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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Die ostslawischen Sprachen

    Die ostslawischen Sprachen

    Das historische Verhältnis der drei ostslawischen Sprachen Belarusisch, Ukrainisch und Russisch ist offensichtlich nicht nur für den erlesenen Kreis slawistischer Mediävist*innen interessant. In den Fokus der breiten Bevölkerung ist es gerückt, weil Wladimir Putin seinen Feldzug gegen die Ukraine mit vermeintlichen historischen Fakten begründet, auch sprachgeschichtlicher Natur. So schreibt Putin in dem Aufsatz Über die historische Einheit der Russen und Ukrainer, dass die mittelalterlichen slawischen Stämme „von Ladoga, Nowgorod, Pskow bis Kiew und Tschernigow“ durch „eine Sprache vereint“ gewesen seien. Wie beiläufig lässt er fallen, dass „wir diese Sprache heute altrussisch nennen“. Ein genuin philologisches Interesse ist dem Autor nicht zu unterstellen. Vielmehr verhandelt er über die Eigenständigkeit von Sprachen die Eigenständigkeit von Nationen und Ländern, um daraus handfeste eigene, politische Ansprüche abzuleiten. Denn wenn sich die belarusische und die ukrainische Sprache irgendwann einmal vom Russischen abgespalten haben – so ein nicht nur von Putin bedienter, weit verbreiteter Irrglaube –, sind sie dann nicht letztlich nur Unterarten der russischen Sprache? Und wenn dem so wäre, müssten dann nicht Belarus*innen und Ukrainer*innen letztlich eigentlich Russ*innen sein? 

    Putin spricht in jenem Aufsatz ein Gebiet an, das weite Teile der heutigen Ukraine, der Republik Belarus und des europäischen Russlands umfasst.1 Im Mittelalter bestand an dieser Stelle das Großreich der Kyjiwer Rus. Die Bevölkerung dieses Reiches sprach neben finnischen und baltischen vor allem ostslawische Mundarten – einer der drei Zweige des Slawischen. Die Bezeichnung Rus stammt – so die gängigste Theorie – vom ostseefinnischen Wort ruotsi, das wohl seinerseits auf ein nordgermanisches Wort für „Ruderer“ zurückgeht. Hiermit waren zunächst nicht Ostslawen, sondern auch als Waräger bekannte Wikingergemeinschaften gemeint, die über Flüsse wie Newa, Wolchow, Düna und Dnipro aus der Ostsee durch das ostslawische Gebiet ins Schwarze Meer und nach Konstantinopel reisten. Zur Sicherung ihrer Routen errichteten sie Stützpunkte, aus denen sich lokale Machtzentren herausbildeten. Im späten 9. Jahrhundert gelang es, die größten dieser Machtzentren – Nowgorod im Norden und Kiew/Kyjiw im Süden – zu vereinen. Das neue Großreich übernahm die Bezeichnung Rus. Bald passten sich die skandinavischen Waräger sprachlich an die ostslawische Bevölkerungsmehrheit an. Mit der Zeit wurde Rus zur Bezeichnung der Ostslawen schlechthin. 

    Rus kommt nicht von Russisch

    Putin ist nicht der erste, der dieses mittelalterliche Reich als ersten „(alt-)russischen Staat“ bezeichnet und dessen Sprache als „altrussisch“. Diese Bezeichnungen sind zumindest irreführend: Sie suggerieren, dass die Menschen damals Russen gewesen wären und sich einer Form des Russischen bedient hätten, und eben nicht des Belarusischen oder des Ukrainischen. Somit scheint das Russische, erstens, seit dem tiefsten Mittelalter dagewesen zu sein, und zwar, zweitens, als einzige ostslawische Sprache, und, drittens, seine Identität bis heute bewahrt zu haben. Dem Belarusischen und dem Ukrainischen bliebe dann nur die Rolle des Spalters. Ursprünglich meinte „russisch“ aber nichts anderes, als ein Teil des Reiches der Rus zu sein beziehungsweise gewesen zu sein.2 Anders als das Ukrainische und das Belarusische („Weißrussische“) hatte das Russische letztendlich vor allem eines: das historische „Glück“, die Bezeichnung Rus ohne irgendeinen einschränkenden Wortteil zu erben. Dieses „Glück“ ist letztlich in der Vormachtstellung des Russischen Zarenreiches ab dem 17. Jahrhundert begründet.

    Über die Sprachen in der Kyjiwer Rus

    Man könnte dies nun alles ignorieren – schließlich haben das Alter von Sprachen und mittelalterliche Sprachverhältnisse, ja Sprachverhältnisse überhaupt, nichts über heutige nationale und staatliche Eigenständigkeiten auszusagen. Wirkmächtig sind solche Vorstellungen dennoch, so dass man doch nicht umhin kommt, über Sprache und Sprachen der Ostslawen, deren Alter und Verhältnis zueinander zu sprechen. Dabei ist es wesentlich, zwischen zwei Erscheinungsformen von Sprache zu unterscheiden: einerseits Standardsprachen im modernen Sinne beziehungsweise für frühere Epochen überregionale, geschriebene Formen, die von wenigen Kundigen für kulturell hochstehende Bereiche verwendet wurden; andererseits die Mundarten, die die breite Bevölkerung in ihrem Alltag verwendete.

