Im Zuge der Repressionen und der Gewalt, mit der Alexander Lukaschenko seit den historischen Protesten von 2020 gegen Medien, Zivilgesellschaft, Aktivisten und Opposition vorgeht, hat die EU sechs Sanktionspakete gegen die belarussische Führung verabschiedet. Auch der russische Krieg gegen die Ukraine hat für die belarussische Wirtschaft enorme Auswirkungen, unter anderem, weil der für Belarus wichtige ukrainische Absatzmarkt weggebrochen ist oder weil Russland von massiven Sanktionen betroffen ist.
Kann die russische Führung dennoch die wirtschaftliche Unterstützung für Lukaschenko fortsetzen? Welche Auswirkungen haben die westlichen Sanktionen auf Belarus? Ist ein Kollaps der belarussischen Wirtschaft denkbar? Diese und andere Fragen beantworten Robert Kirchner und Justina Budginaite-Froehly vom German Economic Team (GET) in einem Bystro.
1. Wie ist es aktuell um die belarussische Wirtschaft bestellt?
Die belarussische Wirtschaft ist im letzten Jahr um 4,7 Prozent geschrumpft. Damit hat das Land den schwersten Einbruch seit den 1990er Jahren erlitten und wurde auf das Produktionsniveau von 2012 zurückgeworfen. Die Prognosen für 2023 reichen von einem weiteren – wenngleich geringeren – Rückgang bis zu einem leichten Wachstum. Alle Sektoren außer der Landwirtschaft entwickeln sich negativ. Sogar der Sektor für Informations- und Kommunikationstechnik, der traditionell als Wachstumstreiber der Wirtschaft galt, schrumpft derzeit massiv. Die Struktur des Außenhandels hat sich ebenfalls drastisch verändert. Die Exporte in die EU sind sanktionsbedingt massiv eingebrochen (minus 75 Prozent), während die Exporte in die GUS-Staaten (hauptsächlich Russland) deutlich zugenommen haben. Auf der Import-Seite ist ein genereller Rückgang zu beobachten, was zum begrenzten Angebot an Waren und sogar zur Verknappung einiger Produkte führt. Nach offiziellen Zahlen ist die Arbeitslosigkeit niedrig (4,5 Prozent im Jahr 2022) und geht wegen der nach Februar 2022 deutlich zugenommenen Emigration sogar zurück; allerdings sind diese Zahlen mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. Als Konsequenz der genannten Entwicklungen schrumpft der Lebensstandard der belarussischen Bevölkerung. Das verfügbare Einkommen sinkt aufgrund der weiterhin hohen Inflation. Die Reallöhne in einigen staatlichen Unternehmen sind zu Kriegsbeginn um rund 40 Prozent gesunken, haben sich aber später wieder stabilisiert. Auch der Konsum sinkt infolge der fallenden Einkommen.
2. Wie reagiert die belarussische Staatsführung auf die Krise?
Die belarussische Staatsführung versucht, die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren, weil davon die sozio-politische Stabilität des Landes stark abhängt. Hierbei werden aber meist administrative Maßnahmen gewählt, die häufig weitere Probleme nach sich ziehen. Im Oktober 2022 wurden umfassende Preiskontrollen eingeführt, mit dem Ziel, die hohe Inflation einzudämmen. Die Maßnahmen haben kurzfristig geholfen, das offizielle Inflationsziel von 6 Prozent wurde jedoch nicht erreicht und bleibt auch für 2023 unrealistisch. Während die Zentralbanken weltweit auf hohe Inflation mit Zinsanhebungen reagieren, wurde dies in Belarus nicht in Betracht gezogen – der Zinssatz liegt aktuell bei 11 Prozent und wurde unlängst sogar gesenkt. Zudem hat die Regierung finanzielle Unterstützung für große staatliche Banken und staatliche Industrieunternehmen bereitgestellt. Mit Kapitalverkehrskontrollen wird versucht, die außenwirtschaftliche Stabilität zu erhalten und den Wechselkurs zu stabilisieren. Ein Kontrollmechanismus für Unternehmen mit Kapitalanteilen aus sogenannten unfreundlichen Ländern wurde eingeführt, um den Exodus von Unternehmen aus dem Land zu stoppen. Kürzlich wurde auch ein Importsubstitutionsprogramm gestartet, das den Kauf belarussischer Produkte vorsieht und so die Produktion im Lande zu stimulieren versucht, um ausbleibende Importe zu ersetzen.
3. Können freie Unternehmer unter den aktuellen Bedingungen noch existieren?
Der stark steigende, repressive Einfluss des Staates auf die Wirtschaft erhöht das unternehmerische Risiko erheblich. Viele ausländische Unternehmen, die auf dem belarussischen Markt tätig waren, haben daher ihre Tätigkeit eingestellt bzw. deutlich reduziert. Generell leiden die belarussischen Unternehmen unter erheblichen Imageschäden, sie sind aus Sicht ihrer ausländischen Geschäftspartner „toxisch“ geworden. Dies verschlechtert das Geschäftsklima deutlich und führt oft zur Aufgabe bestehender oder künftiger Kooperation. Auch die Finanzsanktionen erschweren den internationalen Handel. Die Unternehmensgewinne sind deutlich geringer als in den Vorjahren, und die Unternehmensverschuldung ist relativ hoch. Zudem berichten private Unternehmen über einen gestiegenen Abgabendruck seitens des Fiskus. Darüber hinaus gab es im Jahr 2022 einen deutlichen Lageraufbau bei den Unternehmen aufgrund der Absatzschwierigkeiten, und einen erheblichen Abfluss von Unternehmenseinlagen bei den Banken. Insgesamt also sehr schwierige Rahmenbedingungen, die sich im Jahresverlauf verschlechterten.
4. Inwieweit zeigen die westlichen Sanktionen Wirkung?
Die westlichen Sanktionen betreffen den Handel, den Finanzbereich (Banken und Staat) sowie einzelne Personen und Unternehmen. Die Wirkung der Handelssanktionen ist sicher nicht schockartig, aber durchaus spürbar. Belarus hat seine profitabelsten Exportmärkte in den EU-Mitgliedstaaten und in der Ukraine für Kalidünger, raffinierte Ölprodukte und Holzerzeugnisse verloren. Wie viele der Güter sich umlenken lassen, und vor allem zu welchen Kosten, ist aufgrund der nicht zugänglichen Daten nicht genau erkennbar. Eine wichtige Rolle spielen auch die Finanzsanktionen. Einige Banken wurden vom SWIFT-System ausgeschlossen, die Goldreserven der Nationalbank und Geschäfte mit ihr wurden in der EU blockiert, wodurch letztendlich ein „Default“ von Belarus eintrat: Das Land konnte also seine vertraglich eingegangenen Verbindlichkeiten in Fremdwährung bei der Bedienung von staatlichen Schulden nicht begleichen. Hinzu kommen „over-compliance“-Effekte im Bankensektor, die Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Transaktionen auch für diejenigen belarussischen Banken bereiten, die nicht direkt von den Sanktionen betroffen sind. Dies hat wiederum Rückwirkungen auf die zugrundeliegenden Warentransaktionen – wenn es keine Zahlung gibt, wird auch nichts geliefert. Der durch zusätzliche Sanktionen im Logistikbereich blockierte Zugang zu den baltischen Häfen für die Exporte aus Belarus (z. B. Kalidünger) hat negative Auswirkungen auf die Industrieproduktion, die sich seit Februar 2022 im Sinkflug befindet. In der Summe ist der anfangs genannte Einbruch der Wirtschaft vor allem auf die Sanktionen zurückzuführen.
5. Inwieweit fängt Russland die Wirkung der Sanktionen ab?
Wegen der Sanktionen hat der Handel zwischen Belarus und Russland deutlich zugenommen. Obwohl beide Länder keine Daten zu den gehandelten Warenmengen veröffentlichen, kann man sehen, dass der wertmäßige Handelsumsatz merklich zugenommen hat. Allerdings bedeutet dies für Belarus keine vollständige Kompensation der Verluste durch den Wegfall der Märkte in Europa und der Ukraine. Belarus ist auch auf die Hilfe Russlands bei der Reorganisation der Transporte von belarussischem Kalidünger und anderer sanktionierter Waren auf Drittmärkte angewiesen. Diese Exporte wurden durch russische Häfen und auf die russische Eisenbahninfrastruktur umgelenkt. Russland hat Minsk auch einen Kredit für Maßnahmen zur Importsubstitution gewährt. Zudem wurden Vereinbarungen mit Russland über die Beibehaltung von Sondertarifen für Energielieferungen für Belarus getroffen. Darüber hinaus hat Minsk ein Dokument zur Ausweitung der Integration mit Russland unterzeichnet, dass es belarussischen Produzenten ermöglicht, ihre Ölprodukte auf dem russischen Markt zu den gleichen Bedingungen zu verkaufen wie russische Unternehmen. Dadurch wird der belarussische Staatshaushalt im laufenden Jahr 600 Millionen US-Dollar an Subventionen einnehmen. Durch solche Schritte verflechtet sich Belarus wirtschaftlich immer stärker mit Russland.
6. Kann Russland Belarus´ Wirtschaft auch langfristig unterstützen?
Russland unterstützt Belarus schon seit langem über vielfältige Instrumente, neben den Energiepreissubventionen zum Beispiel über langfristige Kredite. Dies wird tendenziell zunehmen, da Belarus von internationalen Finanzmärkten abgeschnitten ist und von den wichtigsten Ratingagenturen auf „Default“ herabgestuft wurde, das heißt ein Zahlungsausfall festgestellt wurde. Dementsprechend steigt auch der Einfluss Russlands, zum Beispiel wenn es um die Verschiebung von Schuldenrückzahlungen geht. Man kann davon ausgehen, dass Russland langfristige Ziele in Belarus hat. Allerdings basieren sie nicht auf der Sorge um das Wohlergehen von Belarus, sondern um die weitere – vor allem politische – Einflussnahme auf das Nachbarland. Die Unterstützung durch Russland ist dabei mit hohen politischen Kosten für Belarus verbunden. Die Integrationsprozesse des Unionsstaates schreiten voran. Es gibt neue Initiativen zur Vertiefung der Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Kernenergie. Außerdem haben sich Russland und Belarus über eine weitere Vereinheitlichung des Steuer- und Zollrechts verständigt, die der russischen Steuerverwaltung Zugang zu den Transaktionen sämtlicher belarussischer Steuerzahler verschafft. In der Praxis wird dies also die Unterordnung des belarussischen Systems unter das russische bedeuten. Manche sprechen dementsprechend von einer „schleichenden Okkupation“ von Belarus durch Russland in allen öffentlichen Bereichen.
