dieser ganzen Corona-Geschichte gehört genau in die medizinische Wissenschaft. Aber der Medizinjournalismus umfasst natürlich noch viel mehr. 

    Das können auch gesellschaftliche Probleme sein, denn sobald du anfängst, über ernsthafte Erkrankungen zu schreiben, hast du schnell mit wohltätigen Stiftungen und anderen nichtkommerziellen Organisationen zu tun. Alle Themen des Gesundheitswesens, die nicht von Wissenschaftsjournalisten abgedeckt werden, fallen in den Bereich des Medizinjournalismus, das können zum Beispiel auch veterinärmedizinische Themen sein.

    Ich arbeite sehr gerne bei Meduza. Unter anderem auch deshalb, weil bei uns unterschiedliche Fachleute in den jeweiligen Bereichen arbeiten, also eng spezialisierte Redakteure. Es gibt einen Austausch mit Kollegen, die einen ganz anderen Hintergrund haben. Wir haben zum Beispiel einen Wissenschaftsredakteur und einen Redakteur für das Kulturressort, nur einen Sportredakteur haben wir nicht. Aber unsere Redaktion ist auch eher klein. Ich finde es gut, dass wir nicht ein Wissenschaftsmedium im engeren Sinne sind, sondern ein populärwissenschaftliches. Es gibt immer jemanden in der Redaktion, der keine Ahnung hat, was ADHS ist oder was ein Antigen von einem Antikörper unterscheidet. Und genau das sind unsere Leser.

    Mediamasterskaja: Warum braucht ein Wissenschaftsjournalist immer neue Erkenntnisse?

    Darja: Man kann sich vergraben, sich in irgendwelchen Begriffen verlieren und einen völlig unverständlichen Text schreiben, weil niemand in der Nähe war, kein Redakteur, der ihn gelesen und gesagt hätte: „Das ist totaler Murks, man versteht kein Wort, schreib das bitte nochmal auf Russisch.“ Und dann hinzugefügt hätte: „Wie würdest du mir das erklären, wenn ich überhaupt nicht im Thema bin?“

    Das ist manchmal unglaublich wichtig. Besonders, wenn du einen wissenschaftlichen Text liest, irgendwas ganz Trockenes, die Empfehlungen einer Ärztevereinigung zum Beispiel. Und das alles ist in einer sperrigen Sprache geschrieben, mit Unmengen von wissenschaftlichen Begriffen. Damit man den Schalter umlegen kann und anfängt, in einer maximal zugänglichen Sprache zu schreiben, „auf Russisch“, muss man sich sehr anstrengen. Ich persönlich scheitere manchmal daran.

    Im Medizin- und Wissenschaftsjournalismus ist Erfahrung das A und O

    Wenn Sie eine kleine Redaktion haben, aber manchmal Texte zu medizinischen oder wissenschaftlichen Themen schreiben müssen, wäre es sehr gut, dafür einen bestimmten Mitarbeiter zu wählen, der für diesen Bereich zuständig ist. Denn im Medizin- und Wissenschaftsjournalismus ist Erfahrung das A und O. Selbst heute, nach zehn Berufsjahren, passiert es mir immer noch, dass ich etwas falsch mache, weil ich einfach nicht weiß, dass da etwas nicht stimmt, dass etwas ein weit verbreiteter Irrtum ist, dem sogar Ärzte erliegen. Und ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, die Sache zu überprüfen, weil sie so einleuchtend schien.

    Zum Beispiel das Wort „Narkose“. Ein relativ harmloses Wort. Man hört sogar von Ärzten oft den Begriff „Vollnarkose“ – aber das ist im Grunde falsch, denn das Wort Narkose bedeutet schon so viel wie Allgemeinanästhesie. Oder andersherum: Es ist völlig verkehrt von „örtlicher Narkose“ zu sprechen. Das ist nicht nur ein Pleonasmus, sondern inkorrekt, weil eine Narkose nicht lokal sein kann, lokal sein kann nur eine Anästhesie. Komm da mal auf die Idee, dass man das überprüfen sollte! 

    Eigentlich reicht es auch nicht, sich mit diesem Thema zu beschäftigen – man muss es lieben, sich regelmäßig darin vertiefen, in seiner Freizeit darüber lesen, Filme sehen, mit Menschen sprechen, die sich damit auskennen, Podcasts und Vorträge hören. Das ist ein unaufhörliches Selbststudium, selbst für die Leute, die mit einer medizinischen Ausbildung zum Journalismus kommen, denn Wissen hat die Eigenschaft, schnell zu veralten. Außerdem sind da natürlich noch die verschiedenen Gebiete: Wenn jemand sein Studium abgeschlossen und seinen Facharzt in Gynäkologie gemacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sein Wissen in der Unfallkunde nicht auf dem allerneuesten Stand ist. Deshalb muss man sich ständig fortbilden, lesen, versuchen, so viel Informationen wie möglich aufzunehmen, die dir irgendwann nützlich sein könnte.

    Mediamasterskaja: Was sind weit verbreitete Fehler im Medizinjournalismus?

    Darja: Journalisten, die nur selten über Medizin oder Wissenschaft schreiben, machen ziemlich oft dieselben Fehler. Mir tut es zum Beispiel weh, wenn man Forschungen an Zellkulturen oder Versuche an Mäusen auf Menschen zu übertragen versucht, manchmal schon in der Schlagzeile („Forscher haben ein Mittel gegen Alzheimer entdeckt“). Man macht den Text auf, und es ist nicht annähernd die Rede von klinischen Untersuchungen, nur von Wissenschaftlern, die irgendein Molekül entdeckt haben, das theoretisch funktionieren könnte. Oder bei Mäusen funktioniert. Aber leider wirkt das, was bei Mäusen wirkt, nicht immer beim Menschen. Selbst wenn, würde es noch ungefähr  zehn bis 15 Jahre dauern, bis ein entsprechendes Medikament auf den Markt käme. Es ist nicht besonders fair, den Menschen Hoffnung zu machen und ihnen zu suggerieren, dass sie schon bald ihren an Alzheimer erkrankten Angehörigen helfen können.

    Generell hat ein Journalist die Pflicht, Fakten zu prüfen. Das ist manchmal nicht einfach. Die Redaktionen stehen natürlich ständig unter Zeitdruck, es fehlen Leute. Aber leider kann man dann nunmal keinen qualitativ hochwertigen Content produzieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass jeder sich irren kann, man muss eben immer alles prüfen.

    Man kann versuchen, seinen Ansprechpartner selbst zu bitten, Verweise zu den entsprechenden Quellen zu schicken, aber auch Ärzte haben wenig Zeit und nicht alle sind dazu bereit. Übrigens, wenn ein Arzt sich aufregt, dass Sie seine Aussagen überprüfen wollen, ist das kein besonders gutes Zeichen. Das bedeutet, dass er nicht damit gerechnet hat, dass man ihn hinterfragt.