    Geschrieben wurden ostslawische Mundarten relativ selten, wenn, dann zum Beispiel auf Birkenrinde, hier ein Exponat aus dem 13./14. Jahrhundert / Foto © Lapot/Wikimedia unter CC0 1.0 Universal
    Geschrieben wurden ostslawische Mundarten relativ selten, wenn, dann zum Beispiel auf Birkenrinde, hier ein Exponat aus dem 13./14. Jahrhundert / Foto © Lapot/Wikimedia unter CC0 1.0 Universal

    Im Alltag sprachen die Bewohner der Kyjiwer Rus ihre ostslawischen Mundarten (oder ihre baltischen und finnischen Mundarten). In dieser Zeit können keine klar voneinander getrennten Vorläufer der drei ostslawischen Sprachen identifiziert werden. Zwar gab es deutliche Unterschiede zwischen räumlich weit entfernten Mundarten, zwischen den aneinandergrenzenden Mundarten gab es aber fließende Übergänge. Die Geschichte dieser ostslawischen Mundarten ist kurz erzählt: Wie jede Sprachform veränderten sie sich im Laufe der Jahrhunderte, sie blieben aber das Kommunikationsmittel der breiten Bevölkerung bis in das 20. Jahrhundert hinein und existieren bis heute. Dabei bestehen immer noch fließende Übergänge der Mundarten, selbst über die heutigen Staatsgrenzen hinweg. Dies ist auch für Mundarten in anderen Teilen Europas nichts Ungewöhnliches – beispielsweise an der niederländisch-deutschen oder der portugiesisch-spanischen Grenze.

    Geschrieben wurden ostslawische Mundarten relativ selten – bekannt sind Alltagstexte, verfasst auf Birkenrinde (z. B. kurze private Briefe), die vor allem in Nowgorod, aber auch an anderen Orten gefunden wurden. Diese Texte spiegeln die dortigen Mundarten wider. Auch die eher schematisch-formelhafte Sprache von Rechtstexten war ostslawisch (im Wesentlichen handelt es sich um einen größeren Text, die Russkaja prawda – zu übersetzen eben nicht mit „Russisches Recht“, sondern mit „Recht der Rus“). Kurzum: Ostslawisch war die Sprache von weltlichen Texten. Allerdings war ein sehr großer Teil des Schrifttums in der Rus wie anderswo im mittelalterlichen Europa religiös geprägt. Ähnlich wie weiter westlich das Lateinische den kulturell-religiösen Bereich und damit das Schrifttum überhaupt dominierte, dominierte auch im ostslawischen Raum eine importierte Sprache, und zwar das sogenannte Kirchenslawische. 

    Der Weg des Kirchenslawischen

    Das Kirchenslawische kam über Umwege in die Rus. Es war bereits im 9. Jahrhundert von den Brüdern Konstantin (der später den Mönchsnamen Kyrill annahm) und Method, zweier im Dienste von Byzanz stehenden Geistlichen erschaffen worden, und zwar zur Missionierung der Westslawen im damaligen „Mährischen Reich“. Um den Slawen die heiligen Texte in „ihrer“ Sprache näherbringen zu können, kombinierten die beiden sogenannten Slawenapostel ihren südslawischen Dialekt mit komplexeren Satzstrukturen und abstrakterem Wortschatz, die sie an griechische oder lateinische Vorbilder anlehnten. Kyrill entwickelte ein eigenes Schriftsystem, das Glagolitische. Für kurze Zeit war das Altkirchenslawische als erste und einzige Sprache auf zeitgenössischer Basis (wenn es letztlich auch eine Plansprache war, ohne „Muttersprachler“) neben Latein, Griechisch und Hebräisch auch von Rom als Sakralsprache anerkannt.

     Kyrill und Method / Foto © Mikuláš Klimčák (Maler), Peter Zelizňák (Fotograf), Wikimedia unter CC-BY SA 3.0
    Kyrill und Method / Foto © Mikuláš Klimčák (Maler), Peter Zelizňák (Fotograf), Wikimedia unter CC-BY SA 3.0

    Die „mährische Mission“ scheiterte jedoch, in ihrem Zielgebiet setzte sich die lateinische Liturgie durch. Die Schüler von Kyrill und Method mussten bald fliehen, die meisten in das damalige Bulgarische Reich. Hier entstand das nach Kyrill benannte, aber nicht von ihm selbst entwickelte kyrillische Alphabet, das kaum auf dem Glagolitischen, aber stark auf dem griechischen Alphabet beruht. In der Folge sollte es zur Schrift der orthodoxen Slawia werden. Als um 990 der Großfürst der Rus Wolodymyr (so der ukrainische, auf dem Ostslawischen beruhende Name) bzw. Wladimir (so der heutige kirchenslawisch geprägte russische Name) mit seinem Gefolge das Christentum annahm, wurde dieses kyrillisch geschriebene Kirchenslawische zur Missionierung der Bevölkerung eingesetzt. Den Ostslawen war das im Wesentlichen südslawische Kirchenslawische zu dieser Zeit partiell wohl noch verständlich, zumindest klang es vertrauter als es etwa beim Griechischen oder beim Lateinischen der Fall gewesen wäre. 

