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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • LGBTQ-Verbot: „Ein gigantischer Raum für Willkür“

    Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat am 30. November die „internationale LGBT-Bewegung“ zur „extremistischen Organisation“ erklärt. Menschen aus der Community sehen sich in Russland schon seit Jahren mit immer restriktiveren Gesetzen konfrontiert. Im Juni etwa wurde – angeblich zum Schutz vor ausländischer Einflussnahme – ein Gesetz beschlossen, das geschlechtsangleichende Operationen verbietet. Zuvor wurde das seit 2013 bestehende Verbot „homosexueller Propaganda“ ein weiteres Mal verschärft

    Der Politikwissenschaftler Sergej Medwedew erinnert auf seiner Facebook-Seite an einen Auftritt des russischen Pop-Duos Tatu vor 20 Jahren, bei dem die beiden Sängerinnen „Fuck War“-Shirts getragen und sich auf der Bühne geküsst haben: „Dafür würden sie heute 20 Jahre bekommen. We’ve come a long way baby“.

    Obwohl das Urteil offiziell erst 2024 in Kraft treten soll, gab es in Moskau bereits einen Tag nach der Verkündigung erste Razzien in Clubs und Saunen. In Sankt Petersburg hat der bekannte Szeneclub Central Station vorsorglich den Betrieb eingestellt. Welche weiteren Folgen von dem Verbot zu befürchten sind, darüber schreibt Kirill Martynow, Chefredakteur der Novaya Gazeta Europe, in einem Kommentar auf Twitter.

    Symbolbild © ITAR-TASS/imago images

    Ich habe den Eindruck, dass nicht allen meinen Landsleuten klar ist, was heute passiert ist. Die Entscheidung des Obersten Gerichts bezüglich LGBTQ-Personen wird für noch mehr Leid und Demütigung queerer Menschen sorgen. Sie ist zudem ein fundamentaler Verstoß gegen die Rechtsgrundlagen des Staates (oder zumindest gegen das, was davon noch übrig war). Und das betrifft uns alle, sogar die Homophoben. Russland schießt sich, wie Dimitri Rogosin [an einem Schießstand 2015 – dek], selbst ins Knie. 

    Das Urteil beraubt die Menschen ihrer Grundrechte, allein dafür, dass sie existieren

    Warum auch Homophobe unter dem „Extremismus“-Urteil leiden werden? Weil es seit dem 30. November 2023 in Russland rechtens ist, Menschen dafür zu verfolgen, wer sie sind. Jetzt muss ein Mensch nicht an politischen Aktionen teilnehmen oder Mitglied einer politischen Organisation sein, um verfolgt zu werden. Wenn Homosexuelle per se zu Mitgliedern einer extremistischen Bewegung erklärt werden, kann es jederzeit auch andere Gruppen treffen. Wie das Apartheidsregime in Südafrika oder die Nürnberger „Rassengesetze“ in Nazi-Deutschland beraubt das Urteil des Obersten Gerichts Menschen ihrer Grundrechte, allein dafür, dass sie existieren. Ramsan Kadyrow behauptete nach zahlreichen Fällen von Folter und Morden an queeren Menschen, in Tschetschenien gebe es keine Schwulen. Jetzt tut das Oberste Gericht das Gleiche für ganz Russland.

    Wie im Fall des „Röhm-Putschs“ in Nazideutschland, hängt auch der gegenwärtige Verstoß gegen die Rechte von Millionen Menschen in Russland mit einem politischen Machtkampf zusammen: Putin droht keine Gefahr von innen, aber gerade vor den Wahlen braucht er „Geschlossenheit“ gegen die „westlichen Agenten“. Der Duma-Abgeordnete Andrej Guruljow schlug einmal vor, 20 Prozent der russischen Bevölkerung, die Putin nicht mögen, zu vernichten. Nun ist seine Idee gar nicht so weit weg von der Wirklichkeit. Sie fangen einfach mit LGBT an.

    Staatlich geförderte Hetze

    Kommen wir zu konkreten Auswirkungen. Was gerade passiert, kann auf zweierlei Weise interpretiert werden. In einem gemäßigten Szenario werden die LGBTQ-Gegner mit Beginn des neuen Jahres, wenn das Urteil des Obersten Gerichts in Kraft tritt, wie schon bei den anderen Kampagnen gegen „Extremismus“ vorgehen: mit Bußgeldern für Symbole, Strafverfahren gegen „Anstifter“ und „böse Gesetzesbrecher“. Das hieße: Wer nicht auffällt, überlebt. 

    Das Problem dieses gemäßigten Szenarios ist, dass queere Menschen eine enorm große „extremistische Organisation“ sind und die staatliche Hetzkampagne gegen sie in einer homophoben Gesellschaft betrieben wird. Das bedeutet, dass das Oberste Gericht – und natürlich auch Putin, es ist ja seine Kampagne – einen gigantischen Raum für Willkür eröffnen. Menschen werden denunziert, bedroht und erpresst werden. Das alles gab es in der Geschichte der Diskriminierung queerer Menschen schon sehr oft. Der Unterschied liegt bloß darin, dass der Hass und die Hetze nun staatlich gefördert werden und in einer Gesellschaft stattfinden, die vor nicht allzu langer Zeit relativ offen war.

    Es entsteht ein regelrechter Markt der Gewalt, der staatlich befördert wird

    Menschen, die sich nie mit der Geschichte des Kampfes von queeren Menschen für ihre Rechte befasst haben, verstehen oft nicht, wozu es Veranstaltungen wie den CSD gibt. Ihre wesentliche Funktion liegt darin, homosexuelle Menschen sichtbar zu machen, damit sie niemand damit erpressen kann „allen zu erzählen, was sie machen“. Ein offener Umgang mit sexueller Orientierung gibt in einer freien Gesellschaft Schutz gegen Gewalt und Erniedrigung.  

    Ich habe große Angst um die Menschen. Sie können wie in Tschetschenien zusammengeschlagen oder vergewaltigt werden, denn die Täter wissen, dass die Opfer die Straftat nicht anzeigen werden, um nicht auf die Liste der „Extremisten und Terroristen“ zu kommen. Es entsteht ein regelrechter Markt der Gewalt, der de facto staatlich befördert wird. 

    Tausende weitere Menschen werden aus Russland fliehen – Menschen, die bis zuletzt auf Veränderungen gehofft hatten und im Land geblieben waren.

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  • Alla Pugatschowa positioniert sich gegen den Krieg – Reaktionen

    Alla Pugatschowa positioniert sich gegen den Krieg – Reaktionen

    Mit nur einem Post auf Instagram löste sie ein kleines Erdbeben aus: Alla Pugatschowa, die Grande Dame der sowjetisch-russischen Popmusik, verurteilt darin erstmals öffentlich den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und bittet das Justizministerium, sie in die Liste der sogenannten „ausländischen Agenten“ aufzunehmen – aus Solidarität mit ihrem Ehemann, dem berühmten Comedian Maxim Galkin, der seit Freitag in dem Register geführt wird. Galkin hatte sich schon früher gegen den Krieg geäußert und daraufhin seine Sendung im staatlichen Ersten Kanal verloren. Nun beschuldigt ihn das Justizministerium, angeblich von der Ukraine finanziert zu werden.

    „Er ist ein ehrlicher, ordentlicher und aufrichtiger Mensch, ein wahrer und unbestechlicher Patriot Russlands, der seiner Heimat ein Aufblühen und ein friedliches Leben wünscht, Meinungsfreiheit und ein Ende des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele, die unser Land zu einem Geächteten machen und das Leben der Bürger erschweren“, schreibt Pugatschowa über ihren Mann. Der Post wurde hunderttausendfach gelikt und geteilt.

    In russischen Staatsmedien wurde meist nur der vordere Teil zitiert – und die Distanzierung vom Krieg ignoriert. In den Sozialen Medien und unter den Kommentatoren unabhängiger Medien erhielt Pugatschowa dagegen viel Beifall mit ihrer öffentlichen Positionierung. dekoder zeigt ausgewählte Reaktionen.

    Foto © Alexander Miridonow/Kommersant
    Foto © Alexander Miridonow/Kommersant

    Kirill Martynow: „Der Selensky für das patriarchale Russland“

    Pugatschowa wird in breiten Teilen der Gesellschaft geschätzt – für Kirill Martynow, Chefredakteur der Novaya Gazeta Europe, wäre sie daher eine geeignete Kandidatin für die nächste Präsidentschaftswahl:

    [bilingbox]Die Präsidentschaftskampagne „Pugatschowa 2024” mit dem Symbol der roten Rose und dem Slogan „Eine Million rote Rosen für den Frieden” ist so einfach, dass Sie sich nichts anderes mehr ausdenken müssen. Alla Borissowna, Sie sind der Selensky für das patriarchale Russland.~~~Президентская кампания Пугачевой-2024 с символикой алой розы и слоганом „миллион алых роз за мир“ это так просто, что даже придумывать ничего не нужно. Алла Борисовна, вы Зеленский патриархальной России.[/bilingbox]

    erschienen am 18.09.2022, Original

     
    Eine Million Rosen von Alla Pugatschowa (1982)

    The New Times: Putin ist eine unbedeutende politische Figur aus der Ära von Alla Pugatschowa

    Alla Pugatschowa ist unbezweifelt eine Autorität von epochaler Bedeutsamkeit. Dazu gibt es sogar einen Witz aus Sowjetzeiten, an den Andrej Kolesnikow in seiner Kolumne für The New Times erinnert:

    [bilingbox]Einer der bekanntesten Witze aus der Zeit der Stagnation: „Frage: Wer ist Leonid Iljitsch Breshnew?“ Antwort: „Eine unbedeutende politische Figur aus der Ära von Alla Borissowna Pugatschowa.“ Alla Borissowna hat als Frau der Epoche sowohl Breshnew als auch Andropow, als auch Tschernenko überlebt. […] Und nun gibt es einen Neuzugang in der Truppe der unbedeutenden politischen Figuren aus der Ära von Alla Borissowna Pugatschowa – diesen hohen Status hat sich Wladimir Wladimirowitsch Putin verdient.~~~Один из самых известных анекдотов времен застоя: «Вопрос: Кто такой Леонид Ильич Брежнев. Ответ: Мелкий политический деятель эпохи Аллы Борисовны Пугачевой». Алла Борисовна в статусе женщины-эпохи пережила и Брежнева, и Андропова, и Черненко, […] И вот отряду мелких политических деятелей эпохи А.Б. Пугачевой прибыло — этого высокого статуса удостоился Путин В.В.[/bilingbox]

    erschienen am 19.09.2022, Original

    Sergej Medwedew: Warum kann sie nicht die Ukraine nennen?

