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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Koordinationsrat der Opposition

    Koordinationsrat der Opposition

    Die Gründung eines Koordinationsrates der außerparlamentarischen Opposition wurde während der Kundgebungen auf dem zweiten Marsch der Millionen am 12. Juni 2012 angekündigt. Als gemeinsames politisches Organ sollte er die heterogene Opposition bündeln, um weitere Proteste besser zu koordinieren und einen offiziellen Dialog mit den Behörden zu führen.

    Die Wahlen für den Koordinationsrat wurden im Internet organisiert und für den 20. und 21. Oktober 2012 angesetzt. Aufgrund massiver Hackerangriffe wurde die Wahl um einen Tag verlängert. Insgesamt beteiligten sich etwa 82.000 Menschen an der Abstimmung, wobei ca. ein Drittel der Wähler aus Moskau und St. Petersburg stammte. 200 Kandidaten stellten sich für das 45-köpfige Komitee zur Wahl. Auf dem ersten Platz landete mit 43.000 Stimmen der Antikorruptionsaktivist Alexej Nawalny, gefolgt von Schriftsteller Dmitri Bykow und dem Oppositionspolitiker Garri Kasparow. Weitere bekannte Vertreter im Koordinationsrat waren die Politiker Ilja Jaschin (Platz 5), Dimitri Gudkow (10), Boris Nemzow (16), die Journalisten Xenija Sobtschak (4) und Oleg Kaschin (18) sowie die gesellschaftlichen Aktivisten Michail Gelfand (6) und Sergej Parchomenko (12).

    Die Zusammensetzung des Koordinationsrates war dabei so vielfältig wie die Oppositionsbewegung selbst: Liberale, Linke und Nationalisten fanden sich darin ebenso wie Prominente aus den Medien, Gelehrte und Intellektuelle. Innerhalb des Rates bildeten sich schnell verschiedene Fraktionen, was die Ausarbeitung eines gemeinsamen Programms bzw. die Festlegung einer gemeinsamen Strategie erschwerte und schließlich unmöglich machte. Viele Mitglieder kündigten ihre Mitarbeit auf, und die für Oktober 2013 geplante Neuwahl konnte aufgrund eines fehlenden Quorums bereits nicht mehr stattfinden. Der Rat hörte faktisch auf zu existieren, was einmal mehr die Zerstrittenheit der russischen Oppositionsbewegung bewies.

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    Bolotnaja-Platz

    Lew Rubinstein

    Weißes Band

    Marietta Tschudakowa

    Alexej Nawalny

  • Walenki

    Walenki

    Walenki sind nahtlose, in einem Stück gefertigte Filzstiefel aus Schafswolle. Sie halten auch bei großer Kälte warm und gelten deshalb als ideales Winterschuhwerk für die trockenen russischen Winter. Walenki werden als ein Symbol traditioneller russischer Kultur betrachtet, heute aber in erster Linie mit dem Landleben assoziiert.

    Der Begriff Walenki ist abgeleitet vom russischen Verb waljat (dt. walzen, walken) und bezieht sich auf die Herstellungsmethode der Stiefel. Neben ihrem Vorteil, vor extremer Kälte zu schützen, haben sie allerdings den Nachteil, empfindlich auf Nässe zu reagieren. Bei feuchtem Wetter und Schneematsch benutzt man deshalb zusätzlich Oberschuhe, früher aus Leder, heute aus Gummi (Galoschen). In verschiedenen Regionen Russlands wurden Walenki unterschiedlich bezeichnet, in Sibirien etwa als pima.