    Sprachkonkurrenz in Moskau und Litauen

    Die Kyjiwer Rus zerfiel im 13. Jahrhundert. Der östliche Teil wurde der mongolischen Goldenen Horde tributpflichtig. Später, im 14. und 15. Jahrhundert, etablierte hier das ursprünglich unbedeutende Fürstentum Moskau seine Vorherrschaft. Die bis dahin bestehende sprachliche Konstellation hatte in der Moskauer Rus, aus dem das Russische Zarenreich hervorging, noch bis ins 17. Jahrhundert Bestand: Ostslawisch (im Sinne zahlreicher Mundarten) war die Sprache im Alltag und in weltlichen Angelegenheiten, wurde aber nur begrenzt geschrieben. Kirchenslawisch galt für die höheren Sphären. Es ergab sich eine sogenannte Diglossie: eine Situation, in der sich zwei Sprachen – eine „hohe“ und eine „niedrige“ – recht strikt die Anwendungsbereiche aufteilen. 

    Anders sah es im westlichen Teil der einstigen Rus aus, auf dem Gebiet der heutigen Belarus und der Ukraine. Im 14. Jahrhundert waren diese Gebiete Teile des Großfürstentums Litauen geworden. Anders als in Moskau entstand hier relativ früh eine überregionale Schriftsprache, die auf dem Ostslawischen beruhte.3 Die litauischen Eroberer nutzten das Ostslawische der Bevölkerungsmehrheit und das kyrillische Alphabet in der Verwaltung ihres riesigen Reiches. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert machte dieses westliche, aus heutiger Sicht „belarusisch“ und „ukrainisch“ geprägte Ostslawische dem Kirchenslawischen ernsthafte Konkurrenz, denn es wurde nun nicht nur zu profanen Zwecken, sondern auch für Übersetzungen religiöser Texte, vor allem aber in konfessionellen Disputen gebraucht. Diese Sprache wurde von Zeitgenossen als „Sprache der Rus“ (ruska mova) oder als „einfache Sprache“ (prosta mova) bezeichnet. „Einfach“ ist dabei keinesfalls mit „simpel“ gleichzusetzen, sondern hebt auf ihre im Gegensatz zum Kirchenslawischen volkssprachlich-autochthone Basis ab. Diese Emanzipation der autochthonen Prosta mova passierte ganz ähnlich wie bei anderen europäischen „Volkssprachen“ im 16. und 17. Jahrhundert im Zuge von Reformation und Gegenreformation. 

    Während die Prosta mova von russischer Seite und auch in älteren deutschsprachigen Quellen oft und problematischerweise als „westrussisch“ bezeichnet wird, wird heutzutage im Deutschen in der Regel die Bezeichnung „ruthenisch“ bevorzugt. Diese Bezeichnung drückt aus, dass es sich eben nicht um eine Unterart des Russischen handelte. In der Belarus ist die Bezeichnung „Altbelarusisch“, in der Ukraine „Altukrainisch“ geläufig. Auch diese Bezeichnungen sind nicht unproblematisch, denn die Prosta mova insgesamt ist weder klar dem heutigen Belarusischen noch dem Ukrainischen zuzuordnen, auch wenn einzelne Texte mal mehr Ähnlichkeiten zu Mundarten des heutigen belarusischen, mal zu solchen des ukrainischen Gebiets aufweisen.

    Die ruthenische Schriftsprache des Großfürstentum Litauens hat wie das Großfürstentum selbst die Jahrhunderte nicht überdauert. Ende des 17. Jahrhunderts wurde ihre Verwendung in Verwaltung und Rechtsprechung aufgehoben, ihre Bedeutung hatte sie schon zuvor verloren. Nachdem Litauen bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Teil eines gemeinsamen polnisch-litauischen Staates geworden war und sich kulturell immer stärker an Polen orientiert hatte, wurde die ruthenische Schriftsprache vom kulturell attraktiven Polnischen verdrängt. 

    Die modernen Standardsprachen

    Um 1700 war damit „in der ostslavischen Sprachlandschaft […] noch nichts von dem in Sicht, was heute als Russisch, Ukrainisch und Weißrussisch (im Sinne der jeweiligen Standardsprachen) bezeichnet wird“.4 Die Bevölkerung sprach ihre jeweiligen Mundarten. Als Schriftsprache dominierte im Großfürstentum Litauen nunmehr das Polnische, im russischen Zarenreich nach wie vor das Kirchenslawische. Angestoßen durch die Modernisierungen Peters des Großen gab es im Zarenreich des 18. Jahrhunderts einen vehementen Konflikt, ob die als notwendig erachtete zukünftige russische Schriftsprache eher am Kirchenslawischen oder eher an der Volkssprache auszurichten war. Die moderne russische Standardsprache, die sich im 18. Jahrhundert allmählich herausbildete und im 19. Jahrhundert insbesondere im Werk des Schriftstellers Alexander S. Puschkin verfestigte, ist letztendlich ein Kompromiss: Sie beruht zum einen auf mittelrussischen Mundarten rund um Moskau, enthält aber sehr viele Elemente und Eigenschaften des Kirchenslawischen. 