    Ein anderes Problem entsteht, wenn Journalisten – vor allem, wenn sie über gesellschaftlich relevante Themen schreiben – mit Problemen konkreter Menschen konfrontiert werden (zum Beispiel mit der Versorgung einer bestimmten Gruppe mit Medikamenten) und emotional aufgeladene Geschichten hören, sich zu sehr damit identifizieren und beginnen, die Fakten an ihre Theorie anzupassen. Das ist dann schon mehr Aktivismus als Journalismus. Das ist natürlich nicht optimal.

    Mediamasterskaja: Wie wählt man seine Primärquellen?

    Darja: Medizinjournalismus ist genau wie Wissenschaftsjournalismus teuer. In einem Absatz können Stunden, in einem Artikel mehr als ein Monat Arbeit stecken. Und dann ist es nicht einmal ein super populäres Material, das der Redaktion Ruhm bringen würde. Es kostet einfach viel Zeit, Informationen zu beschaffen und zu überprüfen. Das geht nicht auf die Schnelle.

    Man muss sich mit wissenschaftlichen, medizinischen Quellen vertraut machen. Es gibt kein universelles Rezept, keinen universellen Ratschlag, welchen Quellen man immer vertrauen kann. Aber es gibt einige Kriterien: Zum Beispiel darf die Seite, von der Sie Ihre Information beziehen wollen, nichts verkaufen. Wenn eine Internetseite Ihnen etwas über Gesundheit erzählt und gleichzeitig Nahrungsergänzungsmittel verkauft, sollte sie nicht als vertrauenswürdige Informationsquelle dienen.

    Mediamasterskaja: Wie wird man Medizinjournalist?

    Darja: Ich bin oft mit Snobbismus konfrontiert, weil ich über Medizin schreibe, ohne eine medizinische Ausbildung zu haben. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich immer sehr gewissenhaft an die Arbeit mit Informationsquellen gehe. Wann immer es möglich ist und die Zeit es zulässt, bitte ich einen Arzt, der Spezialist auf diesem Gebiet ist, sich den Text anzuschauen. Wenn das ein Text über Nesselfieber ist, dann frage ich einen Allergologen, der Nesselfieber „super“ findet. Wenn das ein Text über Inkontinenz ist, dann frage ich einen Gynäkologen, der zu Inkontinenz promoviert hat, und nicht einfach irgendeinen Arzt, wie das in vielen Medien gehandhabt wird. Wenn dir ein Unfallchirurg erklärt, wie man Corona behandelt, ist das eher suboptimal.

    Es kann sein, dass ein Mediziner es anfangs leichter hat, sich im medizinischen Journalismus zurechtzufinden, weil er keine Berührungsängste mit dem Wort „Neurotransmitter“ hat. Aber dieser Unterschied bügelt sich mit der Zeit aus. Ich glaube, man sollte sich nicht für seinen Hintergrund schämen. Journalisten können genauso gut zum Medizinjournalismus kommen wie Ärzte. Das Entscheidende ist hier nicht unbedingt, was man studiert hat, sondern wie sehr man dafür brennt, ob man wirklich bereit ist, jede Information zu überprüfen, wie akribisch man generell ist. Und natürlich muss man die Grundlagen des Journalismus beherrschen. Aber das ist ein anderes Thema.

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  • Editorial: Freude an der Komplexität?!

    Editorial: Freude an der Komplexität?!
    Bild: Lena Gordejewa für dekoder
     

    Wart Ihr schon einmal im russischen Dampfbad, der Banja? Das ist, wenn man aus der extremen und feuchten Hitze unmittelbar in die bittere Kälte des Eislochs wechselt. Wir waren gerade da und sind nun richtig schön durch- und ausgeschwitzt und mit einer unheimlichen Freude erfüllt. 
    Gestern ist unser Longread zur Banja erschienen. Ein Jahr haben wir daran gearbeitet, mal mit Feuer und Flamme, wenn alles klappte, mal mit kaltem Wasser übergossen, wenn der Plan nicht realisierbar schien. 

    Nun sind wir angenehm erschöpft und mit Freude erfüllt. Der Banja-Longread ist online und wir laden Euch ein auf eine Reise in die Nebelwelten des russischen Dampfbades. Kommt mit! Taucht ein! Öffnet die schwere Holztür, dekoder führt euch in die mythischen Welten der Banja.

    Diese Freude muss man aber genauer anschauen. Was für eine Art Freude ist es? Freude am Tun? Sicher! Ästhetische Freude? Auch! Aber auch eine andere, die dem dekoder-Geist immanent ist: Freude an der Komplexität. Und diese wollen wir teilen.
     
    Viele Dinge sind komplex und gerade deswegen bereiten sie Freude. Freude, frei zu sein. Freude an der Vielfalt. Freude, zu wissen und zu denken. Selbstverständlich ist das jedoch nicht immer. Es ist ein Prozess. Also doch auch eine Anstrengung. Aber wie wäre es, wenn die Freude zuerst kommt?

    Genau das wollen wir!

    dekoder stellt die etablierten Mechanismen des Wissenstransfers in Frage und probiert neue Wege und neue Formate aus. Wir experimentieren mit Formen, Themen und Sprache. Und nun schaffen wir dazu auch einen größeren Rahmen. Ein Labor. Ein dekoder-lab.

    dekoder-lab ist eine Initiative von dekoder.org, die in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und der Universität Basel entstanden ist. Sie ist aus dem Projekt Wissenstransfer hoch zwei hervorgegangen. Dabei schrauben wir an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Journalismus, entwickeln neue Formate, die eine komplexe (Osteuropa-)Welt nicht verkürzen, aber mit Freude erschließen. Wir schreiben, redigieren, coden, designen und zeichnen und teilen unsere Begeisterung für diese Welt. Der Aufbau von dekoder-lab wird von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius unterstützt.

    Und unserer Idee nach soll dekoder-lab eine offene Plattform für alle bieten, die wie wir das Wissen als Wert empfinden und die andere für das Wissen begeistern wollen. Deswegen: Wenn ihr Ideen, Anregungen, Kritik (oder Lob!) habt, dann schreibt uns gerne an! Und vielleicht können wir sogar etwas gemeinsam machen?! 

    dekoder-lab@dekoder.org 

    Also: Kommt! Taucht ein! Öffnet die schwere Holztür des Wissens und geht zusammen mit dekoder-lab in eine volle Welt, die genau so komplex bleiben kann. Wir schätzen sie in ihrer Komplexität, weil sie eine Freude ist.

    Freut euch über die komplexe Welt ringsum!