    Bei aller Zustimmung ist der Politologe Sergej Medwedew über den Wortlaut gestolpert – und glaubt, dass sich Pugatschowa hätte noch mehr erlauben können:

    [bilingbox]Wie alle freue ich mich über die Geste der Primadonna, doch wundere ich mich über ihre Motivation. Besteht das Problem etwa im „Tod unserer Jungs” und in der „Erschwerung des Lebens der russischen Bürger”? Sie kann sich ja alles Mögliche erlauben, auch den Gebrauch der Wörter „Krieg” und „Ukraine”. Tja, wahrscheinlich reicht das für das Publikum. Politisch ist das eine wichtige Äußerung, staatsbürgerlich eine wahrhafte Tat, und menschlich bin ich nicht ihr Richter und Redakteur, es stieß mir bloß auf. ~~~Я, как и все, рад жесту примадонны, но ее мотивация меня удивляет. Разве проблема в „гибели наших ребят“ и в „утяжелении жизни российских граждан“? Уж она-то может позволить себе, что угодно, включая слова „война“ и „Украина“. Впрочем, наверное, для аудитории хватит и этого. Политически это важное высказывание, граждански это поступок, а человечески я ей не судья и не редактор, просто резануло слух.[/bilingbox]

    erschienen am 18.09.2022, Original

     
    Alla Pugatschowa mit ihrem Song Primadonna im Finale des Eurovision-Songcontest 1997

    Ekaterina Schulmann: Wer nicht alles für die Ukraine arbeitet …

    Die nach Deutschland emigrierte Politologin Ekaterina Schulmann witzelt auf Telegram über den Vorwurf des Justizministeriums, dass Pugatschowas Mann Galkin und andere „ausländische Agenten“ angeblich von der Ukraine finanziert werden:

    [bilingbox]Wo hat die Ukraine denn das Geld her, um all diese Einzelpersonen zu finanzieren, die zu ausländischen Agenten erklärt wurden? Das ist ja kein Land, das ist ein Eldorado. Gordejewa arbeitet für sie, Galkin, Morgenshtern, Chodorkowski, Tschitschwarkin, Makarewitsch, Simin und sogar Belonika – die alle werden von der Ukraine bezahlt. Und das auch noch in Kriegszeiten, wo es ja noch so viele andere Ausgaben gibt. Wäre jetzt Frieden, dann könnte die Ukraine da wohl den ganzen Kreml aufkaufen.~~~Слушайте, а откуда у Украины денег столько на финансирование всех этих физлиц-иностранных агентов? Не страна, а какое-то Эльдорадо. И Гордеева на них работает, и Галкин, и Моргенштерн, и Ходорковского с Чичваркиным, и Макаревича, и Зимина и целую Белонику – всех Украина содержит. И это в военное-то время, когда других расходов полно. В мирное, наверное, вообще Кремль целиком скупит. [/bilingbox]

    erschienen am 16.09.2022, Original

    Alexander Baunow: „Heimat sind nicht die Mitglieder des Politbüros“

    „Heimat ist nicht der Arsch des Präsidenten, den man ständig bespeicheln und küssen muss“, rief Rocklegende Juri Schewtschuk bei einem Konzert im Mai. Alexander Baunow, ehemals Chefredakteur von Carnegie.ru, beschreibt auf seiner Facebook-Seite, was für ihn Heimat bedeutet:

    [bilingbox]In den 1980er Jahren stellte ich mir nicht die Frage, was Heimat war: Pugatschowa, Grebenschtschikow, Makarewitsch, Zoi oder die Mitglieder des Politbüros? Warum sollte es jetzt eine Frage sein? Verwundert sehe ich, wie bei einigen, darunter ganz jungen Menschen, diese Frage aufkommt. Quält euch nicht, die Antwort ist längst da, obwohl man sie natürlich noch einmal geben kann, wenn man sich nicht das Vergnügen nehmen lassen will, die Frage selbst zu beantworten. Die Heimat sind nicht die Mitglieder des Politbüros.~~~В 80-е у меня же не было вопроса родина – это Пугачева, Гребенщиков, Макаревич, Цой, или это члены политбюро? А сейчас почему он должен быть? С удивлением вижу, как у некоторых, в том числе младше годом рождения, этот вопрос возникает. Не надо мучиться, ответ давно дан, хотя можно дать его еще раз, не отказывая себе в удовольствии отвечать на этот вопрос самостоятельно. Родина это не члены политбюро.[/bilingbox]

    erschienen am 18.09.2022, Original

     
    Alla Pugatschowa und Udo Lindenberg singen gemeinsam Wozu sind Kriege da? (1987)

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    „Ich schäme mich – als Mensch, als Bürger dieses Landes“

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    Viktor Zoi

    Musik der Perestroika

  • „Genozid“ als Vorwand?

    „Genozid“ als Vorwand?

    Droht der Ukraine eine russische Invasion? „Das Risiko steigt,“ warnte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Wochenende in der ARD. Stoltenberg sagte, er befürchte, dass Russland derzeit einen Vorwand für einen Einmarsch suche.

    Am Freitag hatten Denis Puschilin und Leonid Pasetschnik die Bevölkerung per Videoansprache zur „Evakuierung“ aufgerufen. Die beiden sind die Chefs der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, wo Russland in der Vergangenheit auch massenweise russische Pässe ausgestellt hat. Wie später anhand von Video-Metadaten bekannt wurde, wurden die beiden Aufrufe offenbar schon zwei Tage zuvor aufgenommen – als die Lage vor Ort noch ruhig war. Mitte Februar 2022 hatte die Staatsduma zudem eine Initiative der KPRF verabschiedet, die beiden abtrünnigen Regionen als unabhängig anzuerkennen. Am heutigen Montag tagt der Sicherheitsrat dazu in einer außerordentlichen Sitzung. Die USA und weitere westliche Staaten warnen bereits seit Wochen davor, dass Russland einen Anlass für einen Angriff auf die Ukraine erfinden wolle. 

    Beim Besuch von Olaf Scholz am 15. Februar in Moskau sprach Präsident Wladimir Putin von einem „Genozid“ im Osten der Ukraine. Berichte im russischen Staatsfernsehen verbreiten diese Lesart: Im staatlichen Perwy Kanal erzählte RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan am Wochenende zuvor von angeblichen Gräueltaten der ukrainischen Armee im Osten der Ukraine und tausenden Kindern im Donbass „ohne Arme und Beine“. Weder UN noch OSZE sehen im Donbass dagegen Hinweise für einen Genozid.

    Genozid, Völkermord – die militärische Operation der NATO gegen Jugoslawien im Jahr 1999 legitimierten viele westliche Politiker damals als eine humanitäre Intervention, die NATO handle aus einer „Schutzverantwortung“ heraus. Derzeit weisen Beobachter immer wieder auf solche vermeintlichen Parallelen zum Kosovokrieg hin – als Russland auf der Seite Serbiens stand: Unter dem Vorwand eines „Genozids“ und einer „Schutzverantwortung“ könnte Russland nun auch die Ukraine angreifen.

    Auch in russischen unabhängigen Medien kommentieren Beobachter die jüngsten Ereignisse mit wachsender Sorge. Meduza hat am Freitag außerdem Bewohnerinnen und Bewohner der „Volksrepubliken“ zur aktuellen Lage befragt. dekoder bringt Ausschnitte daraus und aus der Debatte.

    Evakuierung aus der DNR / Foto © Denis Grigorjuk, Kommersant
    Evakuierung aus der DNR / Foto © Denis Grigorjuk, Kommersant

    Kirill Martynow: Den Krieg heranzüchten

    Kirill Martynow, Redakteur der Novaya Gazeta, kommentiert die aktuellen Ereignisse in einem emotionalen Post auf Facebook:
     

    Samstag, der 19. Februar, der Tag vorm Abschluss der Olympischen Spiele, hat Anschauungsmaterial wie aus dem Lehrbuch geliefert für die Entfesselung eines aggressiven Krieges.

    Was ist zu tun, wenn niemand Krieg will, du ihn aber dringend brauchst, um ernst genommen zu werden? Ein Schlüsselmoment ist hierbei die Entschmenschlichung des Feindes: Um ein Nachbarland zu überfallen, muss man erst einmal der eigenen Gesellschaft beibringen, dass in diesem Land Unmenschen leben, die eine Un-Sprache sprechen. Belofinnen, Belopolen, Banderowzy – you name it.

    Ein Schlüsselmoment ist die Entschmenschlichung des Feindes

    Von solchen Unmenschen ist immer und alles zu erwarten, deswegen wundert sich wohl niemand, wenn sie pünktlich, im Moment der Konzentration von zehntausenden mobilisierter Soldaten an ihren Grenzen, einen Tag vor Ende des Sportfestes in China, eine Jagd auf friedliche Bürger beginnen. Am Horizont erscheint ein gekreuzigter Junge von der Größe der Donbass-Gebiete: Um das Bild der unmenschlichen Grausamkeit zu vollenden, benutzt man Freitagabend Waisenkinder aus dem dortigen Kinderheim und bringt sie mitten in der Nacht irgendwohin. Wer bringt Kinder in eine solche Lage? Nur Todfeinde des guten russischen Volkes, Unmenschen.

    Pünktlich beginnen an der Grenze zur Russischen Föderation Granaten zu explodieren. Zum Glück gibt es keine Opfer, und woher die Granaten angeflogen kamen, ist auch nicht klar, aber das ist auch nicht wichtig, denn alles ist false flag – ein Täuschungsmanöver. Dazu sind nur die da in der Lage, die Untiere! 

    Die Evakuierung angesichts eines unsichtbaren Feindes entwickelt sich von allein in eine humanitäre Katastrophe – verbunden damit ist das Abpressen von Hilfsgeldern russischer Staatsbediensteter, die aufgerufen sind, Teile ihres Gehalts für „die Kinder des Donbass“ zu spenden. Zusätzlich wird es zu einem es zu einem Casus Belli, denn wenn den Menschen befohlen wird zu fliehen, dann ist die Lage ja sehr ernst. Für alle Fälle werden parallel dazu Männer, die in der Donezker und Luhansker Volksrepublik leben, unter dem Vorwand der Mobilmachung als Geiseln genommen – vielleicht töten die Unmenschen einige von ihnen.

    Der Krieg jedoch will einfach nicht beginnen, weil ihn immer noch niemand will, aber man muss ihn heranzüchten, ihm auf die Beine helfen, ihn mit Geld füttern und mit Propaganda aufblasen

    Vielleicht greifen die Unmenschen ja irgendwann auch Minsk an?

    In Donezk explodiert als erstes ein oller UAZ und wenig später stellt sich heraus, dass mit diesem Nummernschild bis vor Kurzem ein anderes, neueres Fahrzeug unterwegs war. Der hinterlistige Feind hat wohl vor dem Terroranschlag den neuen Geländewagen gegen den alten getauscht: So wirtschaftlich clever konzipiert ist die Operation Mungo-Volte – wie sie in den Metadaten [der Evakuierungsaufrufe] der Chefs der Donezker und Luhansker Volksrepublik heißt, aus denen auch hervorgeht, dass diese Eil-Videobotschaften bereits [zwei Tage – dek] zuvor aufgenommen worden waren. 

    Aus dem Kommandopunkt wird der Start unserer neusten Friedensraketen verfolgt. Ihren Flug beobachten auch die „harten Nüsse“ [Lukaschenko und Putin – dek]. Das Verteidigungsministerium erklärt, dass unsere russischen Truppen in einem weiteren Nachbarland so lange bleiben werden, wie es die aufgekommene internationale Anspannung erfordert. Vielleicht greifen die Unmenschen ja irgendwann auch Minsk an?

    Wir sind historisch doch die Unschuld in Person

    Die Unzufriedenheit in der Gesellschaft wächst quasi wie von selbst: In einer Spezoperazija hat die Duma die Bereitschaft erklärt, die DNR und LNR anzuerkennen. Jetzt ist der Sprecher des Parlaments empört, dass das Leiden der Kinder im Donbass westliche Politiker völlig kalt lässt. Die Regierung Kubas beschreibt die Politik des Westens als Hysterie und Provokation.

