дekoder | DEKODER

Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Default (1998)

    Default (1998)

    Am 17. August 1998 erklärte der russische Staat unter der Führung von Jelzin seine Zahlungsunfähigkeit nach einer Zeit des wirtschaftspolitischen Chaos. Dieses Ereignis markierte eine Wende in der russischen Finanzpolitik hin zu einem wesentlich konservativeren Kurs in den 2000ern und trug zur Popularität Putins bei, da er im Gegensatz zu Jelzin den gesellschaftlichen Bedarf an Stabilität und relativem Wohlstand bedienen konnte.

    Ein Default tritt ein, wenn ein Staat oder ein anderes wirtschaftliches Subjekt nicht in der Lage oder nicht bereit ist, seiner legalen Pflicht nachzukommen, die Kreditrate oder die Zinsen, die fällig sind, zu bezahlen.

    Russland erklärte seine Zahlungsunfähigkeit am 17. August 1998, was einen Einschnitt in seiner neuesten Geschichte markierte. Diesem Tag ging eine Zeit des wirtschaftlichen Chaos voran. Durch die Einführung der Marktökonomie 1992 bestätigte sich die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft, viele Unternehmen wurden in der Folge zahlungsunfähig. Die erfolgreicheren Unternehmen wurden zu Objekten von Verteilungskämpfen seitens der früheren Nomenklatura und in der Politik gut vernetzter Geschäftsleute, aber auch krimineller Gruppierungen.

    Selbst wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen kamen ihrer Steuerpflicht nur sehr unvollständig nach, nicht zuletzt aufgrund der intransparenten Steuergesetzgebung, der vergleichsweise hohen Steuersätze und der Unfähigkeit des Staates, seine Forderungen einzutreiben. Dadurch wies das Budget regelmäßig erhebliche Defizite auf. Die Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) waren schnell verbraucht, die Russische Zentralbank (RZB) durfte seit Ende 1994 das Budget nicht mehr finanzieren und so musste sich die Regierung auf dem Finanzmarkt verschulden, um ihre Ausgaben zu begleichen. Zunächst verkaufte sie Staatsanleihen an russische Banken. Seit 1996 durften auch Ausländer russische Anleihen kaufen. Besonders gerne legten risikobereite Banken und Hedgefonds Geld in russische GKOs und OFZs (kurz- und langfristige Anleihen) an, die bisweilen nominal dreistellige Zinssätze abwarfen und dadurch leichten Gewinn ermöglichten.

    Die finanzielle Lage der Regierung war bereits im Frühling 1998 ernst, weshalb Jelzin den liberalen Manager Kirijenko zum Premierminister ernannte. Dieser hob den GKO-Zinssatz an, um Investoren anzuziehen, konnte aber ihr Vertrauen nicht mehr gewinnen. Die Asienkrise 1997 verminderte ihre Bereitschaft, in Entwicklungs- und Schwellenländern zu investieren. Auch trug der Öl- und Gaspreisverfall 1997 zum verminderten Enthusiasmus bei Finanzinvestoren bei. Gleichzeitig war der Rubel überbewertet und sein Wechselkurs fest, was wirtschaftliche Akteure zum massiven Verkauf der russischen Währung animierte und die RZB unter Druck setzte. Trotz massiven Einsatzes von Währungsreserven zur Stützung des Rubels konnte die Situation nicht unter Kontrolle gebracht werden und so war die Regierung am 17.08.1998 gezwungen, den Default zu erklären, den Rubel freizugeben und als Konsequenz seine Abwertung in Kauf zu nehmen, obwohl sie ein solches Szenario bis zuletzt als Möglichkeit abstritt.

    Der Default zog augenblicklich schwerwiegende wirtschaftliche und politische Konsequenzen nach sich. Zunächst lockerte die neue Führung mit Primakow als Premierminister und Geraschtschenko als RZB-Chef die Geldpolitik, um das Wachstum anzukurbeln und eine Finanzierung des Budgets zu ermöglichen. Diese Politik wurde von einem Anstieg des Ölpreises begleitet und die finanzielle Situation der russischen Wirtschaft sowie die Lage des Budgets verbesserten sich daraufhin schnell. Nicht zuletzt trug in diesem Kontext die Rubelabwertung dazu bei, dass Importe teurer wurden und russische Firmen auf dem heimischen Markt mehr verkaufen konnten. Trotzdem entließ der neue Präsident Putin Geraschtschenko Ende 2002. In der Folge betrieben die RZB und das Finanzministerium eine konservative Geld- und Finanzpolitik, was nicht zuletzt auch durch den weiter steigenden Ölpreis möglich wurde. 2004 schuf die Regierung aus überschüssigen Öleinnahmen einen Stabilisierungsfond, der unter anderem als Absicherung gegen einen potentiellen Default diente. Gleichzeitig instrumentalisierte Putin den Default als ein von „Liberalen“ herbeigeführtes Ereignis, das unter seiner Herrschaft nicht mehr stattfinden werde.