    Vorläufer der Walenki lassen sich bei den nomadischen Völkern Eurasiens finden. Sie gelangten mit dem Einmarsch der Goldenen Horde im 13. und 14. Jahrhundert in die Rus. Walenki waren zunächst kurz, der Schaft wurde separat aus Tuch gefertigt. Die Herstellung von Stiefeln aus einem ganzen, nahtlosen Stück gefilzter Wolle wird erst seit Ende des 18. Jahrhunderts praktiziert. Als Geburtsort dieser Methode gilt die Stadt Myschkin im Gebiet Jaroslawl. Weite Verbreitung fanden die Filzstiefel in Russland aber erst im 19. Jahrhundert mit dem Beginn ihrer industriellen Herstellung – vorher waren die handgefertigten Stiefel teuer, und nur wohlhabende Personen konnten sie sich leisten. Eine Familie mit einem Paar galt bereits als vermögend. Als besonderer Wertgegenstand wurden sie deshalb auch entsprechend gehütet und weiter vererbt.

     

     

    Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden Walenki, gerade in den Städten, immer weniger genutzt und vor allem mit einer rückständigen dörflichen Lebensweise in Verbindung gebracht. In den letzten Jahren wurden sie jedoch von russischen Designern als Modeobjekt wiederentdeckt und sind inzwischen sogar außerhalb Russlands erhältlich.1


    1. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Die Rückkehr der Filzstiefel ↩︎

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    Tag des Sieges

    Samogon

    Ermittlungskomitee

    Artikel 159 Strafgesetzbuch

    Schwarzer Delfin

  • UAZ (Uljanowsker Automobilfabrik)

    UAZ (Uljanowsker Automobilfabrik)

    Die Uljanowsker Automobilfabrik (Uljanowski Awtomobilny Zawod/ UAZ) ist ein Hersteller verschiedener geländegängiger Fahrzeugtypen mit Sitz in Uljanowsk an der mittleren Wolga. Abgeleitet von der Bezeichnung des Unternehmens werden die Fahrzeuge umgangssprachlich als UAZik bezeichnet. Einige von ihnen besitzen in Russland einen regelrechten Kultstatus.

    Infolge des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion wurde das Moskauer Stalinwerk (Zawod imeni Stalina/ ZIS – heute ZIL, Zawod imeni Lichatschowa) 1941 nach Uljanowsk evakuiert. Zunächst liefen Granaten zur Flugzeugabwehr über das Band, ab 1942 wurden dann auch Lastwagen für die Front hergestellt. Den Krieg überstand das Werk weitgehend unbeschadet.  Ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre spezialisierte es sich auf die Produktion kleinerer geländegängiger Fahrzeuge wie Geländewagen, Minibusse und Kleinlastwagen. Auch nach dem Ende der Sowjetunion konnte es seinen Betrieb mit dieser Ausrichtung beibehalten.

    Zu den in ganz Russland bekannten Fahrzeugen des Werkes gehört das Modell UAZ-452, ein seit 1965 produzierter Minibus. Seine kompakte, kastenartige Form brachte dem Fahrzeug die umgangssprachlichen Bezeichnungen Buchanka (Kastenbrot) und, da es vor allem auch als Krankenfahrzeug Verwendung fand, Tabletka (Tablette) ein.

    Der UAZ-452 als Krankenwagen
    Der UAZ-452 als Krankenwagen

    Eines der erfolgreichsten Modelle ist der ab 1971 gebaute UAZ-469, ein allradbetriebener Geländewagen, der zunächst als Militär- und Polizeifahrzeug im gesamten ehemaligen Ostblock verbreitet war. Seit den späten 80ern wurde der Verkauf des Fahrzeugs auch für den zivilen Markt geöffnet. Der Wagen erreichte dabei einen geradezu legendären Status, zum einen aufgrund seiner technischen Schlichtheit (er ist mit den einfachsten Werkzeugen zu reparieren), vor allem aber, weil er praktisch jedes noch so unwegbare Terrain überwinden kann. Diese Fähigkeit brachte ihm den Spitznamen Koslik (Ziegenbock) ein.

