Editorial: Ein Jahr des brutalen Wahnsinns

Ein Jahr des brutalen Wahnsinns und Schreckens liegt hinter uns, vor allem hinter den Menschen in der Ukraine, hinter deren Angehörigen und den Geflüchteten. Das, was bevorsteht, verspricht nichts Besseres. Am Dienstag, bei seiner Rede vor der Föderalversammlung, hat Putin die Bevölkerung eingeschworen auf einen langen Krieg.

Ähnlich sieht Maxim Trudoljubow die Lage. In seinem Text Die schwindende Macht der Angst, den wir als eine Art Bilanz dieses Jahres ausgesucht haben, beschreibt der Autor die Situation ungefähr so: Putins Angstmache gen Westen hat nicht die gewünschte Wirkung gezeigt – nach innen jedoch hat sie gewirkt. So stark gewirkt, dass sich das Land im und auf den Krieg einrichtet.
Das zweite Publish dieser Woche zeigt den Schrecken der Wehrlosesten. Bilder vom Krieg #10: „Dieser Junge steht für tausende von Kindern, die getötet werden“.

Das zurückliegende Jahr bekommt von uns heute keine Beschreibung in großen Worten. dekoder hat versucht, die Geschehnisse adäquat zu begleiten und abzubilden. Fühlt euch eingeladen nachzulesen und nachzuschauen: Das Dossier zum Krieg sammelt chronologisch die Materialien, die wir veröffentlicht haben. 

Zunächst sind dort übersetzte Medientexte – kritische Perspektiven aus Russland und Belarus, dazu angesichts der neuen Lage erstmals auch Stimmen aus der Ukraine.
In Bezug auf Russland war vor allem eine Verlagerung der Medien auf YouTube zu bemerken – ein Marker dafür, dass wir am Ende dieses Kriegsjahres feststellen müssen: Viele unabhängige Medien wurden mit Beginn der Invasion von der russischen Führung ins Exil gezwungen. Die belarussischen Medien und Journalisten haben sich bereits vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Ausland eine neue Arbeitsbasis geschaffen. Sie waren im Zuge der historischen Proteste von 2020 schließlich ins Exil getrieben worden – auch in die Ukraine, von wo sie mit dem Beginn des Krieges wieder flüchten mussten. 
Zwei wissenschaftsbasierte Formate haben in diesem Jahr auf dekoder stark an Gewicht gewonnen, um auf aktuelle Fragen reagieren zu können. Das schnelle Fragenformat Bystro und die FAQs. Zusammengefasst sind Letztere in dem Special Russlands Krieg gegen die Ukraine – Fragen und Antworten.
In den ersten Tagen des Angriffskriegs haben wir aufgrund der überbordenden Menge an wichtigen Informationen begonnen, auch externe Leseempfehlungen zu sammeln.
Neu enstanden ist die Reihe Bilder vom Krieg, die wir seit Mai veröffentlichen, jeweils begleitet von Texten der Fotografinnen und Fotografen. Unmittelbar nach dem 24. Februar begannen wir bis April mit einem Fototagebuch aus Kyjiw, das zu diesem Zeitpunkt half, die unfassbare Situation wahrzunehmen. Es war damals ähnlich grau wie jetzt.

Mittlerweile ist aus den übersetzten Medientexten ein Buch zu diesem Jahr entstanden – die Flugschrift Das ist ein Ozean aus Wahnsinn – kritische Stimmen zum Krieg aus Russland und Belarus, die dieser Tage bei der edition FOTOtapeta erscheint und jetzt beim Verlag zu bestellen ist. Auf WDR 3 haben wir das Buch bereits vorgestellt, live machen wir das am 2. März in Berlin in der Kurt-Tucholsky-Buchhandlung. Wir freuen uns, wenn ihr kommt.

Vielen Dank an alle, die dekoder in diesem Jahr unterstützt haben und damit geholfen haben, nicht in Sprachlosigkeit zu fallen. Wir hoffen, dass wir durch unsere Arbeit einen Teil leisten konnten auf dem Weg.

Eure dekoderщiki 


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