    Weitere Themen

    Jegor Gaidar

    Higher School of Economics

    Zentralbank

    Dimitri Simin

    Die 1990er

    Die Wilden 1990er

  • Voucher-Privatisierung

    Voucher-Privatisierung

    Tschubais ist an allem schuld“, so lautet das geflügelte Wort, das den ehemaligen Vize-Ministerpräsidenten Russlands zum Sündenbock für die Fehlentwicklungen der 1990er Jahre macht. 1992 legte Tschubais den Grundstein für seinen Spitznamen „Vater des russischen Kapitalismus“, indem er die größte Privatisierungsreform der Weltgeschichte in Gang setzte: Der überwiegende Großteil der staatlichen Unternehmen wurde mittels Voucher in Privatbesitz überführt. Es war die wichtigste Marktreform im Russland der frühen 1990er Jahre. 
    Durch die Privatisierung sollte die siechende sowjetische Planwirtschaft in eine florierende Marktwirtschaft umgewandelt werden. Die Architekten der Reform beabsichtigten, die Wirtschaft vom Einfluss des Staates und somit von der Politik zu befreien. Die Reform selbst war jedoch im Kern sehr politisch. Ihr Ziel war es, eine breite Klasse von Kapitaleigentümern zu schaffen, eine neue russische Bourgeoisie. Stattdessen ermöglichte sie aber den Aufstieg von Oligarchen.

    Am 5. Juni 1992 unterschrieb der damalige russische Präsident Boris Jelzin die Neufassung des Gesetzes „Über die Privatisierung der staatlichen und kommunalen Unternehmen in der Russischen Föderation“. Die eigentliche Privatisierung begann aber am 14. August desselben Jahres mit Jelzins Ukas „Über das Inkrafttreten des Systems von Privatisierungsbons in der Russischen Föderation“. Die daraufhin emittierten Bons wurden als Voucher bezeichnet, in Anlehnung an die Bezeichnung der emittierten Wertpapiere bei der tschechischen Privatisierungsreform.

    Jeder Voucher hatte einen Nennwert von 10.000 Rubel, nach damaligem Umrechnungskurs etwas mehr als 30 US-Dollar.1 Dieser Wert ergab sich daraus, dass das zu privatisierende Volkseigentum, das zunächst 35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts umfasste, auf 1,5 Billionen Rubel geschätzt wurde. 1,5 Billionen Rubel geteilt durch die Einwohnerzahl von 150 Millionen ergab 10.000 Rubel. In Wirklichkeit waren die einzelnen Voucher jedoch viel weniger Wert, viele Russen verkauften sie für rund sieben US-Dollar. Es befanden sich viel mehr Voucher im Umlauf als geplant und die Anzahl der begehrten Unternehmen war begrenzt, wodurch der Wert von einzelnen Vouchern de facto sank.2

    Entpolitisierung der Wirtschaft

    Die Reform wurde initiiert, nachdem der Prozess der schleichenden Privatisierung bereits mehrere Jahre im Gange war. Die Direktoren der sowjetischen Unternehmen hatten auch im jungen Russland Kontrolle über selbige behalten und waren mit asset stripping beschäftigt, mit der Ausschlachtung von Anlagen. Mit einer geregelten Privatisierung sollte dieser Prozess nun gestoppt werden.

    Die Wirtschaftsberater der russischen Regierung, unter anderem die Harvard-Ökonomen Maxim Boycko, Andrei Shleifer und Robert Vishny, erhofften sich auch eine Zurückdrängung des Einflusses sowjetischer Nomenklatura auf die Unternehmen. Die neuen Eigentümer sollten transparente und effiziente Managementstrukturen schaffen und planwirtschaftliche Dinosaurier tilgen. Laut Boycko und seinen Kollegen waren die „Politiker“ das Hauptproblem der russischen Wirtschaft, der politische Einfluss auf die Wirtschaft sollte auf ein Minimum gesenkt werden.

    Demokratische und gerechte Reform?

    Die Vorstellungen über die Reform waren zunächst sehr idealistisch. Der damalige Präsident Boris Jelzin stellte sie als demokratisch und gerecht dar. Demnach sollte jeder Bürger in Besitz eines Vouchers kommen, mit dem er an einer beliebigen Privatisierungsauktion teilnehmen konnte. In der Theorie hätte schon ein einziger Voucher in einen Anteil eines Unternehmens umgewandelt werden können, in der Praxis führten aber erst zehntausende Voucher zum Erwerb von nennenswerten Unternehmensanteilen.

    Während der Reform waren viele Kleinunternehmer und Gauner, die im Volksmund ironisch als „Investoren“ bezeichnet wurden, damit beschäftigt, Voucher aufzukaufen. Zu solchen Kleinunternehmern gehörte unter anderem auch der spätere Oligarch Oleg Deripaska. Die Armut grassierte und viele Menschen wollten ihre Voucher schnell zu Geld machen, was zu einem massiven Preisrückgang führte. Alternativ gab es die Möglichkeit, Voucher einem Investitionsfonds (Tschekowy Inwestizionny Fond) zu verkaufen, der als ein institutionalisierter Investor während der Privatisierungs-Auktionen auftrat. Es gab ungefähr 600 solcher Fonds. Anatoli Tschubais, der für die Durchführung der Reform verantwortlich war, legte zum Beispiel seinen Voucher im Ersten Voucher-Fonds (Perwy Wautscherny Fond) an. Dieser Fond half ausländischen Holdings, sich in russische Unternehmen einzukaufen.