    Euer Leonid
    dekoder-lab

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  • ✵ Neujahr ✵ Новый год ✵

    ✵ Neujahr ✵ Новый год ✵

    Ein geschmückter Tannenbaum mit wechselvoller Geschichte, ein überquellender Festtagstisch und der Fernseher als ständiger Begleiter: Das russische Neujahrsfest versammelt besinnliche und kuriose Traditionen aus verschiedenen Epochen. Nachdem Peter I. versucht hatte, erste Traditionen zum Jahreswechsel zu begründen, hielten im 19. Jahrhundert die europäischen Weihnachtsbräuche in Russland Einzug. Von den Bolschewiki als bürgerlich geschmäht und gleich darauf wieder zum Leben erweckt, verbanden sie sich mit dem konfessionsübergreifenden Neujahrsabend zu einem vergnüglichen, unverwechselbaren Fest.

    „Es gibt die Anweisung, das Neujahrsfest fröhlich zu begehen,“ erklärt Genosse Ogurzow, seines Zeichens Verantwortlicher für die Durchführung der Festlichkeiten in einem sowjetischen Kulturpalast. In diesem bürokratischen Ausdruck, der die Zuschauer des Kinofilms Karnevalsnacht (Regie: Eldar Rjasanow, 1956) ohne Zweifel zum Lachen brachte, spiegelt sich die ganze Widersprüchlichkeit dieses Feiertags: Einerseits ist Neujahr ein Familienfest. Es ist der am wenigsten offizielle aller offiziellen Feiertage, das am wenigsten „problematische“1 Fest und daher das einzige, das alle feiern –  unabhängig von Konfession und politischer Einstellung. Es hat „fast alle seine Geschwister des sowjetischen Feiertagskalenders überlebt“.2 Andererseits ist Neujahr mit seinen Traditionen das Ergebnis einer politischen Entscheidung und war mehr als einmal Gegenstand leidenschaftlicher politischer Kämpfe.

    In Russland sagt man oft: „Wie du das neue Jahr beginnst, so wirst du es auch verbringen.“ Dieser Aberglaube ist im sowjetischen und postsowjetischen Bewusstsein so tief verankert, dass auch die Vorbereitung des Festes zum präzise ausgeführten Ritual wird. Da das Einkaufen in der Sowjetunion oft keine leichte Unternehmung war, begannen die Vorbereitungen in der Regel schon im November: Ebenso endlose wie unvermeidliche Schlangen waren durchzustehen, um alle Zutaten für Festtagsgerichte und Geschenke für alle Familienangehörigen, Freunde und Arbeitskollegen zu besorgen, und auch das Haus wollte schließlich geschmückt sein. Obwohl in Russland mittlerweile alle Produkte in ausreichendem Maß erhältlich sind, steht man noch immer häufig an.

    Der Neujahrstisch muss sich biegen unter den zahllosen Köstlichkeiten. Was genau auf den Tisch kommt, kann durchaus variieren, nicht wegzudenken sind jedoch die Salate – mit Fleisch, Fisch und Gemüse, insbesondere: Salat Olivier und Hering im Pelz – sowie der typische sowjetische Sekt Sowjetskoje Schampanskoje. Natürlich können die im Laufe mehrerer Tage zubereiteten Speisen nicht alle an einem Abend verzehrt werden. Doch der überquellende Esstisch am Silvesterabend hat weitere Funktionen als die Sättigung: Als soziales Symbol steht er für den Wohlstand der Familie, als Ritual für die Sicherung dieses Wohlstands im kommenden Jahr.

    Da es in erster Linie ein Familienfest ist, wird das russische Neujahr oft mit dem europäischen Weihnachtsfest verglichen. In der Tat ist es mit Weihnachten verwandt und nimmt die weihnachtliche Symbolik auf – zuweilen wie ein Zerrspiegel. Im Unterschied zu Weihnachten geht das russische Neujahr jedoch auf eine politische Entscheidung zurück. Als Peter I. im Jahr 1699 von seiner Europareise zurückkehrte, verfügte er, den Beginn des Jahres „nach dem Beispiel aller christlichen Völker“ vom 1. September auf den 1. Januar zu verlegen. Auch sollten zum Jahreswechsel künftig Raketen abgefeuert, Feuer entzündet und die Hauptstadt mit Tannengrün geschmückt werden: Peter befahl, „auf den großen Straßen, vor … Häusern und Toren einigen Schmuck aus Ästen und Zweigen von Fichten, Tannen und Wachholder“3 aufzustellen und bis Jahresanfang stehenzulassen. Doch trotz aller Erlasse wollten die Traditionen nicht greifen. Erst gegen Ende der 1830er Jahre kam die Tanne aus Europa nach Russland, diesmal jedoch als Weihnachtsbaum.

    Nach der Oktoberrevolution war das Verhältnis zu den weihnachtlichen Traditionen der vergangenen Ära schwierig. Für die Ächtung und die spätere offizielle Anerkennung weihnachtlicher Symbolik führte man merkwürdigerweise dasselbe Argument an: Weihnachten sei ein Ritual der Bourgeoisie. Aus diesem Grund wollte man die Tradition zunächst ausrotten. Dann jedoch sollte das Proletariat eine Möglichkeit bekommen, an ihr teilzunehmen. Nach jahrelangen Diskussionen forderte der Parteifunktionär Pawel Postyschew am 28. Dezember 1935 in der Prawda: „Irgendwelche ‚linken‘ Störer haben diesen Kinderspaß als bürgerliches Unterfangen in Verruf gebracht. Diese falsche Verurteilung der Tanne muss ein Ende haben. In Schulen, Kindergärten, Pionierpalästen, Kinderklubs, Kinos und Theatern – überall soll eine Tanne stehen!“ Bereits am nächsten Tag standen einige Tannen auf Moskaus Straßen und ein reger Handel mit Bäumen hatte begonnen. Der Tannenbaum war rehabilitiert, und damit begann auch die Eingliederung vorrevolutionärer Weihnachtsbräuche in das neu erschaffene typisch sowjetische Phänomen – das Neujahrsfest.

    Natürlich gibt es neben dem Tannenbaum noch andere wichtige Details. Da ist Väterchen Frost, der in sich die Figuren des Heiligen Nikolaus und des wunderlichen Alten aus dem Winterwald vereint, seine Helferin Snegurotschka, die der Sage vom Mädchen aus Schnee nachempfunden ist,4 sowie allerlei Häschen und Schneeflöckchen – die sinnbildlichen Gestalten kleiner Jungen und Mädchen. Ein unverzichtbarer Begleiter des Neujahrsfestes ist seit sowjetischen Tagen auch der Fernseher.5 Er läuft vom frühen Morgen, wenn die Vorbereitungen zum Fest beginnen, ununterbrochen bis nach Mitternacht. Alle Kanäle zeigen sowjetische Komödien, von denen einige zum unbedingten Neujahrskanon zählen – wie etwa Karnevalsnacht oder Ironija Sudby (dt. Die Ironie des Schicksals, Eldar Rjasanow, 1975). Einige Stunden vor Mitternacht beginnen dann Musikshows nach dem Vorbild der sowjetischen Sendung Goluboj Ogonjok (seit 1964, dt. etwa: Blaues Flämmchen).

