2. Advent: Kossakowski, Mawromatti & Hunde im Weltall

Advent, Advent auf dekoder: Jeden Adventssonntag zünden wir hier zwar kein Kerzchen an, aber Gnosenautoren und Klubmitglieder geben ausgesuchte Geschenk-, Lese- oder einfach Kulturtipps. Zum zweiten Advent hat Heleen Gerritsen, Festivalleiterin bei goEast, Tipps für ultimative sowjetische und russische Filmerlebnisse – nicht nur im Advent. Und Geschenktipps gibt’s gratis dazu.

Von Dsiga Wertow bis Marina Rasbeshkina: Mehr noch als vom klassischen Erzählkino, bin ich ein großer Fan der verschiedenen russischen Dokumentarfilmströmungen. Das Erzählen in Bildern, die kluge Anwendung von Montagetechniken und die Offenheit vieler Protagonist*innen im russischsprachigen Raum sorgen dafür, dass der Dokumentarfilm in Russland seit jeher weit über das Niveau von informativen Fernsehreportagen hinausgeht. Anders als in Deutschland beteiligt das Fernsehen sich kaum an „kreativen“ Dokumentarfilmprojekten – auch dadurch wird der Dokumentarfilm an russischen Filmschulen heutzutage immer noch als Teil der Filmkunst und nicht als Journalismus betrachtet.

Animationsfilm „Wareshka“

Aber wo kann man diese Filme in Deutschland sehen? Bei den Filmfestivals natürlich! goEast zeigt jedes Jahr eine Auswahl an neuen und älteren Werken, aber auch Dok Leipzig stellt traditionell viele interessanten Filme aus dem russischsprachigen Raum vor.

Und für einen anspruchsvollen Filmabend allein zu Haus im Corona-Advent: Eine Adresse für gute (osteuropäische) Dokumentarfilme ist die Online-Plattform dafilms, wo Filme im Original mit englischen Untertiteln angeboten werden. Momentan steht unter anderem eine Viktor Kossakowski-Retrospektive zur Verfügung, inklusive einer Masterclass mit dem bekannten Petersburger Filmemacher. In den letzten Jahren hat der Altmeister (mit Ausnahme von GUNDA) nach meinem Geschmack vor allem größenwahnsinnige, allzu metaphysische Filme gemacht. Auf dafilms stehen die früheren Perlen seines Filmschaffens zur Verfügung, wie BELOWY (Die Belows), LOSEV oder SWJATO, in dem Kossakowskis zweijähriger Sohn Swjatoslaw zum ersten mal sein eigenes Spiegelbild entdeckt.
Außerdem auf dafilms: einer meiner absoluten Favoriten DURAKAM SDES NE MESTO (No Place for Fools) von Oleg Mawromatti, ein Film, der das Motiv des heiligen Tors (jurodiwy) ins 21. Jahrhundert katapultiert, mit einem Protagonisten voller interessanter Widersprüche. 

Tipp für untern Weihnachtsbaum: Geschenkgutscheine für dafilms können online erworben werden. 

Online-Filme schauen ist gut und schön. Ich würde dennoch immer dafür plädieren, dass man, falls man glücklich genug ist, ein Kino in seiner Umgebung zu haben, dass gute eigene Programme gestaltet, diesen Ort auch während der Pandemie unterstützt – soweit möglich. Für Russophile in der Hauptstadt ist dies das Kino Krokodil. In dem kleinen Ladenkino in der Greifenhagener Straße sollte in diesem Monat zum Beispiel der exzellente (wenn auch grausame) Dokumentarfilm SPACE DOGS von Elsa Kremser und Levin Peter auf dem Programm stehen. Sollte die Kinotour nach der Pandemie wieder fortgesetzt werden, ist dieser Film absolut zu empfehlen.

Auch Gutscheine für das Kino Krokodil können per Mail bestellt werden. 

Wer findet, dass Hunde im Schnee besser aufgehoben sind als im Weltall, dem sei der süße Kinderklassiker WARESHKA (dt. Fäustling) empfohlen. Auf dem Youtube-Kanal des sowjetischen Animationsfilmstudios Sojusmultfilm steht der Kurzfilm, zusammen mit vielen anderen Klassikern, kostenlos zur Verfügung. 

Oder schaut mal im Programmkino um die Ecke, wenn es wieder geöffnet ist. Es braucht euch jetzt mehr denn je!


Heleen Gerritsen ist Leiterin des Filmfestival goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films. Die Filmproduzentin und Kuratorin studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und VWL in Amsterdam und Sankt Petersburg und leitete unter anderem das europäische Dokumentarfilmfestival dokumentART in Neubrandenburg.

 

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