    Neue Schicht Kapitaleigentümer

    Geschäfte mit Vouchern und Aktien führten zur Etablierung einer neuen Schicht Kapitaleigentümer. Zu solchen gehörten beispielsweise die als „Spekulanten“ verfemten Händler, die Preisunterschiede innerhalb bestimmter Zeiträume ausnutzten und mit dem Voucher-Handel Gewinne erwirtschafteten.  Die sogenannten „Manager“ (russ. uprawljajuschtschie) wandelten Voucher demgegenüber in Unternehmens- oder Investitionsfonds-Aktien um und verkauften sie anschließend gewinnbringend.3

    Anders als von Tschubais und Jelzin geplant, machte die Reform aber nur einen kleinen Teil der russischen Gesellschaft zu Kapitaleigentümern. Die Privatisierung sollte vor allem deshalb „gerecht“ sein, weil alle Bürger voraussetzungslos und nach dem Gleichheitsprinzip jeweils einen Voucher bekamen. Der Verlauf und die Konsequenzen der Reform brachen aber den Gerechtigkeitssinn der Russen, wie Tschubais 2013 selbstkritisch eingestand.4

    One Size Doesn’t Fit All

    Die Wirtschaftsberater der Regierung hatten es abgelehnt, die Reform an Werte, kulturelle Praktiken und den Wissensstand der russischen Gesellschaft anzupassen. Die russischen Bürger würden genauso auf Anreize reagieren und ihre Interessen genauso verfolgen, wie die Bürger in Ländern mit längerer Tradition des Kapitalismus, so die These des Harvard-Ökonoms Maxim Boycko.5

    Dies war vor allem deshalb ein Fehlschluss, weil es an institutionellen Instrumenten mangelte, um kriminelle Praktiken bei der Durchführung der Reform zu verhindern. Hinzu kamen gravierende politische Fehler bei der Ausgestaltung der Reform. Schließlich fehlten dem Großteil der russischen Gesellschaft Kenntnisse von marktwirtschaftlichen Mechanismen. Aus diesen Gründen war es für Manager und Oligarchen ein leichtes Spiel, Kontrolle über den Privatisierungsprozess zu erlangen und zu behalten. Sie konnten den Verlauf der Privatisierung nach ihren Interessen gestalten und schafften es bis 1996 18 Prozent der Aktien zu erwerben und weitere 40 Prozent der Aktien im Streubesitz zu kontrollieren.6 Vor allem aus diesem Grund gilt die Voucher-Privatisierung im nationalkonservativen Diskurs als „Raub am Volk“.


    1. vgl. Gustafson, Thane (1999): Capitalism Russian-Style, S.41 ↩︎
    2. vgl. o. A. (2002): Theft of the Century. Privatization and the Looting of Russia. An Interview with Paul Klebnikov. In: The Multinational Monitor 23 (1 & 2), Januar/Februar ↩︎
    3. vgl. Baškirova, Valerija; Aleksandr Solov’jov; Vladislav Dorofeev (2012): Geroi 90-ch. Ljudi i den’gi. Novejšaja istorija kapitalizma v Rossii, S. 98 ↩︎
    4. vgl. Aven, Pjotr; Al’fred Koch (2013): Revoljucija Gajdara. Istorija reform 90-ch iz pervych ruk ↩︎
    5. vgl. Appel, Hilary (2000): The Ideological Determinants of Liberal Economic Reform: The Case of Privatization. In: World Politics Vol. 52, Nr. 4 (July), S. 520-549, hier S. 538 ↩︎
    6. vgl. Aslund, Anders (2007): Russia’s Capitalist Revolution: Why Reform Succeeded and Democracy Failed ↩︎

    Weitere Themen

    Lektionen aus dem Zerfall eines Landes

    Wandel und Handel

    Bringen Sie uns bloß die Wirtschaft in Ordnung!

    „Nur ein Idiot versteht den Ernst der Lage nicht“

    Wörterbuch der wilden 1990er

    Besondere russische Werte?!

  • Bank Rossija

    Bank Rossija

    Die Bank Rossija ist ein russisches Kreditinstitut, das von Putins engsten Vertrauten kontrolliert wird. Sie steht seit 2014 auf der Sanktionsliste der USA. Im April 2016 geriet sie im Zusammenhang mit den Panama Papers in den Fokus der Öffentlichkeit.