7. Ist ein Kollaps der belarussischen Wirtschaft denkbar?
Ich denke, der Begriff „Kollaps“ weckt falsche Erwartungen und sollte vermieden werden. Gleiches gilt zur Lage in Russland, wo nach Kriegsbeginn und den folgenden Sanktionen viele Beobachter von einem schnellen Kollaps ausgingen, der bekanntermaßen nicht eingetreten ist. Die aktuelle Lage und der Ausblick sind eher durch ein langsames „Dahinsiechen“ gekennzeichnet, also eine Situation der Stagnation ohne Aussicht auf neue Wachstumstreiber. Zunehmend hängt die belarussische Wirtschaft von der Lage der russischen Wirtschaft ab, deswegen sind die Entwicklungen in Russland von großer Bedeutung auch für Belarus. Die sich anbahnenden Probleme durch die im Vorjahr eingeführten Ölsanktionen werden sich indirekt zweifellos auch auf Belarus auswirken. Darüber hinaus wird die Lage der belarussischen Wirtschaft davon abhängen, ob eventuell weitere Sanktionen gegen das Land in der Zukunft verhängt werden. Andererseits zeigt die bisherige Erfahrung aber auch, dass sanktionierte Länder fähig sind, sich an Sanktionen anzupassen und sie teilweise zu umgehen. Belarus findet immer noch Käufer für seine von der EU sanktionierten Produkte wie Kalidünger und Ölprodukte zum Beispiel in China, Brasilien und Indien. Hier wird zu beobachten sein, ob der Westen stärker als bisher das Thema „Sanktionsumgehung“ auf die Tagesordnung setzt.
Das französische Wort Bistro stammt angeblich vom russischen Wort bystro (dt. schnell). Während der napoleonischen Kriege sollen die hungrigen Kosaken in Paris den Kellnern zugerufen haben: „Bystro, bystro!“ (dt. „Schnell, schnell!“) Eine etymologische Herleitung, die leider nicht belegt ist. Aber eine schöne Geschichte.
Alle Männer zwischen 18 und 27 sind in Russland per Gesetz zum Wehrdienst verpflichtet. Dienstdauer: ein Jahr. Seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine beteuert die russische Führung stets, dass pflichtdienstleistende Soldaten (russ. Srotschniki) nicht an der sogenannten „Spezialoperation“ teilnehmen – entgegen zahlreichen Hinweisen in unabhängigen Medien zu dem Thema. Nur „professionelle Militärs lösen die gestellten Aufgaben“, so Putin wenige Tage nach dem Beginn der Aggression. Damit meinte Putin die sogenannten Kontraktniki – also Berufssoldaten der regulären Streitkräfte. Mit der sogenannten Teilmobilmachung kamen auch Mobilisierte an die Front. Dazu werden sowohl Söldner gezählt als auch Soldaten, die vom Verteidigungsministerium rekrutiert werden. Manche von ihnen ziehen aus Überzeugung in den Krieg, andere werden dazu faktisch gezwungen. Schließlich gibt es auch Mobilisierte, die wohl von Aussichten auf umgerechnet etwa 2500 Euro pro Monat angetrieben werden – ein Vielfaches des offiziellen Medianeinkommens in Russland.
Vielerorts besteht die russische Militärtaktik aus Wellen von Frontalangriffen mit immensen personellen Verlusten. Einige der Mobilisierten dürften das wohl ahnen, wenn sie in den Krieg ziehen. Auf ihrem Weg dorthin kommen sie an Zwischenstationen, Mobilisierte aus dem Ural und Sibirien etwa auch nach Jelanski – eine Militärsiedlung in der Oblast Swerdlowsk. Hier treffen sie aufeinander und auch auf Srotschniki und Berufssoldaten. Es entsteht ein eigentümliches Soziotop, das von Angst geprägt ist, von Verzweiflung und einer gewissen Abgestumpftheit. Diese Eindrücke liefern Journalistinnen von The New Tab, die sich in Jelanski umgesehen haben.
Achtung, dieser Text enthält drastische Darstellungen, alle Namen sind geändert.
Jelanski (die Einheimischen nennen es einfach Jelan) ist eine Militärsiedlung in der Oblast Swerdlowsk, die als Zwischenstation für die Mobilisierten aus dem Ural und Sibirien dient. Hier leben um die 7000 Menschen, vor allem Armeeangehörige und ihre Familien. Die Siedlung besteht aus ein paar Blocks grauer vierstöckiger Plattenbauten, von denen manche weder Fenster noch Türen haben, verlassen und zugemüllt sind. Hier befindet sich auch ein großes Trainingszentrum für Pflichtdienstleistende, auf dessen Gelände die Mobilisierten unterbracht sind, während sie auf ihren Einsatz an der Front warten. Jenseits der Siedlung, in der Steppe und im Wald, liegen die Übungsplätze. Von dort hört man immer wieder Explosionen.
In die geschlossene Siedlung kommt man nur mit Genehmigung. Wir rufen eine der Nummern an, die uns die Frau am Ticketschalter des Bahnhofs gibt. Sonja kommt uns abholen. Am Kontrollpunkt hält sie dem Wachmann ein Kärtchen hin, der Mann nickt, und wir dürfen ohne Durchsuchung passieren.
„Hier ist das Lokal namens Bunker, der Supermarkt Monetka und dort die Kirche“, zählt Sonja die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Jelan auf, während sie im Takt der Musik auf das Lenkrad trommelt.
Der Sonnenaufgang über Jelan ist strahlend und klar. Auf der Straße sieht man alle paar Meter Urinpfützen und Kotzlachen
Der Sonnenaufgang über Jelan ist strahlend und klar. Aber auf der Straße sieht man alle paar Meter Urinpfützen und Kotzlachen mit Bröckchen von Frühstücksbrei oder Suppenresten. Hinter der Soldaten-Banja liegt eine leere Wodkaflasche im Schnee. Zerdrückte Bierdosen ragen aus den Schneehaufen. Die Straßen sind menschenleer, nur ab und zu sieht man Männer in Militäruniform und schwarzen Mützen oder Sturmhauben. Sie tragen Aufnäher mit dem Buchstaben Z in den Farben der russischen Trikolore.
Manchmal sieht man Pflichtdienstleistende. Sie sind leicht zu erkennen: Ihre Uniform ist anders, ohne Aufnäher und ohne schwarze Mützen. Es sind sehr junge Männer ohne Bart, oft mit schüchternem oder verängstigtem Blick. Manche wirken völlig verloren, vor allem im Vergleich zu den Mobilisierten.
Das Einkaufszentrum namens Bunker ist der zentrale Treffpunkt. Hier befinden sich das gleichnamige Lokal, der Supermarkt, ein Geschäft für Textilwaren und Souvenirs, in dem man unter anderem Wasserpfeifen, Flachmänner in Form von Pistolen oder Medaillen mit der Aufschrift „Teilnehmer der Militäroperation in Syrien“ erwerben kann. Es gibt eine Abteilung mit Plüschtieren – die kaufen die Mobilisierten, wenn sie ihre Familien nach einer Verwundung oder bei einem kurzen Heimaturlaub wiedersehen. Außerdem ist hier der Schönheitssalon Tscharodeika [dt. Wundertäterin], wo man die Haare ohne neuen Haarschnitt waschen lassen kann.
Der Eingang zum Lokal liegt an der Straße. Auf dem Schild ist eine junge, mit Blumenkranz und Stickereien geschmückte Frau zu sehen. Es ist kurz nach 9 Uhr morgens, aber die ersten Gäste sind schon da: Mobilisierte. Sie sind in Uniform. Manche tragen ihre Armeejacken offen, oder die Mützen sitzen schief. Die Männer hocken an den Tischen, kauen, spucken und diskutieren lauthals über Militärtechnik:
„Jungs, habt ihr auch so krass viele große Typen?“ „Nur ein paar.“ „Das wird schon klappen, da passen auch Große rein.“ „Echt? Ich bin 1,86. Was soll ich in dieser verfickten Blechkiste. Luke zugeschweißt und Ende fertig aus. Ich würd lieber mit ner Haubitze rumfahren.“ „Besser in so’ner Blechkiste als ne Mine. Sappeure haben keine Chance.“
Festgefrorenes Blut klebt auf dem Asphalt
Am Eingang zum Lokal sieht man, genau wie vor dem Supermarkt Monetka, festgefrorenes Blut auf dem Asphalt. Auf den vereisten Betonblöcken überall Flaschen und Dosen. Vor dem Eingang steht eine Gruppe von Männern. Einer davon, ein kräftiger Typ in Uniform, setzt eine Bierdose an und kippt sie, den Kopf zurückgeworfen, in sich hinein.
Sechs bestätigte Todesfälle hat es seit Beginn der Mobilmachung in der Garnison Jelanski gegeben. Zwei davon hängen unmittelbar mit Alkoholkonsum zusammen: Ein Mann ist betrunken am Erbrochenen erstickt, der zweite hatte einen epileptischen Anfall, weil er zu viel getrunken hatte. Ein dritter Mobilisierter beging Selbstmord. Ein vierter, Denis Koslow, starb später zu Hause – die Obduktion ergab eine Leberzirrhose aufgrund alkoholbedingter Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung). Er hatte vor seinem Tod seinem Bruder noch erzählt, dass er in seiner Einheit verprügelt worden war. Ein anderer Mann konnte nach einem Herzinfarkt nicht mehr gerettet werden. Der sechste Mobilisierte aus Jelan, Jewgeni Dus, starb auf der Corona-Station in Tscheljabinsk, wo er in lebensbedrohlichem Zustand eingeliefert worden war.
Im Dezember erzählte ein Offizier aus der Militärsiedlung Journalisten, dass die Mobilisierten schon betrunken aus den Einberufungsstellen nach Jelan kommen und ganze Reisetaschen und Rucksäcke voller Wodka mitbringen würden.
Das Alkoholproblem hat solche Ausmaße angenommen, dass man ein Verbot verhängte
Schon im Oktober 2022 hatte das Alkoholproblem unter den trinkenden Mobilisierten solche Ausmaße angenommen, dass man schlichtweg ein Verbot verhängte. „Die Situation mit der Trinkerei hat sich dann gebessert, die Disziplin zugenommen. Nach unserem Eingreifen hat eines der beiden Geschäfte den Verkauf von Alkohol komplett eingestellt, das andere hat die Verkaufszeit auf zwei Stunden pro Tag begrenzt“, berichtete der Duma-Abgeordnete Maxim Iwanow Anfang Oktober auf VKontakte.
Als wir von dem Alkoholverbot in der Siedlung gelesen hatten, steuerten wir den hiesigen Schnapsladen an – in der Erwartung, dass er geschlossen wäre. Aber der Laden ist offen und läuft ganz normal. Die Regale sind gefüllt mit Wodka, Bier und Wein.
Ein Kunde drängelt sich wankend an uns vorbei zum Regal. Er trägt eine schmutzige Uniform, die Mütze sitzt schief, er riecht streng nach ungewaschenem Körper und Alkohol. Der Mann nimmt mit zittrigen Händen Wodkaflaschen aus dem Regal. Eine. Zwei. Drei. Trägt die weißen Glasflaschen zur Kasse. Bezahlt und packt sie vorsichtig in den Armeerucksack.
„Und eine Schachtel Camel“, lallt er heiser.