    Dimitri Peskow teilt uns seine historiosophischen Anschauungen mit, nach denen Russland in seiner gesamten Geschichte nie jemanden angegriffen hat. Ich denke, das ist ein seltener Fall, in dem Peskow aufrichtig spricht. Viele Menschen, bei denen Propaganda an die Stelle von Bildung getreten ist, teilen diese Ansicht: Diese Unmenschen an unserer Grenze provozieren uns – wir sind historisch doch die Unschuld in Person. 

    Die Mehrheit der Ungläubigen schweigt um des eigenen Wohles willen

    Die Qualität der Inszenierung wirkt, als hätte der betrunkene Chef eines Provinz-Jugendtheaters Regie geführt. Viele glauben ihr nicht, doch die werden dann zu Helfershelfern der Unmenschen und zu Feinden erklärt, und die Mehrheit der Ungläubigen schweigt um des eigenen Wohles willen. Beim Rest der Gesellschaft führt der ganz normale Konformismus zu der Haltung, dass der Krieg nun unausweichlich ist: Wir sind die belagerte Festung und müssen den Gürtel enger schnallen. Da muss doch was dran sein, wo Rauch ist, ist auch Feuer, schließlich könnte doch niemand so dreist unser großes Volk belügen und der Kaiser kann doch nicht nackt sein.

    Dimitri Kolesew: Humanitäre Krise als zusätzliches Argument und Druckmittel

    Dimitri Kolesew fasst die Geschehnisse in einem Überblicksartikel auf Republic zusammen – an dessen Ende geht er auch auf die Warnung von US-Präsident Biden ein, dass Russland plane, die ukrainische Hauptstadt Kiew anzugreifen:
     

    Die ausgerufene Evakuierung wirkt bislang eher wie der Teil einer Informationskampagne, die Russland im Konflikt mit dem Westen und der Ukraine braucht. Derzeit ist eher zweifelhaft, ob aus DNR und LNR tatsächlich große Flüchtlingsströme zu erwarten sind, für effektvolle Fernsehbilder inklusive ein paar Dutzend Bussen mit Frauen und Kindern wird es aber reichen.

    Die Frage ist, warum es notwendig ist, die Situation auf diese Weise anzuheizen. Die Vereinigten Staaten erklären nach wie vor, dass Russland eine kriegerische Invasion in die Ukraine vorbereitet, wobei sogar damit zu rechnen sei, dass sie bis Kiew vordringen wollen. Das ist eines der möglichen Szenarien, doch ist es nicht sehr wahrscheinlich. Und sei es nur, weil die an der Grenze zusammengezogenen Truppen für eine großangelegte Invasion oder Besatzung nicht ausreichen würden. 

    Für effektvolle Fernsehbilder inklusive ein paar Dutzend Bussen mit Frauen und Kindern wird es reichen

    Realistischer wirkt da schon die Variante eines Einmarschs russischer Truppen in das Gebiet von DNR und LNR, wo Russland de facto bereits vor Ort ist. Womöglich wäre dafür eine Anerkennung der beiden Republiken nötig. Das allerdings würde vom Westen als Verletzung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine gewertet werden, hätte harte Sanktionen zur Folge und würde die internationale Lage Russland noch mehr erschweren. Der Nutzen eines solchen Schritts liegt nicht auf der Hand.

    Womöglich hat Moskau nun in Reaktion auf die USA, die die Situation mit Erklärungen über eine unmittelbar bevorstehende russische Invasion aufgeheizt haben, die Unruhe gesteigert, indem es eine humanitäre Krise simuliert. Das könnte ein zusätzliches Argument und Druckmittel gegenüber Washington und Kiew sein, um Garantien für den Nichteintritt der Ukraine in die NATO und für die Erfüllung des Minsker Abkommens nach russischer Lesart zu bekommen.

    Meduza: „Auf uns wartet keiner, nirgends”

    Unmittelbar dem Evakuierungsaufruf am Freitag hat Meduza Stimmen vor Ort eingeholt. dekoder übersetzt Ausschnitte daraus.
     

    „Wir haben schon lange keine Angst mehr“
    Jelena, Schachtjorsk

    Ich selbst möchte nirgends hinfahren. Auf uns wartet keiner, nirgends – ja, und was ist mit der Arbeit, sowieso klar. Keiner will wegfahren. Die Leute glauben nicht, dass es Krieg geben wird. Und ich auch nicht: Ihr werdet sehen, es passiert nichts. Da bin ich sicher, Schluss, aus. Wir haben schon lange keine Angst mehr, wir sind an all das schon seit vielen Jahren gewöhnt.

    Mir scheint, das ist alles Politik. Russland wollte unsere Republiken anerkennen, dann sagte Putin: „Nein, nein, ich werde nichts anerkennen.“ Jetzt muss man einen Präzedenzfall schaffen. Was werden wir tun, wenn die Ukraine die DNR und LNR angreift? Wir werden die Republiken anerkennen, denn da leben viele unserer Bürger – die, die einen russischen Pass bekommen haben.
    Es ist unklar, warum das ausgerechnet jetzt passiert. In den letzten Jahren haben wir friedlich gelebt sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland.

    „Ich kämpf auch mit der Mistgabel gegen Ukro-Faschisty“
    Denis, Donezk

    Meine Familie und ich, wir sind 2014 nirgendwohin geflohen und haben auch jetzt beschlossen, hier zu bleiben. Ich bin 45 Jahre alt, hatte vor kurzem erst einen Herzinfarkt, meine Angina pectoris macht sich bemerkbar, aber wenn es richtig knallt, klar, dann kämpf ich sogar mit einer Mistgabel gegen die ukrofaschisty. Im Kriegsfall ist meine Hauptaufgabe meine Familie und mein Land zu schützen.

    Was die tatsächliche Situation vor Ort betrifft, da kann ich sagen, dass das, was sie in der Zombiekiste zeigen, stark übertrieben ist. Es sind bei weitem nicht alle willens wegzufahren. Viele wollen hier weiterhin wohnen bleiben, wie sie auch 2014 geblieben sind.

    „Die hätten jemanden aus Hollywood beauftragen sollen“
    Jewgeni, Donezk

    Ich wohne am Rande der Stadt. Bei uns wurde gestern nur ein bisschen geschossen und heute auch etwas – in der Ferne. Ich glaube, dass die Infrastruktur in der Stadt von den Einheimischen selbst vermint wurde. Mir scheint, sie haben sich nicht einmal viel Mühe gegeben. Die hätten doch jemanden aus Hollywood beauftragen sollen, um es etwas raffinierter zu machen. Einen UAZ im Stadtzentrum in die Luft jagen und behaupten, es sei der UAZ des Polizeichefs gewesen – das ist nicht mal lustig. Ich habe noch nie einen Polizeichef in einem UAZ gesehen. Ich glaube, die DNR-Behörden selbst haben sich das einfallen lassen. Ich glaube an eine Invasion der Ukraine, aber die Ukraine braucht das am wenigsten.

    Die Gescheiten – Geschäftsleute, Politiker, Banditen – haben dieses Gebiet 2014 verlassen. Ich blieb und fragte mich, was passieren wird. Für diese Regierung würde ich aber nicht in den Krieg ziehen. Ich werde nicht kämpfen, um meine Heimat zu verteidigen, weil ich ein anderes Land als mein Heimatland betrachte: Ich wurde als Ukrainer geboren, ich werde als Ukrainer sterben, einen russischen Pass will ich nicht.

    „Es hat einfach keinen Sinn, in den Krieg zu ziehen“
    Alexander, Makejewka

    Ich bin Wehrpflichtiger. Jetzt heißt es, dass sie schon von Haus zu Haus gehen und einberufen, bis jetzt ist noch niemand zu mir gekommen. Ich will nicht kämpfen. Ich denke, es muss nicht sein. Die Leute versuchen, ihre Taschen zu füllen und Macht aufzuteilen. Einer braucht ein Amt, ein anderer Geld. An der Macht ist jetzt, wer früher ein Niemand war. Jetzt haben sie Befugnisse und versuchen, sich etwas aus den Fingern zu saugen. Wer in den Krieg ziehen wollte, ist schon dort. Soldat in der Armee zu sein ist nur eine Verdienstmöglichkeit.

    Im Internet vergleichen viele die aktuelle Situation mit 1941 oder 1945. Damals haben die Menschen für ihre Heimat gekämpft, die Deutschen haben angegriffen. Gegen wen soll man aber jetzt Krieg führen? Gegen Brüder und Schwestern auf der anderen Seite? Viele haben Verwandte in der Ukraine. Viele. Wahrscheinlich jeder. Es hat einfach keinen Sinn, in den Krieg zu ziehen.

    Die Grundstimmung ist: „Kann uns nicht irgendjemand irgendwo aufnehmen.“ Wenn Russland uns aufnimmt – gut, damit könnten wir leben. Wenn die Ukraine uns aufnimmt, auch gut. Jetzt sind wir in einer Zwischenzone: In Russland scheint es einigermaßen gut zu laufen, auch in der Ukraine ist es ok, nur bei uns wie immer – nicht so richtig.

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  • Heiliger Bimbam

    Heiliger Bimbam

    Ein Mädchen kniet vor einem Mann, er blickt in die Kamera, sie kehrt dem Betrachter den Rücken zu, gut sichtbar auf ihrer Jacke die Aufschrift „Polizija“. Das Bild soll Oralsex imitieren. Nachdem es im Internet veröffentlicht worden war, wurden beide festgenommen: Der Blogger Ruslan Bobijew und seine Freundin Anastasia Tschistowa. Gegen beide wurde schließlich ein Strafverfahren wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ eingeleitet. Denn links im Hintergrund des Bildes gut sichtbar ist die Kathedrale auf dem Moskauer Roten Platz (die inzwischen übrigens hauptsächlich als Museum dient, nur ab und zu finden Gottesdienste statt). Ein Moskauer Bezirksgericht verurteilte den Blogger Ruslan Bobijew und seine Freundin Anastasia Tschistowa schließlich zu 10 Monaten Haft. Zudem, so berichtet die NGO OWD-Info, soll Bobijew nach Verbüßung der Haftstrafe nach Tadshikistan abgeschoben werden. 

    Nur kurz darauf musste das Instagram-Model Irina Wolkowa in Sankt Petersburg in einer Anhörung vor Gericht aussagen – sie hatte auf einem inzwischen gelöschten Post im Stringtanga vor der Petersburger Isaakskathedrale posiert, sie kniete am Boden, rechts neben ihr blickte ein Mann in die Kamera, der der Kirche den Rücken zukehrte. Wolkowa wurde ebenfalls wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ angeklagt, ihr droht eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.  

    Nun kann man darüber streiten, wie geschmackvoll solche Fotos sind, meint Kirill Martynow in der Novaya Gazeta – aber inwiefern verletzen sie tatsächlich religiöse Gefühle? Und was steckt eigentlich hinter einer solchen Anklage?

    Mit dem Fall Bobijew-Tschistowa wird ein Exempel statuiert. Er steht für die Tendenz der willkürlichen Sakralisierung des öffentlichen Raums – und zwar da, wo dies der Staatsmacht nützt. 