     

    Die Bank Rossija (dt. Russland) wurde 1990 im Zuge der Liberalisierung des Bankensektors als eine der ersten russischen Privatbanken geschaffen. Bei ihr sollten die Konten der Kommunistischen Partei sowie des Geheimdienstes KGB in Leningrad geführt werden. Im Jahr 1991 beauftragte der damalige Bürgermeister von St. Petersburg Anatoli Sobtschak seinen Stellvertreter Wladimir Putin damit, auf Grundlage der Bank einen Fonds für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zu schaffen. Putin wandelte die Bank in eine Aktiengesellschaft um und verkaufte sie an seinen Bekannten Juri Kowaltschuk, der in St. Petersburg eine Gesellschaft für Joint Ventures betrieb, und an dessen Bekannte aus dem Physikalisch-Technischen Joffe-Institut: Viktor Mjatschin, die Brüder Andrej und Sergej Fursenko sowie Wladimir Jakunin.1

    Die Eigentümer

    Kowaltschuk ist bis heute der Haupteigentümer der Bank und verfügt aktuell über 38,45 Prozent der Aktien. Das Magazin Forbes führte ihn zwischenzeitlich als einen der 100 reichsten Russen. Erst 2015, als Konsequenz der Wirtschaftskrise und der westlichen Sanktionen, fiel er auf Platz 132.

    Alle fünf Eigentümer gründeten einige Jahre nach dem Bankenkauf gemeinsam mit Putin die Datschenkooperative Osero, deren Mitglieder in der heutigen russischen Wirtschaft und Politik außerordentlich erfolgreich und einflussreich sind. Ein weiteres Mitglied der Osero-Kooperative, Nikolaj Schamalow, hält 9,88 Prozent der Aktien von Rossija. Der Unternehmer Gennadi Timtschenko, ebenfalls ein enger Freund Putins, kaufte bereits 1997 Anteile an der Bank.

    Spiegelbild wechselseitiger Loyalitäten im System Putin

    Der Aufstieg der Bank Rossija in den 2000ern ist ein guter Indikator für die Festigung der Machtbasis Putins und seiner Umgebung. Rossija erwarb in dieser Zeit Anteile von vielen systemrelevanten Unternehmen und Medien. Unter anderem ist sie an der Gazprom-eigenen Versicherungsfirma Sogas sowie indirekt an der Gazprombank beteiligt. Darüber hinaus kaufte sie Anteile von einigen wichtigen Medien wie der Zeitung Izvestia und den Fernsehsendern Erster Kanal, Ren-TV oder Peterburg-Pjaty Kanal. Umgekehrt erwarben Unternehmen wie Sewerstal von Alexej Mordaschow oder das intransparente Rohstoffunternehmen Surgutneftegas Aktien von Rossija.
    Mordaschow kaufte seine Anteile zu Preisen, die allgemein als überhöht angesehen wurden. Dies lässt die Spekulation zu, dass er sich so in Putins Umgebung einkaufen wollte – im Tausch gegen wirksamen Eigentumsschutz. So spiegelt die verschachtelte Struktur von Rossija wechselseitige Loyalitäten im System Putin wider.

    Die Bank im Krim-Konflikt …

    Manche Analytiker nehmen an, dass Putin über sein Eigentum nicht direkt, sondern mittels seiner Freunde und Kooperationspartner – wie Juri Kowaltschuk, Gennadi Timtschenko oder den Rotenberg-Brüdern – verfügt.2 Aus dieser Überlegung heraus verhängten die USA nach der Angliederung der Krim im März 2014 Sanktionen explizit gegen die Eigentümer von Rossija. Die amerikanische Regierung fror Aktiva von Rossija sowie der mit ihr assoziierten Bank SMP ein. An SMP halten die Rotenbergs einen Gesamtanteil von 76,1 Prozent.3

    Kurz nach Inkrafttreten der Sanktionen versuchte Putin die Vorwürfe herunterzuspielen. Er behauptete, dass er nicht wisse, was Rossija mit der Krim zu tun habe, zeigte sich aber solidarisch mit dieser „mittelgroßen Bank“ und versprach, dort ein Konto zu eröffnen.4 Da die Sanktionen die Bank in Bedrängnis brachten, bat er die Russische Zentralbank um Hilfe. Diese blieb aus, allerdings bekam Rossija von anderer Seite Unterstützung: Die Agentur für Einlagenversicherung sicherte der Bank Staatsanleihen im Wert von 10,7 Milliarden Rubel (149,5 Millionen US-Dollar) zu. Darüber hinaus erhielt Rossija die begehrte Erlaubnis, Transaktionen auf dem Energiegroßhandelsmarkt abzuwickeln und ersetzte damit die russische Alfa-Bank in dieser Position. So bekam sie Zugang zu etwa 1,3 Trillionen Rubeln jährlich – circa zwei Prozent der russischen Wirtschaftsleistung.5 Auch durfte Rossija als eine von wenigen russischen Banken eine Filiale auf der Krim öffnen.

