Debattenschau № 66: Militärschlag gegen Syrien

In der Nacht auf Samstag haben die USA, Großbritannien und Frankreich syrische Ziele angegriffen. Diese Vergeltungsmaßnahme der Verbündeten für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien sollte laut US-Angaben Assad klarmachen, dass er rote Linien überschritten habe. Der russische UN-Botschafter Nebensja kritisierte das „neokoloniale Auftreten“ der Verbündeten, die das Völkerrecht ignorieren würden.

Noch im Vorfeld des Angriffs hatten russische Politiker damit gedroht, dass die Marschflugkörper der Verbündeten abgeschossen würden. Da es vereinzelt auch Stimmen gab, die den Gegenangriff auf US-amerikanische Raketenträger androhten, sprachen  einige Analysten schon von einer neuen Kuba-Krise. Doch schließlich reagierte Russland nicht mit militärischen Mitteln – vermutlich auch, weil die Angriffsziele offenbar mit der russischen Seite abgestimmt waren. Umso massiver fällt nun die offizielle russische Kritik aus: Der Giftgasangriff sei nicht bewiesen, der Westen habe gegen das Völkerrecht gehandelt. 

Welche Folgen hat der Angriff für die internationale Diplomatie? Und wie geht es nun weiter mit Russland und dem Westen? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte.  

Republic: Kuba-Krise gebannt, Russland geschwächt

Im Vorfeld des Luftschlags sprachen Politiker und Militärexperten schon von einer zweiten Kuba-Krise. Diese Gefahr ist nun zwar vorerst gebannt, Russland geht aus der Krise aber geschwächt hervor, meint der Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow auf Republic:

[bilingbox]Russland hat in Syrien den Schlag gegen seinen Alliierten trotz militärischer Präsenz im Land weder verhindern noch abschwächen können – obwohl die lauten Statements die Planung der Operation für die USA etwas erschwert haben. 
Doch für die anderen Staaten der Region wurde die Schwäche Russlands offensichtlich. Den Anspruch auf die Rolle einer Alternative zum Kraftzentrum der USA und auf die des Sicherheits-Providers im nahen Osten kann Russland nicht erheben.~~~В Сирии Россия не смогла предотвратить или ослабить удар по своему союзнику даже в условиях военного присутствия в стране, хотя громкие заявления несколько затруднили планирование операции для США. Но для других государств региона эта российская слабость стала очевидной. Претендовать на роль альтернативного США центра силы и провайдера безопасности на Ближнем Востоке Россия не может. [/bilingbox]

erschienen am 16.04.2018

Novaya Gazeta: Krise zwischen Ost und West bleibt

„Aufatmen“ heißt es auch in der Novaya Gazeta – der Journalist und Militärexperte Pawel Felgengauer sieht die Eskalation aber noch nicht beendet:

[bilingbox]Kurz, es ist noch mal gut gegangen: Die russischen Militärs in Syrien und die Kampfschiffe im Mittelmeer haben nicht einmal auf Raketen geschossen, geschweige denn auf westliche Flugzeuge und Schiffe. Es wird also wegen Duma weder einen regionalen (innereuropäischen) noch einen globalen Krieg geben. 

Aber die Krise zwischen Ost und West bleibt. Gegenseitige Beschimpfungen und Konfrontationen, auch die in Syrien, gehen weiter und werden wahrscheinlich noch an Schärfe gewinnen. Auf syrischem Boden sind amerikanische, französische und britische Spezialeinheiten aufgeschlagen. Und natürlich wollen sowohl Damaskus als auch Moskau als auch Teheran diese Truppen aus Syrien verdrängen.~~~Короче, обошлось: российские военные в Сирии и боевые корабли в Средиземном море даже по ракетам не стреляли, не то что по западным самолетам и кораблям. Не будет из-за Думы ни региональной (общеевропейской), ни глобальной войны. 

Но кризис между Востоком и Западом никуда не делся. Взаимная ругань и противостояние, в том числе в Сирии, продолжатся и будут, наверное, еще более ожесточенными. В Сирии развернуты «на земле» силы американского, французского и британского спецназа. И Дамаск, и Москва, и Тегеран, конечно, хотят вытеснить эти силы из Сирии.[/bilingbox]

erschienen am 16.04.2018

Vedomosti: Sieht Assad nun Russlands Schwäche?

Die Vedomosti-Redaktion fragt nach möglichen Gründen für das vergleichsweise vorsichtige Vorgehen der westlichen Verbündeten und nach Russlands neuer Stellung in Syrien. Dabei zitiert sie den Außenpolitik-Experten Wladimir Frolow und den Nahost-Forscher Alexej Malaschenko:

[bilingbox]Es ist möglich, dass  Moskaus Drohungen, Raketen abzuschießen und im Falle eines Schlags gegen russische Truppen deren Träger zu attackieren, zur Abmilderung des Szenarios beigetragen haben. Auch die harsche Rhetorik mag den Westen dazu gezwungen haben, vorsichtiger zu Handeln, so Frolow.

Doch nun findet sich Russland in einer schwierigen Situation wieder: Die Erklärung, man sei bereit, auf Anschläge der Koalition nur im Falle einer direkten Bedrohung für russisches Militär und russische Einrichtungen zu reagieren, war unter anderem auch eine Demonstration gegenüber Assad, dass man nicht willens ist, für ihn das Leben der eigenen Staatsbürger einzusetzen. Dies könnte in Damaskus als Schwäche ausgelegt werden, führt Malaschenko an.~~~Возможно, на смягчение сценария сработали угрозы Москвы сбивать ракеты и атаковать их носители в случае, если под ударом окажутся российские военные, жесткая риторика вынудила Запад действовать осторожнее, отмечает Фролов.