    Im städtischen Alltag entstehen so etwas wie „Zonen“ und „Radien“ des Göttlichen, die in keinem Gesetz erfasst sind, aber nach den unausgesprochenen Regeln der Russischen Föderation ihre Rechte einfordern. 
    Religiöse Gefühle überlagern sich mit dem „Stolz der Uniform“, sakrale Bauten mit der Präsenz eines polizeilichen Geistes, der Schlagstock mit dem Kreuz. Sie unterstützen einander bei der Urteilsfindung und schaffen Präzedenzfälle für die Sakralisierung der Macht. 

    Zeitgleich posiert TV-Moderatorin Olga Busowa auf dem Balkon ihres Hotels in Wolgograd im Badeanzug. Im Bildhintergrund zu sehen ist die Alexander-Newski-Kathedrale, doch Anklage gegen Busowa wurde bisher Gott sei Dank keine erhoben. In diesem Fall gilt die Regel, dass die Kirche einfach nur eine städtische Kulisse ist, dass das Heiligtum nicht in das Foto eingedrungen ist und keiner der Gläubigen Schaden genommen hat, zumindest nicht von strafrechtlicher Relevanz.  

    Wer diese Gläubigen eigentlich genau sind, bleibt ein Rätsel. Ohne Bastrykin Tipps geben zu wollen, wie er die Aufklärungsquote systematisch verbessern und zugleich auch die Bravheit der Bevölkerung erhöhen kann – aber: Fotos von halbnackten Menschen vor Russlands historischen Sehenswürdigkeiten, einschließlich Kathedralen, gibt es im Internet zu Tausenden.     

    Das Hauptproblem an der Sache ist, dass es keine klare Auflistung gibt, was jetzt neben Kirchen beziehungsweise mit Kirchen im Hintergrund verboten ist. Genauso wie es keine Antwort auf die Frage gibt, was für Formen der Verletzung religiöser Gefühle den Strafverfolgungsbehörden noch einfallen werden. Soll der öffentliche Verzehr eines Schaschliks während der Fastenzeit strafbar sein? Intuitiv würde man sagen, das wäre absurd, aber kann uns ein Experte erklären, worin sich ein Schaschlik in der Fastenzeit von einem Stringtanga vor einer Kathedrale unterscheidet? Und ob sich etwas ändert, wenn man vor einer Kathedrale während der Fastenzeit einen Schaschlik isst und sich dabei fotografieren lässt? Schreckliche, verdammte Fragen.     

    Die offizielle Haltung der Russisch-Orthodoxen Kirche scheint in diesem Kontext zu sein, dass das alles sehr notwendige, richtige und aktuelle Themen sind, die die Position der Kirche als geistliches Machtorgan stärken. Die biblische Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin hat keine Gültigkeit: Die anonymen Gläubigen haben genug Steine, und schmeißen sie auf jedes Ziel entlang der schwankenden Linie des Ermittlungskomitees.   

    Es bleibt aber nicht bei den Kathedralen. Vor einem Monat wurde in der Oblast Tscheljabinsk ein Obdachloser festgenommen, weil er am Ewigen Feuer seine Kleidung trocknen wollte. Allem Anschein nach befindet er sich nach wie vor in U-Haft – offenbar das einzige Dach über dem Kopf, das der Staat ihm anzubieten hat.    
    Oder auch das Beispiel des RGGU-Studenten Gleb Marjassow. Er hatte bei einer Protestaktion am 23. Januar im Alleingang „die Fahrbahn blockiert“ und dafür die berühmten zehn Monate Straflager aufgebrummt bekommen.

    Es zeichnet sich grundsätzlich eine Tendenz ab, Angeklagte in minderschweren, pseudopolitischen Fällen zu Freiheitsstrafen zu verurteilen. Auch wenige Monate Straflager sind besser als nichts – das ist die Devise der Gerichte. 

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  • Great Firewall of Russia?

    Great Firewall of Russia?

    Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die offiziellen Hochrechnungen nach der Dumawahl 2021 sind wenig überraschend: Demnach erhielt die Regierungspartei Einiges Russland rund 50 Prozent der Stimmen bei der Listenwahl und 88 Prozent der Direktmandate, die kommunistische KPRF liegt mit rund 20 und vier Prozent auf Platz 2 dahinter. 

    Der Wahl ging eine massive Unterdrückung der Opposition voraus – vor allem seit den Solidaritätsprotesten für den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny im Frühjahr 2021. Im Vorfeld der Wahl hatten etwa die internationalen IT-Unternehmen Apple und Google Nawalnys App für das „kluge Wählen“ für User des Runet gelöscht – dem war unter anderem vorausgegangen, dass Strafverfahren gegen das Personal der beiden Techgiganten in Russland angedroht wurden. 

    Allein aufgrund der Tatsache, dass die Wahl über drei Tage abgehalten wurde und in sieben Regionen auch online abgestimmt werden konnte, war die Beobachtung sehr schwierig (s. dazu unser FAQ zur Dumawahl). Die unabhängige Wahlbeobachtungs-NGO Golos (die als sogenannter „ausländischer Agent“ gelistet ist) berichtet von knapp 2000 Beschwerden allein am Sonntag, dem dritten Wahltag. Zudem seien viele der Wählerinnen und Wähler sogenannte Bjudshetniki, also Mitarbeiter staatlicher oder staatsnaher Institutionen und Unternehmen, die vom Arbeitgeber zur Wahl gedrängt werden. Ähnliche Berichte finden sich in zahlreichen unabhängigen russischen, aber auch deutschen Medien (ausführlich zur Wahl etwa Spiegel Online). 

    Nach der Wahl ist vor der Wahl? Vor allem habe die Dumawahl 2021 gezeigt, welch große Rolle das Internet inzwischen spielt – und wie massiv die Überwachung und Zensur inzwischen sind, meint Kirill Martynow in der Novaya Gazeta. Er sieht die Dumawahl 2021 als massiven Einschnitt – nämlich als Beginn eines „chinesischen Szenarios“ in Russland.

    (Eine Fußnote: Die Novaya Gazeta selbst wurde am Sonntag Opfer heftiger DDoS-Attacken, die Seite war lange Zeit nicht aufrufbar.)

    In der Nacht auf den 16. September geschah etwas Historisches im russischen Internet (Runet): Große Provider fingen mit einem Mal an, GoogleDocs zu blockieren, eines der in Russland meistgenutzten Werkzeuge für die Arbeit mit Dokumenten. Millionen von Menschen in modernen Tätigkeitsfeldern – vom Marketing bis zur Bildungsbranche – nutzen es. Das Vergehen von Google bestand darin, dass Nawalnys Anhänger auf eben dieser Plattform die Liste zum „klugen Wählen“ veröffentlicht hatten: Empfehlungen zur Protestwahl.

    Ein Gesetz, das der Staatsmacht die Grundlage einer solchen Sperrung liefern würde, gibt es nicht, doch das beunruhigt unterdessen niemanden mehr: Im Land wurde de-facto der Ausnahmezustand ausgerufen, der darauf abzielt, im Netz sämtliche Hinweise auf die politische Tätigkeit Nawalnys zu zensieren. 

    Zusammen mit Empfehlungen der Regierung an russische Internetanbieter, große DNS-Dienste nicht mehr zu nutzen, wirkt der Zuwachs an „Souveränität” im Runet wahrlich beeindruckend: Das Sperren von GoogleDocs war einerseits Angstmache und gleichzeitig eine Demonstration der neuen [Filter-]Fähigkeiten mittels Deep Traffic Inspection (DPI) der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor.

    Im Land wurde de-facto der Ausnahmezustand ausgerufen, der darauf abzielt, im Netz sämtliche Hinweise auf die politische Tätigkeit Nawalnys zu zensieren

    Den gesamten GoogleDocs-Content wegen eines einzigen Dokuments zu sperren – das ist eindeutig konträr zur Ideologie des modernen Internet, wo Unternehmen ihren Nutzern ermöglichen, von verschiedenen Orten aus gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Dieses besondere Feature der Plattform, Materialien einer unbegrenzten Menge von Nutzern zur Verfügung zu stellen, mussten die Anhänger Nawalnys nutzen, nachdem Roskomnadsor auf Googles Web-App-Plattform appspot.com den Zugang zu ihrer Seite gesperrt hatte.

    Über die Sperrungen des Roskomnadsor wurde eigentlich immer gelacht, aber was die Politik für die Massen angeht, sind sie wirkungsvoll: Der Durchschnittsnutzer versteht vielleicht einfach nicht, wo er trotz des Sperrens ganzer Sektoren wichtige Informationen finden und wie der das Internet so nutzen kann, dass er diese Sperren umschifft.

    Illustration © Pjotr Saruchanow/Novaya Gazeta
    Illustration © Pjotr Saruchanow/Novaya Gazeta

    Der massive Funktionsausfall von GoogleDocs hat durchaus für Unmut gesorgt. Wie auch immer, noch am selben Tag wurde der Versuch, GoogleDocs stillzulegen, abgebrochen – der Dienst ist momentan ohne VPN verfügbar.

    Parallel zu diesen Ereignissen fand eine Sitzung der Kommission des Föderationsrates zum Schutz der staatlichen Souveränität statt, an der auch Vertreter von Google und Apple teilnahmen. Die Veröffentlichung russischer Wahlinformationen auf internationalen Websites wurde von Parlamentariern rund um den berüchtigten Andrej Klimow als „ausländische Wahleinmischung” bezeichnet, und die US-Unternehmen wurden aufgefordert, für den Kreml sensible Informationen über das „kluge Wählen” für Nutzer zu sperren. 

    Wenn Sie darauf gewartet haben, wann das chinesische Szenario im Runet eintritt: Es hat begonnen

    Die US-amerikanischen IT-Giganten waren und blieben während der letzten Jahre die wichtigsten Institutionen der freien Meinungsäußerung in Russland – es entsprach einfach ihren kommerziellen Interessen. Diesmal jedoch verliefen die Verhandlungen der Kommission erfolgreich: Google löschte die Nawalny-App aus seinem Store, Apple tat das gleiche und entfernte in Russland außerdem sein eigenes VPN-Pendant Private Relay, eine Funktion, mit der sich Roskomnadsor-Sperren umgehen lassen. Letzteres ist symbolisch bedeutsam: Zuvor hatte der Konzern Private Relay bereits für Nutzer in China entfernt.

    Wenn Sie darauf gewartet haben, wann das chinesische Szenario im Runet eintritt: Es hat begonnen. Für die Großkonzerne ist es in totalitären Ländern zu gefährlich, auf Seiten der Nutzer zu sein, darum schränken sie dort die Funktionalität ihrer Produkte ein. 

    Laut der New York Times hat Google die Nawalny-App unter direkter Androhung von strafrechtlichen Verfahren gegen Google-Mitarbeiter in Russland aus seinem Play Store gelöscht. In dem Fall hat der Staat faktisch Vertreter des Unternehmens als Geiseln genommen – was dazu führen könnte, dass Google in Zukunft seine Präsenz in Russland auf ein Minimum reduziert. 

    „Etwas Größeres retten“ – nämlich den russischen Markt 

    Google ist auch noch in ganz anderer Hinsicht von der russischen Staatsmacht abhängig: Über ganz Russland sind Server der Infrastruktur Google Global Cache verteilt, welche unter anderem dafür sorgen, dass YouTube-Nutzer Videos ohne Verzögerung und in bester Qualität schauen können.  

