Historische Presseschau: Mauerfall 1989

9. November 1989: Politbüro-Mitglied Günter Schabowski gibt auf Nachfrage versehentlich eine neue Reiseregelung bekannt, mit der die Mauer für DDR-Bürger praktisch durchlässig wird: Jeder, so wird angekündigt, könne ein Visum beantragen. Die Regelung sollte eigentlich noch bis zum nächsten Morgen, den 10. November 1989, 4 Uhr, unter Verschluss bleiben. Doch es kam anders.

Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer. Es ist ein politisches Erdbeben für die beiden deutschen Staaten und das geteilte Berlin, als den DDR-Grenzern beim Ansturm der Menschen am 9. November 1989 nur die Wahl blieb zwischen Schießen und Nachgeben.

Die Massen bahnen sich ihren Weg an der Bornholmer Brücke, der Invalidenstraße, dem Brandenburger Tor. Die Bilder aus dieser historischen Nacht zeigen, wie die Menschen friedlich die Mauer überwinden – von Ost nach West, von West nach Ost. Die deutsche Wiedervereinigung wurde im Jahr darauf, am 3. Oktober 1990, Realität – aber das ahnt im November 1989 noch keiner. Der Jubel an der geöffneten Grenze 1989 schuf ikonische Bilder im Gedächtnis der deutsch-deutschen Geschichte.  

Doch wie wurde dieses Ereignis in der Sowjetunion bekannt? Was haben die Zeitungen an den Folgetagen geschrieben – wie unterschiedlich haben sie berichtet, im Vergleich zu den Medien in der BRD, wie auch zu den Medien in der DDR?  

dekoder zeigt Ausschnitte in einer historischen deutsch-deutsch-sowjetischen Presseschau.

РУССКАЯ ВЕРСИЯ

Die Pressekonferenz in den Nachrichten

#BRD: Pressekonferenz plätschert dahin, aber dann

In der Bundesrepublik füllen sich die TV-Nachrichten allmählich mit der Neuigkeit – um 20 Uhr die Hauptausgabe der Tagesschau

#DDR: Privatreisen können beantragt werden

Die Aktuelle Kamera, Hauptnachrichtensendung im DDR-Fernsehen, berichtet von der neuen Reiseregelung, die Politbüro-Mitglied Günter Schabowski überraschend verkündet hat:

                                      

 

#UdSSR: An der Schwelle zum Winter

Die Titelseite der Prawda, des Parteiorgans der KPdSU, bleibt am nächsten Morgen, dem 10. November, unbeeinflusst vom Mauerfall im fernen Berlin – wie auch die anderen Aufschlagseiten der sowjetischen Presse. Aufmacher-Thema der Prawda ist, wie es um die Viehzucht in den Kombinaten vor dem nahenden Winter bestellt ist. 

Auch insgesamt spielen die Ereignisse in Berlin eine untergeordnete Rolle und werden wenn, dann auf den Auslands-Seiten behandelt. Die Mauer war in der UdSSR lange ein heikles Thema; hinzu kommt, dass die eigenen wachsenden Probleme täglich die Zeitungen füllen:

#UdSSR: Harter Schnitt mit alten Dogmen

Am 11. November dann greift die Prawda die Grenzöffnung von Berlin in ihrem Auslandsteil, Seite 6, auf und kommentiert:

 

 

Deutsch
Die jetzige Entscheidung der DDR-Regierung ist ein mutiger und weiser politischer Schritt, der einen harten Schnitt mit alten Dogmen bezeugt. Er zeigt, dass sich die heutige DDR selbst den Weg in ein neues politisches Denken weist, ein Denken, das sich durch eine kreative Herangehensweise an die schwierigen Fragen auszeichnet, die das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander so lange verkompliziert haben.