    … und in den Panama-Papers

    Wie die meisten russischen Großunternehmen, ist auch Rossija mit Briefkastenfirmen in Offshore-Standorten verbunden. Die diesbezüglichen Enthüllungen eines internationalen Journalistenkollektivs im April 2016 (die sogenannten Panama Papers) waren daher keine Überraschung für Kenner der russischen Wirtschaft.
    Der Bericht offenbart jedoch bislang unbekannte Details über Eigentumsverhältnisse von Putins engen Verwandten und Freunden, die Minderheitsanteile am Eigenkapital der Bank Rossija halten. So soll zum Beispiel Sergej Roldugin – ein bekannter russischer Cellist und der Taufpate von Putins Tochter – Optionen auf Anteile der zypriotischen Firma Awtoinvest besitzen, die über große Aktienpakete der Autoindustrieunternehmen KAMAZ und Awtowas verfügt.6
    Auch die Zahlen sind beeindruckend: Personen aus Putins Umgebung sollen etwa 2 Milliarden US-Dollar in Offshore-Standorten halten. Zum Vergleich: das gesamte Nettovermögen der Bank Rossija, das heißt das Vermögen abzüglich der Schulden, beträgt circa 8,5 Milliarden US-Dollar.7
    Die Presseabteilung von Rossija sowie der Kreml-Pressesprecher Dimitri Peskow deuten die Panama Papers als eine Informationsattacke auf die Bank und den russischen Präsidenten und bestreiten, dass es sich dabei um illegale Geschäfte handle.

    Insgesamt spricht vieles dafür, dass sich Rossija als eine „Familienbank” von Putins Umgebung deuten lässt. Sie profitiert offenbar von engen Verbindungen zum Kreml, um sich günstig in die wichtigsten Branchen der russischen Wirtschaft einzukaufen und daraus Profite zu ziehen. Gleichzeitig wird sie allem Anschein nach dazu genutzt, das Eigentum von kremlnahen Personen in Sicherheit zu bringen und seinen wahren Wert zu kaschieren.


    Weitere Themen

    Zentralbank

    Gegensanktionen

    Osero (Datschenkooperative)

    Sanktionen

    Russische Wirtschaftskrise 2015/16

    Staatliche Banken

  • Skolkowo

    Skolkowo

    Skolkowo ist ein Innovations- und Technologiepark bei Moskau. Er wurde 2010 ins Leben gerufen. Hier sollen Wissenschaftler und Unternehmer neue Technologien („Innovationen“) ausarbeiten, patentieren lassen und versuchen, sie auf den Markt zu bringen. Das Projekt Skolkowo folgte einer gemeinsamen Idee von Wladislaw Surkow, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Präsidialverwaltung in den Jahren 2008–2011, und Dimitri Medwedew, dem damaligen russischen Präsidenten. Skolkowo sollte das russische Silicon Valley werden. Insgesamt ist das Projekt vor dem Hintergrund der russischen Modernisierungs- und Innovationsbegeisterung der Jahre 2009–2011 zu verstehen, als die russische Regierung viele industriepolitische Projekte startete oder weiterentwickelte.

    Der Fonds Skolkowo, der für die Entwicklung des Innovations- und Technologiekomplexes zuständig ist, finanziert fünf sogenannte Cluster, die jeweils einem der folgenden Innovationsbereiche entsprechen: Biomedizin, Energieeffizienz, IT, Kernenergie und Raumfahrt und Telekommunikation. Fast 121,6 Milliarden Rubel waren dafür im russischen föderalen Budget bis 2020 eingeplant. Den Fonds unterstützte aber auch sein Vorsitzender – der Oligarch Viktor Wexelberg, der nach eigenem Bekunden bisher ca. 100 Millionen Dollar investierte.1 Wexelbergs Unterstützung schien gut angelegt, da viele von ihm kontrollierte Unternehmen Skolkowo-Fördergelder bekamen.

    Wichtige Bestandteile des Skolkowo-Komplexes sind außerdem die Managementschule Skolkowo und das Skolkowo-Institut für Wissenschaft und Technologie Skoltech. Letzteres ist bis jetzt noch nicht auf dem Skolkowo-Campus angesiedelt, sondern in Moskau. Insgesamt besteht der Skolkowo-Standort bis jetzt hauptsächlich aus Brachen und einigen wenigen neu errichteten Gebäuden. Trotzdem bahnten die Skolkowo-Hochschulen und der Fonds selbst bereits viele internationale Kooperationen an, vor allem mit dem Massachusetts Institute of Technology, aber auch mit der Waseda-Universität in Tokio sowie mit Firmen wie Siemens, SAP, Microsoft, Cisco, IBM und Nokia. Der Fonds Skolkowo wurde aber auch selbst tätig und bewilligte bis 2015 insgesamt 150 Anträge auf Fördergelder für Start-Ups mit einem Gesamtwert von 9,9 Milliarden Rubel. Darüber hinaus registrierten sich bis 2015 in Skolkowo 1070 Firmen.

    Insgesamt kann das Projekt also durchaus beeindruckende erste Zahlen vorweisen. Trotz dieser Erfolge wird es jedoch oft belächelt und kritisiert. In der russischen Öffentlichkeit entstand der Eindruck, dass in Skolkowo quasi das Rad neu erfunden werden sollte, de facto aber eher zweifelhafte Innovationen generiert wurden. Besonders betraf das den Entwicklungszweig der Nanotechnologie, die in Internet-Witzen denn auch als klobig und sperrig dargestellt wurde.