    Die moderne ukrainische und die moderne belarusische Standardsprache sind nur etwas jünger. Wie viele andere moderne Standardsprachen sind sie Kinder des „Völkererwachens“ des 19. Jahrhunderts. Die Startbedingungen waren für sie schlechter als für das Russische: Zu dieser Zeit war das belarusische Sprachgebiet Teil des Russischen Zarenreiches geworden, das ukrainische größtenteils ebenfalls, ein kleinerer Teil gehörte zu Österreich. Dennoch bildeten sich in dieser Zeit das moderne Ukrainische und das moderne Belarusische im Werk von Schriftstellern wie den Ukrainern Iwan P. Kotljarewsky und Taras Schewtschenko und den Belarusen Winzent Dunin-Marzinkewitsch und Franzischak Bahuschewitsch heraus. Beide Sprachen beruhen auf damaligen ukrainischen beziehungsweise belarusischen Mundarten, ohne größere Rückgriffe auf das Kirchenslawische oder die frühneuzeitliche ruthenische Schriftsprache.5 

    Angesichts der Dominanz des Russischen in diesen Gebieten hatten die belarusische und die ukrainische Standardsprache auch weiterhin keine einfache Geschichte. Gerade in der Zeit der Sowjetunion gab es starke Versuche, die beiden Sprachen zugunsten des Russischen zurückzudrängen und sie zu „russifizieren“, dem Russischen ähnlicher zu machen. Diese Politik hat zweifellos ihre Spuren im Belarusischen und Ukrainischen hinterlassen. Aus dem Russischen entwickelt haben sie sich aber ebenso zweifellos nicht. Wenn die Kyjiwer Rus als Beginn der russischen Sprache und der „russischen Welt“ bezeichnet wird, nicht aber der belarusischen und ukrainischen, so beruht dies auf einem nomenklatorischen Trick: nämlich auf der Bezeichnung eines mittelalterlichen Großreiches und seiner Sprache, in dem an das Russische, das Ukrainische und das Belarusische, so wie wir es heute kennen, nicht zu denken war, als „altrussisch“.

    Und noch eine ostslawische Sprache?

    Abschließend: Es mag überraschen, dass auch Slawist*innen auf die simple Frage, wie viele ostslawische Sprachen es denn gäbe, unterschiedlich antworten. Dies liegt daran, dass manche Sprachformen eine größere Menge an kommunikativen Funktionen ausfüllen als typische Mundarten bzw. Dialekte, aber andererseits auch weniger als typische, voll ausgebildete Standardsprachen. Ein solcher Fall ist zum Beispiel das Russinische, das oft als vierte ostslawische Sprache bezeichnet wird. Es wird im Karpatenraum vor allem der Slowakei, der südwestlichen Ukraine und im südöstlichen Polen verwendet, nach migrativen Verschiebungen im 18. Jahrhundert auch in der serbischen Wojwodina. Für das Wojwodina-Russinische ist der Ausbau zu einer Standardsprache recht weit vorangeschritten. Für das Karpato-Russinische ist die Lage unterschiedlich, am wenigsten weit ist man in der Ukraine, am weitesten in der Slowakei.


    ANMERKUNG DER REDAKTION:

    Weißrussland oder Belarus? Belarussisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren der Gnosen, welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.


    1. Eine kritische Einordnung des Textes findet sich in Kappeler, Andreas (2021): Revisionismus und Drohungen: Vladimir Putins Text zur Einheit von Russen und Ukrainern, in: Osteuropa 2021:7, S. 67–76 ↩︎
    2. Moser, Michael (2022): The late origins of the glottonym “русский язык”, in: Russian Linguistics 46, S. 365–370 ↩︎
    3. Moser, Michael (2020): Middle Ruthenian, in: Encyclopedia of Slavic Languages and Linguistics Online, Brill ↩︎
    4. Hentschel, Gerd (1997): Rußland, Weißrußland, Ukraine: Sprachen und Staaten der ‘slavischen Nachfolge’ von Zarenreich und Sowjetunion, in: Hentschel, Gerd (Hrsg.): Über Muttersprachen und Vaterländer: Beobachtungen zum Problemkreis von Sprache und Nation, Frankfurt, S. 211–240, hier: S. 224 ↩︎
    5. Bieder, Hermann (2014): Herausbildung der Standardsprachen: Ukrainisch und Weißrussisch, in: Gutschmidt, Karl/Berger, Tilman/Kempgen, Sebastian/Kosta, Peter (Hrsg.): Die Slavischen Sprachen: Halbband 2, Berlin, München, Boston, S. 1412-1422 ↩︎