    Der Versuch, mit der Regierung einen Kompromiss zu schließen, könnte für Google und Apple bedeuten, „dadurch etwas Größeres zu retten” – nämlich den russischen Markt (wir erinnern uns, dass Google den chinesischen Markt verlassen musste, jedoch eine Rückkehr versuchte). In diesem Sinne ist der Verlust einer konkreten App nicht so schlimm, denn die Nutzer hatten ja andere Möglichkeiten, um an die sie interessierenden Informationen zu kommen.

    Doch der Präzedenzfall ist geschaffen. Indem die amerikanischen Konzerne begonnen haben, das Krokodil aus der Hand zu füttern, werfen sie sich ihm allmählich in Gänze zum Fraß vor, wie es scheint. Am 18. September, dem zweiten Wahltag, veröffentlichte Nawalnys Team ein Schreiben von Google, in dem das Unternehmen fordert, Dokumente [mit Wahlempfehlungen – dek] zum „klugen Wählen“ zu löschen, wegen einer offiziellen Anfrage des Roskomnadsor. Unser lustiges Runet, in dem man die Obrigkeit beschimpfen konnte (weil sie dort nicht unterwegs ist), steht vor dem Aus.  

    Et tu, Telegram?

    Dass die amerikanischen Konzerne mit dem Kreml kooperieren, war für viele wohl keine große Überraschung (schließlich gilt: Business ist Business). Doch was viele russische Nutzer mitten ins Herz traf, war Pawel Durows Entscheidung, in der Nacht auf den 18. September den Telegram-Bot zum „klugen Wählen“ zu sperren. Seit 2018 wahrte sich Telegram den Ruf, eine Art libertäres U-Boot zu sein, das tapfer den Angriffen der Staatszensur ausweicht in den neutralen Gewässern der Netzprotokolle.    

    Das blinde Vertrauen gegenüber Durow ist ein interessantes Forschungsobjekt für Psychologen. Telegram ist ein höchst verschlossenes Business mit Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und aus Russland. Die Server des Projektes laufen auf proprietärem Code, der potentiell beliebige Backdoors und Sicherheitslücken beinhalten könnte. Institutionell sind das sehr schlechte Ausgangsbedingungen, um Telegram überhaupt irgendeine sensible Information anzuvertrauen.

    Außerdem sind die Pläne zur Monetarisierung von Durows Unternehmen gescheitert. Also wird es möglicherweise nicht nur durch die Peitsche des Kreml eingeschüchtert (es besteht kein Zweifel daran, dass die neuen Möglichkeiten von Roskomnadsor Telegram das Leben schwer machen könnten), sondern es wird vielleicht auch durch das Zuckerbrot des Kreml gelockt: Durow hat bereits Erfahrung mit dem Verkauf von VKontakte an Staatsoligarchen, nun hat er gezeigt, dass er wieder in Kontakt mit den russischen Behörden steht und bereit ist, deren Forderungen zu erfüllen.

    Fairerweise muss man erwähnen, dass es bisher keine anderen Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen Durow und dem Kreml oder den russischen Geheimdiensten gab. Sollten letztere tatsächlich direkten Zugriff auf die Messenger-Kommunikation von Telegram erhalten, würde dies sofort publik, weil sie als Beweismittel in Strafprozessen verwertet würde. Dies würde zum Niedergang von Durows Unternehmen auf den internationalen Märkten führen. 

    Vielleicht hat sich Durow noch nicht festgelegt, auf welcher Seite er steht, wenn er herzzerreißende Texte darüber schreibt, dass er den Bot für das „kluge Wählen“ gesperrt hat, weil in Russland vor der Wahl angeblich Tage der „Stille“ anbrechen (tatsächlich war das in diesem Jahr nicht der Fall) und dass für ihn „dieses Vorgehen legitim“ und „die Zukunft nebelig“ ist. Telegram legt seinen Status als Kämpfer für Meinungsfreiheit in Russland ab, und man kann mit den Menschen nur mitfühlen, die so an die „libertären Kräfte des Guten“ geglaubt hatten. 

    Zerstörung ganzer Ökosysteme von Apps

    Tatsächlich ist die Zukunft klar und sie ist bereits angebrochen. Das souveräne Runet ist mit der Dumawahl Wirklichkeit geworden und wir müssen nun damit leben. Hier sind alle Arten willkürlicher Sperren möglich, die sofortige Zerstörung ganzer Ökosysteme von Apps auf Geheiß von Behörden, – und die US-Konzerne liefern ein Rückzugsgefecht zum Schutz ihrer Geschäftsinteressen.
    Die westliche Presse wird Google unter Druck setzen, die Börsen werden die Bereitschaft des Unternehmens, den russischen Behörden zu helfen, wahrscheinlich auch nicht zu schätzen wissen.

    Der Schlüssel zur Zukunft liegt jedoch bei den russischen Bürgern, die dem Staat einen Schritt voraus sein und sich vor der Zensur schützen müssen. Junge Menschen posten dieser Tage die Listen des „klugen Wählens“ als Rezension des Videospiels Civilization V auf Steam oder als Fan-Fiction auf Ficbook.

    Der aktuelle Slogan lautet: Proletarier, hier ist dein VPN, nächster Halt ist das dezentralisierte Web.

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  • Wenn’s dir nicht passt – geh doch!

    Wenn’s dir nicht passt – geh doch!

    Der Tod der Journalistin Irina Slawina hat viele Kolleginnen und Kollegen der unabhängigen und liberalen Medienszene in Russland tief erschüttert: Am Freitagnachmittag setzte sie sich in Nishni Nowgorod selbst in Brand. Sie tat dies auf einer Bank vor dem Innenministerium der Oblast, zuvor hatte sie auf Facebook den Satz gepostet: „Ich bitte darum, der Russischen Föderation die Schuld an meinem Tod zu geben.“ Slawina hatte das Onlinemedium KozaPress gegründet, sie betrieb es weitgehend alleine und selbstständig. Kollegen bezeichneten sie als unerschrocken. 
    Die Behörden hatten schon lange Druck auf Slawina ausgeübt. Mehrfach musste sie Strafe zahlen, einmal wegen eines Facebookposts, in dem sie eine neu angebrachte Stalin-Erinnerungstafel kritisiert hatte. Der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor stehen mehrere Paragraphen zur Verfügung, die, willkürlich und selektiv angewandt, Druck auf Medien ausüben können – und als drohendes Damoklesschwert für Selbstzensur sorgen. 
    Derzeit war Slawina in einem Verfahren um die in Russland als „unerwünscht“ eingestufte Organisation Otkrytaja Rossija als Zeugin geführt. Dies hatte den Behörden ausgereicht, um eine frühmorgendliche Hausdurchsuchung bei ihr durchzuführen, bei der etwa ihr Laptop und auch der ihrer Tochter beschlagnahmt wurden.

    Irina Slawina konnte diesen Druck nicht mehr aushalten. Die Betroffenheit war groß: Warum brachte sie sich um, dazu noch auf diese Weise, fragten bestürzt auch viele liberale, kritische Journalistinnen und Journalisten. Kirill Martynow fragt in der Novaya Gazeta zurück: Was stimmt eigentlich mit uns nicht, dass wir diesen Terror für normal halten?

    Der Selbstmord von Irina Slawina erschütterte die unabhängige und liberale Medienszene in Russland / Foto © Facebook-Account von Irina Slawina
    Der Selbstmord von Irina Slawina erschütterte die unabhängige und liberale Medienszene in Russland / Foto © Facebook-Account von Irina Slawina

    Wenn wir die Ereignisse in unserem Land analysieren, bemühen wir im Herbst 2020 routiniert den Begriff „politischer Terror“. Unter diesem Terminus versteht man die Einschüchterung politischer Opponenten mittels physischer Gewalt, und davon gibt’s mehr als genug. Wenn Menschen für die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen in Haft sitzen, dann ist das politischer Terror. Die Polizei packt einen Menschen und sperrt ihn in einen Käfig, weil er andere Ideen und Gedanken hat. Jeder, der in einer russischen Großstadt lebt und nicht gelernt hat, den Blick abzuwenden, hat gesehen, wie Aktivisten bei Pikets festgenommen werden. Während der Staat so handelt, widmet er sich offiziell der Bekämpfung von Terroristen. Wahrscheinlich sieht er in ihnen Konkurrenten.    

    Hausdurchsuchungen bei der Opposition sind zum Normalfall geworden, Nachrichten darüber uninteressant. Wenn um sechs Uhr morgens die Wohnungstüren von Staatsbürgern mit Vorschlaghämmern zertrümmert werden – dann ist das ganz normal. Der Terror hat sich nicht nur etabliert, er wurde auch im gesellschaftlichen Bewusstsein zur Normalität. Niemanden wunderte es, dass Nawalny möglicherweise vergiftet wurde dafür, dass „der Typ sich nah an der Grenze bewegte“ – aber ganz Russland bewegt sich dort. Für Journalismus winken einem in unserem Land bestenfalls zermürbende Klagen und Strafen, mit etwas weniger Glück strafrechtliche Verfolgung oder andere „Aktionen der direkten Einschüchterung“.

    Über Slawina wird jetzt viel diskutiert: Was stimmte mit ihr nicht? Warum hat sie diesen kopflosen Schritt getan? Ich glaube, ich habe dazu eine Hypothese. Mit der Journalistin aus Nishni Nowgorod war alles in Ordnung. Abnormal sind in diesem Fall alle anderen – jene, die stillschweigend oder ohne besonderen Widerstand hingenommen haben, dass alle zivilgesellschaftlichen Institutionen in Russland zerstört werden und das Land in Richtung Polizeistaat, Willkür und Gewalt abdriftet. 

    Slawina brannte schon bevor sie sich selbst anzündete

    Slawinas Tochter ging am Tag nach der Tragödie mit einem Plakat auf die Straße: „Während meine Mama lebend brannte, habt ihr geschwiegen.“
    Denn Slawina brannte schon, bevor sie sich selbst anzündete – und die anderen haben geschwiegen.

    In Russland sind Filme sehr beliebt, die vom Kampf für Gerechtigkeit erzählen. Vor drei Jahren war das Publikum ganz begeistert von dem US-amerikanischen Spielfilm  Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Irina Slawina hat sich viele Jahre lang dem Journalismus zum Schutz von Menschen- und Bürgerrechten verschrieben und hat mit ihren Publikationen quasi hunderte Billboards in Nishni Nowgorod aufgestellt. Ihre letzte Publikation war der demonstrative, entsetzliche, politische Selbstmord.         

    Wir hören so oft den Satz, wem die Ordnung im gegenwärtigen Russland nicht passe, der solle doch auswandern, seinem Land den Rücken zukehren und es jenen überlassen, die es ausrauben und zerstören. Meistens wird dieser Satz brutaler formuliert: Passt dir was nicht? Dann verpiss dich! Slawina passte vieles nicht, doch wo hätte sie hinsollen und wozu.      

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  • Protest in Moskau: Ausblick auf 2024?

    Protest in Moskau: Ausblick auf 2024?

    Seit über zwei Wochen gehen Menschen in Moskau wegen der Nichtzulassung von Oppositionskandidaten zur Regionalwahl auf die Straße. Nachdem die letzte große Kundgebung am 20. Juli weitgehend friedlich verlief, ist der Protest am vergangenen Samstag eskaliert: Die Polizei und die Nationalgarde griffen hart durch, zumal die Demonstration nicht von den örtlichen Behörden genehmigt worden war. Laut Menschenrechtlern gab es viele Verletzte, mehr als 1300 Menschen wurden verhaftet.