    Am Beispiel von Skolkowo werden tatsächlich übergeifende Probleme der russischen wirtschaftspolitischen Institutionen deutlich. Derartige Projekte werden von russischen Eliten oft genutzt, um Kontrolle über Finanzströme zu erhalten – zum Beispiel in Form von hochgeschraubten Gehältern und Honoraren oder anderen finanziellen Konzepten, die das Abzweigen von Ressourcen ermöglichen. Darüber hinaus spiegeln Ereignisse um das Skolkowo-Projekt Konflikte zwischen konkurrierenden Netzwerken russischer Politiker, Beamter und Oligarchen wider. So galt Skolkowo als ein „Kind“ von Medwedew. Möglich, dass es daher seit Putins Rückkehr ins Präsidentenamt 2012 eine Pechsträhne erlebt. 2013 überprüfte der Rechnungshof das Projekt Skolkowo. Unmittelbar danach interessierte sich das Ermittlungskomitee für den Innovationspark. Zunächst beschuldigte es einen Abgeordneten der Partei Gerechtes Russland, Ilja Ponomarjow, der an Anti-Putin-Protesten 2011 und 2012 aktiv teilgenommen hatte, der Unterschlagung öffentlicher Gelder, die er für Beratungsleistungen erhielt. Der stellvertretende Vorsitzende des Skolkowo-Fonds Alexej Beltjukow wurde ebenfalls der Unterschlagung von Geldern beschuldigt, da er mit Ponomarjow den besagten Honorarvertrag geschlossen hatte. Beide wurden 2015 in Abwesenheit verurteilt, da sie inzwischen Zuflucht in den USA gefunden haben.2 Beide Prozesse haben dem internationalen Ruf von Skolkowo massiv geschadet.

    Die Ukraine-Krise und die in diesem Zusammenhang verhängten Sanktionen der westlichen Länder erschweren zusätzlich die Chancen auf internationalen Erfolg des Skolkowo-Fonds. Ende 2014 verließ Surkow, der auf der Sanktionsliste mehrerer Länder steht, den Vorstand. Sein Rücktritt ist von hohem Symbolwert, da er als einer der Paten des Projekts gilt. Kürzlich kündigte außerdem der stellvertretende Premierminister Arkadi Dworkowitsch an, dass die Wirtschaftlichkeit von Skolkowo überprüft werden müsse und das Projekt womöglich abgewickelt werde. Stattdessen entsteht nun als Erweiterung der Moskauer Lomonossow Universität ein innovationspolitisches Konkurrenzprojekt – das Wissenschaftlich-Technologische Tal, in dem Jekaterina Tichonowa eine führende Funktion innehat.3 Russische Journalisten halten sie für Putins Tochter.4

    Die Rivalität zwischen verschiedenen Elitengruppen führt also möglicherweise dazu, dass mehrjährige Investitionen in Skolkowo nicht weitergeführt werden, dafür aber ein sehr ähnliches Projekt mit anderen Protagonisten realisiert wird. Insgesamt lässt sich sagen, dass die russischen Eliten in den letzten Jahren Innovationspolitik für sich entdeckten, sowohl als Quelle für persönliche Profite als auch als Chance für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Bei dem bestehenden Korruptionsniveau und der andauernden Krise der russischen Wirtschaft ist reales Wachstum jedoch in absehbarer Zeit von einer solchen Politik nicht zu erwarten.


    1. rbk.ru: Rassledovanie RBK: čto slučilos’ so „Skolkovo“ ↩︎
    2. lenta.ru: Zaočno arestovan byvšij vice-prezident fonda „Skolkovo“ ↩︎
    3. rbk.ru: Rassledovanie RBK: kto stoit za rasšireniem MGU ↩︎
    4. rbk.ru: „Ne zvezdnye deti: čto izvestno o Katarine Tichonovoj“ ↩︎

    Weitere Themen

    Ermittlungskomitee

    Zentralbank

    Präsidialadministration

    Dimitri Peskow

    Dimitri Medwedew

    Wladislaw Surkow

  • Staatliche Banken

    Staatliche Banken

    Russische staatliche Banken kontrollieren über 50 Prozent des Vermögens des russischen Bankensektors und erfüllen wichtige politische und wirtschaftliche Funktionen. Während der Krisen von 2008/2009 und 2014/2015 wuchs ihre Bedeutung für die russische Wirtschaft noch an.