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  • Die moderne belarussische Sprache

    Die moderne belarussische Sprache

    Eine Fahrt mit der Minsker Metro verrät einiges über die sprachliche Situation in der Belarus. Die Fahrgäste unterhalten sich auf Russisch. In dieser Sprache sind auch die Bücher und Zeitschriften in ihren Händen, genau wie die Werbeanzeigen an den Wänden. Und gibt es einmal Störungen im Betriebsablauf, so erfolgt die entsprechende Durchsage ebenfalls auf Russisch. Wird jedoch ein planmäßiger Halt angekündigt, hört man aus den Lautsprechern plötzlich eine andere Sprache: das Belarusische.

    Wären auf dem Gebiet der heutigen Belarus vor 200 Jahren auch schon Metros gefahren, hätte sich ein anderes Bild geboten. Russisch wäre kaum zu hören gewesen, denn die Gebiete der heutigen Belarus sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst seit kurzer Zeit Teil des Russischen Zarenreichs. Zuvor hatten sie jahrhundertelang zur Adelsrepublik Polen-Litauen gehört, und deswegen wären auch zu jener Zeit die offiziellen Durchsagen der nächsten Station wohl noch auf Polnisch erfolgt. Auch die Namen der Stationen hätte man auf Polnisch ausgeschildert. Zwar hatte es im 16. und 17. Jahrhundert auf den Gebieten der Belarus bereits eine autochthone, ostslawische Schriftsprache1 gegeben, diese war aber längst vom westslawischen Polnischen verdrängt worden. Unterhalten hätten sich die Fahrgäste des 19. Jahrhunderts in unterschiedlichen Sprachen: Einige auf Polnisch, der Sprache des Adels, andere auf Jiddisch, und wieder andere in unterschiedlichen dialektalen Formen des ostslawischen Belarusischen, der Sprache der breiten Bevölkerung.

    Das moderne Belarusische

    Im 19. Jahrhundert setzte sich in Europa der Glaube an die Einheit von Volk, Nation und Sprache und damit das Bedürfnis nach einheitlichen Standardsprachen durch. Für die drei modernen ostslawischen Standardsprachen, für das Russische, das Ukrainische und das Belarusische, war dieses Jahrhundert das entscheidende. Auch die Idee einer belarusischen Identität gewann nun an Bedeutung und damit der Wunsch nach einer einheitlichen belarusischen Sprache. Anfang des 19. Jahrhunderts standen beide allerdings in Konkurrenz zur polnischen Sprache und Identität. Exemplarisch zeigt sich das in Biographie, Werk und Wahrnehmung der beiden befreundeten Schriftsteller Adam Mickiewicz und Jan Tschatschot. Obwohl beide am Ende des 18. Jahrhunderts unweit des heute belarusischen Nawahrudak geboren wurden, avancierte der erste zum Nationaldichter Polens, während der zweite zu einem der Gründer der belarusischen Wiedergeburtsbewegung wurde. „Von nahezu identischen Ausgangspunkten“ schlugen sie Bahnen ein, „wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten“2.

    Das Polnische verlor im späteren 19. Jahrhundert in den „Nordwestprovinzen“ des Zarenreiches zunehmend seine Bedeutung. In Reaktion auf zwei Aufstände, die 1830/31 und 1863 auf den Gebieten des ehemaligen Polen-Litauens ausbrachen, nahm stattdessen der Einfluss des Russischen zu. Die westlichen Ostslawen wurden als „Teil des russischen Volkes“ betrachtet, der durch polnische Einflussnahme von diesem „entfremdet“ worden sei.3 Eine belarusische Standardsprache hatte in dieser Logik keinen Platz und wurde dementsprechend in ihrer Entwicklung behindert. Trotz dieser ungünstigen politischen Situation bildete sich bis zum Anfang des 20. Jahrhundert eine Literatur heraus, deren Sprache auf den damaligen belarusischen Dialekten aufbaute. Im Zuge der politischen Teilliberalisierung, die auf die Russische Revolution 1905 folgte, konnte das Belarusische schließlich auch in publizistischen Bereichen verwendet und stilistisch ausgebaut werden. Maßgeblich für diesen Prozess war die zwischen 1906 und 1915 herausgegebene Zeitung Nascha Niwa, das wichtigste Publikationsorgan der belarusischsprachigen Schriftsteller und Publizisten jener Zeit. 1918 wurden die orthographischen und grammatischen Regeln des Belarusischen durch Branislau Taraschkewitsch kodifiziert. Diese erste, aber nicht letzte Norm der belarusischen Standardsprache wurde nach ihrem Schöpfer als Taraschkewiza bekannt und war auf Abstand zum Russischen bedacht.