    Schon im Vorfeld haben Sicherheitskräfte einige der Oppositionskandidaten festgenommen, Mitarbeiter des unabhängigen Fernsehsenders Doshd sprachen genauso von Einschüchterungsversuchen wie einige Mitstreiter von Alexej Nawalny. Nawalny selbst sitzt seit Mittwoch eine 30-tägige Haftstrafe ab; am Sonntag wurde nun bekannt, dass er mit dicken Schwellungen im Gesicht ins Krankenhaus eingeliefert wurde, mit Verdacht auf eine allergische Reaktion. Nawalnys Umfeld behauptet demgegenüber, dass der 43-jährige Politiker noch nie Allergien hatte.

    Warum setzen die Behörden nun auf Gewalt, und welche Folgen wird die Eskalation haben? Diese Fragen stellt Kirill Martynow in der Novaya Gazeta

     

    Die unabhängigen Kandidaten, von denen viele bis vergangene Woche vergleichsweise unbekannt waren, punkten derzeit kräftig und zeigen, dass sie im Unterschied zu den Jedinorossy bereit sind, die Rechte ihrer Wähler zu verteidigen. Folgendes Signal ging an die Regionen: In Moskau sind die Bürger schon auf der Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen. Schließt euch an. 

    Für die Regionalregierungen wird es nun wahrlich kein Leichtes sein, sich der Taktik der Moskauer Stadtregierung anzuschließen, die für einen Teil der Bürger von einem politischen Opponenten zu einer Struktur wurde, die sich mit Hilfe einer Phalanx aus Polizisten von den Bürgern abschirmt. Das Vorgehen der Silowiki hat die Opposition einerseits geeint, andererseits den Wahlen im September jeglichen Sinn geraubt: Mit gleichem Erfolg hätte man als regierungsnahe Kandidaten auch eine Kompanie der russischen Nationalgarde aufstellen können.

    Das Auseinanderklaffen von politischen Zielen und Ergebnissen ist beeindruckend: Aus ganz normalen Wahlen zum Stadtparlament hat die Regierung ein Problem von landesweitem Ausmaß gemacht. 

    „Wir sind unbewaffnet!“, rufen die Demonstranten der Polizei zu / Foto © Anna Artemjewa/Novaya Gazeta
    „Wir sind unbewaffnet!“, rufen die Demonstranten der Polizei zu / Foto © Anna Artemjewa/Novaya Gazeta

    Allen Anzeichen zufolge steht hinter der Logik der aktuellen Entscheidungen ein spezifisches Weltbild, in dem die Politik nach einem Kasernenmodell funktioniert. Die Moskauer Bürger jedoch wechseln bislang nicht überstürzt in den Kriegsmodus. 

    Die Regierung handelt also nur folgerichtig, wenn sie entscheidet, politische Probleme mit Schlagstöcken zu lösen. Und so haben sie im Vorfeld der Demonstration vor dem Rathaus statt sie zu genehmigen (und damit die Unzufriedenheit der Menschen zu zerschlagen) eine fiktive Strafsache zur „Behinderung der Arbeit der Wahlkommissionen“ eingeleitet. Wie diese Sache ausgeht, wissen die Silowiki bislang selbst nicht. Aber erst einmal wird diese Nachricht breit in den Medien diskutiert und dann gibt es massenweise nächtliche Hausdurchsuchungen bei den Kandidaten. Bei diesen Durchsuchungen wird nichts Konkretes beschlagnahmt, ihr Ziel ist es, allen Angst zu machen. 

    Mit eben diesem Ziel wurde die Mehrheit der Kandidaten im Vorfeld der Demonstration verhaftet: Der Protest hat auf diese Weise seine Köpfe verloren, und so wird nun ganz bestimmt nichts passieren. Das bedeutet, dass diejenigen Figuren, die an der Macht sind und Entscheidungen auf derartigem Niveau getroffen haben, berauscht sind von der eigenen Propaganda und tatsächlich glauben, dass die Bürger auf die Straße gehen, weil sie von Provokateuren aufgehetzt werden. 

    Obwohl kein einziger bekannter Oppositionsführer auf der Straße ist, befindet sich das Moskauer Rathaus am 27. Juli im Belagerungszustand / Foto © Anna Artemjewa/Novaya Gazeta
    Obwohl kein einziger bekannter Oppositionsführer auf der Straße ist, befindet sich das Moskauer Rathaus am 27. Juli im Belagerungszustand / Foto © Anna Artemjewa/Novaya Gazeta

    So befindet sich das Moskauer Rathaus den gesamten 27. Juli im Belagerungszustand, obwohl kein einziger bekannter Oppositionsführer auf der Straße ist.

    Das Büro von Nawalny streamt auf Youtube live von der Demo, im Laufe des Tages versuchen Polizisten die Tür zu öffnen und in das Studio einzudringen. Gegen 16 Uhr ist die Tür aufgebrochen, und die Polizisten verlesen gegenüber den FBK-Mitarbeitern in entschuldigendem Ton den strafrechtlichen Beschluss. Über 40.000 Menschen verfolgen diese Farce im Livestream, noch weitaus mehr schauen sich die Aufzeichnung an. Später dringt die Polizei während der Liveübertragung ins Studio des Fernsehsenders Doshd ein, wahrscheinlich in der Annahme, dass hierher die „Steuerzentrale des Protests“ verlegt worden sei. Die Chefredakteurin des Senders, Alexandra Perepelowa, erhält eine Vorladung in derselben  Strafsache – wegen Behinderung der Wahlen.

    Die Silowiki knobeln den ganzen Tag: Wer muss festgenommen werden, damit alles aufhört? Es geht ihnen nicht in den Kopf, dass die Leute einen freien Willen haben.

    Das Vorgehen von Polizei und Nationalgarde gegen die Protestierenden ist kein bisschen abgestimmt, die an der Auflösung der friedlichen Demo Beteiligten verstehen nicht, warum sie hier sind, und behindern einander gegenseitig. Die Silowiki auf den Straßen agieren ebenso professionell wie ihre Kollegen, die dem Journalisten Golunow Drogen untergeschoben haben: Sie können der Masse nicht folgen, haben keine klaren Anweisungen, schnappen und verprügeln zufällige Passanten.

    Die Kommunalabgeordnete Alexandra Paruschina wurde bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei verletzt / Foto © Anna Artemjewa/Novaya Gazeta
    Die Kommunalabgeordnete Alexandra Paruschina wurde bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei verletzt / Foto © Anna Artemjewa/Novaya Gazeta

    Hinter all diesen hauptstädtischen Sommerlandschaften öffnet sich der Horizont des russischen politischen Dramas mit dem Titel Organisation der Machtübergabe bis 2024. Die Zustimmungswerte fallen, das Geld wird immer knapper, Leute werden wegen Beamtenbeleidigung verfolgt, die Teilnahme an Wahlen wird zur Straftat erklärt, als Silowiki dienen die Taugenichtse von gestern mit entsprechender Weitsicht, neue Gesichter gibt es in der regierungstreuen Politik keine, und die aktuellen sind samt all ihrer Projekte diskreditiert. Bitte, übergebt die Macht. Aber wie bitte wollt ihr das anstellen, wenn sogar gewöhnliche Regionalwahlen in Moskau zur untragbaren politischen Last werden? 

    Prognosen anstellen ist eine undankbare Beschäftigung. Aber eines lässt sich sicher nach den Ereignissen vom 27. Juli in der Hauptstadt sagen: Den Moskauer Wahlkampf haben die Amtsträger schon verloren. Was auch immer für Ergebnisse sie da in ihre Wahlprotokolle kritzeln mögen.

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  • Kanonen auf Telegram

    Kanonen auf Telegram

    Seit über einer Woche liefern sich Telegram und Roskomnadsor einen Wettlauf, der an die Geschichte von Hase und Igel erinnert: Jedes mal, wenn die Beamten IP-Adressen von Telegram blocken, weicht der Messenger auf andere aus und entgeht damit der Blockade. Während Telegram-Chef Pawel Durow tausende neue Nutzer verzeichnen kann, versucht Roskomnadsor weiter mit allen Mitteln, Telegram zu blockieren: Mittlerweile sind in Russland fast 20 Millionen IP-Adressen gesperrt, ein großer Teil davon dürfte gar nichts mit dem Messenger zu tun haben.

    In der Novaya Gazeta sieht Kirill Martynow einen „Bürgerkrieg“ heraufziehen und fragt, wie weit die „Flächenbombardierung des Internets“ noch gehen kann.

    Der Konflikt zwischen der russischen Regierung und dem Messenger-Dienst Telegram hat qualitativ einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Spielregeln der ganzen Branche drohen verändert und die Zensur auf eine neue Ebene gehoben zu werden. Der Gesellschaftsvertrag, wie er über die letzten Jahre gewachsen ist, setzte stillschweigend voraus, dass die russischen Silowiki, Gesetzgeber und Funktionäre des Roskomnadsor so tun, als würden sie in Russland verbotene Informationen blockieren, und die Nutzer und Dienste tun ihrerseits so, als hätten sie keinen Zugriff darauf. Nach diesem Modus läuft es beispielsweise mit einem der weltweit größten sozialen Netzwerke LinkedIn, das zu Microsoft gehört und [in Russland] seit 2016 gesperrt ist.

    Sergej Golubizki bemerkte kürzlich in einem Artikel für die Novaya Gazeta, dieser ganze „Krieg gegen das Internet“ trage ausschließlich rituellen Charakter. Die Geschichte um die Telegram-Sperrung verwandelt das Ritual nun offenbar in einen Bürgerkrieg.

    Bürgerkrieg im Internet

    Am 16., beziehungsweise 17. April hat Roskomnadsor mehr als 2,4 Millionen IP-Adressen gesperrt [Stand 24. April: fast 20 Millionen – dek], die zu großen Subnetzen von Google- und Amazon-Diensten gehören. Zum Vergleich: Vor Beginn der Telegram-Blockierung hatten auf der schwarzen Liste von Roskomnadsor 38.000 IP-Adressen gestanden.

    Um an Telegram heranzukommen, musste die Behörde zum größten Angriff auf die Infrastruktur des Internets in der gesamten Geschichte der Zensur in Russland ausholen.

    Roskomnadsor hatte offenbar vermutet, dass Pawel Durow für seinen  Messenger eine Standardvorgehensweise entwickelt hatte, um Sperrungen zu umgehen, und zwar unter Einbeziehung der Cloud-Dienste großer Internetkonzerne, speziell von Amazon. Und darauf hatten sich die Beamten vorbereitet. Die Flächenbombardierung des Internets durch Roskomnadsor sorgte für beunruhigende Gerüchte in der IT-Branche. Am Abend des 16. April tauchten die ersten Meldungen auf: von Störungen in Kassensystemen des Einzelhandels, Problemen bei der Sprachübertragung des Messengers Viber, Unregelmäßigkeiten bei Microsoft-Diensten, darunter Office-Anwendungen und Onlinefunktionen von Spielekonsolen.

    So wurde, ohne Rücksicht auf Opfer und Verluste, die russische Gesetzgebung durchgesetzt.

