Debattenschau № 70: Eskalation im Asowschen Meer

Schon seit Monaten spitzt sich die Situation im Asowschen Meer zu. Am Sonntag ist sie nun eskaliert: Russische Grenzschutzboote haben im Schwarzen Meer vor der Halbinsel Krim drei ukrainische Marineschiffe beschossen. Dabei gab es auch Verletzte.
Russland erklärte, die Schiffe seien illegal in russische Hoheitsgewässer eingedrungen und hätten auch auf Aufrufe, anzuhalten, nicht reagiert. Die Ukraine wolle „Konfliktsituationen“ provozieren.
Die Ukraine dagegen spricht von einer militärischen Aggression seitens Russlands. Außerdem warf Kiew Moskau vor, gegen das UN-Seerechtsübereinkommen sowie den Vertrag zur Nutzung des Asowschen Meeres zu verstoßen. Am heutigen Montag will das ukrainische Parlament darüber beraten, das Kriegsrecht auszurufen.

Die NATO wie auch die EU-Kommission riefen beide Seiten zu Zurückhaltung und Deeskalation auf. Der UN-Sicherheitsrat befasst sich am Montagnachmittag (MEZ) in einer Dringlichkeitssitzung mit der Eskalation.

Wer hat die Eskalation gestartet? Und warum? Darum dreht sich die Debatte in russischen und ukrainischen Medien. dekoder bringt Ausschnitte daraus.

Ukraina.ru: Starker Zug eines schwachen Königs

Ukraina.ru gehört zur staatlichen russischen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja. In einem „Exklusiv-Beitrag“ argumentiert das Medium so, wie auch zahlreiche staatsnahe Medien in Russland. Der Tenor: Die Ukraine breche einfach einen kleinen siegreichen Krieg vom Zaun:

[bilingbox]Aus innenpolitischer Sicht steht jetzt das Schicksal der Präsidentschaftswahl 2019 auf dem Spiel. Und das kann das wichtigste persönliche Motiv des ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko in dieser Geschichte sein.
Poroschenkos Beliebtheitswerte wachsen nicht, trotz seiner beharrlichen PR der Autokephalie und der Integration in die EU und NATO. In Sachen Autokephalie rührt sich nichts von der Stelle, vielleicht wird sich das noch Jahrzehnte hinziehen, sinniert die Kirche doch über Jahrhunderte, anders als Politiker, die von Wahl zu Wahl und in Legislaturperioden denken. 

Umfragen zeigen derweil, dass der jetzige Präsident Gefahr läuft, wirklich jedem Gegner bei der Stichwahl zu unterliegen. […] Julia Timoschenko bleibt Favoritin im noch nicht gestarteten Wahlkampf, sie ist für Poroschenko ein unbezwingbarer politischer Mount Everest. Man kann sie nicht von der Wahl ausschließen. Sich mit ihr einigen kann man auch nicht. Wenn sie Präsidentin wird, wird sie unweigerlich damit anfangen, Strafprozesse gegen das Regime Poroschenko zu forcieren. Sie wird sie alle zu Bettlern machen – sowohl Poroschenko als auch seine Helfershelfer, die skrupellos das Land ausrauben.
In dieser Situation muss ein schwacher König wie beim Schach einen starken Zug machen. Mit der Provokation eines militärischen Konflikts kann Poroschenko den Kriegszustand ausrufen und die Wahl aussetzen.~~~С точки зрения политики внутренней на кону — судьба президентских выборов 2019 года. И это может быть самый главный личный мотив президента Украины Петра Порошенко в этой истории.

Рейтинги Порошенко не растут, не смотря на упорную раскрутку тем автокефалии и интеграции в ЕС и НАТО. С автокефалией все замерло и, Возможно, это вообще затянется на десятилетия — церковь ведь мыслит тысячелетиями, в отличии от политиков, живущих избирательными циклами — от выборов до выборов.

А социологические данные показывают, что действующий президент рискует проиграть во втором туре буквально любому оппоненту Юлии Тимошенко, остается фаворитом еще не начавшейся избирательной кампании и непреодолимым политическим Эверестом для Порошенко. Убрать ее из выборов никак не получается. А договориться невозможно. Став президентом, Тимошенко неизбежно начнет ряд уголовных процессов над бывшим режимом Порошенко и разорит всех — и Порошенко и его клевретов, безбожно грабящих страну.
В этой ситуации, как в шахматах, слабый король должен сделать сильный ход. Спровоцировав военный конфликт, Порошенко может объявить в стране военное положение и отменить выборы.[/bilingbox]

erschienen am 25.11.2018

eurointegration: Diplomatische Beziehungen abbrechen!