    Ein UAZ-469 als Militärfahrzeug / © Vitaly V. Kuzmin unter CC-BY-SA 4.0
    Ein UAZ-469 als Militärfahrzeug / © Vitaly V. Kuzmin unter CC-BY-SA 4.0

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    Allrussische Staatliche Fernseh- und Radiogesellschaft / WGTRK

    Mentowka (Polizeirevier)

    St. Georgs-Band

    Samogon

    Walenki

  • Samogon

    Samogon

    Als Samogon bezeichnet man einen in häuslicher Eigenproduktion und für den Eigenbedarf hergestellten Schnaps. Grundlage bildet eine Maische, die in der Regel aus Kartoffeln, Früchten, Zucker oder Getreideprodukten besteht und in selbstgebauten Anlagen destilliert wird. Vor allem in den Übergangsphasen vom Zarenreich zur Sowjetunion und später während der Perestroika war der Samogon, der inzwischen fest zur russischen Alltagskultur zählt, weit verbreitet.

    Herstellung von Samogon. Foto © Yuriy75 unter CC BY-SA 3.0
    Herstellung von Samogon. Foto © Yuriy75 unter CC BY-SA 3.0

    Der Begriff Samogon für eine unter häuslichen Bedingungen und für den eigenen Bedarf hergestellten Spirituose entstand Anfang des 20. Jahrhunderts. Ursächlich für die weite Verbreitung der Schwarzbrennerei war das sogenannte suchoi sakon (wörtlich: trockenes Gesetz): Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erließ Zar Nikolaus II. 1914 einen Ukas, der die Herstellung und den Verkauf aller Sorten alkoholischer Produkte im Zarenreich verbot. In der Folge begannen immer mehr Menschen, selbst Schnaps zu brennen – auf Russisch sam gonju, woher sich auch der Begriff Samogon ableitet.

    Die Bolschewiki schafften das suchoi sakon zunächst nicht ab. Als die Schwarzbrennerei jedoch immer größeren Umfang annahm, sahen sie sich 1923 letztlich doch gezwungen, die gewerbliche Produktion und den offiziellen Verkauf von Alkohol wieder zu gestatten. Gleichzeitig wurde dafür ein striktes Verbot zur Herstellung von Samogon eingeführt, das bis zum Ende der Sowjetunion Bestand hatte. Es konnte allerdings nicht konsequent durchgesetzt werden: So führte zum Beispiel die bekannte Anti-Alkoholkampagne unter Michail Gorbatschow von 1985 bis 1991 zum erneuten Aufblühen der Schwarzbrennerei, wobei der auf dem Schwarzmarkt erhältliche Samogon von minderer Qualität war und oft Gesundheitsprobleme hervorrief.

    Bis heute bleibt die heimische Eigenherstellung von Samogon eine weitverbreitete Praxis. In der gegenwärtigen Gesetzgebung der Russischen Föderation gibt es kein Verbot der Herstellung von Samogon, wenn auch entsprechende Intitiativen mehrmals in der Duma vorgeschlagen wurden, zuletzt Anfang Juli 2015.1


    1. Lenta.ru: „Wodka pachnet ukolom w sadnizu“. Potschemu w Rossii ne stoit sapreschtschat proiswodstwo samogona ↩︎

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    Im Reich der Tiere (TV-Sendung)

    Park des Sieges

    UAZ (Uljanowsker Automobilfabrik)

    Walenki

  • Poklonnaja-Hügel

    Poklonnaja-Hügel

    Der Poklonnaja-Hügel ist eine der höchsten natürlichen Erhebungen in Moskau. Der Ort besitzt seit dem Mittelalter eine wichtige historische Bedeutung. Heute befindet sich hier mit dem Park des Sieges ein zentraler Gedenkort für die Opfer des Großen Vaterländischen Krieges.

