In seinen international ausgezeichneten Serien erkundet Fotograf Alexander Gronsky die Peripherie. Er zeigt die Städte abseits der Zentren und jenseits der Idylle, den Übergang zwischen Beton und Grün in einer Serie wie Pastoral. In der Serie 2018 geht er in die Vororte zweier Städte: Moskaus und Sankt Petersburgs. Und wirft in urbanen Triptycha sehr gegenwärtige Fragen auf.
„Wenn früher jemand in eine fremde Stadt kam, fühlte er sich einsam und verloren: andere Häuser, andere Straßen, ein anderes Leben. Aber heute ist alles anders. Wer in eine ihm unbekannte Stadt kommt, fühlt sich dort wie zuhause. In welchen Unsinn sich doch unsere Vorfahren verstiegen. Sie mühten sich mit jedem architektonischen Projekt wieder [von Neuem] ab. Aber heute bauen sie in jeder Stadt ein typisches Kino Raketa, in dem man einen typischen Spielfilm sehen kann.“
Beginn der sowjetischen Neujahrskomödie Ironie des Schicksals (Ironija sudby, 1975)
Der sowjetische Kultfilm Ironie des Schicksals (Ironija sudby) von Eldar Rjasanow, der am Neujahrsabend spielt und an diesem Abend fest im Fernsehprogramm etabliert ist, zeigt schon im kurzen Zeichentrick-Vorspann die Eroberung des Sowjetimperiums durch die Chruschtschowki, die Plattenbauten. Die Auswechselbarkeit der Platte wurde bald zur Metapher der sowjetischen Gesellschaft. Der vielschichtige Neujahrsklassiker Ironie des Schicksals aber greift die Allgegenwart der Platte humoristisch auf und macht sie zur Grundlage einer schicksalhaften Verwechslung.
In seiner Serie 2018 zeigt Alexander Gronsky in urbanen Triptycha und Diptycha Moskauer und Petersburger Vororte von Heute – ein Ironija sudby der Fotografie. Die Fotografien funktionieren als strenge Kompositionen des immer Gleichen genauso wie als spielerische Suchbilder (finde den Unterschied!).
Wie oft in seinen Arbeiten ist Gronsky in der Peripherie, an den Rändern unterwegs und lässt die Grenzen verschwimmen: Moskau oder Petersburg? Ernst oder Ironie? Monotonie oder Vielfalt, die im Detail liegt? Alltag oder Kunst? Wie viel Sowjetunion ist noch? Und was ist Schönheit?
„Gute Fotografie“, sagte Gronsky mal in einem Interview, „ist jene, die Fragen aufwirft.“
Fotos: Alexander Gronsky
Bildredaktion: Andy Heller
Text: dekoder-Redaktion
Veröffentlicht am 30.12.2020