    Das Belarusische in der Sowjetunion

    Anfang des 20. Jahrhunderts stand die belarusische Sprache also gewissermaßen bereit, in einem künftigen belarusischen Staat die Funktionen einer Standardsprache zu erfüllen. Durchsetzen sollte sie sich jedoch letztlich nie, auch wenn es nach dem ersten Weltkrieg zunächst ganz danach aussah. Zwar gingen die westlichen Gebiete der heutigen Belarus an das neu entstandene Polen, wo eine Polonisierung der ostslawischen Bevölkerung angestrebt wurde. Im östlichen Teil, der nun als Belarusische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR) Teil der Sowjetunion war, erfuhr das Belarusische jedoch im Zuge der sogenannten Belarussisazyja eine nie dagewesene Förderung. Insbesondere wurde das Belarusische als Schul- und Verwaltungssprache eingeführt und auch in beträchtlichem Maße durchgesetzt.

    Doch die liberale Sprachenpolitik der frühen Sowjetunion, die das Ziel verfolgte, nationale Minderheiten und ihre Eliten in den neuen Staat und die neue Ideologie einzubinden, sollte nicht lange andauern. Unter Stalin wurde 1934 das Russische zur alleinigen Sprache der innersowjetischen Kommunikation erklärt, bereits ein Jahr zuvor war es die alleinige Sprache der Armee geworden. 1938 wurde es Pflichtfach in den Schulen aller Sowjetrepubliken. Ein neues Regelwerk, die nach dem Volkskommissariat (narodny kamissaryjat) benannte Narkamauka, ersetzte 1933 die Taraschkewiza. Sie nähert das Belarusische in Grammatik, Wortbildung und Orthographie dem Russischen an. Diese Maßnahmen lesen sich heute recht nüchtern. Gleichzeitig fiel aber dem Großen Terror der 1930er Jahre auch fast die gesamte belarusischsprachige Intelligenz zum Opfer. Sich für das Belarusische einzusetzen oder lediglich Belarusisch zu sprechen, während der Kampf gegen „nationale Abweichler“ wütete, erforderte beträchtlichen Mut.

    Doch nicht nur die Sowjetisierung, sondern auch der Zweite Weltkrieg hatte Folgen für die Stellung der belarusischen Standardsprache. Zwar gingen mit der sowjetischen Annexion Ostpolens 1939 große Teile des in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörenden belarusischen Sprachgebiets an die BSSR. Der Umstand, dass die deutschen Besatzer die belarusische Sprache im Zweiten Weltkrieg – wie auch schon im Ersten Weltkrieg – in gewissem Umfang für ihre Zwecke gefördert hatten, trug jedoch dazu bei, das Belarusische in der Sowjetunion zu diskreditieren. Vor allem aber verlor die belarusische Standardsprache ihren stärksten Trumpf gegenüber dem Russischen, nämlich die größere Nähe zur Alltagssprache der breiten Bevölkerung. Denn mit der Ermordung von Millionen Menschen und der vollständigen Vernichtung von etwa 9000 Dörfern durch die Deutschen war auch die dialektale Landschaft zu großen Teilen zerstört worden. Nach dem Krieg wurden Städte im Zuge einer raschen Industrialisierung schneller wiederaufgebaut als Dörfer. Zahlreiche junge Sprecher*innen belarusischer Dialekte zogen daher als dringend benötigte Arbeitskräfte vom Land in die rasant wachsenden Städte, wo sie sich der sozial dominanten russischen Sprache zuwandten. Hieraus resultiert die weite Verbreitung der sogenannte Trassjanka im Lande, einer gemischten Rede, die Elemente des Belarusischen und des Russischen aufweist.

    Dass insbesondere in den Städten das Russische dominierte, lag einerseits daran, dass nach dem Krieg viele Russ*innen und Sprecher*innen des Russischen aus anderen Teilen der Sowjetunion in die belarusischen Städte gezogen waren, um dort Führungspositionen einzunehmen. Vor allem blieb aber auch unter Stalins Nachfolgern das Russische die Sprache des ideellen Wegs zum Kommunismus – und damit auch die Sprache des individuellen Wegs nach oben auf jedweder Karriereleiter. Seinem Ärger über eine belarusischsprachige Rede, die er wohlgemerkt auf dem 40. Jahrestag der BSSR hatte hören müssen, soll Chruschtschow mit den Worten Luft gemacht haben: „Je eher wir alle Russisch sprechen, desto eher haben wir den Kommunismus aufgebaut“.4 Das Russische hatte nun die „zweite Muttersprache“ aller nicht-russischen Ethnien zu sein. Trotz allem war das Belarusische als Unterrichtssprache bis in die Nachkriegszeit hinein aber noch recht gut vertreten. Als Eltern ab 1958 jedoch die Unterrichtssprache ihrer Kinder frei wählen durften, optierten die meisten für das in der Sowjetunion unverzichtbare Russische, nicht für das verzichtbare Belarusische.

