Große Teile des Erdölunternehmens YUKOS waren zu Anfang der 2000er Jahre im Besitz einiger im Ausland registrierter Firmen, an denen Michail Chodorkowski die Mehrheit hielt. Wenngleich solche Steuertricks oft formal legal und unter russischen Großunternehmern üblich waren, ging der russische Staat ab 2003 gegen den Konzern vor – nach Meinung vieler Experten aus politischen Motiven. Die ehemaligen Eigentümer erwirkten 2014 zunächst ein Urteil, das Russland zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet. Das Den Haager Bezirksgericht gab jedoch 2016 einer Revisionsklage Russlands statt, das Urteil wurde aufgehoben.
Die Offenlegung der Informationen zur Eigentumsstruktur 2002 war eine Bedingung für den Gang an die US-Börse. Sie sollte zudem als Beispiel für Transparenz und gute Unternehmensführung dienen. Es stellte sich heraus, dass die YUKOS-Aktien in einem komplexen System von im Ausland ansässigen Firmen und Tochterfirmen aufgeteilt waren, die über die in Gibraltar ansässige Group MENATEP Limited (GML) kontrolliert wurden.
Zum einen gab es die Yukos Universal Limited mit Sitz auf der Isle of Man als 100%-ige Tochtergesellschaft von GML. Sie besaß 3,54 % der YUKOS-Aktien und war gleichzeitig die Muttergesellschaft einer Hulley Enterprises Limited, die ihren Sitz in Zypern hatte und der ihrerseits 57,47 % der Aktien an YUKOS gehörten. Der von Yukos Universal Limited gegründete Veteran Petroleum Trust, der für soziale Zwecke und als Pensionsfonds für ehemalige YUKOS-Mitarbeiter gegründet worden war, hielt weitere 10 %. Auf diese Weise befanden sich insgesamt etwa 70 % der YUKOS-Aktien im Besitz von GML.
Was die Eigentümersituation von GML anbetrifft, so befanden sich formal nur 9,5 % bei Chodorkowski (und je zwischen 7 % und 8 % bei den anderen persönlichen Gesellschaftern). Weitere 50 % gehörten einem Sonderfonds. Der einzige Begünstigte dieses Fonds war wiederum Michail Chodorkowski, der somit insgesamt 59,5 % der Stimmen bei GML hielt und dadurch einen entscheidenden Einfluss auf den Konzern ausüben konnte (siehe Tab. 1).
Im Russland der 1990er Jahre waren solche Arrangements bei Großkonzernen durchaus üblich. Diese und andere Methoden, die Energiekonzerne nutzten, um Steuern zu sparen, wurden von Vertretern der russischen Regierung zu Beginn der 2000er Jahre als legal eingestuft.1 Dass gerade YUKOS unter juristischen Druck geriet, schreiben viele Experten daher den politischen Aktivitäten des YUKOS-Vorsitzenden Michail Chodorkowski zu, der ab dem Jahr 2000 oppositionelle Gruppen finanzierte und andeutete, selbst in die Politik zu gehen. Im Rahmen der YUKOS-Affäre wurden Chodorkowski und auch der Co-Vorsitzende Platon Lebedew 2003 verhaftet und 2005 verurteilt, der Konzern wurde zerschlagen und verstaatlicht.
Die ehemaligen Aktionäre des Konzerns, von denen einige vor der strafrechtlichen Verfolgung ins Ausland geflohen waren, strengten eine Reihe von Klagen gegen den russischen Staat an, um für die Zerschlagung entschädigt zu werden. Im Juli 2014 bekamen sie vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag Recht. Das Urteil verpflichtete Russland zunächst auf eine Schadenersatzzahlung an die ehemaligen YUKOS-Aktionäre in Höhe von 51,6 Milliarden US-Dollar. Nach dem Urteil versuchten die ehemaligen Aktionäre, von Russland Zugeständnisse zu erwirken. Leonid Newslin schlug zum Beispiel 2014 vor, im Austausch für die Beendigung der strafrechtlichen Verfolgung ehemaliger YUKOS-Mitarbeiter die Höhe der Entschädigung zu reduzieren. 2015 boten Yukos Universal und Hulley an, den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in einem weiteren Urteil zugesprochenen Schadenerzatz in Höhe 1,9 Milliarden Euro von dem 50-Milliarden-Urteil des Schiedsgerichtshofs in Den Haag abzuziehen.2 Russland akzeptiert die Urteile jedoch nicht und versuchte seit 2015, in einem neuen Prozess am Den Haager Bezirksgericht das Urteil aufzuheben. Das Gericht erklärte im April 2016 das Urteil von 2014 und damit die Schadenersatzforderung von 50 Milliarden US-Dollar für ungültig.