    Ohne Rücksicht auf Opfer und Verluste

    Gegen Mittag des 17. April konnte der Großteil der russischen User die Telegram-App immer noch ohne VPN nutzen, wenn auch nicht störungsfrei. Der Versuch des Roskomnadsor, den Messenger auf Kosten der Abschaltung der Cloud-Dienste von Drittanbietern zu vernichten, war gescheitert. Wie Fachleute berichten, hatte Telegram eine Funktion namens DC_update aktiviert. Diese dient unter normalen Umständen dazu, die Server-Adresse, mit der sich der Nutzer verbindet, ständig zu aktualisieren und so die Geschwindigkeit und Stabilität der App zu erhöhen. Bei einer Sperrung erlaubt diese Funktion, in Echtzeit zig Millionen von IP-Adressen, die Google, Apple oder Microsoft gehören und auf welche Telegram zugreifen kann, nach verfügbaren Adressen zu durchsuchen und den Datenverkehr [der App – dek] darüber zu leiten. Die Telegram-Weboberfläche bleibt dabei aufgrund der technischen Besonderheiten der verwendeten Protokolle weiterhin blockiert.

    Anders gesagt: Um Telegram zu sperren, müsste Roskomnadsor im ganzen Land sämtliche internationalen Dienste abschalten – darunter Finanz-, Office- und Unterhaltungsdienste, von Apple Pay bis Xbox Live. Die Zahl der blockierten IP-Adressen würde auf Dutzende von Millionen ansteigen, die Provider hätten entsprechende Ausfälle, und Russland wäre de facto abgeschnitten vom World Wide Web.

    Roskomnadsor hat wohl den Kürzeren gezogen

    Kurz, um Durow zu besiegen, müsste man sich von dem Segen der Zivilisation verabschieden. Es sieht ganz danach aus, als hätte Roskomnadsor in diesem rasanten Schlagabtausch den Kürzeren gezogen. Doch dieser Schluss ist nur zu ziehen, wenn man annimmt, dass in der Behörde im Großen und Ganzen vernunftgeleitete Menschen sitzen, und ihrem Chef Alexander Shаrow kein direkter Befehl der Geheimdienste vorliegt, Telegram mit allen Mitteln zu zerschlagen.

    Klar ist im Moment nur, dass Roskomnadsor zum ersten Mal in seiner Geschichte auf solchen Gegendruck stößt; zum ersten Mal versucht er landesweit, einen so großen und technisch so anspruchsvollen Dienst zu deaktivieren, und damit ist er nun einen direkten Konflikt mit GAFA eingegangen (dieses Kürzel bezeichnet in Europa die vier weltweit führenden Internetriesen, mit einer Gesamtreichweite von mehreren Milliarden Menschen: Google, Apple, Facebook und Amazon).

    Als das Ausmaß des Problems klar wurde, haben die russischen Zensoren, wie es aussieht, vorerst eine Pause eingelegt und begnügen sich mit kleinen Rachefeldzügen gegen User, die sich mittels Proxy und VPN vorsorglich gegen ein Telegram-Blackout gewappnet hatten: Sie blockieren Seiten mit entsprechenden Einstellungen – offenbar ohne jede gesetzliche Grundlage.

    Geschenk für Telegram

    Zwei weitere Handlungsstränge sind für das Verständnis des Ganzen wichtig.

    Erstens: Die Ereignisse sind ein wahres Geschenk für Durow und sein Unternehmen. Die Zahl der Telegram-Nutzer stieg auf über 200 Millionen, 15 Millionen davon sind in Russland aktiv. Ein Wegfall des russischen Markts wird das Business-Modell des Messengers nicht in den Ruin treiben, welches sich, wie jetzt bekannt wurde, auf die Entwicklung eines globalen Bezahlsystems mit einer eigenen Kryptowährung konzentrieren wird.

    Darüber hinaus genießt Durow bereits jetzt eine unbezahlbare Reputation: als Kämpfer für die Freiheit und die Privatsphäre im Internet und als wichtigster Gegenspieler der russischen Regierung. Angesichts der aktuellen internationalen Atmosphäre bedeutet das, dass die Anhängerschaft von Durows Projekt schneller wachsen wird als je zuvor. Den Zuwachs der Abonnenten im Zuge der Sperrungen erwähnten selbst die großen russischsprachigen Kanäle, obwohl man diese Information nicht allzu optimistisch sehen sollte – einen beträchtlichen Teil der unpolitischen Nutzer in Russland könnte das instabile und „verbotene“ Telegram durchaus verlieren.

    „Patriotische“ Dienste und Bürger

    Zweitens: Es ist äußerst unterhaltsam, die Aktivitäten diverser „patriotischer“ Dienste und Bürger zu verfolgen. Längst nicht alle sind dem Ratschlag vom Internet-Berater und vom Pressesprecher des Präsidenten, German Klimenko und Dimitri Peskow, gefolgt, zu einem Messenger aus den 1990ern zu wechseln: ICQ. Der aktuelle Betreiber der Plattform, die Mail.ru Group, brachte umgehend einen Telegram-Klon unter dem Namen TamTam heraus. Kurz vor der Sperrung des Messengers schalteten russische Wirtschaftsblätter wie Kommersant und Vedomosti eine breit angelegte Werbeaktion für den Dienst.

    Jetzt werden auf TamTam aktiv Klone von populären Telegram-Kanälen erzeugt. So gibt es auf TamTam beispielsweise am 17. April schon ganze zwei Nesygars – mit 89, beziehungsweise 13 Followern.

    Eine Order, zu TamTam zu wechseln, bekamen auch die Mitarbeiter einiger Staatsmedien, aber wie man munkelt, kommunizierte jedenfalls noch vor wenigen Tagen das gesamte Management über die bisher verschont gebliebene WhatsApp. Einige russische Bürger lassen sich seit dem Mittag des 16. April ganz loyal nicht mehr auf Telegram blicken und demonstrieren so ihre Treue und in den meisten Fällen nicht unentgeltliche Liebe zum Kreml.

    Das Private ist politisch

    Andererseits war zum Beispiel auf dem Telegram-Account von Wadim Ampelonski, dem Ex-Pressesprecher des Roskomnadsor, der aktuell wegen Hinterziehung unter Hausarrest steht, in der Nacht zum 17. April Aktivität zu verzeichnen. Und so bewahrheitet sich einmal mehr, was die zeitgenössische Philosophie postuliert: Das Private ist politisch.

    Telegram steckt den Schlag ein und bereitet sich darauf vor, der Welt das libertäre Wunder vom Sieg über die russische Zensur zu offenbaren – um daran dann tüchtig zu verdienen. Die Frage ist, was der nächste Zug des Roskomnadsor sein wird. Schließlich vermeldeten die Beamten noch vor einigen Jahren ihre Bereitschaft, das Land vom weltweiten Internet abzutrennen. Zum Schutz der Souveränität, versteht sich.

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  • Kokain in der Botschaft

    Kokain in der Botschaft

    Im Dezember 2016 wandte sich der russische Botschafter in Argentinien an die Polizei: Er hatte in einem Regal in der Botschaftsschule zwölf verdächtige Koffer gefunden. In diesen befanden sich 389 Kilogramm Kokain. Russische und argentinische Behörden hätten gemeinsam an dem Fall gearbeitet, berichtet das Außenministerium, die Droge gegen Mehl ausgetauscht und die Koffer mit GPS-Sendern versehen.

    Anfang März kamen diese in Russland an, mitgeflogen in einer Regierungsmaschine – was russische Behörden zunächst bestritten, argentinische Stellen jedoch eindeutig identifizierten. Es gab mehrere Festnahmen, in Berlin wurde der vermeintliche Drahtzieher des Schmuggels festgenommen. Diplomaten seien nicht involviert, versichert die Sprecherin des Außenministeriums.

    Allerdings zweifeln viele diese offizielle Version an, Medien-Recherchen deuten zumindest Schwachstellen in der offiziellen Version an.

    Kirill Martynow beleuchtet in der Novaya Gazeta eine Reihe weiterer Dementi und sieht darin System.

    Der Kokain-Skandal zieht immer weitere Kreise. Die argentinische Strafverfolgungsbehörde untersucht den Fall der Drogenlieferung über die russische Botschaft und hat nun Teile des Aktenmaterials veröffentlicht.

    Auf den Fotos ist unter anderem das Kennzeichen jenes Flugzeugs erkennbar, das fast 400 Kilogramm Kokain in 12 Koffern nach Moskau befördern sollte. Laut Angaben von RBC gehört das Kennzeichen (96023) zu einer Iljuschin-96-Maschine der Sonderflugeinheit Rossija, die für den Transport von Regierungsbeamten zuständig ist. Nach Veröffentlichung dieser Meldung wurde die Webseite russianplanes.net gesperrt, ein non-profit Projekt, das Informationen über russische Luftfahrzeuge auf Grundlage öffentlicher Quellen publiziert.

    Am 20. Dezember 2016 starb der Leiter der Lateinamerika-Abteilung des russischen Außenministeriums Pjotr Polschikow unter ungeklärten Umständen. Insgesamt starben in den letzten anderthalb Jahren neun hochrangige Beamte des Außenministeriums. Es ist bekannt, dass der Sekretär des Sicherheitsrates Nikolaj Patruschew im Dezember 2017, als sich der zweite Teil der Kokain-Affäre ereignete, auf Staatsbesuch in Argentinien war. Die argentinische Presse versichert außerdem, Patruschew sei mit derselben Maschine geflogen wie die Koffer.

    Die offizielle russische Position ist: alles dementieren

    Die offizielle russische Position ist: alles dementieren. Erst gab Maria Sacharowa die Stellungnahme ab, dass nur die rechtzeitige Einmischung russischer Diplomaten es ermöglicht habe, die Route des Drogenhandels aufzudecken, involviert in diesen sei aber nur „technisches Personal“ der Botschaft. Später folgte ein Dementi der Präsidialverwaltung, der die Sonderflugeinheit Rossija unterstellt ist. Die Sprecherin der Behörde Jelena Krylowa sagte, dass die Iljuschin-96 mit der Kennnummer 96023 am Kokaintransport beteiligt gewesen sei, entspräche nicht der Wahrheit. Die Nummer sei nämlich „mithilfe moderner technischer Verfahren“ manipuliert worden. Es ist also nicht klar, wer das Kokain transportiert hat – aber wir sicher nicht.

    Bemerkenswert ist, dass unsere offiziellen Vertreter zunächst immer fragen: Was habt ihr für Beweise? Und nachdem ihnen die Fakten geliefert wurden, schalten sie einen Gang rauf: Das beweist noch nichts. 
    Irgendwo im Hintergrund befragt derweil das Ermittlungskomitee einen „ukrainischen Augenzeugen“ über den Absturz der malaysischen Boeing, Ergebnis: Alles nicht so eindeutig.

    Post truth: russischer Sonderweg

    Während die ganze Welt noch über post truth diskutiert und die Schwierigkeit, in Zeiten moderner Medientechnologien die Wahrheit von Lügen zu unterscheiden, hat Russland offensichtlich auch hier einen Sonderweg eingeschlagen: 
    Wir haben die post untruth erfunden, auch bekannt als „ewige Leugnerei“. Da lässt sich jedes Ereignis ganz klar als erfunden bezeichnen, wenn man das unbedingt will und wenn die Obrigkeit nachdrücklich darum bittet.