    Der Siegespark auf dem Poklonnaja-Hügel / Foto  ©  RIAN archive 350236 Views of Moscow/Anton Denisov unter CC BY 3.0
    Der Siegespark auf dem Poklonnaja-Hügel / Foto © RIAN archive 350236 Views of Moscow/Anton Denisov unter CC BY 3.0

    Der Poklonnaja-Hügel befindet sich im Westen Moskaus am Kutusow-Prospekt, einer der wichtigsten Verkehrsadern und sozialistischen Prachtstraßen der Stadt. Die erste geschichtliche Erwähnung des Hügels datiert auf das Jahr 1368, als die Erhöhung noch weit außerhalb der Stadt lag und einen Panoramablick über die Kirchenkuppeln gewährte. Vermutlich leitet sich auch daher der Name ab, denn Poklon bedeutet im Russischen „Verneigen“ und Reisende machten seit jeher hier Halt, um sich vor den zahlreichen goldenen Kirchtürmen zu verneigen. Allerdings ist die Herkunft des Namens nicht zweifelsfrei geklärt. Manche Historiker führen den Namen auf eine alternative Bedeutung des Wortes Poklon zurück, das auch für eine Art feudale Steuer steht, die von Reisenden eingetrieben wurde.

    Die Erhebung verlieh dem Ort eine strategische Bedeutung. Er ist in vielfacher – historischer wie symbolischer – Hinsicht bedeutsam. Aufgrund der strategischen Vorteile, welche die Lage auf einer Erhebung am Rand der Stadt bot, schlugen die Krim-Tataren bei ihrem letzten Angriff auf Moskau im Jahr 1591 hier ihr Lager auf, ebenso 1612 die Polen im Polnisch-Russischen Krieg. Die Moskowiter selbst empfingen ausländische Gesandtschaften auf dem Poklonnaja-Hügel – wie es heißt, ebenfalls mit einer Verneigungsgeste. Napoleon wartete hier nach der Schlacht bei Borodino auf die Aushändigung der Schlüssel für den Kreml. 1941 zogen sowjetische Soldaten vom Poklonnaja-Hügel aus in den Krieg gegen Deutschland.Für das Jahr 1942 war eigentlich geplant, auf dem Poklonnaja-Hügel ein Denkmal für den Sieg im Vaterländischen Krieg gegen Napoleon zu errichten. Dieser Plan konnte jedoch aufgrund des tobenden Krieges nicht realisiert werden. Stattdessen begann man 1958, einen Park des Sieges zur Ehrung der Opfer im Großen Vaterländischen Krieg anzulegen.

    Heute dient der inzwischen rundherum umbaute Poklonnaja-Hügel mit dem darauf befindlichen Siegespark als eine der zentralen Gedenkstätten für die jährlichen Feierlichkeiten am 9. Mai. Darüber hinaus hat sich der Ort zu einer touristischen Sehenswürdigkeit entwickelt, ist aber als Erholungsgebiet auch bei den Moskauern sehr beliebt. Sie nutzen den Ort im Winter zum Skifahren, im Sommer für Spaziergänge und Radtouren. Auch für Fotoshootings von Hochzeitsgesellschaften wird der Poklonnaja-Hügel gern ausgewählt.

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    Tag des Sieges

    Krim nasch

    St. Georgs-Band

    Park des Sieges

    Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR (WDNCh)

    Farbrevolutionen

  • Lew Rubinstein

    Lew Rubinstein

    Lew Rubinstein (1947–2024) war ein russischer Dichter, Literaturkritiker, Essayist und Publizist.  Bekannt wurde er in den 1970er Jahren vor allem für seine minimalistische Karteikarten-Poesie: eine Mischung aus Literatur, bildender und performativer Kunst. Rubinstein galt als einer der Begründer und führender Vertreter des Moskauer Konzeptualismus.