    Belarusisch im unabhängigen Belarus

    Zum Ende der Sowjetzeit sah es für das Belarusische düster aus. Erst in der Perestroika-Stimmung der 1980er Jahre konnten sich national orientierte Intellektuelle für das Belarusische stark machen. Als alleinige Staatssprache der nun unabhängigen Republik Belarus erlebte es dann Anfang der 1990er Jahre einen vorerst letzten Aufschwung. Insbesondere der Anteil der Schüler*innen, die auf Belarusisch unterrichtet wurden, stieg stark an. Der Rückhalt in der Bevölkerung für die allgemeine Durchsetzung einer Sprache, die von vielen kaum benutzt und eher mittelmäßig beherrscht wurde, war jedoch nicht allzu groß. Vielen ging es zumindest zu schnell und in der postsowjetischen Wirtschaftskrise waren vielen Belarus*innen andere Probleme dringlicher. Auf diese Stimmung bauend ließ Präsident Alexander Lukaschenko kurz nach seinem Antritt im Mai 1995 ein in seiner Rechtmäßigkeit umstrittenes Referendum durchführen, das unter anderem auch auf die Staatssprache abzielte. Die entsprechende Frage war geschickt formuliert: Es ging nicht etwa darum, die Förderung des Belarusischen zurückzunehmen oder es gar zurückzudrängen, sondern darum, „dem Russischen den gleichen Status wie dem Belarusischen“ einzuräumen. Offiziell 87 Prozent der gültigen Stimmen zeigten sich damit einverstanden.

    Heute sind Belarusisch und Russisch rechtlich gleichberechtigte Staatssprachen der Republik Belarus. Personen, die sich für eine stärkere Position des Belarusischen einsetzen, kann die offizielle Seite entgegnen, dass man das Belarusische ja keinesfalls zurückdränge. Man sei – so etwa Lukaschenko – lediglich dagegen, eine der beiden Sprachen mit Zwang durchzusetzen.5 Ganz ähnlich wie bei der freien Wahl der Unterrichtssprache in den 1950er Jahren ist das Belarusische ohne eine positive Diskriminierung jedoch chancenlos. Denn ob im alltäglichen Gebrauch, im öffentlichen Leben, den Medien, dem Bildungswesen, dem Buchmarkt, bei Regierungs- und Verwaltungsorganen, im Geschäftswesen, in der Wissenschaft – überall dominiert das Russische, das Belarusische spielt allenfalls eine marginale Rolle.
    So gab im Zensus von 2019 zwar immerhin ein gutes Viertel der knapp acht Millionen ethnischer Belarus*innen6 an, zu Hause für gewöhnlich das Belarusische zu benutzen. Dass sich dahinter aber nicht die Standardsprache verbirgt, wird in anderen Umfragen deutlich. Können die Befragten nicht nur Belarusisch oder Russisch ankreuzen, sondern auch „Trassjanka“ oder „belarusisch-russisch gemischt“, dann sinkt der Anteil der Belarusischsprecher*innen auf unter fünf Prozent.7
     

    Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt.8

    Der zweifellos marginale Status des Belarusischen im Gebrauch wird zuweilen sogar in ein Argument gegen dessen Förderung umgemünzt: Dass niemand es im Alltag benutze, zeige, dass diese „Sprache der Schriftsteller“ nicht für den Alltag tauge. Das verkennt allerdings, dass das Belarusische für einige, wenn auch wenige, durchaus die praktikable und normale Alltagssprache ist. Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine national gesinnte Minderheit, oft mit einer Vorliebe für die erste, nicht-russifizierte Norm des Belarusischen, die Taraschkewiza. Der Gebrauch des Belarusischen in der Öffentlichkeit ist ungewöhnlich und damit als Statement zu verstehen. Umgekehrt ist es jedoch keineswegs so, dass der Gebrauch des Russischen auf eine regierungstreue Haltung oder die Ablehnung einer belarusischen Eigenständigkeit schließen lässt. Die Sprachenfrage ist entsprechend auch in den gegenwärtigen Protesten „seltsam abwesend“9


    Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt.10

    Die Situation des Belarusischen ist heute von vielen Widersprüchen geprägt. So betrachten etwa viele Belarus*innen das Belarusische als ihre Muttersprache11, obwohl sie es kaum sprechen. Auch sehen viele die Sprache noch als wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Belarus*innen zu den Russ*innen, stimmen jedoch der Aussage zu, dass man auch Belarus*in sein könne, ohne die Sprache zu sprechen. Grundsätzlich beherrschen solle man sie jedoch schon, auch wenn für die allermeisten das Belarusische heute eine lediglich im Klassenzimmer erlernte und auf schulische Kontexte beschränkte Sprache ist. Nach wie vor hegen aber viele junge Belarus*innen den Wunsch, dass ihre eigenen Kinder einmal nicht nur das Russische, den jasyk, beherrschen, sondern auch: die belarusische mowa.12 Ob den Belarus*innen in ihrer Mehrheit die symbolischen, aber letztlich homöopathischen Dosen des Belarusischen in Metro, Schule und anderswo ausreichen, wird sich zeigen müssen.


    Anmerkung der Redaktion:

    Weißrussland oder Belarus? Belarussisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren der Gnosen, welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.

