Im Dorf des Skripal-Verdächtigen

Ruslan Boschirow, Tatverdächtiger im Fall Skripal, soll ein Agent des Geheimdienst GRU sein und mit bürgerlichem Namen Anatoli Wladimirowitsch Tschepiga heißen. Das ergaben Recherchen von Bellingcat und The Insider. Demnach ist Tschepiga ein hoher GRU-Offizier und sogar als „Held der Russländischen Föderation“ ausgezeichnet worden. Er soll am 5. April 1979 in Nikolajewka, in der Oblast Amur im Fernen Osten Russlands geboren sein, die Militärhochschule in Blagoweschtschensk besucht und in Chabarowsk in einer der Elitebrigade einer GRU-Sondereinheit gedient haben. Den Decknamen Ruslan Boschirow hat er demnach bei seiner Versetzung nach Moskau erhalten, 2014 soll er möglicherweise auch in der Ukraine eingesetzt gewesen sein.

Die russische Regierung beharrt trotz der neuesten Recherchen darauf, dass es sich bei Ruslan Boschirow um einen zivilen Touristen handle, der Salisbury rein privat besucht habe.

Kommersant dagegen nahm diese Untersuchungen zum Anlass, im Dorf Berjosowka, wo die Familie Tschepiga lange lebte, nach Bekannten der Familie zu suchen. Die Dorfbewohner baten darum, anonym zu bleiben, auch aus Angst vor Problemen mit dem FSB. Kommersant veröffentlichte den Text bislang nur online, nicht in der Printausgabe.

V. l. n. r. - Anatoli Tschepiga (russische Passdatenbank 2003), Ruslan Boschirow (russische Passdatenbank 2012) und Ruslan Boschirow (Fahndungsfoto der britischen Polizei 2018) / Quelle: The Insider/Bellingcat

„Das ist er, Tolja!“, bekräftigt eine Gesprächspartnerin, die zu Schulzeiten engen Kontakt mit Herrn Tschepiga hatte. „Das ist er hundertprozentig. Die fast schwarzen Haare und die Stimme sind seine“, bestätigt sie Kommersant. „Im Jahr 1996 hat er in Berjosowka die Schule abgeschlossen und ist dann an die Militärhochschule DWOKU gegangen. Ein sehr kluger, guter Junge, scharfsinnig, wortgewandt, war ein guter Schüler. Über ihn können alle nur Positives berichten. Hat nicht getrunken, nicht geraucht, war nie in irgendwelche schlechten Kreise geraten. Ich erinnere mich genau, dass er Anfang April Geburtstag hat. Seine Schwester Galja war etwas älter.“ Die Gesprächspartnerin des Kommersant gibt an, dass sie Anatoli Tschepiga in allen veröffentlichten Materialien wiedererkennt.

Anatoli Tschepigas Vater, Wladimir Maximowitsch, war in den 1990ern Direktor der Baufirma Iwanowskaja in Berjosowka, danach arbeitete er für die Armee. Nach Angaben von kartoteka.ru war Wladimir Maximowitsch Tschepiga Mitbegründer der Baufirma Iwanowskaja in der Oblast Amur mit einem Anteil von 5,61 Prozent (sein Anteil am Stammkapital: 3.300 Rubel). Tschepigas Mutter arbeitete als Buchhalterin in einem der Unternehmen.  

An die Familie Tschepiga erinnert man sich gut im Dorf, obwohl sie vor einigen Jahren nach Blagoweschtschensk gezogen ist. Anatoli Tschepiga wurde nach Abschluss der Militärhochschule neuen Standortеn zugewiesen. Den Dorfbewohnern zufolge ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Vor nicht allzu langer Zeit wurde im Dorf die Neuigkeit diskutiert, seine Familie habe angeblich eine Vierzimmerwohnung in Moskau bekommen.

„Wir wussten, dass er in geheimer Mission an Brennpunkten eingesetzt ist. Seine Mutter weinte: Selbst die Familie war nicht darüber informiert, wo genau er sich befindet“, erzählt eine Einwohnerin aus Berjosowka. „Seine Frau wohnte in Chabarowsk, wartete. Ich hab ihn das letzte Mal vor zehn Jahren gesehen, als er seine Verwandten besuchte.“

„Er war schon fast kahl, nicht so wie auf dem Foto, er hatte einen offenen Blick, aber der auf dem Foto sieht finster drein. Obwohl, die Augen sind auch braun“, sagt sie.

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