Zitat #7: „Es gibt einen Menschen, der keine Angst vor dem Atomkrieg hat”

Im Programm Osoboje Mnenije (dt. Besondere Meinung) auf Echo Moskwy war zum Ende des Jahres 2018 der Schriftsteller Viktor Jerofejew zu Gast. Dabei sprach er auch über das „größte Ereignis des Jahres 2018”.
Kurz vorher hatte Wladimir Putin eine neue Hyperschallwaffe vorgestellt: Keine Raketenabwehr könne diese abfangen, sagte er beim Test der Waffe. Bereits im Oktober 2018 hatte US-Präsident Trump angekündigt, den Abrüstungsvertrag INF zu kündigen.
Kommt es zu einem neuen Wettrüsten?

Viktor Jerofejew: Mir kam der Gedanke, dass wir uns an 2018 als das Jahr erinnern werden, in dem bei uns der Mensch entstanden ist, der keine Angst vor dem Atomkrieg hat. Alle haben Angst davor – ich habe Angst, Sie haben Angst, aber es gibt einen Menschen, der keine Angst hat. Er ist sehr einflussreich und heißt Putin.

Dies ist wohl das größte Ereignis des Jahres 2018 – wir haben ihn gefunden – den Menschen, der ganz real keine Angst hat vor dem Krieg.

[…]

Oxana Paschina: Überhaupt ist das eine ganz furchtbare Geschichte, wenn man bedenkt, dass Putin den Start der Hyperschallwaffe Avangard als wunderbares Neujahrsgeschenk bezeichnet.

Weihnachtsbaumschmuck, ein echter Knaller.

Hm, genau, ein super Geschenk.

Sehen Sie, da ist nun ein Mensch auf der Welt erschienen, der keine Angst vorm Krieg hat. Vielleicht. Und keinen Krieg will – vielleicht. Der aber keine Angst vor dem Krieg hat. Kommt er? Macht nichts, wenn er kommt.

[…]

Aber man hat den Eindruck, Putin und Trump würden ein Doppel spielen. Die USA wollen zum Jahr 2021 aus dem START-Abkommen aussteigen, aus dem ABM-Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen sind sie längst ausgetreten – so beobachten wir in diesem Bereich ein internationales Rechts-Vakuum.

Nein, das ist kein Vakuum.

Oder ein neues Wettrüsten, das sowohl wir als auch die Vereinigten Staaten brauchen?

Sie spielen im Doppel, haben aber unterschiedliche Rollen. Also ist es wie bei Mann und Frau im Paartanz – sie haben unterschiedliche Rollen in ein und demselben Tanz.

Wer ist denn in diesem Tanz der Mann und wer die Frau?

Ich glaub, wir haben es hier mit zwei Männern zu tun.

Also ist es wichtig zu begreifen, wer führt.

Darum wird natürlich gekämpft. Aber ich glaube, dass Trump führt, denn er ist groß, hinter ihm steht Amerika. Aber unser Mann gibt vor, er würde führen. Obwohl im Großen und Ganzen selbstverständlich Amerika führt – da gibts nichts zu deuteln.

Hat Europa Angst vor uns? Wir sind ihm unangenehm. Merkt es, dass es sich mit uns aber eben abgeben muss, so wie Robinson Crusoe mit Freitag?

Ich glaube, dass Europa immer Angst hatte vor Russland. Seit den Zeiten Iwan des Schrecklichen auf jeden Fall. Und wir sind ihm unangenehm, ja. Wir passen einfach ästhetisch nicht. Darüber hat Astolphe de Custine viel geschrieben. Er hat es sehr treffend gesagt: „Das Unglück Russlands ist nicht, dass es den Westen nachmacht, sondern, dass es ihn schlecht nachmacht.”


 

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