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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

Appell: Ohne Pressefreiheit keine Freiheit in Osteuropa

dekoder liefert Einblicke in innerrussische und -belarussische Diskurse und Wissen zu Russland, Belarus, verstärkt auch zur Ukraine. Das tun wir mit Hilfe der Arbeit von russischen, belarussischen und ukrainischen Medien und Journalisten, die wir übersetzen und kontextualisieren. Die Lage vieler osteuropäischer Medien war immer prekär, aber nun ist sie dramatisch. Ein Aus auf breiter Linie würde nicht nur den Informations- und Diskursraum dieser Länder betreffen. Zusammen mit den Kollegen der niederländischen Plattform RAAM richten wir uns deswegen mit einem Appell an die Öffentlichkeit. 

English version 

Unabhängige belarussische und russische Medien, die gezwungen sind, aus dem Exil heraus zu arbeiten, und ukrainische Medien, die einen wesentlichen Beitrag zum Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg und zur Wahrung demokratischer Freiheiten leisten, kämpfen derzeit um ihr Überleben. Viele stehen vor dem Aus.   

Diese Medien sind grundsätzlich auf Unterstützung angewiesen. Im Exil, unter autokratischen Rahmenbedingungen oder während eines Krieges gibt es kaum Möglichkeiten, Medien auf kommerzieller Basis zu betreiben. Als unabhängige Informationsquellen sind diese Medien aber wichtiger denn je.   

Die Politik der neuen US-Regierung schränkt die Arbeit dieser Medien zusätzlich ein. Die Entscheidung von Präsident Trump, die US Agency for Global Media und USAID zu liquidieren, bedroht nicht nur die Existenz von Radio Free Europe/Radio Liberty und deren Publikationen und Programme, sondern schwächt auch Dutzende anderer, einflussreicher unabhängiger Medien, die unter anderem von US-Organisationen unterstützt wurden.  

Diese Medienprojekte und ihre mutigen Journalisten sind treibende Kräfte im Kampf gegen Autoritarismus und für demokratische Freiheiten – nicht nur in ihren Ländern und Regionen, sondern auch bei uns in der EU. Ohne die Berichterstattung, Analysen und Recherchen unabhängiger journalistischer Netzwerke in Russland, Belarus oder der Ukraine könnten wir kaum verstehen, was in diesen Ländern vor sich geht. Wir hätten kaum wirksame Instrumente und Kenntnisse, um der russischen Staatspropaganda und Desinformation entgegenzutreten. 

Die Zerstörung unabhängiger Medien ist auch generell eine ernsthafte Bedrohung für den Journalismus in diesen Ländern. In Russland und Belarus, wo journalistische Berichterstattung derzeit praktisch verboten ist, sind die Exilmedien oft die einzige Möglichkeit, an journalistisch aufbereitete Informationen zu gelangen. Die Folgen der lawinenartigen US-Politik sind daher umfassend und folglich auch dramatisch.  

Die einzigen, die von dem drohenden Aussterben vieler unabhängiger Medien profitieren werden, sind die staatlichen Organe, die ihre Propaganda sowohl im eigenen Land als auch weit darüber hinaus in immer weniger gebremster Art und Weise verbreiten können. Die Versorgung der Gesellschaften in Ost und West mit verlässlichen Informationen wird dadurch nachhaltig geschädigt.  

Diese Zerstörung darf nicht als vollendete Tatsache hingenommen werden! 

Auf Initiative der Tschechischen Republik und sieben weiteren europäischen Ländern wird in Brüssel die Frage geprüft, ob die EU die Finanzierung von RFE/RL übernehmen kann. Das ist eine begrüßenswerte Initiative, die aber nicht zu Lasten anderer journalistischer Einrichtungen gehen sollte, die ebenfalls von immenser Bedeutung für die sachliche und analytische Berichterstattung über und aus der Ukraine, Belarus, Russland und anderen Ländern Osteuropas sind. 

Deshalb appellieren wir – Journalisten und Redakteure internationaler Medien, die sich speziell auf die Ukraine, Belarus, Russland, den Kaukasus und andere Regionen in Osteuropa und Zentralasien konzentrieren – an die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und die einzelnen europäischen Staaten, Mittel zur Stärkung des Journalismus in und über diese Länder zu schaffen.  

Die Unterstützung für diese Form des Journalismus könnte in das Programm „ReArm Europe / Readiness 2030“ aufgenommen werden. Im Zeitalter der hybriden Kriegsführung geht es in der Verteidigungspolitik schließlich um mehr als nur um Waffen und Personal. Angesichts der demokratischen Ordnung, die die EU verteidigen will, ist eine zuverlässige und pluralistische Informationsversorgung auch ein strategisches Interesse Europas. Der Schutz und Erhalt der Diskurs- und Informationsräume für Belarus, Russland und die Ukraine ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Demokratie und zur Ermöglichung eines zukünftigen Friedens in Europa.  

Mit diesem Aufruf wollen wir zur öffentlichen Diskussion und zur Bildung eines Unterstützungsnetzwerkes für die unabhängigen Medien beitragen, die in den kommenden Jahren ums Überleben kämpfen werden. Wenn gewünscht, können wir dabei auch eine beratende und koordinierende Rolle spielen.  

Aber ohne externe Hilfe sind wir machtlos. Daher unser Appell an die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und die Führungen demokratischer europäischer Staaten: Bitte, helfen Sie den unabhängigen Medien und füllen Sie die durch die Entscheidungen der Trump-Administration entstandenen Lücken! 

 

Presseanfragen/ Kontakt 

Platform Raam                                       dekoder 

 

Wer wir sind  

Platform Raam ist ein niederländisches Non-Profit-Medienprojekt, das 2016 gegründet wurde. Raam ist eine journalistische Plattform, die öffentliche Veranstaltungen und Vorträge organisiert und eine Website betreibt, um Wissen und Analysen über Russland, die Ukraine, Belarus, Moldawien, den Kaukasus und Zentralasien bereitzustellen. Platform Raam ist Mitbegründer und Juniorpartner der Wissensallianz Russland und Osteuropa (Reka), einem Think-Tank unter der Schirmherrschaft des Instituts Clingendael.  

dekoder ist ein deutsches Medienprojekt, das 2015 gegründet wurde. dekoder bietet Medien, Expertise und Wissen vor allem zu Russland und Belarus, verstärkt auch zur Ukraine. Das gemeinnützige Projekt bringt russischen und belarussischen Journalismus mit wissenschaftlicher Expertise von europäischen Universitäten auf einer Plattform zusammen. dekoder wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem zweimal mit dem Grimme Online Award. Im Mai 2024 erklärte die russische Generalstaatsanwaltschaft dekoder als erstes deutsches Medium zur „unerwünschten Organisation“

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