    Der Fernseher läuft im Hintergrund. Die Filme kennen alle auswendig, daher genügt es, bloß den Ton zu hören. Unterdessen kocht man, schneidet Salat, schmückt den Baum, verpackt Geschenke und spricht die besten Stellen mit – manchmal sogar einige Sekunden vorher. Diese rituellen Wiederholungen erzeugen die richtige Neujahrsstimmung, ohne die das Fest nicht auskommt. Ist alles vorbereitet, setzt sich die Familie an den Tisch und verabschiedet das alte Jahr, ruft wichtige Ereignisse in Erinnerung und zieht Bilanz. Einige Minuten vor dem Jahreswechsel richten sich dann alle Augen auf den Staatschef, der auf dem Bildschirm erscheint: von seinem Schreibtisch aus oder vor dem Hintergrund der verschneiten Kremlgebäude beglückwünscht er alle zum Neuen Jahr. Danach zeigt der Bildschirm die große Uhr des Kreml. Sie schlägt zwölf. Zu den Klängen der Hymne erheben sich die Gläser mit Sowjetskoje Schampanskoje und es tönt von allen Seiten:

    S Novym godom, s novym stschastjem! Frohes neues Jahr, möge es Glück bringen!

     


    P.S.: Die mystischen, hoffnungsvollen Stunden des letzten Abends im Jahr stehen – wie auch bei mancher Silvesterfeier in Deutschland – in ernüchterndem Kontrast zum Anblick der verwüsteten Küche am Neujahrsmorgen. Berge von Geschirr müssen gespült, halbvolle Flaschen schaler Getränke ausgegossen werden. Da nimmt es nicht Wunder, dass man erstmal einfach weiterfeiert, die Zeit für ein paar Tage anhält und den eigentlichen Beginn des Jahres – das Aufräumen – noch ein wenig hinauszögert: Meist dauern die russischen Neujahrsfeierlichkeiten bis zum 10. Januar.


    1. Nikolajew, Oleg (2003): Nowy God – Prasdnik ili ozhidanie prasdnika? In: Otetschestwennyje Sapiski, 1. (Russisch) ↩︎
    2. ebd. ↩︎
    3. Zitiert nach Duschetschkina, Elena (2003): Ded Moros i Snegurotschka, in: In: Otetschestwennyje Sapiski, 1. (Russisch) ↩︎
    4. ebd. ↩︎
    5. In dem beliebtem sowjetischen Zeichentrickfilm Winter in Prostokwaschino lehnt einer der Protagonisten es ab, zur Neujahrsfeier Freunde zu besuchen, da dort der Fernseher – der „wichtigste Tischschmuck“ – nicht funktioniert ↩︎

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  • Sakon (Gesetz)

    Sakon (Gesetz)

    Kurz vor der Präsidentschaftswahl, bei der Wladimir Putin erstmals zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt wurde, veröffentlichte er im Februar 2000 einen „Wählerbrief“. In diesem Text skizzierte er sein Programm und rief die „Diktatur des Gesetzes“ aus: Demokratie sei eine Diktatur des Gesetzes und nicht die Diktatur derjenigen, die amtshalber dieses Gesetz verfechten.1
    Seitdem ist die Formel „im Rahmen des Gesetzes“ (russ. w Ramkach Sakona) anscheinend zum Lieblingsausdruck Wladimir Putins geworden: Wichtigste Pflicht des Präsidenten sei es, im Rahmen des Gesetzes zu handeln, Rechtsschutzorgane und Gerichte müssen im Rahmen des Gesetzes agieren, die Durchführung von Wahlkampagnen seien ebenso nur im Rahmen des Gesetzes möglich. Auch die Opposition dürfe frei protestieren – im Rahmen des Gesetzes.

    Auch wenn man viele offene Fragen (die Legalität des Gesetzgebers, die Repressivität der Gesetze, ihre Konformität mit der Verfassung, die Unabhängigkeit der Gerichte et cetera) beiseite lässt, der Ausdruck w Ramkach Sakona bleibt spannend: 
    Denn Sakon (dt. „Gesetz“) wird in der russischen Kultur als ein vorgegebener Rahmen oder als eine Grenze verstanden, die man passieren kann. Sakon teilt zwar das Handeln in „erlaubt“ und „nicht erlaubt“, aber die Frage, ob es „gerecht“ oder „ungerecht“, „richtig” oder „falsch“ ist, beantwortet jeder für sich.

    Das Wort Sa-kon, wie auch das heutige Wort kon-ez (dt. „Ende“) oder is-koni (dt. „anfänglich“) leitet sich vom Wortstamm kon, der sowohl Ende als auch Anfang bedeuten kann, ab.2 Im Wörterbuch von Wladimir Dal wird Sakon definiert als „Schranke, die der Freiheit des Willens und des Handelns gesetzt wird“3. Der Wille und das Handeln hören aber mit dieser Grenze nicht auf, denn Sakon, so schreibt der Philologe und Kulturwissenschaftler Juri Stepanow, ist „keine höchste Kategorie, der alles, was innerhalb einer Sphäre liegt, untergeordnet ist“. Sakon spiegelt also kein Rechtssystem und hat mit Gerechtigkeit erstmal nichts zu tun. Dem Sakon setzt man das Gute, das Gewissen und die Gerechtigkeit entgegen, und dies tun sowohl die „normalen Bürger“ als auch die Machthaber. 

    Gesetz versus Gerechtigkeit

    Ein Fall, der in den 2000er Jahren für viel Aufruhr sorgte, war das Gerichtsverfahren gegen Michail Chodorkowski: Im Mai 2005 wurde der ehemalige YUKOS-Chef wegen Steuerhinterziehung und Privatisierungsbetrug zu neun Jahren Haft verurteilt. In einem zweiten Verfahren (wegen Unterschlagung und Geldwäsche) kamen noch sechs weitere Jahre hinzu. 
    Auf die Frage, ob es gerecht sei, dass Chodorkowski im Gefängnis ist, antwortete Wladimir Putin beim Direkten Draht 2010 mit einem Zitat aus einem sowjetischen Film: „Ein Dieb gehört ins Gefängnis“.4 Abgesehen von der rhetorischen Plausibilität, machte sich Putin mit diesem Zitat angreifbar: Mit eben diesem Satz erklärt ein Ermittler im gleichen Film, warum er einem Dieb das angeblich gestohlene Portemonnaie heimlich selbst untergeschoben und ihn dann quasi auf frischer Tat ertappt hatte. Ein Dieb gehört ins Gefängnis – das ist gerecht. Wie er dort aber hineingerät, das ist eine andere Frage.

