Alla Pugatschowa positioniert sich gegen den Krieg – Reaktionen

Mit nur einem Post auf Instagram löste sie ein kleines Erdbeben aus: Alla Pugatschowa, die Grande Dame der sowjetisch-russischen Popmusik, verurteilt darin erstmals öffentlich den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und bittet das Justizministerium, sie in die Liste der sogenannten „ausländischen Agenten“ aufzunehmen – aus Solidarität mit ihrem Ehemann, dem berühmten Comedian Maxim Galkin, der seit Freitag in dem Register geführt wird. Galkin hatte sich schon früher gegen den Krieg geäußert und daraufhin seine Sendung im staatlichen Ersten Kanal verloren. Nun beschuldigt ihn das Justizministerium, angeblich von der Ukraine finanziert zu werden.

„Er ist ein ehrlicher, ordentlicher und aufrichtiger Mensch, ein wahrer und unbestechlicher Patriot Russlands, der seiner Heimat ein Aufblühen und ein friedliches Leben wünscht, Meinungsfreiheit und ein Ende des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele, die unser Land zu einem Geächteten machen und das Leben der Bürger erschweren“, schreibt Pugatschowa über ihren Mann. Der Post wurde hunderttausendfach gelikt und geteilt.

In russischen Staatsmedien wurde meist nur der vordere Teil zitiert – und die Distanzierung vom Krieg ignoriert. In den Sozialen Medien und unter den Kommentatoren unabhängiger Medien erhielt Pugatschowa dagegen viel Beifall mit ihrer öffentlichen Positionierung. dekoder zeigt ausgewählte Reaktionen.

Foto © Alexander Miridonow/Kommersant

Kirill Martynow: „Der Selensky für das patriarchale Russland“

Pugatschowa wird in breiten Teilen der Gesellschaft geschätzt – für Kirill Martynow, Chefredakteur der Novaya Gazeta Europe, wäre sie daher eine geeignete Kandidatin für die nächste Präsidentschaftswahl:

[bilingbox]Die Präsidentschaftskampagne „Pugatschowa 2024” mit dem Symbol der roten Rose und dem Slogan „Eine Million rote Rosen für den Frieden” ist so einfach, dass Sie sich nichts anderes mehr ausdenken müssen. Alla Borissowna, Sie sind der Selensky für das patriarchale Russland.~~~Президентская кампания Пугачевой-2024 с символикой алой розы и слоганом „миллион алых роз за мир“ это так просто, что даже придумывать ничего не нужно. Алла Борисовна, вы Зеленский патриархальной России.[/bilingbox]

erschienen am 18.09.2022, Original

 
Eine Million Rosen von Alla Pugatschowa (1982)

The New Times: Putin ist eine unbedeutende politische Figur aus der Ära von Alla Pugatschowa

Alla Pugatschowa ist unbezweifelt eine Autorität von epochaler Bedeutsamkeit. Dazu gibt es sogar einen Witz aus Sowjetzeiten, an den Andrej Kolesnikow in seiner Kolumne für The New Times erinnert:

[bilingbox]Einer der bekanntesten Witze aus der Zeit der Stagnation: „Frage: Wer ist Leonid Iljitsch Breshnew?“ Antwort: „Eine unbedeutende politische Figur aus der Ära von Alla Borissowna Pugatschowa.“ Alla Borissowna hat als Frau der Epoche sowohl Breshnew als auch Andropow, als auch Tschernenko überlebt. […] Und nun gibt es einen Neuzugang in der Truppe der unbedeutenden politischen Figuren aus der Ära von Alla Borissowna Pugatschowa – diesen hohen Status hat sich Wladimir Wladimirowitsch Putin verdient.~~~Один из самых известных анекдотов времен застоя: «Вопрос: Кто такой Леонид Ильич Брежнев. Ответ: Мелкий политический деятель эпохи Аллы Борисовны Пугачевой». Алла Борисовна в статусе женщины-эпохи пережила и Брежнева, и Андропова, и Черненко, […] И вот отряду мелких политических деятелей эпохи А.Б. Пугачевой прибыло — этого высокого статуса удостоился Путин В.В.[/bilingbox]

erschienen am 19.09.2022, Original

Sergej Medwedew: Warum kann sie nicht die Ukraine nennen?

