Dokumentarfotografin Oksana Ozgur kommt aus Nadym in Russlands hohem Norden. Normalerweise verbindet man Nadym mit Erdgasförderung – Ozgur aber stellt in ihren Bildern, die sie dort fotografiert hat, Garagen ins Zentrum. Genauer gesagt: Garagen, die gar keine Garagen mehr sind. Sondern Wohnzimmer, Musikstudio oder Taubenhaus.
Das Projekt Inoje Nasnatschenije (dt. Zweckentfremdet) ist während ihres Studiums an der renommierten Petersburger Schule für zeitgenössische Fotografie Dokdokdok entstanden.
Mitte der 1960er Jahre, Sowjetunion: Industrialisierung und Entwicklung der Autoindustrie verschaffen auch in Russland immer mehr Menschen Zugang zu dem liebsten Kind, dem Auto. Und das soll nicht frieren. Dafür entstehen nun Garagen – speziell im Norden überlebensnotwendig für die Instandhaltung der Gefährten, da niedrige Temperaturen und Permafrostböden eine Herausforderung sind.
Gerade der Norden wird in den 1970er Jahren aktiv besiedelt. Das führt zu einem ungestümen Wachstum neuer Wohnorte – und nicht wegzudenken aus dem Städtebau ist ein Meer von Garagen.
Und weil es keine Klubs oder Bars gibt, suchen sich junge Menschen eigene Wege zur Freizeitgestaltung, dazu braucht es einen Raum. Erst wurde dafür nur ein kleiner Teil der Garage abgetrennt. Bis irgendwann die ganze Garage Erholungszweck war und der Garagen-Umbau das Auto als Hobby ersetzte. Die umfunktionierte Garage ist eine Möglichkeit, dem einförmigen Alltag zu entkommen. Jedem Garagenbesitzer Raum für seine Phantasie.
Viele sprechen von der Garage als ihrer Datscha. Anstelle des Gemüsegartens gibt es dort ein Betonquadrat für schöpferisches Tun. Aber ist die Garage wirklich zweckentfremdet – oder hat man in Russlands hohem Norden ihren wahren Zweck entdeckt?
Fotografin Oksana Ozgur hat die Garagen in ihrer Heimatstadt Nadym besucht und in ihrem Projekt Inoje Nasnatschenije (dt. Zweckentfremdet) dokumentiert.
Fotos und Text: Oksana Ozgur
Bildredaktion: Andy Heller
Übersetzung: dekoder-Redaktion
Veröffentlicht am 31.10.2019