    So glaubte ein Jahr vor dem Urteil (2004) über Chodorkowski fast die Hälfte der Gesellschaft, das Gericht werde ihm gegenüber keine Gerechtigkeit walten lassen und weder objektiv noch unbefangen sein5. 2013 meinte mehr als ein Drittel, dass er „auf Bestellung von oben“ verurteilt wurde.6 Es gab jedoch so gut wie keine Proteste: Auch wenn es im Fall Chodorkowski keinen gerechten Prozess gab, so schien vielen die Tatsache, dass er im Gefängnis ist, gerecht zu sein. Schließlich gehörte er zu einer Gruppe von Oligarchen, die in den „wilden“ 1990er Jahren ihre Vermögen ungerechterweise erworben hatten.7 Das gab Chodorkowski selbst zu: Der Kauf von YUKOS 1996 sei nicht gerecht gewesen. Aber legal. „Ich habe [YUKOS], wie alle anderen, nach damaligen Gesetzen gekauft“,8 kommentierte er die Situation nach seiner Begnadigung, die im Dezember 2013 erfolgte. 

    Der Knoten aus den unterschiedlichen Fäden von Recht und Gerechtigkeit ist in diesem Fall extrem verwickelt: Eine gesetzeskonforme, aber als ungerecht empfundene Tat (der Kauf von YUKOS) wird durch eine unrechtmäßige und politisch motivierte staatliche Reaktion (die Verhaftung Chodorkowskis) kompensiert, die in den Augen der Bevölkerung die Gerechtigkeit wiederherstellt. Multipliziert mit einer Menge anderer Faktoren, die reine Spekulation sind (der Staat wolle YUKOS enteignen, Chodorkowski finanziere die Opposition und bereite einen Umsturz vor et cetera), wird klar, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung des Falles unmöglich ist, die konkreten Gesetze, die nicht eingehalten wurden, ernst zu nehmen.

    Rechtlicher Pluralismus

    Das ohnehin komplexe System ist in der Tat noch komplexer, weil in Russland offensichtlich ein rechtlicher Pluralismus herrscht. Neben den staatlichen Gesetzen gelten in der wirtschaftlichen und auch in der politischen Praxis gleichzeitig die sogenannten ponjatija: ein System von Normen und Regeln, denen alle Mitglieder einer Gemeinschaft zu folgen haben. Russische Ponjatija, auch worowskoi sakon (dt. „Diebesgesetz“) genannt, sind in der kriminellen Subkultur verwurzelt. 
    Auch wenn kriminelle Autoritäten – als Diebe vor dem Gesetz oder auch als sakonniki bezeichnet – heute nicht mehr aktiver und dominanter Teil der russischen Gesellschaft sind, anders als noch in den sogenannten „wilden“ 1990ern: Die Ponjatija sind geblieben und wirken weit über die kriminelle Welt hinaus.9 Praktiken wie der otshim (dt. in etwa „Abpressen“ oder „Enteignung“) eines Unternehmens, sanos (von sanesti, dt. „etwas vorbeibringen“) und otkat (dt. etwa „zurückschaffen“, im Sinne einer Gegenleistung für Korruption) sind ein Echo dieses Pluralismus.

    Ein anderes Beispiel für den rechtlichen Pluralismus ist auch die Schattenwirtschaft, zu der in Russland schätzungsweise über 30 Millionen Menschen gehören. Die Betreiber der sogenannten Garagenwirtschaft etwa tun alles dafür, um sich vom Staat fernzuhalten. Sie lassen sich nicht von staatlichen Gesetzen, sondern vielmehr von einem System informeller Regeln und Normen leiten und bilden dabei auch eigene Verwaltungs- oder sogar Gerichtsorgane. Die Garashniki haben kein schlechtes Gewissen, weil sie dabei gegen das Gesetz verstoßen. Genauso wenig wie Lehrer, die Nachhilfe anbieten und die Einnahmen nicht versteuern, oder Bauern, die keinerlei Kontrolle unterstehen und eigene Netzwerke für den Verkauf ihrer Waren nutzen. Wenn der Staat als ungerecht wahrgenommen wird, dann ist es für viele ein legitimer Akt, diesem Staat Steuern vorzuenthalten und den eigenen gerecht erarbeiteten Lohn zu schützen.

    Achtet eure Verfassung!

    Das schwierige Verhältnis zum Gesetz in der russischen Kultur wird von Kulturwissenschaftlern zum einen mit einer unterentwickelten rechtlichen Begrifflichkeit erklärt, und zum anderen damit, dass die Bevölkerung grundlegende Gesetze nicht kennt. Viele Gesetzestexte sind für die Menschen auch nicht zugänglich, weil sie nur als geheime Ukasy existieren. Aber auch wenn die Texte veröffentlicht werden, werden diese und selbst die russische Verfassung nur selten gelesen: Laut einer Umfrage haben fast 40 Prozent der Gesellschaft nie die Verfassung gelesen, weitere 50 Prozent können sich kaum erinnern, was darin steht.10
    Die Menschenrechtsbewegung hat in Russland daher neben aufklärerischer Tätigkeit eine wichtige Aufgabe: die Menschen vor Gericht im Rahmen der bestehenden Gesetze zu schützen. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die Regierung dazu zu bewegen, diese bestehenden Gesetze auch einzuhalten: Im Ranking der Rechtsstaatlichkeit von The World Justice Project besetzte Russland 2017-18 Rang 89 von 113. Der berühmte Aufruf aus den 1960er Jahren, der Entstehungszeit der Menschenrechtsbewegung, gilt also immer noch: „Achtet die Verfassung!“

    Verurteilte als Unglückliche

    Als eine spezielle Variante des lateinischen Sprichwortes dura lex, sed lex (dt. „Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz“) kursiert in Russland der Spruch „Die Härte russischer Gesetze wird dadurch gemildert, dass man sie nicht einhalten muss“. Er wird dem Dichter Pjotr Wjasemski zugeschrieben und gehört seit dem 19. Jahrhundert zum Schatzkästchen russischer Volksweisheiten. 
    Die repressiven Gesetze, die nicht nur das Erbe voriger Epochen, sondern durchaus auch Verfehlungen der Gegenwart sind, können gar nicht flächendeckend wirken: Das sogenannte Jarowaja-Gesetz setzt beispielsweise die Sperrung aller Online-Anbieter voraus, die sich weigern, dem Geheimdienst FSB ihre Dechiffrier-Schlüssel zur Verfügung zu stellen: Der Messenger-Dienst Telegram etwa tat dies nicht, funktioniert in Russland aber mit Einschränkungen weiterhin. Für die Teilnahme an einer nicht genehmigten Protestaktion droht per Gesetz eine 15-tägige Haft, solche Proteste finden aber immer wieder auch unbehelligt statt.11 Leonid Wolkow, der Kampagnenchef von Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Strafe in diesem Zusammenhang auf etwa ein Prozent ein.12

    Auch außerhalb des politischen Lebens ist die Bereitschaft, „von außen, von jenseits der Gesetzesgrenze zu gucken“ recht hoch. Fast jeder bewegt sich zeitweise außerhalb des Gesetzes und jeder kann zugleich stillschweigend ein Gesetzesbrecher sein. Man fühlt sich vom Staat betrogen und dazu gezwungen, keine Steuern zu zahlen oder zu klauen; es gibt zu viele Gesetze, die sich auch gegenseitig widersprechen, sodass man unweigerlich gegen eins dieser Gesetze verstößt. Nach dieser Logik kann praktisch jeder bestraft werden. Und jeder, der bestraft wird, hat Pech und verdient Mitleid.