Ich gehe zu dem Verkäufer:
„Mir wurde gesagt, dass hier kein Alkohol verkauft wird …“
„Ja, so war das vor den Neujahrsfeiertagen. Die Kommandantur hat unseren Chef angerufen, sie haben sogar unsere Kassen für drei Monate gesperrt, aber dann wurde der Laden geöffnet und seitdem nicht wieder zugemacht“, sagt er. „Wir dürfen per Gesetz den Verkauf nicht verweigern, und die Mobilisierten saufen wie die Schweine. Sie können nicht mehr geradeaus laufen, randalieren die ganze Zeit, schlagen alles kurz und klein. Ich würde sagen, es ist nicht ungefährlich hier. Die Berufssoldaten und die einfachen Jungs verhalten sich im Gegensatz zu den Mobilisierten ruhig.“
„Warum trinken die denn so viel?“ „Weiß nicht. Vielleicht steigt ihnen das Geld zu Kopf – sie bekommen je 200.000 Rubel [rund 2500 Euro – dek]. Der vor euch hat gerade drei Flaschen gekauft und ist jetzt schon hackedicht.“ „Wie unterscheiden Sie sie von den Berufssoldaten?“
„Das ist leicht“, erklärt der Verkäufer, „sie sehen schmutzig aus: Die können nur einmal die Woche in die Banja. Als sie hier ankamen, war das wie im Saustall. Die lagen hier überall in ihrer eigenen Kotze rum. Das ist die bittere Wahrheit. Die Jungs kommen hier zu mir rein und erzählen mir, dass sich jemand mit dem Messer verletzt hat oder an seiner Kotze erstickt ist.“
Vor einem der Gebäude kratzt ein Hausmeister mit einer Schaufel die festgefrorene Schneeschicht ab. Daneben rutschen Kinder auf Plastikschalen vereiste Stufen runter, stoßen die Vorbeilaufenden fast um, die sich auch so kaum auf den Beinen halten können. Der Schnee ist voller Kippen und Rotzspuren.
„Da, siehst du“, der Hausmeister deutet auf eine Gruppe wankender Soldaten. „Überall laufen hier die besoffenen Mobilisierten herum. Man erkennt sie gleich, sie sehen anders aus. Hier waren sehr viele von denen, 7500 – aus Perm, Tscheljabinsk, ChMAO [Autonomer Kreis der Chanten und Mansen – dek], aus den umliegenden Dörfern. Jetzt sind es weniger.“
Der Großteil der Mobilisierten ist in Zelten untergebracht
Ende September klagten die Mobilisierten über überfüllte Sammelpunkte – Jelan war eigentlich für 3500 Pflichtdienstleistende ausgelegt. Die Männer schliefen auf dem nackten Boden, auf dem Garnisonsgelände musste sogar eine Zeltstadt aufgeschlagen werden. Nachdem sich die Mobilisierten beschwert hatten, versicherte der stellvertretende Militärkommissar der Region, Sergej Tschirkow, Journalisten gegenüber, dass „alle Normen eingehalten“ würden. Es seien „zwar eine bestimmte Zahl von Menschen in der Jelansker Garnison zusammengezogen worden, das bedeutet aber nicht, dass irgendetwas überfüllt ist“, sagte er.
Laut Berichten von Einheimischen wird der Großteil der Mobilisierten nicht in Kasernen untergebracht wie die Vertragssoldaten, sondern in Zelten. Es wird Holz angeliefert, das sie selbst sägen und hacken müssen, um die Zelte mit Öfen zu heizen.
„Diese betrunkenen Jungs hier, die sind keine Ausnahme?“, fragen wir einen Hausmeister hier in Jelan.
„Neee. Siehst du den da?“ Er zeigt auf einen vorbeilaufenden Mann, in dessen Armeejackentasche eine Saftpackung steckt. „Das ist kein Saft. Der hat da Wodka oder Cognac drin. Die haben hier schon ein System.“ „Und wie verhalten sie sich, wenn sie getrunken haben?“
„Schlimm, ganz schlimm. Die hiesige Chirurgie ist überfüllt – sie prügeln sich, brechen sich alle Arme und Beine, stechen sich gegenseitig mit dem Messer ab, manchmal sich selbst. Es ist ein Albtraum. Hier haben längst alle die Nase voll von denen, aber was soll man machen. Vorgestern wurde einer abgeholt, ein 43-Jähriger. Sie haben seine Leiche in die Einberufungsstelle in Tawda gebracht. Entweder hat er sich aufgehängt oder jemand anders hat ihn drangekriegt – uns sagt ja keiner, was genau passiert ist. Ich schätze, jemand ist mit dem Messer auf ihn los, vielleicht war er’s auch selbst. Er wurde operiert, aber drei Stunden später war er tot (die Redaktion konnte diesen Fall nicht bestätigen, offiziell wurden keine neuen Todesfälle in Jelan gemeldet – Anm. d. Red.). Sie rotten sich selbst aus.“
Der Mann erzählt, die Mobilisierten würden unter Alkoholeinfluss in die Wohnungen der Einheimischen einbrechen und in den Treppenhäusern schlafen (ob das stimmt, konnten wir nicht überprüfen – Anm. d. Red.). „Als kein Alkohol verkauft werden durfte, kauften sie palettenweise Energydrinks, tranken sich dumm und dämlich, die waren total auf Entzug. Sie haben das ganze verfluchte Rasierwasser leergesoffen“, sagt der Hausmeister und deutet auf den Parfüm- und Kosmetikladen hinter ihm.
Genau wie der Spirituosen-Verkäufer ist er der Meinung, dass die meisten nicht aus Pflichtgefühl hier sind, sondern wegen dem Geld.
„Die bekommen über 200.000, klar trinken sie. Die Einheimischen verdienen an ihnen: vermieten Zimmer für 3500 [rund 45 Euro – dek] die Nacht, spielen Taxi für ein paar verfickte Rubel. Aber nicht nur die Einheimischen, auch die Armeeleute selbst haben die Schnauze voll von ihnen, weil sie nicht gehorchen. Die Armeeangehörigen und die Mobilisierten haben jeweils eigene Kommandeure. Mit denen kommen sie hierher. Und was sollen die dann machen? Ihnen den Mund zunähen, damit sie nicht saufen?“
Manche trinken aus Angst. Jeder hat seine Gründe
Maria ist eine von denen, die den Mobilisierten ein Zimmer in ihrer Wohnung vermietet. Eine Nacht 2000 Rubel [etwa 25 Euro – dek]. Sie empfängt uns in Leggins und ausgebeultem Pullover. Wundert sich, dass wir keine Männer dabeihaben. In dem Zimmer, das sie uns zeigt, stehen ein Bett und ein Sofa, auf dem Regal stehen ganz oben Kinderfotos von ihrer Tochter und deren Sohn. Maria bittet uns, nicht an den Türknäufen zu drehen – die wurden in den vier Monaten seit Beginn der Mobilisierung schon mehrfach von den Untermietern kaputtgemacht oder rausgerissen. In der Küche riecht es nach Zwiebeln, auf dem Herd blubbert ein Eintopf vor sich hin. Im Fernsehen läuft ein Sender mit Filmen über Krieg.
Maria erzählt, dass im September und Oktober, also den ersten Wochen der Mobilmachung, in der Siedlung die Hölle los war: „Wenn einer zu Hause wie ein Loch gesoffen hat, dann macht er hier weiter. Und wenn er sich daheim noch vor seiner Frau verstecken musste, dann fühlt er sich hier völlig frei. Manche trinken aus Angst. Jeder hat seine Gründe.“
„Warum haben die überhaupt Zeit zum Trinken? Müssen sie nicht von früh bis spät auf den Übungsplatz?“, frage ich Maria.
„Ach kommen Sie, wer soll sie hier schon trainieren!“, winkt Maria ab. „Höchstens bis Mittags. Wenn sie von ihrem Acker hierher kommen, wo sie zehn bis fünfzehn Tausend verdient haben, und hier gibt’s plötzlich 200.000 – denen fallen die Augen aus dem Kopf. Klar besaufen die sich zur Feier des Tages und vergessen, dass sie Familie und Kredite haben. Es gab natürlich auch gute Jungs, manche kamen zum Duschen her. Einer sagte zu mir: ‚Was hab ich getan, dass ich hier bin? Hab ich vielleicht irgendwo einer Oma nicht über die Straße geholfen?‘“
Alle kratzen sich andauernd. Es gibt nicht genügend Waschgelegenheiten
Maria erzählt, dass die „Mobiki“ nur selten in die Banja dürfen und ihre Wäsche nirgendwo waschen können, weswegen manche bei ihr duschen. Im November beschwerte sich einer der in Jelan untergebrachten Mobilisierten bei der Jekaterinburger Nachrichtenagentur EAN über Läuse: „Alle kratzen sich andauernd. Es gibt nicht genügend Waschgelegenheiten.“ Er erzählte, dass ihnen die Einheimischen stundenweise ihre Badezimmer vermieten. Der Duma-Abgeordnete Maxim Iwanow bestätigte das Problem damals zwar den Journalisten gegenüber, leugnete es aber eine halbe Stunde später in seinem Telegram-Kanal und schrieb, es gebe in Jelan keinen Läusebefall, und die Mobilisierten hätten „die Möglichkeit zur Körperpflege“, genau genommen „Waschbecken mit Warmwasser“.
Marias Mieter sind mal so, mal so. Es gab schon welche, die das Haus auseinandergenommen hätten, sodass Maria und ihr Mann sie mit vereinten Kräften vor die Tür setzen mussten. Einmal übernachtete ein Paar bei ihnen: Der Soldat hatte Besuch von seiner Frau, und während die Wohnungsbesitzer im Nebenzimmer lagen, prügelte er sie die ganze Nacht „grün und blau“ – am nächsten Morgen sah das Gesicht der Frau fürchterlich aus, sagt die Hausfrau. Trotzdem hat sie nicht die Polizei gerufen.
Viele Mädchen und Frauen kommen, um ihre Männer hier zu heiraten
Viele Mädchen und Frauen kommen, sagt Maria, um ihre Männer auf dem Standesamt in Kamyschlow zu heiraten: „Die kommen als Braut angefahren und reisen als verheiratete Frau wieder ab.“ „Vorgestern hatte ich auch welche einquartiert, aber die waren noch ledig – die Jungs hatten sich Mädels aufgerissen. Irgendwie brauchen sie ja auch noch ihren Spaß, bevor sie einrücken“, sagt Maria. „Das Leben geht weiter, das ist die Natur. Bevor sie in den *** (die Spezialoperation) ziehen, kommen die Ehefrauen und mieten diese Zimmer und Wohnungen stundenweise. Dann sitzen sie beisammen, trinken Tee, steigen in die Kiste und fahren wieder ab. So ist das Leben.“
Im Hof eines Wohnhauses entdecken wir einen Laden namens Fassol [dt. Bohne]. In der Vitrine liegt ein knusprig gegrilltes Huhn. An der Kasse steht ein feister Kerl mit quadratischem Gesicht. Einer der Mobilisierten. Vor ihm ein voller Einkaufswagen: Fleisch, Brot, Konserven, Dosenbier. Neben ihm steht ein Mädchen. Sie verlässt mit ihm den Laden, hakt sich bei ihm unter, und so steuern sie auf den nächsten Hauseingang zu. Ein Stück weiter in derselben Straße befindet sich noch ein Schnapsladen. Drinnen ist es stickig, ein süßlich-fauliger Geruch liegt in der Luft. Vor uns steht einer in Uniform. Er will zwei Flaschen Wodka Lesnaja kaufen. Die Kassierin entschuldigt sich, sie könne nichts verkaufen – die Kasse habe sich aufgehängt, das dauert 20 Minuten.