 

 

 

Prawda, 11.11.1989, Gordijew usel rasrubljon, Mai Podkljutschnikow 

 

#BRD: „Geschafft! Die Mauer ist offen“

Das Boulevardblatt Bild am 10. November 1989 mit der Schlagzeile: „Geschafft! Die Mauer ist offen“. Alle Zeitungen in der BRD titeln – analog zur Bild – am 10. November 1989 mit der Nachricht zur Maueröffnung:

#DDR: Wie der Regierungssprecher mitteilte …

In der DDR druckt das SED-Parteiorgan Neues Deutschland (wie die anderen großen Parteiblätter auch) am 10. November allein die nüchterne – über den DDR-Nachrichtendienst ADN verbreitete – Mitteilung zur Reiseregelung im Wortlaut ab:

 

 

Deutsch
Wie der Regierungssprecher mitteilte, hat der Ministerrat der DDR beschlossen, daß bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung der Volkskammer folgende Bestimmungen für Privatreisen und ständige Ausreisen aus der DDR ins Ausland mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt werden. […]

 

 

 

Neues Deutschland, 10.11.1989, DDR-Regierungssprecher zu neuen Reiseregelungen, Nachrichtenagentur ADN 

 

#UdSSR: Massenflucht schadet nicht nur der DDR

Ausnahme unter den sowjetischen Blättern: Sofort am 10. November berichtet die Izvestia, die damalige Regierungszeitung, auf Seite 4 unter dem Titel Suchen nach Auswegen aus der Krise über die neue DDR-Reiseregelung:

 

 

Deutsch
Am Donnerstagabend haben lokale und westliche Radio- und TV-Sender diese Nachricht gemeldet: Auf Beschluss der DDR-Regierung ist die Grenze zwischen der DDR und Westberlin geöffnet. 
[…] Innerhalb der letzten zwei Tage betrug die Zahl der ständigen Ausreisen aus der DDR in die BRD über die Tschechoslowakei nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa ungefähr 19.000. Mit so einem Andrang hat die BRD, wie es aussieht, nicht gerechnet.
[…] Die lokale Bevölkerung stöhnt im wahrsten Sinne des Wortes. Man scheint in der BRD und in Westberlin verstanden zu haben, dass die Massenflucht nicht nur der DDR schadet.

 

 

 

Izvestia, 10.11.1989, Poiski wychoda iz krisissa, W. Lapski

 


Die Nacht des 9.11.1989 in den Nachrichten

#BRD: Vorsicht vor Superlativen – aber nicht heute

Die ersten Bilder: Die Tagesthemen mit Hanns Joachim Friedrichs haben am Abend des 9. November den Fernsehreporter Robin Lautenbach für eine Live-Schalte zum Grenzübergang Invalidenstraße geschickt:

#UdSSR: Zum Mauerfall in Moskau

Wie war es im November 1989, in Moskau vom Mauerfall zu erfahren und die Ereignisse von dort aus zu verfolgen? Elfie Siegl war zum damaligen Zeitpunkt bereits langjährige Korrespondentin für den RIAS Berlin und die Frankfurter Rundschau – so erinnert sie sich:

#DDR:  Ein Stück Vertrauen gewonnen

In der DDR sind am 11. November in allen Blättern lange Reportagen und Interviews zu lesen. Ebenso in der Jungen Welt, seinerzeit Zentralorgan des staatlichen Jugendverbandes FDJ und Ende der 1980er Jahre bei einer Auflage von 1,6 Millionen: 

 

Deutsch

 

„Einfach toll. Wahnsinn“ – viele können es kaum glauben, sind fassungslos. Wie es weitergeht? Daran denkt hier und heute erst mal keiner. Anja hat heute auch ein Stück Vertrauen gewonnen, sagt sie. „Ihr seid zu viert?“ fragen wir ein Trüppchen, das offensichtlich zusammengehört – Textiltechnik-Studenten. „Ja, wir kommen auch zu viert wieder zurück.“

 

 

 

Junge Welt, Wochenend-Ausgabe 11./12.11.1989, Zu viert gehen wir rüber und zu viert auch zurück – Verlag 8. Mai GmbH/junge Welt

 

#DDR: Wer weiß, wann wieder Schluss ist

Die Berliner Zeitung sieht einen ähnlichen Trend des Rückkehrens nach dem Besuch im Westen, gibt in einer Meldung aber auch zu bedenken:

 

 

Deutsch
Fast alle DDR-Bürger, die seit der Nacht zu gestern die Grenze zur BRD passiert haben, wollten, wie zu erfahren war, noch am selben Tag oder nach dem Wochenende wieder in ihre Heimat zurückkommen. […] Zu hören war: Heute abend sind wir wieder da. Aber auch: Wer weiß, wann wieder Schluß ist damit. Rund 3250 hätten sich Angaben aus Bonn zufolge als Übersiedler registrieren lassen.