    So gelten die 30 beim Bolotnaja-Prozess verurteilten Personen nicht als Verbrecher, sondern als zufällige Opfer des Regimes.13 Als Unglücklicher galt auch Chodorkowski, dessen frühzeitige Entlassung 2013 nur ein Drittel der Bevölkerung guthieß. Diese Bezeichnung der Verurteilten als „Unglückliche“ gelangte im 19. Jahrhundert sogar ins Wörterbuch der russischen Sprache.14 Die Frage nach der Schuld, beziehungsweise ob jemand gegen ein Gesetz verstoßen hat, spielte eine untergeordnete Rolle: „Nein, das Volk verneint das Verbrechen nicht und weiß, dass der Verbrecher schuldig ist. Das Volk weiß aber auch, dass es mit jedem Verbrecher die Schuld teilt“, kommentierte Fjodor Dostojewski das Phänomen.

    Schuld und Sühne

    Verstößt man gegen ein Gesetz, so begeht man ein prestuplenije (dt. „Verbrechen“). Wortwörtlich übersetzt: Man übertritt eine Schwelle, eine Grenze. Das Wort verwendete Dostojewski im Titel seines berühmten Romans Prestuplenije i Nakasanije, der ins Deutsche oft mit Schuld und Sühne übersetzt wird (Verbrechen und Strafe in der neuesten Übersetzung). Geleitet von einem speziellen Verständnis von Gerechtigkeit und der Überzeugung, ein Recht auf das Verbrechen zu haben, tötet der Protagonist zwei Menschen. Der größte Teil des Romans beschreibt den Weg zur Reue und bewussten Annahme der Strafe. 
    Dostojewski meinte, dass die Erfahrung der Sünde, der Überschreitung, für einen Menschen auf dem Weg zur Freiheit wichtig sei.15 Die Frage, ob das Verbrechen als Erfahrung der Grenzüberschreitung im russischen Bewusstsein den Weg zur Freiheit ebnet, bleibt offen. 


    1. Kommersant: Otkrytoe pis´mo Vladimira Putina k izbirateljam ↩︎
    2. vgl. Ėtimologičeskij slovar‘ russkogo jazyka: Zakon und Stepanov, Jurij (2004): Zakon, in: Konstanty: Slovar´ russkoj kul’tury, Moskau, S. 592-593 ↩︎
    3. Slovardalja.net: Zakon ↩︎
    4. Mesto vstreči izmenit´ nel´zja (dt. „Der Treffpunkt kann nicht geändert werden“), 1979, Regie: Stanislav Govoruchin, Schauspiel u. a. Vladimir Vyssotskij ↩︎
    5. Lenta.ru: Polovina rossijan ne verit v spravedlivost´ suda nad Chodorkovskim ↩︎
    6. Levada.ru: Obščestvennoe mnenie o Chodorkovskom ↩︎
    7. Vedomosti: Možet li Putin zakryt´ temu privatizacii und „Chodorkowski ist ein Oligarch, er soll im Gefängnis bleiben”, sagte ein politischer Aktivist in einem Interview im Rahmen des Forschungsprojektes Comparing protest actions in Soviet and post-Soviet spaces ↩︎
    8. Vedomosti: Chodorkovskij nazval priobritenie JUKOSA nespravedlivym no zakonnym ↩︎
    9. Volkov, Vadim (2014): Ponjatijnoe pravo, in: Po tu storonu prava: zakonodateli, sudy i politsija v Rossii, Moskau, S. 61 ↩︎
    10. Interfax.ru: Počti 40 % rossijan nikogda ne čitali Konstitutsiju ↩︎
    11. Die Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen im Rahmen von Nawalnys Kampagne wurde auch damit gerechtfertigt, dass das Gesetz, dem die Registrierungspflicht zugrunde liegt, nicht verfassungskonform sei. Hier wird ein höher stehendes Recht, das zugleich als legitim betrachtet wird, dafür herangezogen, ein niedriger stehendes Recht als „ungerecht“ zu diskreditieren und seinen Bruch zu legitimieren. ↩︎
    12. Novaya Gazeta: Leonid Volkov: „Est´ vyžžennoe pole, i na njom tol´ko my“ ↩︎
    13. Die im Rahmen des Bolotnaja-Prozesses verurteilten Personen werden als Usniki Bolotnoj (dt. „Eingekerkerte vom Bolotnaja-Platz“) bezeichnet, das Wort Usnik hat dabei eine sehr starke Färbung, die auf eine ungerechte Haft hinweist. Die Tradition, verurteilte Oppositionelle als Opfer oder sogar als Märtyrer wahrzunehmen, geht ins 19. Jahrhundert zurück. Die literatur- und kulturwissenschaftliche Forschung zeigt, dass politische Terroristen, die hochrangige russische Politiker ermordet haben, im großen und gebildeten Teil der Gesellschaft als Heilige galten, die ihr Leben im Kampf gegen Ungerechtigkeit opferten, vgl. Siskina, L. I. (2016): Estetika smerti i etika vozmezdija: russkij političeskij terrorizm načala XX. veka v sovremennom kontekste, in: Upravlenčeskoe konsultirovanie, Nr. 5 (89), S. 212–219 ↩︎
    14. „Als ‚Unglückliche‘ [„Nesčastnye“] bezeichnet das Volk alle nach Sibirien Verbannten überhaupt“, aus: Dal´, Vladimir: Tolkovyj slovar´ zivogo velikorusskogo jazyka, zit. nach: Stepanov, S. 599 ↩︎
    15. vgl. Berdjajew, Nikolaj (1968): Mirosozercanie Dostoevskogo, Prag (Kapitel: Freiheit) ↩︎