„Ääähh …“, der Mann ist enttäuscht. Er schnauft schwer, stinkt nach Zigaretten und Alkohol. Er dreht sich um und wankt hinaus, hinterlässt auf dem Boden Dreckspuren.
Der nächste Laden im Dorf heißt Wodolei [dt. Wassermann]. Im Schaufenster gammeln rötliche Würstchen vor sich hin. An der Scheibe klebt ein Zettel mit der Telefonnummer der Verkäuferin. Auch sie vermietet eine Wohnung an Soldaten.
„Haben Sie viele Gäste?“, fragen wir.
„Momentan ist besetzt. Eine Frau ist drin, sie hat ihren Mann besucht und ist geblieben. Er liegt hier im Krankenhaus. Er wurde mobilisiert, obwohl sie das gar nicht gedurft hätten, er war gerade operiert worden. Jetzt gibt es schwere Komplikationen, und er muss hierbleiben, kann weder aus dem Krankenhaus noch nach Hause. Und zu Hause warten die Kinder.“
Die Gäste sind um die Vierzig – abgerackert, aus dem Leim gegangen und aufgedunsen, ramponierte Fressen
Wir gehen zurück zum Bunker, um uns ein wenig aufzuwärmen. Vor uns geht ein Mann rein. Beim Versuch, sich auf den Beinen zu halten, wirft er einen Kleiderständer mit Armeejacken um.
Das Lokal füllt sich. Der Dunst von Wein und Wodka, der von manchen Tischen aufsteigt, vermischt sich mit säuerlichem Kantinengeruch. Dem Aussehen nach sind die Gäste alle um die Vierzig. Abgerackert, aus dem Leim gegangen und aufgedunsen, ramponierte Fressen, mit eitrigen, verkrusteten Wunden und glasigem Blick. Sie tragen verschiedene Aufnäher am Ärmel – manche ein Z in der russischen Trikolore, manche die Oma mit der Sowjetflagge, manche einfach die russische Flagge oder das Erkennungszeichen ihrer Einheit. Es ist laut. Sie sind betrunken und aufgedreht:
„Morgen geht’s los! Da fahren wir verfickt noch mal in die Ukraine und bombadieren sie platt!“, brüllt einer der Gäste in sein Handy, wobei er immer wieder auf die Tischplatte haut.
Derzeit tendieren die Chancen der Mobilisierten auf eine Heimkehr gegen Null
Derzeit tendieren die Chancen der Mobilisierten auf eine Heimkehr gegen Null. In Wladimir Putins Erlass vom 21. September 2022 wird weder die Dauer des Einsatzes erwähnt, noch sind Gründe dafür angeführt, jemanden nach Hause zu schicken. Auch im föderalen Gesetz Nr. 31-F3 „Über die Mobilmachungsvorbereitung und die Mobilmachung“ findet man dazu nichts. Die Einberufung ist also praktisch unbefristet, die Front verlässt nur, wer schwer verletzt oder tot ist.
Ein Grüppchen von Männern in Uniform gießt sich Bier ein. Vor ihnen stehen unangetastet Würstchen im Teigmantel, Kompott und Fruchtsaft. Sie diskutieren lebhaft und liegen sich in den Armen. Musik spielt. Die Soldaten werden auf uns aufmerksam:
„Mädels, alles Gute zum Feiertag! Wie wär’s mit ’nem Eisloch?“ „Nein, danke.“
Einer stellt sich als Sanja vor und kommt auf mich zu. Ich stehe instinktiv auf. Er nähert sich, versucht, mich in die Ecke zu drängen. Er stinkt nach Rauch, Wodka und Schweiß.
„Tschuldigung, ich hatte eine Gehirnerschütterung, hör nix, verdammt noch mal. Auch wenn’s kein Eisloch gibt, wir hacken eins!“ Drohend holt er aus wie mit einem Beil. „Mit was auch immer. Wir finden verdammt noch mal immer was.“
Sein Blick ist verschwommen. Er tritt ganz dicht an mich heran. Und brüllt, sein Speichel fliegt mir ins Gesicht:
„Ich bin seit heute raus. Aus dem Dienst entlassen! Los, Mädels, lasst uns neue Soldaten machen. Richtige Männer!!! Wartet, ich zeig euch mal … meine Zwillinge“, seine Augen werden feucht. „Seht ihr? Fünfte Klasse.“
Auf dem Display ist ein Foto von zwei kleinen Mädchen mit blonden Zöpfen. Neben ihnen eine junge Frau.
„Wieso entlassen?“
„Egal“, sagt er ruppig. „Jedenfalls ist heut mein letzter Tag.“
„Und das feiern Sie gerade?“
„Ja. Morgen geht’s nach Hause. Nach Hause, verdammt. Nach Hause!“ Sanjas Gesicht verzieht sich, er beginnt zu weinen, fasst sich aber schnell wieder. „Ich geh mal eine rauchen.“
Gott wird schon wissen, wen er zu sich ruft
Er geht weg. Die Männer an seinem Tisch rücken mit den Stühlen, tuscheln miteinander und zwinkern uns zu. Plötzlich werden sie ganz still, die Stimmen dumpf, und man hört:
„Dein leiblicher Bruder?“
„Mein Cousin“, sagt ein Mann im blauen Pulli unter der Camouflage-Jacke. Seine Augen sind vom Weinen gerötet.
Sanja, der schon wieder zurück ist, wendet sich ab und schweigt, starrt ins Nichts. Dann sieht er uns an:
„Mädels. Es ist was Schreckliches passiert. Sein Cousin. Ein Zweihunderter. Scheiße, es reicht. Gerade haben sie angerufen. Na, ihr Lieben?“ Der Mann, dessen Cousin gefallen ist, starrt noch ein paar Minuten auf die Tischplatte. Bald sind seine Augen wieder trocken, und er ruft uns an den Tisch, als wäre nichts passiert.
„Gott wird schon wissen, wen er zu sich ruft“, hört man noch.
Das Lokal leert sich. Nur ein paar Männer sind noch da, und Mischa. Er sitzt alleine, ist deutlich jünger als die anderen. Ein magerer Bursche mit großen Augen und traurigem Blick. Wegen einer Verletzung zieht er ein Bein nach. Vor ihm steht ein Tablett mit Fleisch in einer undefinierbaren Soße. Er rührt das Essen nicht an. Mischa war drei Monate lang in der Ukraine. Alle paar Sekunden zuckt sein Kopf – ein nervöser Tick, ein Souvenir aus dem *** (der Spezialoperation). Mischa versucht erfolglos, nach Hause zu kommen.
Alle paar Sekunden zuckt sein Kopf – ein nervöser Tick, ein Souvenir aus dem ***
„Man sollte da nicht hingehen“, sagt er leise und verloren. „Ich war dort. Und jetzt sitze ich da, sehen Sie. Wir haben dort nichts verloren. Dort ist es beschissen. Einfach beschissen. Ich bin mitgefahren, und jetzt lassen sie mich nicht einmal gehen, verstehen Sie? Mein Vertrag ist zu Ende, aber sie lassen mich nicht gehen, wegen der Mobilisierung.“
Mischa sagt, er sei aus Überzeugung in den *** (in die Spezialoperation) gezogen. Aber jetzt ist er enttäuscht von der Armee.
„Man wird behandelt wie Vieh. Normale Kommandeure gibt es fast keine, es haben doch alle Angst, keiner will sterben. Es fehlt an Essen. Jeden Tag Verluste. Das ist nur im Fernsehen alles so rosig. In Wahrheit gibt es Kommunikationsprobleme, Versorgungsprobleme. Nichts ist, wie es scheint. Ich bin seit Oktober in psychiatrischer Behandlung. Manchmal sterben Kameraden sinnlos, und sie werden nicht einmal rausgeholt. Einer meiner Kameraden hat drei Monate lang [tot] unter einem Baum gelegen. Sie trinken alle genauso wie hier, und viele sterben daran. Und hier trinken die Mobilisierten wirklich viel. Sind doch lauter erwachsene Leute. Ich hab auch getrunken, als ich hier ankam. 28 Mann waren wir, viele haben richtig gesoffen. In unserem Land trinken doch alle, es gibt viele Alkis. Und erst recht, wenn sie einberufen werden. Sie wissen selbst nicht, wohin sie geschickt werden, auch deswegen trinken sie – aus Angst. Aber das hilft nicht.“
Mischa erzählt, dass er keine Angst hatte, in den *** (in die Spezialoperation) zu ziehen. Angst hatte er erst, als er dort war. Seiner Meinung nach trägt die Armee aufgrund von Fehlern der Befehlshaber große Verluste davon.
Von zweihundert Mann blieben zwanzig übrig
„Von meinen Bekannten, mit denen ich hingefahren bin“, erzählt er, „sind alle als Dreihunderter zurückgekehrt, und drei sind gefallen. Ich wurde dann in eine andere Einheit verlegt, da sind auch Kameraden umgekommen. Ein Mobilisierter, mit dem ich zusammen in Behandlung war, kam aus Moskau. Er erzählte von seinem Kommandeur. Der wollte befördert werden und wollte unbedingt an die vorderste Frontlinie – von zweihundert Mann blieben zwanzig übrig. Das ist es nicht wert. Auf ukrainischer Seite kämpfen Söldner. Polen, Amis, Afrikaner, alles da. Auf die kannst du schießen, so viel du willst, die sterben nicht. Die haben ordentliche Panzerwesten.“
Wie in Tschetschenien – wer brauchte das, was hatten wir da zu suchen?
Maria, die Vermieterin, sagt, sie würden alle ungefähr dasselbe erzählen wie Mischa. Tote und Verletzte müsse es wohl sehr viele geben, aber darüber werde im Fernsehen nicht berichtet. „Unser Onkel da oben hat den *** (die Spezialoperation) erklärt, war aber nicht darauf vorbereitet“, ärgert sie sich. „Wie in Tschetschenien – wie viele unserer Burschen sind da draufgegangen, wer brauchte das, was hatten wir da zu suchen? Da war Putin gerade an die Macht gekommen, musste wohl zeigen, was er kann. Die Jungs haben erzählt, sie werden in Gruppen von 30, 40 Mann in den Kampf geschickt, und wenn zwei oder drei überleben, ist es schon gut. Menschliche Schutzschilde. Kanonenfutter.“
Aber schuld daran, dass der *** (die Spezialoperation) begonnen habe, sei Amerika, davon ist Maria überzeugt:
„Jeder Krieg ist Geldwäsche. Irgendjemand braucht ihn – Sie und ich bestimmt nicht, so viel ist klar. Kyjiw war schon fast eingekesselt, aber dann sind alle wieder abgezogen. Warum wohl? Schalten Sie doch einfach Ihr Hirn ein, da muss man nichts weiter wissen. Das brauchen nur die da oben. Und zwar nicht die hier, in Russland, sondern die im Ausland. Wenn du bei uns die Rechnungen der Wohnungsbetriebskosten hernimmst und das Firmenkonto eingibst, dann siehst du, wohin das ganze Geld geht – lauter amerikanische Konten. Was, das wussten Sie nicht?“
Ich lass dich gleich hier liegen, du Wichser
Draußen tauchen im Licht der Straßenlaternen drei Gestalten auf. Zwei Soldaten stützen einen dritten, der kaum gehen kann. Er hängt zwischen ihnen, fällt alle paar Meter hin. Sie fluchen.