    Foto © Gabriel Van Helsing unter CC BY-SA 3.0
    Foto © Gabriel Van Helsing unter CC BY-SA 3.0

    Rubinstein war eine feste Größe in der oppositionellen Bewegung. Anfang der 2000er Jahre ist er gegen die Übernahme von NTW durch Gazprom und gegen den Tschetschenienkrieg eingetreten, nach dem Beschluss des sogenannten Gesetzes gegen „homosexuelle Propaganda“ im Jahr 2013 unterstützte er öffentlichkeitswirksam die russische LGBTQ-Bewegung. Später hielt er Mahnwachen für die inhaftierten Pussy Riot Musikerinnen Maria Aljochina und Nadeshda Tolokonnikowa ab und sprach sich in einer Erklärung russischer Kulturschaffender gegen den russischen Krieg in der Ukraine aus.


    Am 8. Januar 2024 wurde Rubinstein in Moskau an einem Fußgängerüberweg von einem Auto angefahren. Am 14. Januar verstarb er in einem Moskauer Klinikum.

     

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    Aktion am 30. Dezember 2014 auf dem Manegenplatz

    Bolotnaja-Platz

    Sergej Gandlewski

    Wassily Kandinsky

    Dimitri Bykow

    Boris Nemzow

    Marietta Tschudakowa

  • Park des Sieges

    Park des Sieges

    Der Park des Sieges ist eine Gedenkstätte im Westen Moskaus. Auf dem weiträumigen Gelände befinden sich zahlreiche Statuen und Denkmäler, ein Museum sowie weitere Sehenswürdigkeiten, die an den Großen Vaterländischen Krieg erinnern. Die Parkalage hat sich nicht nur zu einem zentralen Gedächtnisort für die Feierlichkeiten am 9. Mai entwickelt, sondern ist auch als Touristenattraktion und Erholungspark bei den Moskauern sehr beliebt.

    Der Park des Sieges befindet sich auf dem Poklonnaja-Hügel in Moskau. Ursprünglich als Gedächtnisort für den Sieg im Vaterländischen Krieg gegen Napoleon geplant, wurde die Anlage ab Mitte der 1980er Jahre in einen architektonischen Gedächtniskomplex umgestaltet und am 9. Mai 1995 anlässlisch des 50. Jubiläums des Siegs über den Hitler-Faschismus eröffnet.

    Heute befinden sich auf dem Gelände, das schon durch seine schiere Größe von 135 Hektar beeindruckt (entspricht etwa 190 Fussballfeldern), zahlreiche Sehenswürdigkeiten. Besonders augenfällig ist der 141,8 Meter hohe Obelisk mit der Siegesgöttin Nike, der an die 1418 Kriegstage erinnert. Zwei Reihen von Soldatenstatuen, die verletzte und gefallene Kämpfer darstellen, symbolisieren das unvorstellbare Leid der sowjetischen Kriegsopfer.

    Der Platz besitzt zudem zahlreiche sakrale Anleihen: Aus der Luft betrachtet ist er der Form eines Kirchenschiffes nachempfunden, optisch ähnelt der Siegespark einer Tempelanlage. Das Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges erinnert äußerlich an die Kolonnaden des Petersplatzes in Rom. Auf dem Gelände befinden sich zudem drei Gotteshäuser – eine orthodoxe Kirche, eine Moschee und eine Synagoge – die die Multikonfessionalität der sowjetischen Armee betonen. 2014 wurde ein neues Denkmal zur Ehrung der russischen Soldaten im Ersten Weltkrieg errichtet.

    Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges im Siegespark auf dem Poklonnaja-Hügel - Foto © Guenni88 unter CC BY 3.0
    Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges im Siegespark auf dem Poklonnaja-Hügel – Foto © Guenni88 unter CC BY 3.0

    Im Rahmen des „Kults des Großen Vaterländischen Kriegs“ (Nina Tumarkin1) ist der Park inzwischen ein zentraler Ort für die Feierlichkeiten anlässlich des Tags des Sieges am 9. Mai. Hier gedenkt man der Opfer und ehrt die Kriegsveteranen. Darüber hinaus hat sich der Ort zu einer touristischen Sehenswürdigkeit entwickelt und ist auch bei den Moskauern sehr beliebt, die hier im Winter Skifahren und im Sommer Spazierengehen oder Radfahren. Bei Hochzeitsgesellschaften ist der Siegespark ein beliebtes Motiv für Fotoshootings.