Die Redaktion des ukrainischen Online-Mediums Ewropeiskaja Prawda entschließt sich zu einem Editorial. Zu diesem Schritt greift das reichweitenstarke Medium nur dann, wenn die Ukraine „vor einer wichtigen außenpolitischen Entscheidung steht“:

[bilingbox]Dieses Mal geht es nicht um grüne Männchen, „Sie sind dort nicht“, die Bevölkerung von Luhansk und Donezk oder über andere legendenhafte Teilnehmer am Krieg mit der Ukraine. Dieses Mal gibt die Russische Föderation, anders als bei allen vorherigen Angriffen, von Anfang an zu: Sie hat die Ukraine auf dem Meer angegriffen.

Die Russen selbst haben ein Video ins Netz gestellt, wie der ukrainische Schlepper Jany Kapu vom russischen Schiff Don gerammt wird. Am Abend wurde dann von russischer Seite bestätigt, dass ihre Militärs Schiffe der ukrainischen Marinestreitkräfte beschossen hätten, ukrainische Soldaten seien verletzt und unsere Schiffe erobert worden.

Jetzt reden Präsident und Staatsbeamte vom Krieg und sogar von einer möglichen Einführung des Kriegsrechts. Kiew fordert von der EU offiziell neue Sanktionen. Aber haben wir Anlass für solche Forderungen, wenn wir noch nicht einmal die diplomatischen Beziehungen zu dem Aggressor abgebrochen haben? Wo das doch normalerweise zu den ersten Schritten eines Staates gehört, der mit einer Aggression konfrontiert ist.

Und nicht einmal jetzt, wo Russland den Angriff zugegeben hat, hören wir vom Präsidenten von solchen Absichten.

Die aktuelle Verschärfung des Konflikts gibt der Gesellschaft einen Grund, solche Maßnahmen zu fordern.

Die diplomatischen Beziehungen zu Russland sollten abgebrochen werden. Ohne das verlieren unsere Erklärungen bezüglich einer russischen Aggression einen Teil ihres Gewichts.~~~На этот раз речь не идет о „зеленых человечках“, „ихтамнет“, „народах Луганска и Донецка“ или о других мифических участниках войны с Украиной. Теперь, в отличие от всех предыдущих нападений, РФ с самого начала признает: именно она атаковала Украину на море.

Россияне сами слили в сеть видео тарана украинского буксира „Яны Капу“ российским катером „Дон“. А вечером – подтвердили, что это их военные обстреляли корабли ВМС Украины, ранили украинских военных и захватили наши корабли.

Сейчас президент и чиновники говорят именно о войне и даже о возможном введении военного положения. Киев официально требует от ЕС новых санкций. Но есть ли у нас основания для таких требований, если мы сами даже не разорвали дипломатические отношения с агрессором? Хотя это обычно становится первым шагом государства, столкнувшегося с агрессией.

И даже сейчас, когда Россия признает свое нападение, мы не слышим от президента заявлений о таком намерении.

Нынешнее обострение конфликта дает обществу основания требовать таких действий.

Дипломатические отношения с РФ должны быть разорваны. Без этого наши заявления о российской агрессии теряют часть своего веса.[/bilingbox]

erschienen am 26.11.2018

Echo Moskwy: Provokation des ukrainischen Militärs

Konstantin Kossatschow ist Vorsitzender des russischen Komitees für auswärtige Angelegenheiten. In seinem Blog auf Echo Moskwy macht er einen Provokateur aus:

[bilingbox]In der Meerenge von Kertsch entwickelt sich direkt vor unseren Augen rasant eine Provokation des ukrainischen Militärs. Es besteht kein Zweifel – das alles wurde mit einem einzigen Ziel angezettelt: Russland zu zwingen, diese Provokation abzubrechen und dann die russische Reaktion als Aggression zu bezeichnen. […]
Die ukrainischen Präsidentschafts- und dann die Parlamentswahlen können nicht ganz Europa in Geiselhaft nehmen. Früher oder später wird die Kiewer Hysterie sich totlaufen und die Provokateure werden in die ruhmlose Geschichte eingehen.~~~На наших глазах стремительно развивается провокация украинских военных в Керченском проливе. Нет сомнения, что она затеяна с единственной целью — вынудить Россию пресечь эту провокацию и затем выдать российскую реакцию за агрессию. […]
Украинские президентские, а затем и парламентские выборы не могут держать в заложниках всю Европу. Рано или поздно киевская истерия сойдёт на нет, а провокаторы — будут списаны в бесславную историю.[/bilingbox]

erschienen am 25.11.2018

Echo Moskwy: Pawlowski

Gleb Pawlowski gehört für manchen Beobachter zu den Erfindern der Polittechnologie in Russland. Obwohl er schon vor einigen Jahren beim Kreml in Ungnade gefallen sein soll, gilt seine Stimme immer noch als gewichtig. Auf Echo Moskwy erklärt er, warum der Vorfall für Russland aus der Sicht des Seerechts schwerwiegend sein könnte:

[bilingbox]In solchen Konflikten ist es ohne Detailwissen schwer zu sagen, wer nun genau als erster provoziert hat, denn auf der See zählen feine Nuancen. Laut Seerecht aber liegt die Verantwortung in erster Linie bei Russland. Man muss ganz klar verstehen, dass heutzutage die Priorität auf dem Recht der Durchfahrt liegt. Eine Verletzung des internationalen Seerechts trifft Russland als riesigen internationalen Frachtführer. Und das könnte in Zukunft für einen Haufen unserer Schiffe Konflikte bedeuten. […] Deswegen muss Russland gut nachdenken, wer als erster nachgibt, denn die ukrainischen Kriegsschiffe stellen keinerlei Problem für die Sicherheit Russlands dar.~~~В таких конфликтах трудно понять без знания деталей, кто именно и кого первый провоцирует, потому что в морских делах важны нюансы. Но отвечать с точки зрения морского права в первую очередь будет Россия. Это надо очень ясно понимать, что приоритетом сегодня является максимальная свобода коммуникаций. Нарушение международного морского права ударит по России как крупному международному морскому грузоперевозчику. И это может создать конфликты для массы наших судов в будущем […] Поэтому России надо очень хорошо подумать, кто должен первым уступить, так как украинские военные катера не представляют никакой проблемы для безопасности России.[/bilingbox]

erschienen am 25.11.2018

Novoe Vremya: Malorossija noch nicht vergessen

Der Diplomat Roman Bessmertny ist ehemaliger Vertreter der Ukraine in der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk und ehemaliger ukrainischer Botschafter in Belarus. Im populären ukrainischen Onlinemedium Novoe Vremya schreibt er:

[bilingbox]Es ist ganz offensichtlich, dass Russland seine Pläne bezüglich Malorossija nicht vergessen hat, das ist immer noch aktuell. Der Kreml wird sich ihrer bewusst werden, besonders in konfrontativen Wahlkampfzeiten in der Ukraine. Wir müssen unser Land und unser Meer verteidigen, alle entsprechenden Handlungen sind in den Gesetzen und der Verfassung festgeschrieben.~~~Очевидно, что Россия не забыла о своих планах в отношении «Малороссии», оно их до сих пор волнует. Кремль будет реализовывать их, особенно в период предвыборного противостояния в Украине. Мы должны защищать свою землю и свое море, а все соответствующие действия записаны в законах и Конституции.[/bilingbox]

erschienen am 26.11.2018

Facebook/Alexander Morosow: Keine Deeskalation, nichts!

Am Freitag beginnt der G20-Gipfel in Argentinien. Viele Hoffnungen waren bis zuletzt damit verbunden. Mit der Konfrontation im Asowschen Meer sind sie zerschlagen, meint der russische Journalist Alexander Morosow auf Facebook.

[bilingbox]Keinerlei Deeskalation, nichts! Weder ein Treffen mit Trump noch ein G20-Treffen in Argentinien in vier Tagen noch die Erwartung einzelner europäischer Staaten, dass Putin einen vernünftigen Schritt tun wird, um die angespannte Lage zu entschärfen – all das hat jetzt keinerlei Bedeutung mehr.
Statt dem erwarteten Gefangenenaustausch gibt es sechs verletzte ukrainische Matrosen.
Statt einer Deeskalation hat der Kreml ukrainische Kriegsschiffe gerammt und beschossen. Wozu? 
Recht haben diejenigen, die meinen, dass die Kremlleute sich mental im Kriegszustand befinden. Sie meinen, dass längst Krieg herrscht, die erste Phase, das heißt, ihr Verstand ist bereits mitten im Krieg. Und da gilt eine andere Logik als bei denen, die denken, es liefen noch Verhandlungen und Gefeilsche im Rahmen einer auf gegenseitigen Vorteil bedachten wirtschaftszentrierten Politik in einer globalen Welt.~~~Никакой деэскалации, никакой! И ни встреча с Трампом, ни G20 в Аргентине через четыре дня, ни ожидания отдельных европейских правительств, что Путин сделает какой-то разумный шаг к понижению напряженности – все это и подобное никакого значения не имеет. 
Вместо ожидаемого обмена пленными – шесть раненых украинских моряков.
Вместо деэскалации – Кремль протаранил и обстрелял украинские военные корабли. 
Зачем? Думаю, что правы те, кто считает, что ментально кремлевцы находятся в состоянии войны. Они считают, что война уже идет, это ее первый этап, т.е. их ум уже внутри войны. И там внутри уже другая логика, чем у тех, кто считает, что живет еще в условиях переговоров, торга, экономоцентричной политики и глобального взаимовыгодного мира.[/bilingbox]

erschienen am 26.11.2018

dekoder-Redaktion

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