     

     

    Zum Weiterlesen
    Bieder, H. (2001): Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Beyrau, D./Lindner, R. (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen, S. 451–471
    Hentschel, G./Kittel, B. (2011): Zur weißrussisch-russischen Zweisprachigkeit in Weißrussland – nicht zuletzt aus der Sicht der Weißrussen, in: Bohn, Th. et al. (Hrsg.): Ein weißer Fleck in Europa … Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West, Bielefeld, S. 49–67
    Woolhiser, Curt (2013): New speakers of Belarusian: Metalinguistic Discourse, Social Identity, and Language Use, in Bethea, David M./Bethin, Christina Y.  (Hrsg.): American Contributions to the 15th International Congress of Slavists, Minsk, August 2013, Bloomington, S. 63–115
    Zaprudski, S. (2007): In the grip of replacive bilingualism: The Belarusian language in contact with Russian, in: International Journal of the Sociology of Language 183, S. 97–118

    1. Moser, M. (2005): Mittelruthenisch (Mittelweißrussisch und Mittelukrainisch): Ein Überblick, in: Studia Slavica Academiae Scientiarum Hungaricae 50, S. 125–142; Bunčić, D. (2006): Die ruthenische Schriftsprache bei Ivan Uževyč unter besonderer Berücksichtigung der Lexik seines Gesprächsbuchs Rozmova/Besěda, München ↩︎
    2. Kohler, G.-B. (2014): Selbst, Anderes Selbst und das Intime Andere: Adam Mickiewicz und Jan Čačot, in: Studia Białorutenistyczne 8, S. 79–94, hier S. 83 ↩︎
    3. Brüggemann, M. (2014): Zwischen Anlehnung an Russland und Eigenständigkeit: Zur Sprachpolitik in Belarus‘, in: Europa ethnica 3-4/2014, S. 88–93, hier S. 89 ↩︎
    4. zit. nach: Korjakov, Ju. B. (2002): Jazykovaja situacija v Belorussii i tipologija jazykovych situacij, Moskva, hier S. 39 ↩︎
    5. nach Brüggemann, M. (2014): Die weißrussische und die russische Sprache in ihrem Verhältnis zur weißrussischen Gesellschaft und Nation: Ideologisch-programmatische Standpunkte politischer Akteure und Intellektueller 1994–2010, Oldenburg, hier S. 112 ↩︎
    6. Mit ethnischen Belarus*innen sind dabei belarusische Staatsbürger*innen gemeint, die sich nicht als Russ*innen, Pol*innen, Ukrainer*innen etc. identifizierten. ↩︎
    7. Kittel, B./Lindner, D./Brüggemann, M./Zeller, J. P./Hentschel, G. (2018): Sprachkontakt – Sprachmischung – Sprachwahl – Sprachwechsel: Eine sprachsoziologische Untersuchung der weißrussisch-russisch gemischten Rede „Trassjanka“ in Weißrussland, Berlin, hier S. 180; Informacionno-analitičeskij centr pri Administracii Prezidenta Respubliki Belarus’ (Hrsg.) (2018): Respublika Belarus’ v zerkale sociologii: Sbornik materialov sociologičeskich issledovanij, Minsk, hier S. 46 ↩︎
    8. Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt. Vgl. Kittel et al. 2018, S. 180 ↩︎
    9. Brüggemann, M. (2020): Demokratie nur auf Belarusisch? Eine Reise in die sprachpolitischen „Befindlichkeiten“ der Belarus, in: Bohn, T./Rutz, M. (Hrsg.): Belarus-Reisen: Empfehlungen aus der deutschen Wissenschaft, Wiesbaden, S. 53–69, hier S. 69 ↩︎
    10. Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt. Vgl. Hentschel, G./Brüggemann, M./Geiger, H./Zeller, J. P. (2015): The linguistic and political orientation of young Belarusian adults between East and West or Russian and Belarusian, in: International Journal of the Sociology of Language 2015/236, S. 133–154, hier S. 151 ↩︎
    11. In der Entsprechung zum deutschen Wort „Muttersprache“ ist weder im Belarusischen noch im Russischen von „Mutter“ die Rede. Im Belarusischen ist es „rodnaja mova“, im Russischen „rodnoj jazyk“. Das Attribut „rodnaja“ bzw. „rodnoj“ ist am ehesten vergleichbar mit dem englischen „native“. In anderen Kontexten kann es mit „leiblich verwandt“, „Heimat‑“ oder „angeboren“ übersetzt werden. Abgeleitet ist es von der Wurzel „rod“, zu übersetzen unter anderem mit „Stamm, Geschlecht“, die auch im Wort „narod“ „Volk“ vorkommt. Vgl dazu: Zeller, J. P./Levikin, D. (2016): Die Muttersprachen junger Weißrussen: Ihr symbolischer Gehalt und ihr Zusammenhang mit sozialen Faktoren und dem Sprachgebrauch in der Familie, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch (Neue Folge) 4, S. 114–144 ↩︎
    12. Hentschel, G et al. 2018, S. 151 ↩︎

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