    1. Tumarkin, Nina (1994): The Living and the Dead: The Rise and Fall of the Cult of World War II in Russia, New York ↩︎

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    Tag des Sieges

    St. Georgs-Band

    Poklonnaja-Hügel

  • Sergej Gandlewski

    Sergej Gandlewski

    Sergej Gandlewski (geb. 1952) ist ein bekannter russischer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer.

    Seit seiner Jugend schreibt er Gedichte, die allerdings bis zum Ende der 1980er Jahre nur im Ausland erscheinen konnten. Er war während der Sowjetzeit gemeinsam mit anderen Schriftstellern wie Lew Rubinschtein in sowjetischen literarischen Untergrundzirkeln aktiv und veröffentlichte in dieser Zeit im Samisdat. Für seine in mehrere Sprachen übersetzten Werke hat Gandlewski verschiedene Literaturpreise erhalten, darunter 2010 die wichtigste russische Auszeichnung für Dichter, den „Poet“.

    Im September 2014 unterzeichnete Gandlewski zusammen mit 6.000 weiteren Intellektuellen eine Erklärung gegen die russische Aggression in der Ukraine.

    Foto - Gandlevsky © Alexej Balakin unter CC BY 3.0
    Foto – Gandlevsky © Alexej Balakin unter CC BY 3.0

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    Bolotnaja-Platz

    Lew Rubinstein

    Moskauer Staatliche Lomonossow-Universität

    Weißes Band

    Kasimir Malewitsch

    Dimitri Bykow

    Marietta Tschudakowa

  • Menty

    Menty

    Menty (sg. Ment) ist eine umgangssprachlichе, überwiegend abwertend verwendete Bezeichnung für Polizisten.

    Der Begriff Ment entstammt dem Kriminellenjargon und war bereits in vorrevolutionärer Zeit als Bezeichnung sowohl für Polizisten als auch für Gefängniswärter verbreitet. Erstmals lexikographisch festgehalten wurde Ment 1909 im Wörterbuch der Gaunersprache von W. Lebedew. Die Herkunft des Wortes liegt weitgehend im Dunkeln, es könnte auf einen ungarischen Begriff für „Armeemantel“, aber auch auf ein polnisches Wort für „Bodensatz“ zurückgehen.1 Darauf könnte auch die heute oft im Jargon anzutreffende Ersetzung des Wortes Ment durch musor (Abfall) hindeuten.

    Der Begriff war zunächst in der Sowjetunion im allgemeinen Sprachgebrauch weniger verbreitet, erst ab den 1970er Jahren fand er mehr und mehr Eingang in die Umgangssprache. Spätestens seit den 1990er Jahren hat er sich weitläufig eingebürgert, wobei sich zwei allgemeine Tendenzen herausgebildet haben. Einerseits erwies sich die „ursprünglich abfällige Bedeutung“ des Begriffs als außerordentlich treffend für „[…] die Charakterisierung der verwerflichen Rolle der Polizei in unterschiedlichsten Kriminalgeschichten.“2 Andererseits wurde durch die zunehmende Popularisierung der Figur des Ment in Literatur, Film und Fernsehen (etwa in der Serie Straße der zerbrochenen Laternen – Menty) die ursprünglich rein negative Bedeutung aufgebrochen und der Ment zu einer ambivalenten Gestalt, z. B. bezeichnen sich mitunter Polizisten selbst untereinander mit einem gewissen Stolz als Menty. In der Gegenwart verlor die Bezeichnung also zumindest einen Teil ihrer früheren, ausschließlich abwertenden Konnotation, auch wenn sie im allgemeinen Sprachgebrauch weiterhin vor allem als Schimpfwort benutzt wird.