    Diese Gnose wurde gefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

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  • Murka

    Murka

    Im Kultfilm Mesto wstretschi ismenit nelsja (dt. „Den Treffpunkt darf man nicht ändern“), mit dem berühmten Sänger Wladimir Wyssozki in der Hauptrolle, gibt es eine Szene, die ebenso Kultstatus erreichte: Ein Mitarbeiter des Moskauer Kriminalamtes kommt zu einer Bande und gibt sich als Kleinkrimineller aus, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden sei und eine wichtige Information von einem Insassen zu überbringen habe. Da die Kriminellen befürchten, er könne ein Polizist sein, wird Wolodja Scharapow, so der Name des Kriminalbeamten, von ihnen verhört: Wer er sei, wie er ins Gefängnis geraten sei, was er davor gemacht habe. Als Wolodja sagt, er habe in Restaurants Klavier gespielt, soll er ein Stück zum Besten geben. Er spielt eine Etüde von Chopin. Die Banditen scheinen wenig überzeugt. „Was soll ich denn sonst spielen?“, fragt Wolodja. „Murka!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

    Murka ist wohl das bekannteste russische Lied, das mit kriminellen Subkulturen und dem sogenannten russischen Chanson verbunden ist. Als Urheber gilt zwar der Dichter Jakow Jadow (1873–1940), das Lied existiert aber in zahlreichen Varianten und gehört eher zum allgemeinen Liedgut. Wenn es auch in Details, Reimen und im Text Unterschiede gibt, bleibt das generelle Sujet des Liedes stets unberührt: Es geht um Liebe, Verrat und Tod.

    Sujetwandel

    Murka ist ein üblicher Name für Katzen, eine Lautmalerei, denn mur-mur machen Katzen auf Russisch. Außerdem ist Murka ein – vielleicht auch wegen des Liedes derzeit eher unüblicher – weiblicher Kosename, abgeleitet von Maria (Mascha, Marusja). 
    In der vermutlich älteren Varianten des Liedes, die der russische Volkskundler und Liedersammler Wladimir Bachtin entdeckt hatte1, war kein Bezug auf die kriminelle Welt vorhanden: Das lyrische Ich, das mit Murka in einer Beziehung war, sieht diese im Restaurant tanzend mit einem Hallodri, lauert ihr dann vor ihrem Haus auf, und erschießt sie: „Du hast mich geliebt, dann hast du mich vergessen / und dafür bekommst die Kugel“, lauten die letzten Zeilen des Liedes.

    Schon seit den 1920er Jahren kursieren aber Versionen, in denen Murka zur kriminellen Autorität einer Bande in der südlichen Hafenstadt Odessa wird. Mal wird ihre Schönheit besungen, mal ihre List und ihr Mut. Einmal gehen die Mitglieder der Bande auf Diebeszug in ein Restaurant, wo sie Murka sehen – mit Agenten des Moskauer Kriminalamtes und mit einer Nagant Pistole – ein Kennzeichen der sowjetische Polizei. Ähnlich wie in der nicht-kriminellen Variante des Liedes wird Murka am Ende umgebracht: „Stumme Stille, nur der Wind heult / Wir fanden eine verborgene Ecke / und haben Murka in ihrer Lederjacke [auch ein Kleidungsstück, das für die Geheimpolizei in der Sowjetunion sehr typisch war – dek] umgebracht … / Der rote Kamm ist aus dem Haar gerutscht“, so eine der Varianten.

    Murka – MUR – Moskauer Kriminalamt

    Berühmt wurde das Lied in dieser kriminellen Variante. Der Name Murka steht hier auch für die russische Abkürzung des Moskauer Kriminalamtes: Moskowski ugolowny rosysk, kurz: MUR.

    Immer wieder werden Versuche unternommen, die „reale Grundlage“ des Liedtextes aufzudecken. In manchen Varianten wird Murka sogar namentlich genannt, nämlich als Marusja (Maria) Klimowa („Murka, Marusja Klimowa, verzeih deinem Geliebten!“). Die Boulevardzeitung Sowerschenno sekretno (dt. „Streng geheim“) veröffentlichte Artikel über die einzige bekannte Maria Klimowa, geb. 1897, die im Moskauer Kriminalamt tätig war und als Kapitän der Miliz beurlaubt wurde.2 Ob sie mit dem Lied etwas zu tun hat, ist allerdings höchst umstritten, und selbst wenn, bleibt Murka eher eine folkloristische als reale Figur, die ein ganz eigenes Leben in der sowjetischen und auch postsowjetischen Kultur entfaltet hat.3

    Obwohl es um Kriminelle und Banditen geht, und das Lied voller Jargonwörter ist, die nicht einmal jeder Muttersprachler kennt, ist der Chanson weit über die Grenzen der kriminellen Subkultur hinaus beliebt. Wladimir Bachtin meint, „die Intelligenzija erlebe seine Ungewöhnlichkeit, Exotik, erlebe es ästhetisch“.

    Da ist nicht nur die Grundlage des Sujets, die manch gebildeten Zuhörer sicher an Carmen erinnert oder an die Gestalt von Katka aus dem revolutionären Poem Zwölf von Alexander Blok.4 Sondern da ist auch die Tango-Melodie, die zur Grundlage auch für viele andere blatnyje Chansons geworden ist, und der Text selbst: einfache, nicht stilisierte Wörter, lebendige Intonationen.

    Zeichen der Zugehörigkeit

    Das Lied wurde dementsprechend nicht nur von „russischen Chansonniers“, wie Grigori Leps und Michail Schufutinski, sondern auch von Schlager- und Popsängern sowie Symphonieorchestern interpretiert. Erhalten geblieben sind ebenfalls Murka-Aufnahmen von Wladimir Wyssozki. Auch Politiker wie Wladimir Shirinowski, Natalja Poklonskaja und, nach eigenen Angaben, Wladimir Putin5 gaben den Chanson zum Besten. Somit ist Murka nicht nur Teil der kriminellen Subkultur, sondern auch der Pop-, und sogar der internationalen Klassikkultur sowie ein Element des politischen Lebens.

    Als Wolodja, der Protagonist des eingangs erwähnten Filmes, Murka auf dem Klavier vorspielt, wird er sofort als ein Krimineller akzeptiert. Im Film führt das Kriminalamt am Tag darauf einen Spezialeinsatz durch, bei dem die gesamte Bande festgenommen wird. In gewisser Hinsicht schließt sich hier der Kreis: Der Kriminalbeamte rächt im Film den im Lied begangenen Mord an einer seiner Kolleginnen. Ob es bei den Darbietungen des Liedes von russischen Politikern um eine Message an die Wählerschaft gehen soll, ist unklar. Wenn ja, kann sie sicher nicht eindeutig interpretiert werden. Einerseits kann es heißen: Wir sprechen dieselbe Sprache wie ihr und gehören zur gleichen Kultur. Andererseits: Passt auf, es geht um einen Sondereinsatz. So oder so, an der Beliebtheit des Liedes ändert es nichts.