„Heb die Beine, du Stück Scheiße!“ „Ich lass dich gleich hier liegen, du Wichser.“ „Fuck, ich dreh dir gleich den Hals um …“
Der in der Mitte fällt wieder hin. Mit Tritten versuchen sie, ihn wieder hochzuholen. Wieder hängt der Betrunkene zwischen ihnen, verliert aber sofort wieder das Gleichgewicht und sackt zu Boden. Sie lassen ihn im Schnee liegen. Der Mann hustet und spuckt. Es sieht aus, als würde er kotzen, mit dem Gesicht im Schneehaufen. Dann steht er mühselig auf und geht selber weiter. Die anderen beiden folgen ihm. Ihre Silhouetten verschwinden in der Dunkelheit.
Auch bei den historischen Protesten im Jahr 2020 in Belarus waren immer wieder Regenbogenfahnen zu sehen. Den politischen Selbstermächtigungsprozess unterstützten Menschen unterschiedlichen Alters, aus den verschiedensten Berufen und den unterschiedlichsten sozialen Gruppen. So war auch die durchaus aktive LGBT-Szene des Landes dabei, die in den vergangenen 15 Jahren sich und ihren Anliegen als Teil der Zivilgesellschaft immer mehr Gehör verschafft hat.
Homosexualität wird in Belarus seit 1994 nicht mehr per Gesetz verfolgt und geahndet, stößt in weiten Teilen der konservativen Gesellschaft aber immer noch vielerorts auf Ablehnung. So kommt es nicht nur durch die Vertreter des Systems Alexander Lukaschenko immer wieder zu öffentlichen Beleidigungen, sondern auch zu Anfeindungen durch Aktivisten konservativer oppositioneller Gruppen. Der LGBT-Aktivist Andrej Sawalei nimmt dies zum Anlass, sich in einer Kolumne für das Online-Medium KYKY ordentlich Luft zu machen. Dabei fordert er, dass auch die neue demokratische Bewegung echte Toleranz gegenüber der LGBT-Community noch lernen müsse.
Vor langer Zeit, 2017, war ich mit meiner Freund:in Gleb Kowalskaja mal auf der Suche nach unwiderlegbaren Belegen, dass es in Belarus Homophobie gibt. Das war eine ganz schön mühselige Angelegenheit.
Damals konnten sich nur wenige anständige öffentliche Figuren eine homophobe Rhetorik erlauben, etwa Pawel Sewerinez und Eduard Paltschys (sie sind heute politische Gefangene). Und auch unter den Vertreter:innen des Regimeapparats waren nicht allzu häufig Adepten einer offenen Homophobie anzutreffen: Beiden Seiten erschien es vor fünf Jahren nicht comme il faut. Für die groben Ausfälle von Schunewitsch im Stile eines homophoben Gandalf musste sich [der damalige Außenminister] Makei sogar entschuldigen. Von ihm stammt auch das meiner Meinung nach LGBT-freundlichste Zitat aller Politiker in der gesamten Geschichte des unabhängigen Belarus: „Das Thema der traditionellen Familie und der Minderheitenrechte ist sehr wichtig und nicht alles ist da eindeutig.“
Aber wie heißt es so schön: Ich bin nicht homophob, aber …
Damals kamen Gleb und ich bei einer Literpulle Tschernihiwske zu dem Schluss, dass der deutlichste Beleg für ein homophobes Belarus in einem Doppelmord auf der Grundlage von Hass bestehen würde, den wir begehen, indem wir uns gegenseitig Messer ins Herz stießen. Am helllichten Tag, auf dem Höhepunkt der Herbst-Verkaufsmesse für Kartoffeln und rote Beete in der Traktorenfabrik.
Es schien, als wäre es nur so möglich, die wirkliche Dimension des Problems in unserem Land offenzulegen, wo die Existenz von Homophobie nicht nur von sowjetoiden Bürokratenärschen und regimetreuen Richter:innen geleugnet wird: Die weigern sich, das Motiv Homophobie bei offensichtlich durch Hass begründete Verbrechen zu erkennen. Das geschieht aber auch bei demokratisch gesinnten Personen des öffentlichen Lebens.
Bemerkenswert ist, dass damals auch die Bitte laut wurde, den Begriff „homophob“ nicht auf sie anzuwenden – als sei das etwas Beleidigendes, oder etwas, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hätte. Dass das „Brandmal homophob“ unerwünscht war, spiegelte in gewissem Maße das Bedürfnis wider, das Einzigartige an der eigenen Position zu unterstreichen, die keineswegs zu Gewalt aufrufe und nicht konservativ oder veraltet sei. Die sogar im Gegenteil sehr fortschrittlich und weitsichtig sei. Man akzeptiere einfach nicht die „Propaganda“, dass „uns fremde Werte“ aufgenötigt werden oder überhaupt unsere Seelen vor der Sünde „bewahrt“ würden. Diesen ganzen Schwachsinn. Aber wie heißt es so schön: Ich bin nicht homophob, aber …
Unterdessen aber scheinen Vertreter des Regimes wie auch Verfechter demokratischer Vorstellungen mitunter zu denken, dass sie durch homophobe Ausfälle aller Art nichts zu verlieren haben. Sei es die Erniedrigung von Schwulen, mit dem der Protest im Telegram-Kanal des kriminalitäts- und korruptionsbekämpfenden GUBOPIK diskreditiert wurde, oder aber die zauberhafte Werbesprache von Stepan Putilo („schwule Looser“), der damit gewissermaßen andeutete, dass es etwas angenehmer sei, schwule Angehörige der OMON zu hassen, als OMON-Mitglieder „normaler Orientierung“. Oder andere homophobe „Scherze“ von durchaus anständigen Leuten, die uns – statt uns LGBT-Menschen als gleich anzuerkennen – instrumentalisieren und dämonisieren, indem wir zu Feinden, widerlichen Monstern oder Sündenböcken gemacht werden.
Solche homophoben Ausfälle mögen zwar sehr bequem sein, doch bringen sie der hellen Seite der Macht, den Jedis, nicht die erwartete Dividende, und können dies per definitionem auch nicht: Diese schmutzigen Tricks nützen schließlich allein den dunklen Siths und können den Jedi ihr Karma nur verderben.
Das Bestreben, Schwule zu erniedrigen, kann die Lage regimetreuer Gestalten schon nicht mehr verschlechtern (die haben eh nichts zu verlieren). Die progressive prodemokratische Bewegung aber hat jedes Plus für ihr Karma bitter nötig. Und wenn man es dort unterlässt, öffentlich die Ehre und Würde von LGBT-Menschen als unverrückbare Größe anzuerkennen, wird man keine Punkte sammeln. Im Gegenteil: Sie werden von uns keine große Unterstützung bekommen. Und wenn man denn der Propaganda glaubt, dann könnte die widerliche Schwulenlobby in der Tat ganz humorlos den teuflischen Plänen der Fünften Kolonne Vorschub leisten.
Echte Toleranz muss sich in der Praxis erweisen
Wenn meine Freunde aus der Ukraine auf Insta Stories schreiben: „Ihr Schwuchteln, was macht ihr da!“, wobei sie sich an die russischen Besatzer wenden, die ihre Städte vernichten und unschuldige Menschen umbringen, muss ich mich sehr zurückhalten. Denn das folgt dem Motto: „jetzt ist nicht die Zeit dafür“, „erst besiegen wir den Feind, dann kümmern wir uns um die Homophobie“, „verwässere nicht die Agenda“ … Und das ist ein Fehler. Den gleichen Fehler habe ich 2020 gemacht, als ich meine LGBT-Agenda hintenanstellte, um unsere „gemeinsame belarussische“ Agenda nicht aufzuweichen (, ach die arme).
Doch wenn unsere gemeinsame Agenda derart wackelig ist, dass sie durch ein Foto von einer Demonstration in Minsk verwässert wird, auf dem sich junge Frauen unter einer weiß-rot-weißen Flagge vor belarussischen Soldaten im Hintergrund küssen, dann stimmt vielleicht irgendwas mit dieser Agenda nicht?
Putin schickt seine Truppen ins Nachbarland und verkündet von der Tribüne herab, dass sie angeblich die traditionellen Traditionen und hochwertvollsten Werte vor eben diesen Schwuchteln schützten, die gemeinerweise wollen, dass es ein Elternteil eins gibt und ein Elternteil zwei gibt.
Es kommt zu einer fundamentalen Auswechselung der Begriffe und dadurch zur Manipulation. Und dieses Durcheinander muss entwirrt werden, man muss klarmachen, wer „diese Schwuchteln“ sind. Wo ist der Unterschied zwischen dem Ruf „Für euch, ihr Schwuchteln!“ bei Bachmut, wenn eine Rakete auf die Besatzer abgeschossen wird, die gekommen sind, dein Haus zu zerstören, und dem Ruf „Da kommen die Schwuchteln“, bevor man einem Unbekannten, der am Sonntagmorgen aus einem Schwulenclub in Minsk kommt, ins Gesicht schlägt, und dem abfälligen „Arschficker kommen hier nicht rein“ aus dem Mund von Schunewitsch?
Ihr werdet überrascht sein: Es gibt da offen gestanden keine Grenze! In jeder dieser Situationen werden LGBT-Menschen dämonisiert oder als etwas Negatives oder Widerliches markiert. In jeder dieser Situationen wird Gewalt legitimiert, weil es angeblich einen Grund gibt, sich „zu schützen“. Dabei muss man verstehen, dass „Schwuchteln“ vollkommen abstrakte, stereotype Gestalten sein können. Oder es sind einfach von Propaganda-Idioten erfundene Horrorgeschichten. Die Opfer dieser von Homophobie genährten Gewalt hingegen sind ganz real. Man hat uns weismachen wollen, dass ein Überfall auf Belarus vorbereitet wurde und „sie“ gezwungen waren, einen Präventivschlag zu führen. Genau so hat der Mörder von Michail Pischtschewski vor Gericht erklärt, dass er eine Bedrohung wahrgenommen habe und gezwungen gewesen sei, sich zu verteidigen. Dabei holte er weit zu einem „Präventivschlag“ gegen einen Kiefer aus, der dazu führte, dass Mischa 20 Prozent seines Gehirns entfernt werden mussten, dass er 16 Monate im Koma lag und dass er schließlich starb.