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    1. Moldovan, A.M. (2011). K ėtimologii slova ment, in: Russkij jazyk v naučnom osveščenii 2011 (2), Moskau, S. 49 ↩︎
    2. Ebd. ↩︎

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    Bolotnaja-Platz

    Mentowka (Polizeirevier)

    Wladimir Markin

    Alexander Bastrykin

    AGORA

  • Higher School of Economics

    Higher School of Economics

    Die Higher School of Economics zählt zu den renommiertesten russischen Hochschulen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Reformuniversität wurde Anfang der 1990er gegründet, um Wirtschaftsexperten für den Aufbau der Marktwirtschaft auszubilden. Heute zählt die Hochschule zu den führenden Forschungsuniversitäten in Russland und nimmt auch politisch eine wichtige Rolle ein.

    Die Entstehung der Hochschule geht auf die Initiative führender liberaler Ökonomen und Reformer wie Jewgeni Jasin, Jaroslaw Kusminow und Jegor Gaidar zurück. Sie gründeten 1992 mit der Higher School of Economics (HSE) eine neue Universität nach westlichem Vorbild, um dringend benötigtes Fachpersonal für die Systemtransformation auszubilden und die Regierung bei ihren Reformbemühungen zu unterstützen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es praktisch keine Wirtschaftswissenschaften nach „westlichem“ Vorbild, denn die ökonomische Ausbildung orientierte sich an der marxistischen Ideologie.

    Unterstützt durch eine üppige Finanzierung aus dem Wirtschaftsministerium entwickelte sich die HSE schnell zur führenden liberalen Wirtschaftsuniversität in Russland. Die Wyschka, wie die Higher School of Economics (russ. Wysschaja Schkola Ekonomiki) im Volksmund genannt wird, erweiterte sukzessive ihr Fächerspektrum und zählt inzwischen auch im Bereich der Sozialwissenschaften zu den besten Hochschulen im Land, gemeinsam mit der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität und dem Moskauer Institut für Internationale Beziehungen. Sie betreibt, neben dem Moskauer Hauptsitz, auch Filialen in Sankt Petersburg, Perm und Nishni Nowgorod.

    Die wissenschaftliche Bedeutung der HSE wurde zuletzt weiter aufgewertet: Als einzige Universität mit sozialwissenschaftlichem Profil erhielt sie 2009 den begehrten Titel „Nationale Forschungsuniversität“. Zudem wird die HSE in einer Art russischer Exzellenzinitiative seit 2013 als eine von 21 russischen Universitäten zusätzlich gefördert, um international zur Weltspitze aufzuschließen.    

    Aber nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch politisch kommt der HSE eine wichtige Rolle zu: Als zentrale Institution des wirtschaftsliberalen Flügels im Machtapparat wirkt die HSE an zahlreichen Reformen der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit und war zum Beispiel maßgeblich an den Bildungsreformen der letzten Dekade und an der Ausarbeitung der Strategie 2020 beteiligt. Die liberalen Vertreter und Experten der HSE kritisieren regelmäßig politische Fehlentwicklungen im Land und zeigen in ihren Analysen Missstände verfehlter Politik auf. 

    Als im Juni 2019 bekannt wurde, dass die HSE den Fachbereich für Politikwissenschaft mit einem anderen Fachbereich zusammenlegen will, glaubten viele Beobachter in Russland, dass diese Umstrukturierung vor allem eines zum Ziel hat: kritische Lehrende zum Verstummen zu bringen. Tatsächlich ist das Schicksal zahlreicher Professoren und Dozenten an der sogenannten Wyschka damit offen. Vor diesem Hintergrund meinte Alexander Kynew in einem Interview mit Znak, dass die Hochschulpolitik der letzten Jahre einer Gesetzmäßigkeit folge: Jeder abweichende Standpunkt, so der HSE-Politologe, werde als Bedrohung angesehen. Insbesondere würden aber Hochschulen zur Zielscheibe, denn dort werde die bei Protestaktionen aktive Jugend ausgebildet.

    Stand: 09.07.2019

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