    Staatliche Banken sind Banken, die mehrheitlich dem Staat gehören oder die vom Staat kontrolliert werden, zum Beispiel über andere staatliche Unternehmen. In Russland sind die wichtigsten staatlichen Banken Sberbank (SB), Vneshtorgbank (VTB), Vneshekonombank (VEB), Rosselchozbank (RSKB) und Gazprombank. Es sind zugleich die größten russischen Banken. Die Russische Zentralbank (RZB) besitzt 50 Prozent und eine Aktie der Sberbank, der russischen Regierung gehören 60,9 Prozent der Vneshtorgbank. Die Vneshekonombank und die Rosselchozbank sind Entwicklungsbanken und gehören zu 100 Prozent der russischen Regierung. Die Gazprombank gehört zu 35,54 Prozent dem staatlichen Unternehmen Gazprom, zu 10,19 Prozent der VEB und zu 49,64 Prozent dem nicht staatlichen Pensionsfonds Gazfond. Insgesamt gehört den staatlichen Banken über 50 Prozent des Vermögens des gesamten russischen Bankensektors.

    Mit fünf staatlichen Banken an der Spitze der Bankenhierarchie ist die Struktur des russischen Bankensektors ähnlich wie in der späten Sowjetunion, als 1988 die sowjetische Zentralbank Gosbank  in vier spezialisierte Banken („spez-banki“) aufgeteilt wurde: Promstrojbank, Shilsozbank, Agroprombank und Vneshekonombank. Jede Bank bediente einen anderen Sektor der russischen Wirtschaft: Industrie, Wohnungsbau, Landwirtschaft und Außenwirtschaft. Auf der Basis dieser Banken entstanden in der Phase der Privatisierung über 600 neue private Banken, die meisten von ihnen existieren heute nicht mehr. Nur die VEB behielt die gleiche Form und Funktion – die ausländischen Kredite des russischen Staates zu bedienen und die staatlichen Renten zu verwalten. 2007 wurde sie jedoch umstrukturiert und spielt seitdem als Russische Entwicklungsbank eine wichtige Rolle in der heimischen Wirtschaft. Die Sberbank stellt im System der russischen staatlichen Banken ebenfalls eine Ausnahme dar, da sie auf der Grundlage einer sowjetischen Arbeitersparkasse entstanden ist, die 1987 ebenfalls in eine Bank umgewandelt wurde, Sberegatelni Bank SSSR (Sparbank der UdSSR). Heutzutage fungieren die SB, und in geringerem Maße auch die 1990 entstandene VTB, auf dem russischen Markt zum Teil als eine Art Entwicklungsbank, indem sie politisch wichtige Unternehmen sowie soziale Projekte finanzieren.

    Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 ist die Bedeutung der staatlichen Banken in der russischen Wirtschaft gestiegen. Sie bekamen während der Krise über 80 Prozent aller staatlichen Hilfen, das Äquivalent von 725 Milliarden Rubel (damals etwa 20,3 Milliarden Euro), die sie zum Teil an private Banken weiterverleihen sollten. Darüber hinaus setzte die RZB in der Krise 2008/2009 das davor vernachlässigte Instrument der Refinanzierung von Banken ein (das nun auch auf Staatsbanken erweitert wurde) und verhinderte dadurch potentielle Liquiditätsengpässe. Vom Staat finanziell unterstützt, bekamen staatliche Banken infolge der Krise mehr Firmenkunden. Vor der Krise waren sie vor allem unter Privatkunden beliebt: sie hielten deutlich über 60 Prozent der privaten Guthaben. Nach der Krise verloren sie zwar einen Teil der Privatguthaben, gewannen dafür aber von Unternehmen Einlagen hinzu. Über 60 Prozent der Kredite an russische Unternehmen werden heutzutage von staatlichen Banken bereitgestellt. Dieser Trend hängt damit zusammen, dass die Bankguthaben der Unternehmen nicht vom Staat versichert werden, von staatlichen Banken erhoffen sich also die Geschäftskunden mehr Stabilität. Dieser Effekt vergrößerte sich sogar noch nach 2014, obwohl alle staatlichen Banken mit Sanktionen belegt sind.

    Die Sanktionen der EU und der USA im Zuge des Ukraine-Konflikts wirkten sich auf die Liquiditätssituation der russischen staatlichen Banken aus, da diese Banken sich auch mit Krediten westlicher Banken finanzierten. Der Zugang zu Finanzinstrumenten mit einer Laufzeit von über drei Monaten war ihnen nun versperrt, auch die internationalen Kreditrankings verschlechterten sich. Der Staat versuchte, diesen negativen Effekt der Sanktionen durch finanzielle Unterstützung auszugleichen. Die RZB refinanzierte die Banken und kaufte sogar Aktien der VTB und der RSKB. Diese Maßnahmen genügten jedoch nicht, um die Verminderung der Investitionsressourcen für die russische Wirtschaft wettzumachen. So sah sich die Regierung letztlich gezwungen, den Nationalen Wohlstandsfonds – eigentlich die Finanzreserve des Landes – für Investitionsprojekte bereitzustellen.