Solange wir uns nicht bewusst machen, dass Homophobie tatsächlich das Böse, Krieg und Zerstörung in sich trägt, solange wir Versuche weißwaschen, die eigenen Werte mit Hass gegen Mitmenschen zu „verteidigen“, wird unsere Agenda marode und leicht zu verwässern sein.
Uns wurde von der Kindheit an gesagt, die Belaruss:innen seien sehr tolerant. Aber seien wir ehrlich: Es ist sehr leicht, abstrakt „andere“ Menschen zu respektieren, ohne tatsächlich mit ihnen in Berührung zu kommen – wenn diese „anderen“ im öffentlichen Raum praktisch nicht vorhanden sind. Öffentlich erkennbare LGBT-Menschen lassen sich landesweit an einer Hand abzählen, und selbst in Minsk begegnet man nur selten Menschen mit einer anderen Hautfarbe als der weißen …
Echte Toleranz, nämlich die Respekt vor unseren Unterschieden, muss sich in der Praxis erweisen, wenn einem im Freundeskreis nämlich nicht die Ohren dröhnen von Scherzen mit Anflügen von Antisemitismus, Islamophobie, Frauenhass oder Homophobie. Wenn Schwarze auf der Straße nicht von Passant:innen angegafft werden. Es bedeutet nicht, dass man plötzlich alle „anderen“ dieser Welt mögen muss. Man kann die Würde eines Menschen selbst dann respektieren, wenn man diese oder jene Werte anderer nicht teilt oder sie gar letztendlich nicht versteht. Man muss nur einem Menschen schlicht das Recht zubilligen, er oder sie selbst zu sein, auch wenn jemand einem vielleicht nicht gefällt. Und die Antwort auf die Frage, warum einem dieser konkrete Mensch nicht gefällt, wird einem sehr viel Interessantes offenbaren, nämlich über sich selbst.
Wenn ich vor 2020 in den sozialen Netzwerken in den eher seltenen Beiträgen über LGBT homophobe Kommentare las, dachte ich für mich: „Nun, das sind wohl im Grunde Lukaschisten. Es kann ja nicht sein, dass Leute nach Demokratie streben und dann sowas schreiben.“ Nach 2020 wurden solche LGBT-Beiträge noch seltener, doch die Zahl der homophob Kommentierenden blieb gleich, und viele von ihnen schmücken sich mit dem Pahonja und mit weiß-rot-weiß.
Und ich frage mich: Hat es in Belarus wirklich einen Wertewandel gegeben? Werden in einem neuen Belarus wirklich neue Institutionen ein neues Niveau an Respekt für die Bürger:innen des Landes zeigen? Oder gibt es bei der Rhetorik von „manchmal geht es nicht um Gesetze“ [Zitat von Lukaschenko gegenüber Strafverfolgern im Kontext der Proteste von 2020 – dek] und „zuerst Demokratie, dann alles andere“ doch einen gemeinsamen Nenner, nämlich den fehlenden Respekt für die Rechte von LGBT-Menschen?
Der Diktator kann auf seine Bürger:innen pfeifen und sie zutiefst erniedrigen, weil seine Macht auf Angst und Terror beruht, und weil die Menschen nichts als Figuren auf einem Schachbrett sind. Innerhalb der Bewegung für ein freies Belarus aber muss jede und jeder respektiert werden, und zwar nicht irgendwann nach dem Sieg einer Revolution, sondern konkret, hier und jetzt.
Wenn man sich unsere Unterstützung sichert, könnte ein Schritt hin zu einer solchen Solidarität getan werden, einer Solidarität, für die bei unseren Demonstrationen Flaggen sämtlicher Coleur von Bedeutung sind. Weil hinter jeder dieser Flaggen Menschen stehen, und weil die Flagge für uns konkret einen riesigen Wert darstellt. Und in unseren Reihen werden die Werte gegenseitig respektiert, oder?
Die einen würden am liebsten eine gigantische Mauer um Russland bauen, während andere insgeheim darauf hoffen, dass alles möglichst bald wieder so weiter gehen möge wie vor dem russischen Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr. Wie kann ein Miteinander in Europa aussehen, wenn nach Putin womöglich der nächste Putin kommt? Wie kann die russische Gesellschaft Angst und Hilflosigkeit überwinden und welche Rolle spielt dabei die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur? Darum geht es im zweiten Teil des großen Meduza-Interviews mit dem Moskauer Soziologen Grigori Judin, der darin auch leise Hoffnungen auf ein „unausweichliches neues Russland“ äußert.
Margarita Ljutowa: Wie hat sich im vergangenen Jahr das Bild von Putin und Russland im Westen verändert? Meinen Sie, man hat jetzt das Ausmaß der Bedrohung begriffen, das bis 2022 wohl unterschätzt wurde?
Grigori Judin: Bisher wurde zugegeben, dass die vormals herrschenden Vorstellungen [über Russland] grundfalsch waren. Was daraus folgt, muss sich erst noch zeigen. Wir müssen bedenken, dass niemand auf diese Entwicklung vorbereitet war und daher noch immer ein reaktives Verhalten überwiegt.
Es gibt eine unübersehbare „Partei des 23. Februar“: Das sind Leute, die die Aggression verurteilen, sich aber wünschen, dass das alles irgendwie vorbeigeht und man dann wieder weitermachen kann wie früher. Das ist in erster Linie das globale Kapital, das nicht versteht, wieso es wegen irgendeiner Ukraine Geld verlieren soll. Ein beachtlicher Teil der westeuropäischen Geschäftswelt macht keinen Hehl daraus, dass das ein optimales Szenario wäre, und erwartet, dass die Ukraine endlich einen Teil ihres Territoriums abgibt.
Aufrufe zu Verhandlungen sind momentan aussichtslos, weil Wladimir Putin der Meinung ist, diesen Krieg zu gewinnen
Die einen versuchen, die Ukraine offen unter Druck zu setzen (solche Initiativen gibt es, wenn auch nicht vorherrschend, in Deutschland), die anderen warten einfach darauf, dass die Widerstandskraft versiegt. Aufrufe zu Verhandlungen sind momentan aussichtslos, weil Wladimir Putin der Meinung ist, diesen Krieg zu gewinnen, und er nicht vorhat, mit jemandem zu reden. Wenn für ihn jedoch die Zeit kommt, seine Eroberungen abzusichern, dann wird die Situation eine andere Wendung nehmen – und er weiß von diesen Stimmungen [im Westen – dek], er weiß, dass er sie bei Bedarf jederzeit für sich nutzen kann.
Putin weiß von diesen Stimmungen, er weiß, dass er sie bei Bedarf jederzeit für sich nutzen kann
Viele Politiker sehen das anders und wissen um die Gefahren eines solchen Szenarios. Um ihm jedoch eine Alternative anzubieten, bräuchte man eine Art Zukunftsvision, nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Russland und den gesamten Kontinent. Und da kommt es zu Schwierigkeiten. Der am stärksten in den Krieg involvierte Teil Europas besteht darauf, dass Russland keine andere Zukunft haben kann – es ist für sie ein „genetisch geschädigtes“ Land, das dazu verdammt ist, eine Gefahr darzustellen. Nach Putin kommt wieder Putin – in dem Punkt stimmen die Vertreter dieser Position mit [dem Sprecher der Staatsduma] Wjatscheslaw Wolodin überein. Die Bilder von der bestialischen Brutalität der russischen Soldaten verstärken solche Sichtweisen.
Aber was folgt daraus? Natürlich könnte man rund um Russland eine Mauer bauen und sie mit Maschinengewehren bewachen. Dann wäre es aber in der gesamten Region vorbei mit der Sicherheit, denn das Ergebnis wäre entweder ein unvermeidlicher Revanchismus oder ein langwieriger Bürgerkrieg, und man kann nicht abschätzen, was davon für alle schlimmer ist.
Natürlich könnte man um Russland eine Mauer bauen. Das Ergebnis wäre entweder ein unvermeidlicher Revanchismus oder ein langwieriger Bürgerkrieg
Rational denkende Menschen wie [der französische Präsident] Emmanuel Macron verstehen, dass man Sicherheit nicht erzielen kann, ohne Russlands Interessen zu berücksichtigen. Weil aber Macron auch davon überzeugt ist, dass Russland immer einen Putin haben wird, kommt er zu dem logischen, aber absolut aussichtslosen Schluss, dass man mit Putin verhandeln muss. Und tatsächlich, solange niemand Russland von der Landkarte tilgen will und zwischen Russland und Putin ein Gleichheitszeichen steht, wird man Putin entgegenkommen müssen. Jene Menschen, die mit Schaum vorm Mund allen einzureden versuchen, dass Russland zum ewigen Putin verdammt ist, bekommen am Ende konsequenterweise Spitzenpolitiker, die Verhandlungen mit Putin anstreben – obwohl sie allem Anschein nach das genaue Gegenteil erreichen wollen.
Diesen Knoten wird man nicht lösen können, solange die Frage nach der Vertretung von Russlands Interessen im Raum steht. Russland hat wie jedes andere Land auch ein Recht auf Sicherheitsgarantien – alles andere führt zu Instabilität. Es ist natürlich sinnlos, dieses Thema mit Putin zu besprechen. Um also zu einer Strategie zu finden, muss man sich ein Russland ohne Putin klar vor Augen führen – ein Russland, mit dem man Gespräche führen kann, wie es Wolodymyr Selensky nüchtern formuliert.
Um zu einer Strategie zu finden, muss man sich ein Russland ohne Putin klar vor Augen führen – ein Russland, mit dem man Gespräche führen kann
Das wird übrigens endlich die Voraussetzung dafür schaffen, dass die feigen russischen Eliten aktiv werden. Gerade die müssen sich vergegenwärtigen, dass ihre Zukunft nicht von einem Menschen allein abhängt, dass Russland irgendwann auch ohne Putin weiterbestehen wird. Solange Russland mit seiner jetzigen Regierung gleichgesetzt wird (oder genauer gesagt, nicht einmal mit der Regierung, sondern mit dem einen Menschen, der seinen Sicherheitsrat mit dem Angriff auf die Ukraine in einen totalen Schock versetzt hat), ist kein Ausweg in Sicht. Im Interesse aller muss man das eine vom anderen trennen. Der einzige Mensch, der ein Interesse an dieser Gleichsetzung hat, ist Wladimir Putin.
Was kann man machen, um diese Gleichsetzung aufzuheben? Man denkt da sofort an Belarus, das nach den Massenprotesten wohl von niemandem mehr mit Lukaschenko gleichgesetzt wird. Braucht es also Massenproteste? Oder irgendeine Exilregierung, die der Welt den Entwurf eines neuen Russland präsentiert?
