„Alle sind entweder im Gefängnis oder außer Landes gebracht“

Das Lukaschenko-Regime geht weiter hart gegen den Koordinationsrat der Opposition in Belarus vor. Nach der gestrigen Verschleppung von Maria Kolesnikowa wurde nun der Jurist Maxim Snak von unbekannten Männern in Zivil in Minsk abgeführt. Inzwischen befindet sich Kolesnikowa in einem Minsker Untersuchungsgefängnis, wie ihr Vater gegenüber tut.by berichtete.

Von den sieben Präsidiumsmitgliedern des Koordinationsrates ist nur noch die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch auf freiem Fuß und in Belarus, alle anderen wurden festgenommen oder zur Ausreise gedrängt. Doch in den Sozialen Medien wird berichtet, dass auch Alexijewitsch anonyme Anrufe erhält und Unbekannte vor ihrer Tür stehen. Auf der Seite des belarussischen PEN-Zentrums hat Alexijewitsch eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich auch an die russische Intelligenzija wendet. dekoder bringt die ebenfalls auf tut.by abgedruckte Stellungnahme im Wortlaut in deutscher Übersetzung.

Von meinen Freunden und Gesinnungsgenossinnen und -genossen im Präsidium des Koordinationsrates ist keiner mehr da. Alle sind entweder im Gefängnis oder wurden rausgeschmissen und unfreiwillig außer Landes gebracht. Heute war der letzte dran: Maxim Snak.

Wir haben keinen Umsturz geplant. Wir wollten keine Spaltung in unserem Land. 

Erst wurde unser Land erbeutet, dann die besten von uns gekidnappt. Doch an die Stelle der aus unserer Mitte Gerissenen treten Hunderte andere. Nicht der Koordinationsrat revoltiert. Das ganze Land revoltiert. 

Ich möchte wiederholen, was ich immer sage: Wir haben keinen Umsturz geplant. Wir wollten keine Spaltung in unserem Land zulassen. Wir wollten, dass in der Gesellschaft ein Dialog beginnt. Lukaschenko sagt, dass er nicht mit der Straße redet. Aber die Straße, das sind hunderttausende Menschen, die jeden Sonntag und jeden Tag auf die Straße gehen. Das ist nicht die Straße. Das ist das Volk. Die Menschen gehen mit ihren kleinen Kindern auf die Straße, weil sie glauben, dass sie gewinnen.

Warum schweigt ihr, wenn ein kleines, stolzes Volk zertrampelt wird? Wir sind doch immer noch eure Brüder und Schwestern.

Wenden möchte ich mich auch an die russische Intelligenzija – nennen wir sie doch aus alter Gewohnheit einfach so. Warum schweigt ihr? Nur einzelne Stimmen von Unterstützern hören wir. Warum schweigt ihr, wenn ihr seht, wie ein kleines, stolzes Volk zertrampelt wird? Wir sind doch immer noch eure Brüder und Schwestern.
Und meinem Volk möchte ich sagen, dass ich es liebe. Dass ich stolz bin.

Da, es klingelt schon wieder jemand an der Tür, den ich nicht kenne …
 

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