    Weitere Themen

    Jegor Gaidar

    Higher School of Economics

    Bank Rossija

    Zentralbank

    Magnitski-Liste

    Russische Wirtschaftskrise 2015/16

    Auflösung der Sowjetunion

  • Zentralbank

    Zentralbank

    Die Zentralbank (ZB) ist die wichtigste geldpolitische Institution eines Staates oder eines Währungsraumes. Sie ist für die innere und äußere Währungsstabilität verantwortlich und hat das Monopol auf die Emission der gesetzlichen Zahlungsmittel, das heißt Banknoten. Die ZB hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Volumen der Geldmenge, kann es aber in einer offenen und wachsenden Wirtschaft nicht vollständig kontrollieren. Zu den wichtigsten Instrumenten, die der Währungsstabilität dienen, zählen der Leitzins und Transaktionen auf dem sogenannten Offenmarkt. Auf diese Weise sorgt die ZB auch für die Stabilität des Finanz- und Zahlungssystems.

    Die Russische Zentralbank (RZB) ist die Nachfolgeinstitution der Gosbank der UdSSR und funktioniert erst seit 1995 nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, als sie keine direkten Kredite mehr an Unternehmen vergeben durfte. Die direkte Vergabe solcher Kredite an staatliche Unternehmen war eine gängige Praxis in der Sowjetunion und wurde auch während der Schocktherapie 1992 bis 1993 fortgesetzt. Damit trug die RZB zur Hyperinflation bei, die durch Jegor Gaidars Preisliberalisierung ausgelöst wurde. 1994 brachte die RZB die Inflation unter Kontrolle und verfolgte in den nächsten Jahren einen strikt anti-inflationären Kurs. Unter anderem durfte die RZB seit 1995 das staatliche Budget nicht mehr finanzieren. Dadurch war das Finanzministerium gezwungen, Staatsanleihen an private Banken und Investoren im In- und Ausland zu verkaufen, woran diese sich dank Zinsen um bis zu 300 Prozent bereicherten. Der massive Anleihenverkauf war notwendig, da die russische Wirtschaft in dieser Zeit schrumpfte und wegen Liquiditätsproblemen auf Schuldscheine umstieg. Die notleidenden Unternehmen zahlten in dieser Lage überwiegend keine Steuern. Diese Politik mündete am 17.8.1998 in den Default, die staatliche Zahlungsunfähigkeit.

    Die geldpolitische Herausforderung der 2000er Jahre hing hingegen mit dem hohen Ölpreis zusammen. Die russische Geldmenge ist institutionell an das Volumen der Währungsreserven der RZB gekoppelt. Wenn Rohstoffe exportiert werden, verkaufen Unternehmen ihre Devisen an die Zentralbank, wodurch neue Rubel emittiert werden. Steigen die Exporte, befinden sich mehr Rubel im Umlauf, und die Gefahr der Inflation beziehungsweise der Rubelaufwertung wächst.1 Um dieser vorzubeugen, betrieb die RZB in den 2000ern eine Politik der Geldsterilisation, indem sie einen Teil der emittierten Rubel wieder abschöpfte. Dazu diente unter anderem der Stabilisierungsfonds (SF), in dem das Steueraufkommen aus Ölexportzöllen und -gewinnungssteuern akkumuliert wurde. Insgesamt beliefen sich der SF und die Reserven der RZB vor der Wirtschaftskrise 2008 bis 2009 auf fast 500 Milliarden US-Dollar. Die SF-Nachfolgeinstitutionen – der Reservefonds und der Nationale Wohlstandsfonds – wurden neben den sonstigen Währungsreserven der RZB während der Krise dazu genutzt, das russische Finanzsystem zu stützen und die ausfallenden Budgeteinnahmen zu ersetzen. Aufgrund des Ölpreisrückgangs entstand Druck auf den Rubel und er musste abgewertet werden. Gleichzeitig erhöhte die RZB den Leitzins, um die Abwertungserwartungen zu stabilisieren.

    Ähnlich agierte die RZB während der politischen Krise 2014 bis 2015, insbesondere während der Rubelabwertung im Dezember 2014, als die Währung gegenüber dem US-Dollar rund die Hälfte an Wert verlor. Da die RZB unter dem Vorsitz der Putin-Vertrauten Elwira Nabiullina 2013 den Rubel weitgehend freisetzte, konnte sie die Abwertungsdynamik nicht wie 2008 bis 2009 kontrollieren. Die RZB erhöhte den Leitzins von 10,5 Prozent auf 17 Prozent in der Hoffnung, Investoren anzuziehen. Allerdings gilt ein hoher Leitzins angesichts der strukturellen Probleme der russischen Wirtschaft als kontraproduktiv, weil er Kredite verteuert. Unerwartet erholte sich aber der Rubel in der ersten Hälfte des Jahres 2015 etwas und der US-Dollar kostete im Mai für eine kurze Zeit wieder weniger als 50 Rubel. Daraufhin wurde der Leitzins wieder allmählich gesenkt und beträgt aktuell (Stand August 2015) 10 Prozent.


    1. Je nach dem, ob sich die Zentralbank entscheidet, den Rubelwert zu fixieren oder nicht, kommt es zu Inflation oder zur Aufwertung der Währung. ↩︎

    Weitere Themen

    Jegor Gaidar

    Alexander Bastrykin

    Premierminister

    Sergej Iwanow

    Präsidialadministration

    Default (1998)