Diese beiden Dinge schließen einander nicht aus. Sicherlich würde eine ernstzunehmende Bewegung wie in Belarus, die endlich den tyrannischen Charakter dieser Regierung aufdeckt, zweifellos helfen. Eine solche Bewegung kann aber auch angeregt werden, indem man ein alternatives Russland skizziert. Zumal die Voraussetzungen dafür, wie mir scheint, gar nicht so schlecht sind: Wladimir Putin repräsentiert mit seinem absolut weltfremden, seltsamen, paranoiden Blick auf die Geschichte natürlich nicht ganz Russland. Russland ist ein ziemlich großes Land, es verfügt über genügend Ressourcen, junge, aktive Schichten, die die Welt mit ganz anderen Augen sehen. Putin versucht mit aller Kraft, das unausweichliche neue Russland zu verhindern, in dem für ihn kein Platz sein wird.
Wladimir Putin repräsentiert mit seinem absolut weltfremden, seltsamen, paranoiden Blick auf die Geschichte natürlich nicht ganz Russland
Nach zwei Jahrzehnten unter Putin verlieren die Russen natürlich die Fähigkeit, sich etwas anderes vorzustellen. Aber das Leben wird dafür sorgen, dass wir unsere Phantasie ein bisschen mehr anstrengen. Unser Land ist in eine Sackgasse geraten, mit der Zeit werden wir nicht umhinkommen, das zu begreifen. Wir haben einfach noch ein paar Meter vor uns, also bewegen wir uns weiter. Aber es ist eine Sackgasse, sie führt nirgendwohin.
Als wir vor diesem Interview unsere Gesprächsthemen festlegten, sagten Sie zur Frage des aktuellen Zustands der russischen Gesellschaft, zu ihrer Atomisierung, zur kollektiven Handlungsunfähigkeit, dass das Reden über das Gefühl der erlernten Hilflosigkeit nur noch verstärken würde, was Sie aber vermeiden wollen. Gibt es Methoden, zu der Gesellschaft zu sprechen, ohne dieses Ohnmachtsgefühl zu nähren?
Während die primäre Emotion in Russland Kränkung ist, ist der stärkste Affekt, um den sich heute alles dreht, die Angst. Existenzielle Angst – Angst vor dem Zorn eines konkreten Menschen oder Angst vor dem Krieg, und eine abstraktere Angst vor dem Chaos. Angst, multipliziert mit der Gewissheit, dass der Tyrann allmächtig ist und auf jeden Fall bekommt, was er will: Bisher hat er es immer bekommen, also wird es auch weiterhin so sein. Diese mit Hoffnungslosigkeit multiplizierte Angst, die braucht eine Antwort.
Die mit Hoffnungslosigkeit multiplizierte Angst braucht eine Antwort
Angst treibt man mit Hoffnung aus. Das ist der gegenteilige Affekt. Man muss den Menschen Hoffnung geben. Insofern sind die nachvollziehbaren, begründeten Vorwürfe [gegen die Menschen in Russland] politisch perspektivlos. Noch mal: Sie sind verständlich, begründet und legitim, aber politisch aussichtslos. Wir haben es mit Menschen zu tun, die von ihrer eigenen Machtlosigkeit überzeugt und verängstigt sind, und Sie wollen ihnen noch zwei Kilogramm Schuld aufladen. Was soll dabei herauskommen?
Die Frage ist, wie man in dieser Situation Hoffnung gibt. Die Hoffnung besteht gerade darin, zu zeigen, dass die Dinge anders sein, dass Russland anders aussehen könnte. Und die Wahrheit ist: Solange die Menschen in Russland nicht begreifen, dass sie sich in einer Sackgasse befinden, haben sie keine Motivation, etwas darüber zu hören – denn das macht ja Angst, dann müssten sie etwas am Status quo ändern. Und der ist bedrohlich genug, um sich nicht mit ihm anzulegen.
Solange die Menschen in Russland nicht begreifen, dass sie sich in einer Sackgasse befinden, haben sie keine Motivation, etwas darüber zu hören, dass die Dinge anders sein, dass Russland anders aussehen könnte
In Russland ist jeder normative Diskurs längst im Keim erstickt: Es ist schon lange so gut wie unmöglich, danach zu fragen, wie man eine Gesellschaft aufbauen sollte, wie das auf gerechte, ehrliche und gute Weise gelingt. Schon vor Jahren haben mir Menschen [bei Umfragen] auf solche Fragen geantwortet: „In Russland? Gar nicht.“ Das zeigt, dass der normative Diskurs unterdrückt ist, aber die Nachfrage danach wird unweigerlich steigen, je mehr den Menschen diese Sackgasse bewusst wird. Dann ist es wichtig, dass sie Hoffnung haben.
Gibt es in diesem Leben in Angst multipliziert mit Hoffnungslosigkeit einen Point of no Return, einen Moment, nach dem die Hoffnung die Menschen nicht mehr erreicht? Wenn einer, der einen Plan für eine „wundervollen Zukunft“ vorlegt, nicht mehr gehört wird?
Das weiß ich nicht. Wenn wir von Affekten sprechen – die sind nie für die Ewigkeit. Aber können wir uns vorstellen, dass ein Affekt, wenn er auf die absolute Spitze getrieben wird, das soziale Umfeld dermaßen zerstört, dass man daraus nichts mehr bauen kann?
Ich glaube daran, dass die russische Kultur Rezepte enthält, um diese existenzielle Krise zu überwinden
Ich glaube an Russland. Ich glaube an die russische Kultur im konkreten Sinn – ich glaube daran, dass sie Rezepte enthält, um diese existenzielle Krise zu überwinden. Darin liegt ihre Stärke. Nicht darin, dass Puschkin ein großer Dichter war. Sondern darin, dass sie eine Fundgrube für Weisheiten und Ratschläge ist, für Antworten auf die Fragen, die uns heute beschäftigen. Ich glaube, dass die russischen Denker, Schriftsteller, die intellektuellen Ressourcen, die wir haben, unsere Traditionen und Gewohnheiten, Antworten auf diese Herausforderung enthalten.
Sie haben sicher den Diskurs vor Augen, der im Moment in Verbindung mit der russischen Kultur meistens geführt wird: dass sie imperial ist, eine Sklavenmentalität herangezüchtet und genährt hat usw. …
Ich glaube, dass es in der russischen Kultur tatsächlich ein starkes imperiales Element gibt, und dass es an der Zeit ist, sich damit auseinanderzusetzen. Der Zusammenbruch des Imperiums ist ein guter Moment dafür. Erschöpft sich die russische Kultur darin? Nein, das tut sie nicht. Dasselbe gilt auch für [das Werk eines] konkreten Autors. Kann man bei einem konkreten Autor imperiale Ideen finden? Man kann und man sollte. Aber muss man ihn deswegen im Ganzen verschmähen oder gutheißen? Man muss diese Person ja nicht mit all ihren Fehlern heiraten.
Ich glaube, dass es in der russischen Kultur tatsächlich ein starkes imperiales Element gibt, und dass es an der Zeit ist, sich damit auseinanderzusetzen
Kultur entwickelt sich weiter, indem sie sich selbst verarbeitet, auch indem sie sich selbst kritisiert. Aber Kritik darf keine Selbstverleugnung sein. Dann weißt du ja schlichtweg nicht mehr, wer du bist und was du kritisierst: Wenn man sich selbst verleugnet, von welchem Standpunkt aus übt man dann Kritik? Eine Kultur kann nicht ausschließlich imperial sein, sonst gäbe es auch keine Imperialismuskritik – es muss ja etwas vorhanden sein, was diese Kritik hervorbringt.
Die Kultur schafft selbst die Standpunkte für Selbstkritik. Daran ist nichts demütigend, es ist kein Problem, sie [die imperialen Ideen] in der russischen Kultur aufzuspüren, sie herauszustellen und zu analysieren, wie sie mit anderen Elementen zusammenhängen. Nein, sie erschöpft sich nicht darin. Genauso wie sich die deutsche Kultur nicht im deutschen Imperialismus erschöpft oder die britische Kultur im britischen.
Grigori Judin gehört derzeit zu den gefragtesten Stimmen in unabhängigen russischen Medien und das nicht ohne Grund: Nur wenige Experten im dortigen Diskurs haben den russischen Überfall auf die Ukraine so präzise vorhergesagt wie Judin, der zwei Tage vor Beginn des Großangriffs am 24. Februar 2022 in einem Gastbeitrag für openDemocracy schrieb, Putin sei kurz davor, „den sinnlosesten Krieg unserer Geschichte“ zu beginnen.
Ein Jahr später spricht der Moskauer Soziologe mit Margarita Ljutowa von Meduza über seine aktuelle Einschätzung der Lage. Im ersten Teil geht es um das Gefühl der Kränkung in der russischen Gesellschaft als Nährboden für einen „ewigen Krieg“, bei dem es um weit mehr als die Ukraine geht, und warum Putin trotz der Rückschläge glaubt, alles richtig gemacht zu haben.
„Solange Putin im Kreml sitzt, wird der Krieg weitergehen“ – Soziologe Grigori Judin im Interview mit Meduza / Foto Screenshot aus Skashi Gordejewoi/Youtube
Margarita Ljutowa: Die heutige Politik Russlands wird von vielen so verstanden, dass für Putin der Krieg ein endloses Unternehmen ist. In seiner jüngsten Botschaft an die Föderationsversammlung hat er das wohl wieder bekräftigt: Er verlor kein Wort darüber, wie Russlands Sieg aussehen soll und was danach kommt. Was meinen Sie, ist Putins Plan tatsächlich ein ewiger Krieg?
Grigori Judin: Ja, natürlich, dieser Krieg wird nie aufhören. Er hat keine Ziele, nach deren Erreichen er beendet werden könnte. Er wird einfach immer weitergehen, weil „sie“ [in Putins Vorstellung] Feinde sind und uns töten wollen – und wir sie. Für Putin ist das eine existenzielle Konfrontation mit einem Gegner, der vorhat, ihn zu vernichten.
Solange Putin im Kreml sitzt, wird der Krieg weitergehen
Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Solange Putin im Kreml sitzt, wird der Krieg weitergehen. Er wird sich immer weiter ausdehnen.
Die russische Armee wird in aller Eile vergrößert, die Wirtschaft auf Kanonen umgestellt, und Bildung wird zum Werkzeug von Propaganda und Wehrerziehung. Das Land wird auf einen großen, schweren Krieg vorbereitet.
Und dann ist ein Sieg für Putin von vornherein unmöglich?
Absolut unmöglich. Den setzt sich auch niemand zum Ziel, es gibt keine Definition, was überhaupt ein Sieg wäre.
Ist das Kriegsziel also einfach Wladimir Putins Machterhalt?