 

 

 

Berliner Zeitung, 11./12. November 1989, Heute abend sind wir wieder da

 

#BRD: Nur noch ein schüchterner Wasserwerfer

In den bundesdeutschen Blättern finden mit der Nachricht zur Grenzöffnung auch die ersten Reaktionen Eingang in den Druck für den nächsten Tag (10. November), während am 11. November die großen Reportagen folgen – Beispiel taz:

 

 

Deutsch
In einer ersten Reaktion zeigte sich der Regierende Bürgermeister West-Berlins [Walter Momper – dek] ‚sehr froh‘ und appellierte an die Berliner, sich ebenfalls zu freuen, „auch wenn wir wissen, dass daraus viele Lasten auf uns zukommen werden“.

 

 

 

taz, 10.11.1989, Ein historischer Tag: DDR öffnet die Mauer. Momper: Kommt bitte mit der S-Bahn

 

 

 

Deutsch
Die Fernsehteams haben die Mauer taghell ausgeleuchtet, ein Wasserwerfer spritzt noch schüchtern von Ost nach West, mehrere Hundert, vielleicht Tausend umlagern die historische Stätte. […] Die Berliner stürmen die Mauer. Kaum einer kommt oben an, ohne zu jauchzen und die Arme hochzureißen. ‚Die Mauer muss weg! Die Mauer muss weg!‘ heißt die Parole des Abends. Nur: der Chor ist schon von der Realität überholt. 

 

 

 

taz, 11.11.1989, Das Volksfest auf der Mauer, Manfred Kriener

 

#UdSSR: Erst die Regierung, dann das Politbüro

In der Sowjetunion gibt es Zeitungen und Magazine, die den Mauerfall noch Tage und Wochen später nicht aufgreifen. Die Tageszeitung Trud, Organ des Gewerkschaftskomitees, legt für den 12. November im Korrespondentenbericht aus Berlin allein den Fokus auf die zeitgleich ablaufenden Umbildungen an der DDR-Staatsspitze:

 

 

Deutsch
Gestern hat unsere Zeitung über die Ergebnisse des 10. Plenums des ZK der SED berichtet. Aber davor war es im Land zu etwas nie Dagewesenem gekommen, als innerhalb von nur zwei Tagen als erstes die Regierung und dann das Politbüro des Zentralkomitees der Regierungspartei zurücktraten. 

 

Eine neue Regierung ist noch nicht gewählt. […] 

 

 

 

Trud, 12.11.1989, GDR: Dni peremen, W. Nikitin

 

#UdSSR: Sektkorken ohne Exodus

Ganz anders die Komsomolskaja Prawda, damals Presseorgan der kommunistischen Jugenorganisation Komsomol, die bereits am 11. November eine Reportage bringt – nah dran am deutsch-deutschen Puls der Zeit:

 

 

Deutsch
Bei jedem Schritt knallten Korken der Sektflaschen, brannten Wunderkerzen. „Heute ist in Berlin ein Feiertag“, rief jemand aus der Menge erklärend einem Ausländer zu. […] Wonach sah das aus? Nach allgemeiner Euphorie? Nach Verbrüderung? Ja, wenn man bedenkt, dass sich direkt vor meinen Augen Verwandte trafen, die auf verschiedenen Seiten der Grenze leben. 
Aber womit es überhaupt keine Ähnlichkeit hatte, war ein Exodus. 