Но теперь и Россия оказалась в сложной ситуации: заявления о готовности отвечать на удары коалиции только в случае прямой угрозы российским военным и объектам были в том числе демонстрацией Асаду нежелания рисковать ради него жизнями своих граждан. Это может быть воспринято Дамаском как слабость, отмечает Малашенко.[/bilingbox]

erschienen am 15.04.2018

Kommersant: Völkerrechtswidriges Vorgehen

Russland wird oft wegen Nichteinhaltung des Völkerrechts kritisiert. Das berühmteste Beispiel dieser Kritik war die Angliederung der Krim. Im Interview mit Kommersant dreht nun Sergej Rjabkow – einer von zehn stellvertretenden Außenministern Russlands – den Spieß um: 

[bilingbox]Die USA und ihre Verbündeten entfernen sich nicht nur immer weiter vom Imperativ der Einhaltung des Völkerrechts, sondern sogar von ganz schlichten Standards der diplomatischen Kommunikation und der internationalen Praxis. Unserer Meinung nach schaden sie damit nicht nur dem gesamten System der internationalen Beziehungen, sondern auch sich selbst. […]
Aber zusammenarbeiten muss man. Und eine der Hauptaufgaben am heutigen Tag ist es, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu ermöglichen, dass sie trotz allem ihre Arbeit tut und Experten nach Duma schickt, um Materialien und Fakten zu sammeln und entsprechende Gespräche zu führen.~~~Мы считаем, что США и их союзники, которые все дальше отдаляются не только от императива соблюдения норм международного права, но и просто даже от стандартных канонов дипломатического общения и международной практики, по большому счету наносят ущерб не только всей системе международных отношений, но и самим себе. […]

Но сотрудничать нужно. И одна из главных задач сегодняшнего дня — это обеспечить для Организации по запрещению химического оружия (ОЗХО) возможность все-таки выполнить свою работу и направить специалистов в (сирийский город — “Ъ”) Думу, чтобы они собрали материалы и факты, провели соответствующие беседы.[/bilingbox]

erschienen am 14.04.2018

Zvezda: Feige Haltung wird Westen zum Verhängnis

Der TV-Sender Zvezda steht dem Verteidigungsministerium nahe. Den Raketenangriff auf Syrien lässt er vom kremlnahen Politologen und Amerikanisten Rafael Orduchanjan kommentieren, der meint, man solle sich jetzt auf Terrorabwehr einstellen:

[bilingbox]Wir sehen gerade eine absolut feige Haltung, die der Westen, vertreten durch Frankreich, England und die USA, vereint an den Tag legt. […] Neue Terroranschläge in Westeuropa stehen unmittelbar bevor – dies nicht genau zu analysieren und zu verstehen, ist schlichtweg ein Verbrechen. ~~~«Мы сейчас видим абсолютно трусливую позицию, которую демонстрирует объединенный Запад в лице Франции, Англии и Америки» […] «Мы стоим в преддверии новых террористических актов в Западной Европе, и не анализировать и не знать это – это просто преступно».[/bilingbox]

erschienen am 15.04.2018

Izvestia: Erfolgreiche Abwehr dank russischem Know-How

Laut Pentagon ist die mission accomplished: Alle 105 Raketen hätten ihre Ziele – Kommandozentrale, Lager und Forschungseinrichtungen für Chemiewaffen – erreicht. Die staatsnahe Izvestia greift dabei eine Meldung des Assad-Regimes auf und behauptet, dass die meisten Raketen der Verbündeten abgeschossen wurden. Die entscheidende Rolle bei der Abwehr des Angriffs habe das russische Militär gespielt:

[bilingbox]Informierte Quellen des Portals iz.ru berichten, dass bei der Abwehr des Angriffs moderne Flugabwehr-Anlagen aus russischer Produktion eine entscheidende Rolle gespielt haben, darunter auch Ausrüstung, die im Laufe der vergangenen Wochen nach Syrien geliefert worden war. In erster Linie geht es hier um die Flugabwehrraketen-Systeme Panzir und BUK. Ein Teil der Geschütze, einschließlich schon früher aus Russland gelieferter Flugabwehrraketen-Systeme der neuen Generation, wurden von syrischer Seite bedient. Jedoch spielten russische Militär-Experten eine entscheidende Rolle bei der Abwehr des Angriffs.~~~Информированные источники портала iz.ru сообщают, что основную роль в отражении удара сыграли современные средства ПВО российского производства, в том числе поставленные в Сирию в течение последних нескольких недель. В первую очередь речь идет о зенитных ракетно-пушечных комплексах «Панцирь» и зенитных ракетных комплексах «Бук». Часть комплексов, в том числе ранее поставленные из России системы нового поколения, управлялась сирийскими расчетами, однако существенную роль в отражении удара сыграли российские военные специалисты.[/bilingbox]

erschienen am 16.04.2018

Facebook/Adagamow: Verteidigungsministerium als Münchhausen

Der bekannte russische Blogger Rustem Adagamow hat auf Facebook rund 180.000 Abonnenten. Die in den Staatsmedien gefeierten Erfolge der russisch-syrischen Koalition quittiert er mit einem Screenshot aus dem bekannten sowjetischen Film Genau jener Münchhausen. Dabei legt er dem Lügenbaron Münchhausen die Meldung des russischen Verteidigungsministeriums in den Mund: 

 

„Die syrische Flugabwehr hat 71 von 103 Raketen erfolgreich abgefangen.“ Verteidigungsministerium der Russischen Föderation

erschienen am 14.04.2018

dekoder-Redaktion

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