    Rationale Argumente und offensichtliche Fakten sind gegen die russische post untruth machtlos. Darauf basiert offenbar auch unsere ganze geopolitische Größe. Der Westen hinkt da klar hinterher: Dort glaubt man immer noch, man müsse offizielle Ermittlungen einleiten, wenn ein Beamter auf frischer Tat ertappt wird.

    Sehen wir uns nur mal die neuesten Beispiele an: Vizepremier Rogosin brüstet sich im Netz zunächst mit seinem „Neffen Roman“, anschließend löscht er seine Tweets und verkündet, es habe nie einen Neffen gegeben, die Journalisten hätten alles erfunden.

    Das klassische „Wir waren’s nicht“

    Dem „liberal-demokratischen“ Duma-Abgeordneten Leonid Sluzki wird öffentlich sexuelle Belästigung von Journalistinnen vorgeworfen, Sluzki erwidert: „Niemals. Nicht in dieser Angelegenheit.“ Und damit ist die Sache erledigt – wir sind hier nicht in Amerika. Unsere Sportler hätten nie gedopt, erklärt man uns, und wenn, dann nur aus Versehen, ohne irgendein zielgerichtetes Zutun russischer Beamter. Und was besonders unheimlich und tragisch ist: Es heißt, wir seien schon zweimal aus Syrien abgezogen, und plötzlich stirbt in diesem Februar dort eine unbekannte Zahl russischer Staatsbürger. Was sagen die Beamten? Das klassische „Die sind da nicht gewesen“, sprich: „Wir waren’s nicht“. Vor diesem Hintergrund wirkt Deripaska geradezu europäisch, wenn er, statt alles komplett abzustreiten gegen die Verletzung seiner Privatsphäre klagt.

    Die Blütezeit der russischen Kultur der post untruth begann 2014, als unsere Soldaten zunächst nicht auf der Krim gewesen sein sollen, und dann genau dafür mit Medaillen ausgezeichnet wurden.

    Seitdem ist unsere Fähigkeit zu lügen sogar etwas, worauf man stolz sein kann. Nach dem Motto: Wenn deren Spione auch lügen, kann es unseren Agenten doch keiner verbieten. Die im vergangenen Jahr von der russischen Gesellschaft tief verinnerlichte Wahrheit lautet: „Im Westen lügen sie auch, und deren Medien sind voller Propaganda“, machen wir also einen Wettstreit draus. Schaut nur, wie gewieft wir sind: Wir lügen sogar besser als die Amerikaner.

    Schaut nur, wie gewieft wir sind: Wir lügen sogar besser als die Amerikaner

    Zu einem Konflikt kommt es dann, wenn die bekannten Vorurteile, denen die westliche Zivilgesellschaft anhängt, und unser russisches „ewiges Leugnen“ sich widersprechen. Bezeichnend ist die Untersuchung des ehemaligen FBI-Chefs und jetzigen Sonderermittlers Robert Mueller über die mutmaßliche US-Wahleinmischung russischer Staatsbürger. Im Westen funktionieren die Institutionen wie ein Immunsystem: Wenn etwas vorgefallen ist, dann ist etwas vorgefallen, also müssen alle Umstände aufgeklärt werden, unabhängig davon, welche ehrenwerte Herrschaften da Widerstand leisten. Bei uns dagegen kann man die Krankheit an sich leugnen.

    Kurzum: Es ist sehr schwer für zwei derart unterschiedliche Wertesysteme – das heimische und das importierte – auf einem Planeten zu koexistieren. Auf lange Sicht wird sich wohl eins von ihnen durchsetzen. Aber welches?

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  • Sobtschak: Gegen alle, für Putin?

    Sobtschak: Gegen alle, für Putin?

    Schon länger wurde darüber gemunkelt, Mitte der Woche machte es Xenia Sobtschak nun offiziell: In einem bei Vedomosti veröffentlichten Brief gab sie ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2018 bekannt. Gleichzeitig gingen ihr YouTube-Video mit der Ankündigung und ihre neue Seite online: Sobtschak gegen alle heißt sie.

    Ein ehemaliges It-Girl als Präsidentschaftskandidatin? Xenia Sobtschak hat sich in den letzten Jahren von der „Schoko-Blondine“ zu einer durchaus veritablen Journalistin gemausert. Bei den Bolotnaja-Protesten war sie Mitglied im Koordinationsrat der Opposition, trat gerne öffentlichkeitswirksam gegen das Schienbein des Kreml und kokettierte zuweilen mit der häufigen Zuschreibung, dass sie ja immer zwischen den Stühlen sitzen würde.

    Xenia ist die Tochter von Anatoli Sobtschak – ein St. Petersburger Demokrat der ersten Stunde, der nach dem Zerfall der Sowjetunion tiefgreifende liberale Reformen anstieß und zugleich einen Grundstein für den späteren Aufstieg Putins legte. Dieser soll Xenia angeblich nahestehen – eine Spekulation, die in den jüngsten Debatten eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Denn schon vor der offiziellen Bekanntgabe ihrer Kandidatur, hagelte es Kritik von oppositionellen Stimmen des Landes: Das Spiel sei abgekartet, Sobtschak habe ihre Kandidatur mit Putin abgesprochen, sei nur von seiner Gnaden zugelassen worden, um die Kandidaturen ernstzunehmender Oppositioneller zu neutralisieren, so der Tenor.

    Dabei betont Sobtschak, dass sie ihre Kandidatur zurückziehen werde, wenn der Oppositonspolitiker Nawalny, der derzeit unter Arrest steht, zugelassen würde.  
    Wieviel Protestpotential steckt in der Kandidatur Sobtschaks? Meint sie es ernst, wenn sie gegen den Kreml poltert? Kirill Martynow geht in der Novaya Gazeta solchen Fragen nach. 

    Ehemaliges It-Girl als Präsidentschaftskandidatin – ein abgekartetes Spiel? / Foto © Screenshot aus dem Video „Xenia Sobtschak – Kandidat protiw wsech“/YouTube
    Ehemaliges It-Girl als Präsidentschaftskandidatin – ein abgekartetes Spiel? / Foto © Screenshot aus dem Video „Xenia Sobtschak – Kandidat protiw wsech“/YouTube

    Xenia Sobtschaks Kandidatur für das Präsidentschaftsamt ist ein Symptom für das Verwelken des russischen Wahl-Autoritarismus. Es ist ein Symptom für dessen endgültige Verwandlung in ein System, dessen Instrumente darauf abzielen, den Status Quo zu erhalten.

    Dass in der Kandidatenliste eine Figur wie Sobtschak auftauchen wird, wurde schon mehrere Monate vor Beginn der Wahlkampagne vorhergesagt. Neben der traditionellen Entourage [der Systemoppositiondek] in Person von Sjuganow und Shirinowski braucht der Kreml bei diesen Wahlen zwei Spoiler: Einerseits einen ultrakonservativen Kandidaten, neben dem Putin für die entsprechenden Zielgruppen wie ein vernünftiger Kompromiss aussieht, wie ein Zentrist. Auf der anderen Seite muss diese Konstruktion gestützt werden von einem verhältnismäßig liberalen und protestlerischen Spoiler. Unmittelbare Aufgabe dieses Kandidaten ist es, der Welt freie und demokratische Wahlen zu demonstrieren und dem liberalen Wähler anzubieten, [bis zu den Wahlen – dek] darüber zu streiten, ob man für den Spoiler stimmen sollte oder nicht. Anderen Bevölkerungsgruppen soll der Spoiler gelegentlich die Schreckensgeschichte verdeutlichen, dass die liberalen Westler an die Macht drängten und es nun an der Zeit sei, sie aufzuhalten, indem man zur Wahl geht.

    Harmlos und keine echte Konkurrenz

    Das Casting für die rechte Flanke ist noch nicht abgeschlossen – vielleicht wird im konservativen Szenario derselbe Shirinowski diese Rolle für sich reklamieren. Eine Liberale wurde dagegen nun gefunden – mit eigener Seite, einem Programm und Werbevideos. Offensichtlich hat man für die Rolle des Liberalen verschiedene Kandidaten in Betracht gezogen, doch letztendlich setzte man auf Sobtschak – für sie sprechen eindeutige Argumente: eine Frau, Westlerin, weitläufig bekannt sowohl bei Dom 2-Zuschauern und Glamour-Magazin-Lesern, als auch beim Publikum von TV Doshd, dazu absolut harmlos und keine echte Konkurrentin für den Kandidaten Nummer Eins.

    Es ist erstaunlich, wie offen Sobtschak über die Ziele ihrer Kampagne sprach, als sie meinte, dass sie an die Stelle der Option „gegen alle“ trete. Aus der polittechnologischen Sprache ins Russische übersetzt heißt das, dass sie die Protest-Stimmen auf sich ziehen wird, gleichzeitig die Wahlbeteiligung erhöht und Teile der Kreml-loyalen Wählerschaft mobilisiert, die ausdrücklich gegen Sobtschak stimmen wollen. Vermutlich ist das eines der wenigen Beispiele, wo ein Kandidat zu Beginn der Wahlkampagne offen seinen Status als Spoiler ankündigt. 

    Vorsicht, Spoiler

    Witzig, dass das alles so dargeboten wird, als wäre Putin verärgert über diese Dreistigkeit Sobtschaks, was Xenia jedoch nicht daran hindere, zu kandidieren. Auch diese gekünstelte Message richtet sich wieder an drei Gruppen und soll von ihnen unterschiedlich gelesen werden: Die westliche Presse kann über freie Wahlen in Russland diskutieren, schließlich sei doch „Xenia Sobtschak bekannt für ihre Kritik an der Kreml-Politik“. Die liberale Wählerschaft wird sich spalten an der Frage über ihre Sympathien für Xenia, dem Otto-Normal-Wähler aber gibt die These über den verärgerten Putin Raum für Kompromat und für mediale Attacken gegen Sobtschak, inklusive Aufrufe sich gegen sie zusammenzuschließen. 

    Kurz gesagt, man hat die Fassade des Wahl-Autoritarismus mit einer grellen Neonreklame behangen. Die Wahlen erscheinen nicht mehr so todlangweilig wie noch vor einigen Wochen, auch wenn sich im Grunde nichts verändert hat.

    Grelle Neonreklame für langweilige Wahlen

    Leute, die persönliche Sympathie für Sobtschak empfinden (und von solchen gibt es unter russischen Facebook-Usern nicht wenige), argumentierten bereits, dass es keinen Anlass gäbe, Sobtschak für ihre Kandidatur zu kritisieren. Ganz nach dem Motto, dass alle ein Recht hätten, sich nach eigenem Ermessen zur Wahl zu stellen, und ob nicht gerade wir immer dazu aufgerufen hätten, alle zur Wahl zuzulassen. Mit diesem Argument fiel, wie es scheint, der Startschuss für die Diskussion über „unsere Kandidaten“. Eine Diskussion, in die uns der Kreml gastfreundlich einlädt, bis März zu versinken. Danach ist die Sache getan, und Sobtschak kann das Interesse an einer politischen Karriere wieder verlieren, wie einst schon Prochorow. 
    Die Opposition hat in der Tat dazu aufgerufen, alle zur Wahl zuzulassen – aber gerade diese Forderung wird aktuell nicht erfüllt. Sobtschak nimmt an der Wahl nicht als eine Kandidatin unter Gleichen teil, sondern als eine, die im handgesteuerten Modus zugelassen wurde. Nichts Persönliches, bloß Arbeit an der Festigung des Autoritarismus.

     

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