Bei aller Zustimmung ist der Politologe Sergej Medwedew über den Wortlaut gestolpert – und glaubt, dass sich Pugatschowa hätte noch mehr erlauben können:

[bilingbox]Wie alle freue ich mich über die Geste der Primadonna, doch wundere ich mich über ihre Motivation. Besteht das Problem etwa im „Tod unserer Jungs” und in der „Erschwerung des Lebens der russischen Bürger”? Sie kann sich ja alles Mögliche erlauben, auch den Gebrauch der Wörter „Krieg” und „Ukraine”. Tja, wahrscheinlich reicht das für das Publikum. Politisch ist das eine wichtige Äußerung, staatsbürgerlich eine wahrhafte Tat, und menschlich bin ich nicht ihr Richter und Redakteur, es stieß mir bloß auf. ~~~Я, как и все, рад жесту примадонны, но ее мотивация меня удивляет. Разве проблема в „гибели наших ребят“ и в „утяжелении жизни российских граждан“? Уж она-то может позволить себе, что угодно, включая слова „война“ и „Украина“. Впрочем, наверное, для аудитории хватит и этого. Политически это важное высказывание, граждански это поступок, а человечески я ей не судья и не редактор, просто резануло слух.[/bilingbox]

erschienen am 18.09.2022, Original

 
Alla Pugatschowa mit ihrem Song Primadonna im Finale des Eurovision-Songcontest 1997

Ekaterina Schulmann: Wer nicht alles für die Ukraine arbeitet …

Die nach Deutschland emigrierte Politologin Ekaterina Schulmann witzelt auf Telegram über den Vorwurf des Justizministeriums, dass Pugatschowas Mann Galkin und andere „ausländische Agenten“ angeblich von der Ukraine finanziert werden:

[bilingbox]Wo hat die Ukraine denn das Geld her, um all diese Einzelpersonen zu finanzieren, die zu ausländischen Agenten erklärt wurden? Das ist ja kein Land, das ist ein Eldorado. Gordejewa arbeitet für sie, Galkin, Morgenshtern, Chodorkowski, Tschitschwarkin, Makarewitsch, Simin und sogar Belonika – die alle werden von der Ukraine bezahlt. Und das auch noch in Kriegszeiten, wo es ja noch so viele andere Ausgaben gibt. Wäre jetzt Frieden, dann könnte die Ukraine da wohl den ganzen Kreml aufkaufen.~~~Слушайте, а откуда у Украины денег столько на финансирование всех этих физлиц-иностранных агентов? Не страна, а какое-то Эльдорадо. И Гордеева на них работает, и Галкин, и Моргенштерн, и Ходорковского с Чичваркиным, и Макаревича, и Зимина и целую Белонику – всех Украина содержит. И это в военное-то время, когда других расходов полно. В мирное, наверное, вообще Кремль целиком скупит. [/bilingbox]

erschienen am 16.09.2022, Original

Alexander Baunow: „Heimat sind nicht die Mitglieder des Politbüros“

„Heimat ist nicht der Arsch des Präsidenten, den man ständig bespeicheln und küssen muss“, rief Rocklegende Juri Schewtschuk bei einem Konzert im Mai. Alexander Baunow, ehemals Chefredakteur von Carnegie.ru, beschreibt auf seiner Facebook-Seite, was für ihn Heimat bedeutet:

[bilingbox]In den 1980er Jahren stellte ich mir nicht die Frage, was Heimat war: Pugatschowa, Grebenschtschikow, Makarewitsch, Zoi oder die Mitglieder des Politbüros? Warum sollte es jetzt eine Frage sein? Verwundert sehe ich, wie bei einigen, darunter ganz jungen Menschen, diese Frage aufkommt. Quält euch nicht, die Antwort ist längst da, obwohl man sie natürlich noch einmal geben kann, wenn man sich nicht das Vergnügen nehmen lassen will, die Frage selbst zu beantworten. Die Heimat sind nicht die Mitglieder des Politbüros.~~~В 80-е у меня же не было вопроса родина – это Пугачева, Гребенщиков, Макаревич, Цой, или это члены политбюро? А сейчас почему он должен быть? С удивлением вижу, как у некоторых, в том числе младше годом рождения, этот вопрос возникает. Не надо мучиться, ответ давно дан, хотя можно дать его еще раз, не отказывая себе в удовольствии отвечать на этот вопрос самостоятельно. Родина это не члены политбюро.[/bilingbox]

erschienen am 18.09.2022, Original

 
Alla Pugatschowa und Udo Lindenberg singen gemeinsam Wozu sind Kriege da? (1987)

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Viktor Zoi

Musik der Perestroika


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