     


    1. Bachtin, Wladimir (1997): „Murkina“ istorija, in: Neva, Nr. 4, S. 129 ↩︎
    2. Sovsekretno.ru: Murka iz MURa ↩︎
    3. Das Sujet lag auch der gleichnamigen Serie „Murka“ zugrunde, die 2016/2017 im Ersten Kanal gezeigt wurde. ↩︎
    4. Nikolaeva, T. M.: Russkaja ženščina v gorodskom (blatnom) šansone, in: Fol’klor i postfol’klor: struktura, tipologija semjotika ↩︎
    5. NTV: „Ja že vydajuščijsja muzykant“: Putin rasskazal kak igral „Murku“ ↩︎

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  • Editorial: Gekentertes Boot, Wlan-Asyl und beinahe-Übernachtung im Zugdepot

    Editorial: Gekentertes Boot, Wlan-Asyl und beinahe-Übernachtung im Zugdepot

    „Guten Morgen! Bei mir haben sich gestern einige Ereignisse denkbar ungünstigst verkettet (Polen, Boot gekentert, Schlüssel verloren, letzten Zug verpasst), sodass ich die Nacht fast gar nicht geschlafen habe, ich aktuell nicht in meine Wohnung komme und nun hier in Pankow mit einem geliehenen Computer sitze … Mit den verbliebenen Energie-Reserven mache ich mich nun an Social-Teaser und die Texte für die Planerka.“ So fing mein Kollege Daniel, den ihr dank der dekoder-Sendung ja sicher gut kennt, um 09:37 Uhr am 11. August 2016 seinen Arbeitstag an.

    „Oh weh! das klingt nach erzählenswert, mal abgesehen vom ungünstig-Faktor!“, antwortet dekoder-Gründer und damals-noch Herausgeber Martin eine Minute später. 
    „Großer Mist!“, kommentiert Alena das Ereignis.
    Tamina war am vorangegangenen Tag zwar nicht in Polen, ihr geht es aber auch nicht so dolle. Um 09:59 Uhr schreibt sie: “Hallo! Leider auch hier kleines Fiasko: komme nicht ins Netz. Router kaputt. Habe mir nun Wlan-Asyl organisiert, von wo ich nachher auch in Ruhe planerken kann (geht im Cafe hier ums Eck nicht). Bin in voraussichtlich 20 Minuten endlich online!! Uffz.“
    Trotz allem schreibt Alena gegen 11 Uhr: „Ich grätsche hier mal dazwischen, um zu verkünden, dass die Silowiki online sind: https://www.dekoder.org/de/article/krieg-der-silowiki-machtkampf-russland-kreml-putin“. 
    Wer dekoder-Abläufe von innen kennt, weiß: dieser Ankündigung folgt ein Emoji (:tada:) von allen. Das ist obligatorisch. 

    Worum geht es hier eigentlich? Es geht um unsere interne Kommunikation. Ihr wisst vielleicht, dass wir dezentral arbeiten. Wir haben zwar ein Redaktionsbüro in Hamburg, die Hälfte von uns wohnt aber in Berlin. Außerdem haben wir von so vielen verschiedenen Orten aus gearbeitet, dass wir dafür eine besondere Karte gebastelt haben. Je nachdem, wo man sich befindet, kommt es immer wieder zu solchen Dialogen wie: „Man hört dich gar nicht!“, „Sorry, das ist das Meer, ich mache das Fenster zu“ oder „Man hört nichts, nur irgendwelche exotischen Vögel“, „Ok, ich mache erstmal mein Mikro aus“.

    Wir treffen uns regelmäßig offline, das wichtigste ereignet sich aber online, mit allen Vor- und Nachteilen der Internet-Kommunikation. Unser Kommunikationssystem ist in den letzten drei Jahren zu einer Sammlung toller Geschichten geworden, und wenn man diese durchforstet, stößt man hin und wieder auf wunderbare Erzählstücke, auf lustige, traurige, freudige, schreckliche, abenteuerliche, was-auch-immer Ereignisse, die inzwischen passierten. 

    In diesen drei Jahren haben wir auch eine spezielle dekoder-Sprache entwickelt, die wir hin und wieder auch woanders benutzen, dann aber in der Regel auf fragende Blicke stoßen. Planerkas (von russ. planjorka) sind die Redaktionssitzungen, bei denen wir ausführlich Texte besprechen und auswählen. Letutschken (von russ. letutschka) heißt bei uns, schnell über einen Text oder eine Sache zu voicen. Voicen (Verb, auch jemanden anvoicen) heißt online-sprechen. Als Blurbs bezeichnen wir kurze Erklärtexte, die als pop-up Kommentare erscheinen, wenn ihr mit dem Maus über die blau markierten Wörter geht. Gnosen … das wisst ihr schon (sonst, könnt ihr hier nachschlagen). Die Texte müssen verblurbt oder vergnost werden (es müssen also Blurbs geschrieben und Gnosen bestellt werden). Wissenschaftler, die für uns schreiben, werden Gnosenautoren (oder schlicht Gnosisten) genannt. 

    Ohne internes Trolling geht es auch nicht. Der hashtag #rikehathunger bezieht sich auf die angebliche Eigenschaft einer Kollegin von uns (höhö!). Daniel, der im Berliner Homeoffice arbeitet, lacht uns Hamburger ständig aus, wenn wir über unser Wetter hier erzählen und Fotos oder Videos aus dem Bürofenster posten. #alenabauteineneuetabelle ist auch ständig ein Thema. Sie hat eine besondere Beziehung zu Tabellen und nimmt sie sicher als lebendige Wesen wahr: „Meine Tabelle sagt nein“, kann man oft von ihr hören.

    In diesen drei Jahren sind in der großen dekoder-Familie vier Kinder geboren, es wurden zwei Hochzeiten gefeiert (eine steht im September noch an!), zwei Fahrräder gestohlen, es sind etliche Smartphones zerbrochen, ertrunken, gewaschen worden, ein eingeschlafener Mitarbeiter (ich sage nicht, wer ;-)) wurde auf der Rückreise von einer dekoder-Präsentation nachts im leeren Zug ins Depot abtransportiert, aus dem er in einer echten Lokomotive zurück zum Bahnhof gefahren wurde; es gab Staus, Zugausfälle, Wlan-Zusammenbrüche, lustige Tippfehler, falsche Texte im Redaktionssystem, bedenkenswerte (und ebenso falsche) Autoverlinkungen der Gnosen (SchaFSBock, KRIMinelle)…
    Das wichtigste bleibt aber weiterhin Alenas Ankündigung: Der Artikel/die Gnose/das Visual/die Debattenschau ist online. Alle im virtuellen Raum anwesenden setzen (:tada:), freuen sich ein paar Minuten, und es geht weiter: „Super, ich mach dann schnell social“, schreibt Daniel, die Gnose ist angekommen, schreibt Anton, die Übersetzung ist rausgegeben schreibt Rike, seid ihr bereit für die Planerka, schreibt Tamina. 

    Das Editorial ist fertig, schreibe ich, 

    Leonid

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