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Zitat #4: „Prozess der Deputinisierung“

Gegen die Rentenreform protestierten am Wochenende russlandweit mehrere zehntausend Menschen. Aufgerufen dazu haben sowohl oppositionelle als auch systemoppositionelle Kräfte wie die Kommunistische Partei der Russischen Föderation. Diese hatte am 19. Juli bei der ersten Lesung in der Duma gegen die Rentenreform gestimmt, genauso wie die LDPR und Gerechtes Russland. Abgeordnete der Regierungspartei Einiges Russland konnten die Systemopposition jedoch überstimmen. 

In der Gesellschaft ist die Rentenreform sehr unpopulär. Auch Wladimir Putin distanzierte sich nach der Abstimmung von den Plänen. Er machte deutlich, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. 
Laut Beobachtern sind die Proteste im ersten Reformentwurf mit einkalkuliert: Die Regierung sei zu Zugeständnissen bereit, um den Protest schrittweise zu neutralisieren. 

Für die Politologin Tatjana Stanowaja bedeutet dies, dass der Kreml die Regierungspartei bloßstellt, die in den letzten Wochen für die Reform eingetreten ist. Aber auch für Putin selbst könnte das Ganze Folgen haben: 

[bilingbox]Der einzige Legitimitätsquell des derzeitigen Regimes ist Wladimir Putin.

Doch jetzt gerade wird er zum ersten Mal gleichzeitig zum Quell der Delegitimierung: Der Regierungspartei, den föderalen und gesetzgebenden Parlamenten und den regionalen Eliten gegenüber ist das Verhalten beim Durchdrücken der Rentenreform, mit der Putin offiziell angeblich nichts zu tun hat, inkorrekt. Das ist ein höchst risikoreiches Spiel, und es hat das Potenzial, dem System als Ganzem einen heftigen Schlag zu versetzen.

Bestimmt kann man wieder etwas zurechtrücken (den Gesetzesentwurf abmildern) (und das wird im Herbst auch geschehen). Viel schwieriger wird jedoch sein, der Gesellschaft zu erklären, dass das Putin-Regime weiterbesteht, trotz dieser merkwürdigen Verabschiedung einer nichtputinschen Entscheidung (des Gesetzentwurfs in erster Lesung).

„Wo ist der Präsident?“ Diese Frage ertönt immer öfter in den Korridoren und führt zu einer Gegenfrage: „Kann denn ein Regime, in dem eine kritische, sehr bedeutende Reform ohne den Präsidenten gestartet wird, putinsch genannt werden?“

Sollte der Prozess der Deputinisierung weitergehen, so wird es nicht mehr Putin sein, der zum Jahr 2024 den Machttransfer vorbereitet, sondern das System wird den Putin-Transfer übernehmen.~~~Единственный источник легитимности нынешнего режима – Владимир Путин. Но сейчас впервые он становится одновременно и источником делегитимации – неаккуратное отношение к партии власти, федеральному и законодательным парламентам, региональным элитам при продавливании пенсионной реформы, к которой Путин публично якобы не имеет никакого отношения, крайне рискованная игра, способная нанести удар по системе в целом. Отыграть назад (смягчить законопроект), безусловно, можно (и это будет сделано осенью). Однако гораздо сложнее будет убедить общество, что путинский режим продолжает существовать, несмотря на странное принятие непутинского решения (законопроекта в первом чтении). «Где президент?» – вопрос, который все чаще звучит в кулуарах, формулируя встречный: «Может ли режим, в котором критично значимая реформа стартует без президента, называться путинским?» Если тенденция депутинизации режима продолжится, то уже не Путин будет заниматься подготовкой транзита власти к 2024 г., а система займется транзитом Путина.[/bilingbox]


In ganzer Länge erschien der Artikel am 29.07.2018 unter dem Titel Tschem pensionnaja Reforma opasna dlja Putina (dt. „Weswegen die Rentenreform gefährlich für Putin ist). Das russische Original lesen Sie hier.

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