 

 

 

Komsomolskaja Prawda,  11.11.1989, Tschelowek prochodit skwos stenu, S. Maslow

 

Foto © Dave Tinkham/datapanikdesign

#BRD: Hadern im Hinterland

Fern der überlaufenen Grenzübergänge in Berlin blickt die Frankfurter Allgemeine Zeitung nach Leipzig: 

 

Deutsch
Wie groß das Mißtrauen der Menschen in der DDR gegen die bisher Herrschenden ist, zeigt sich in dieser Donnerstagnacht noch auf andere Weise. Gerade vor wenigen Stunden hat das Politbüromitglied Schabowski auf einer im DDR-Rundfunk direkt übertragenen Pressekonferenz fast beiläufig erwähnt, jeder DDR-Bewohner könne mit sofortiger Wirkung ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen ins Ausland reisen. Doch von Freude, Erleichterung, Genugtuung ist wenig zu spüren auf dem Karl-Marx-Platz in Leipzig – vor der Litfaßsäule werden kaum Worte gewechselt. Von der neuen Reisefreiheit spricht niemand.

 

 

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.1989, Nach dem Treffen mit Krenz ist Rau auch ratlos, Albert Schäffer

 

… und zum Grenzkontrollpunkt Helmstedt zwischen heutigem Sachsen-Anhalt und Niedersachsen:

 

 

Deutsch
Die kühnste Vorstellung wird in Gedanken deshalb Wirklichkeit, weil niemand denkt, dass sie Wirklichkeit werde. Daß die Mauer aufbrechen, die Grenze durchlässig werde, haben in Helmstedt und die Menschen überall am Zonenrand immer gewünscht. Sie wußten zugleich, daß sie ein Stück ihrer Identität verlieren, wenn dies Wirklichkeit werde.

 

 

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.1989, Ein Licht nach langer Dunkelheit, Ulrich Schulze

 


Was bleibt? Was kommt? 

#BRD: „Wir bleiben dran“

Die Zeit beleuchtet die Aktivitäten neuer politischer Gruppen, die im SED-Staat immer stärker ein Mitspracherecht einfordern. 

 

 

Deutsch
Wir bleiben hier, wir bleiben dran, bleib auch Du in der DDR“ ist in grellen Farben auf den Lack gemalt. An der Antenne wehen grüne Bänder, Zeichen der Hoffnung. Auf der anderen Seite des Autos ist zu lesen, für wen Uwe Jahn wirbt, für die Initiativbewegung Demokratie Jetzt. […] Seine Gruppe trifft sich bei ihm im Büro, gemeinsam überlegen die sechs Männer ihre nächsten Schritte: Unterschriften sammeln für einen Volksentscheid über eine Verfassungsänderung, die der SED den Führungsanspruch nehmen soll, eine Demonstration im Betriebshof in der kommenden Woche.

 

 

 

Die Zeit, 24.11.1989, Pläne schmieden für die neue Zeit, Marlies Menge

 

#DDR: Machtmissbrauch offenlegen

Die neu gewonnene Reisefreiheit täuscht für die Neue Zeit, Parteiblatt der Ost-CDU, nicht über bestehende Missstände in der DDR hinweg. Sie kommentiert:

 

 

Deutsch
Nach wie vor erfährt die Öffentlichkeit nichts über das, was angemahnt und lautstark von Hunderttausenden auf den Demonstrationen gefordert wurde: Privilegien, Machtmißbrauch. So viele von denen, die Amt und Funktion ausnutzten zur persönlichen Bereicherung, sitzen noch immer in der Volkskammer, in Bezirkstagen und anderen Leitungen. Sie hören die Anwürfe und – schweigen. 

 

 

 

Neue Zeit, 20.11.1989, Vom Wasser gepredigt, vom Wein getrunken, Klaus M. Fiedler

 

#BRD: Meine erste Banane

Zonen-Gaby heißt eigentlich Dagmar, kommt aus Rheinland-Pfalz und stand im Jahr 1989 Modell  für den Titel der November-Ausgabe der Satirezeitschrift Titanic. Das Bild wurde Kult und gilt als berühmtester Titanic-Titel, vielfach nachgedruckt und bis heute gern zitiert:

„Zonen-Gaby (17) im Glück (BRD): Meine erste Banane“

#UdSSR: Süßes Wort „Freiheit“

Die Wochenzeitung Moskowskije Nowosti, damals ein wichtiges Forum für Gorbatschows Perestroika-Politik und auch international in mehreren Sprachen vertrieben, zieht historisch große und vieldeutige Parallelen:

 

 

Deutsch
Als die jungen Deutschen tanzend am Brandenburger Tor über die Fernsehbildschirme liefen, werden im Gedächtnis lange vergangene Schattenbilder wach – die der Pariser, die vor 200 Jahren auf den Ruinen der Bastille tanzten. Selbstverständlich stand die Mauer an Symbolgehalt dem feudalen Kerker in nichts nach. Dieses elende Symbol der Teilung Europas und der Welt, der Konfrontation, des Kalten Krieges und vor allem das Symbol unserer und unserer Verbündeten Angst vor der Bewegungsfreiheit von Menschen, der Zirkulation von Ideen, von Freiheit ganz generell. Es war das Symbol des feudalen Sozialismus. […]
Jeder in der DDR, dem das Wort Freiheit süß erscheint, ist froh über die Umwälzungen. Aber unsere Besorgnis werden wir nicht verheimlichen: Ende vergangener Woche hatte die Polizei sowohl von der einen als auch von der anderen Seite Skinheads, jugendliche Neonazis und Randalierer zu verjagen. Im Übrigen: Der Fall der Bastille, wie man weiß, war nicht der Weg zu Frieden und Glückseligkeit auf unserer sündigen Erde. Ungeachtet dessen haben wir dieses Ereignis 200 Jahre später groß gefeiert.

 

 

 

Moskowskije Nowosti, 19.11.1989, Berlinskaja stena: Kto stroil, tot i snossit, Wladimir Ostrogorski

 

#BRD: Wirtschaften ohne Lehrbuch

Die Mauer ist seit zehn Tagen Geschichte: Der Spiegel macht sich Gedanken darüber, was die Öffnung nach anfänglicher Begeisterung an der Börse wirtschaftlich für beide Seiten, BRD und DDR, bedeutet:

 

 

Deutsch
Den Börsianern und Kleinanlegern, den Managern und den Politikern dämmerte, daß mit der plötzlichen Öffnung der bislang hermetisch verriegelten DDR eine ökonomische Situation eingetreten war, für die es keine historische Parallele gibt; für die sich auch in keinem Lehrbuch der Volkswirtschaft eine Handlungsanweisung finden läßt. Es ist eine Situation voller Risiken.
[…] Viel Zeit zum Reagieren haben Modrow, Krenz und Genossen nicht. Durch die offene Grenze laufen ihnen, wenn die ökonomische Lage sich nicht bald zum Besseren wendet, die Jungen und die Fähigen davon. Richtung Westen droht zudem, wegen der vertrackten Umtauschverhältnisse, ein Ausverkauf der spärlichen Güter.

 

 

 

 

Der Spiegel, 20.11.1989, Da rollt eine Lawine

 

#UdSSR: Die Perestroika überholt

Die Wochenzeitung Argumenty i Fakty, lange nur Funktionären zugänglich, in den 1980er Jahren aber zum vielgelesenen Leserforum avanciert, sieht die Maueröffnung als weitreichendes Signal für die gesamte innere Verfasstheit der DDR:

 

 

Deutsch
Es besteht kein Zweifel daran, dass das, was in der DDR im Herbst dieses Jahres geschehen ist, eine Revolution war. […] Der Oktober wurde für die DDR zu einer Zeit, in der unter die gesamte historische Periode des verwaltungsökonomischen, stalinistischen Entwicklungspfades ein Strich gezogen wurde. Ein Pfad, der sich auch hier erschöpft und die Republik weiter in eine Sackgasse geführt hatte. […] 
An Intensität in der Dynamik und Dramatik übertraf das deutlich unsere Perestroika.

 

 

 

Argumenty i Fakty, 9.12.1989, Oktjabrskaja revoluzija v GDR, S. Rjabikin

 

Zusammenstellung der Presseschau: Xenia Gerber, Jakob Koppermann, Alena Shyrko, Chantal Stannik (Universität Hamburg)
Titelbild: Dave Tinkham/datapanikdesign
Kapitelbild: © Thorsten Koch/flickr.com/CC BY 2.0 

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