Das ist ungefähr dasselbe: Putin stellt sich seine Regentschaft als Dauerkrieg vor. Putin und sein Umfeld erzählen uns seit Jahren, dass gegen uns Krieg geführt wird. Manche haben das lieber ignoriert, aber [Putin und sein Umfeld] glauben wirklich, dass sie schon lange in einen Krieg verwickelt sind. Nur ist dieser Krieg inzwischen in eine so aggressive Phase eingetreten, dass es offenbar keinen Ausweg mehr gibt. In dieser Weltsicht ist Krieg grundsätzlich die Norm. Hören Sie einfach auf, Frieden für den Normalzustand zu halten – dann sehen Sie die Situation mit deren Augen. Wie [Natalja Komarowa,] die Gouverneurin des Autonomen Kreises der Chanten und Mansen sagte: „Der Krieg ist ein Freund.“
Am 22. Februar 2022, zwei Tage vor dem Einmarsch in der Ukraine, erschien auf der Website von openDemocracy ein Artikel von Ihnen, in dem Sie sowohl den drohenden großen Krieg als auch Putins Gleichgültigkeit gegenüber den Sanktionen beschrieben, mit denen die westlichen Länder auf diesen Krieg reagieren würden. Im zweiten Teil erörterten Sie, dass der Krieg gegen die Ukraine „einer der sinnlosesten Kriege der Geschichte“ werden würde. Was meinen Sie, hat die russische Gesellschaft im vergangenen Jahr begonnen, das zu begreifen?
Nein, ich glaube nicht. Sehr viele haben das sofort deutlich gesehen, diese Gruppe hat jedoch seitdem keinen Zuwachs bekommen. Im heutigen Russland ist eine starke Emotion weit verbreitet, und genau hier befindet sich Wladimir Putin ausnahmsweise in Resonanz mit weiten Teilen der Gesellschaft. Zwar teilt keineswegs die ganze Gesellschaft seine wahnhaften Theorien, aber hier trifft er auf Resonanz und produziert darüber hinaus auch noch selbst diese Emotion. Diese Emotion ist Kränkung, eine ungeheure, grenzenlose Kränkung. Eine Kränkung, die durch nichts gelindert werden kann. An eine produktive Gestaltung internationaler Beziehungen lässt sich unter diesen Umständen nicht einmal denken.
Im heutigen Russland ist eine starke Emotion weit verbreitet: eine ungeheure, grenzenlose Kränkung
Wissen Sie, das ist wie bei einem Kleinkind, das beleidigt ist und den anderen Schaden zufügt. Dieser Schaden wird immer größer und größer, und irgendwann fängt das Kind an, anderen Leuten und gleichzeitig sich selbst das Leben zu zerstören. Aber dem Kind ist das nicht bewusst, es kommt nicht auf die Idee, dass es an den Beziehungen arbeiten muss.
In Russland gibt es ein schönes Sprichwort: „Beleidigte sind gut fürs Wasserschleppen.“ Eines Tages werden wir verstehen, dass sich diese Kränkung gegen uns selbst richtet, dass wir uns selbst damit schaden. Aber noch halten zu viele von uns an ihrer Gekränktheit fest.
Von wem fühlen sich denn Putin und die russische Gesellschaft so gekränkt? Von der ganzen Welt? Vom Westen? Den USA?
Von der Weltordnung insgesamt, die ungerecht erscheint, und folglich von dem, der als Senior-Partner die Verantwortung für diese Welt übernimmt, also von den USA. Das sind Vorwürfe gegen die ganze Welt – in dem Sinn, dass das menschliche Leben einfach schlecht konstruiert ist.
Ich muss immer an eine Aussage von Putin Mitte 2021 denken. Er sagte damals völlig ohne Anlass, es gebe im Leben überhaupt kein Glück. Das ist eine starke Aussage für einen politischen Leader, der ja eigentlich von der Idee her das Leben der Menschen verbessern, ihnen irgendwelche Ideale, Anhaltspunkte vermitteln sollte. Und da sagt dieser Mensch [sinngemäß]: „Im Leben gibt es kein Glück. Die Welt ist generell ein schlechter, ungerechter, schwer erträglicher Ort, an dem die einzige Daseinsform darin besteht, permanent zu kämpfen, sich zu prügeln und im Extremfall zu töten.“
Dieses Beleidigtsein auf die ganze Welt ist in Russland stark verwurzelt, und es wird auf den projiziert, der vermeintlich für diese Welt verantwortlich ist: die USA. Die Vereinigten Staaten haben tatsächlich ab einem gewissen Punkt die weltweite Verantwortung übernommen – was nicht immer von Erfolg gekrönt war. Und wir sehen, dass das Ressentiment, von dem ich jetzt spreche, wahrlich nicht nur in Russland existiert (wo es katastrophale, schauderhafte Formen annimmt).
Regionen, die von diesen Ressentiments erfasst sind, neigen dazu, Wladimir Putin mit mehr Verständnis zu begegnen
In einem großen Teil der Welt gibt es eine durchaus begründete Kritik an der herrschenden Weltordnung, an die Adresse der USA, die die Verantwortung übernommen haben, zum Hegemon wurden und in vielen Aspekten Nutznießer dieser Ordnung sind. Wir sehen, dass jene Regionen, die von diesen Ressentiments erfasst sind, dazu neigen, Wladimir Putin mit mehr Verständnis zu begegnen. Das ist der globale Süden, der seit Jahrzehnten unter einer immer stärkeren Ungleichheit leidet und teilweise auch, zumindest symbolisch, unter den wahnwitzigen außenpolitischen Abenteuern, in die sich die USA gestürzt haben. Dasselbe gilt für Teile der Bevölkerung des globalen Nordens, die sich ebenfalls gekränkt und als Opfer fühlen. Fast überall, wo man diesem Ressentiment begegnet, trifft man auch auf ein größeres Verständnis für Putins Vorgehen.
Ich würde nicht sagen, dass dieses Verständnis in Unterstützung umschlägt – Putin hat nämlich nichts anzubieten. Er reproduziert einfach ständig dieselben Fehler, nur in immer schrecklicheren Dimensionen. Einer meiner Kollegen formulierte mal sehr treffend das Grundprinzip der russischen Außenpolitik: „Was die anderen nicht dürfen, können wir auch.“ Es ist ja kaum zu übersehen, dass Putin genau das anstrebt, wofür er die USA kritisiert. Insofern ist es schwierig, ihn [im Ausland] zu unterstützen, aber viele wollen sich ihm in dieser Gekränktheit anschließen.
Gab es dieses Ressentiment in der russischen Gesellschaft schon vor Putin, also in den 1990ern? Oder wurde es erst unter Putin gezüchtet?
In jeder Gesellschaft gibt es immer die unterschiedlichsten Emotionen. Ein Politiker muss immer herausfinden, auf welche er setzt. Einige Gründe für diese Gekränktheit gab es [in der russischen Gesellschaft] natürlich durchaus. Sie haben mit der belehrenden Rolle zu tun, die die Vereinigten Staaten und teilweise auch Westeuropa einnahmen. Ideologisch verpackt wurde das in der Modernisierungstheorie, der zufolge es entwickelte Länder und Entwicklungsländer gibt. Und die entwickelten belehren – durchaus wohlwollend und unterstützend – die Entwicklungsländer: „Leute, macht das mal lieber so und so.“ Generell mag es niemand gern, belehrt zu werden. Schon gar nicht ein großes Land, das selbst eine imperiale Vergangenheit hat.
Generell mag es niemand gern, belehrt zu werden. Schon gar nicht ein großes Land mit imperialer Vergangenheit
In Wirklichkeit war die Situation, die sich in den 1990er Jahren entwickelte, viel komplexer. Wir dürfen nicht vergessen, dass Russland [nach dem Zerfall der UdSSR] zu einer ganzen Reihe führender internationaler Foren eingeladen wurde und Einfluss auf große globale Entscheidungen hatte. Erinnern wir uns an die Kehrtwende des damaligen Ministerpräsidenten Jewgeni Primakow über dem Atlantik, an die von Jelzin angeordnete Entsendung von Truppen nach Jugoslawien – mit einem Wort, auf Russland musste man hören. Es gab jedenfalls diplomatische Ressourcen, die man hätte ausbauen können und müssen.
Aber diesen belehrenden Ton [Russland gegenüber], den gab es durchaus. Er war das Ergebnis eines schweren ideologischen Fehlers. Angesichts des gescheiterten sozialistischen Projekts glaubten viele, es gäbe nur den einen geraden Weg: die berühmte Theorie vom „Ende der Geschichte“. Insofern ja, die Voraussetzungen für Ressentiments waren vorhanden, aber es gab auch welche für andere Emotionen.
Es gab etliche konkurrierende Narrative über den Zerfall. Eines davon war die Volksrevolution
Außerdem war die Beschreibung und das Erleben des Zusammenbruchs der UdSSR als katastrophale Niederlage ganz bestimmt nicht vorprogrammiert, es gab etliche konkurrierende Narrative [die die Bedeutung des Zerfalls für die Bevölkerung beschrieben]. Eines davon bestand darin, dass es sich um eine Volksrevolution gehandelt habe, ein ruhmreicher Moment in der Geschichte des russischen und anderer Völker, weil es ihnen gelungen ist, ihr verhasstes, tyrannisches Regime zu stürzen. Dieses Konzept hätte natürlich nicht in die Kränkung geführt.
Aber Putin hat sich für die Kränkung entschieden. Er hat dieses Gefühl immer weiter geschürt
Aber Putin hat sich für die Kränkung entschieden, was wohl teilweise mit seiner Persönlichkeit zu tun hat. Wobei es auch kein Zufall ist, dass ausgerechnet ein Mensch an die Spitze kommt, der eine angeborene Gekränktheit mitbringt. In der Folge hat Putin dieses Gefühl immer weiter geschürt. Und Kränkung ist ansteckend. Es ist eine bequeme Emotion: Erstens fühlst du dich die ganze Zeit im Recht, zweitens unverdient niedergemacht.
Sie haben mehrfach geäußert, dass Putin Ihrer Meinung nach in der Ukraine nicht Halt machen wird. Was meinen Sie damit genau? Moldawien, die baltischen Länder oder einen selbstzerstörerischen Krieg gegen die USA?
Diese Art von Weltbild kennt im Grunde keine Grenzen. „Russland hört nirgendwo auf“ ist praktisch die offizielle Formel. Das ist die Standard-Definition eines Imperiums, denn ein Imperium erkennt keine Grenzen an.
Die ersten Grenzen in Europa entstanden 1648, mit dem Westfälischen Frieden, der das Ende der Imperien einleitete. Da kam erstmals der Gedanke auf, zwischen den Ländern Grenzen zu ziehen: „Hier sind wir, da seid ihr.“ Ein Imperium erkennt diesen Gedanken nicht an: „Wir sind da, bis wohin wir gekommen sind. Und ihr seid dort, wo wir noch nicht sind. Sobald wir da sind, seid ihr weg.“
In dieser Logik gibt es prinzipiell keine Grenzen, und es ist kein Zufall, dass wir nie hören, dass Russland irgendwelche Grenzen offiziell anerkennt. Wir bekommen höchstens das unbestimmte Gefühl mit, dass es irgendwo einen Westen gibt, und der ist uns irgendwie fremd. Nicht, dass er so gar nicht zu uns gehören würde, aber doch beginnt dort ein Bereich, den man nur noch sehr schwer einnehmen kann. Der Westen natürlich in dem [ideologischen] Sinn, den er in der Sowjetzeit innehatte.
Putin sagte ganz klar und in vollem Ernst, dass ganz Osteuropa seine Einflusssphäre sei
Ich möchte an das Ultimatum [von Putin gegenüber den USA und der NATO] vom Dezember 2021 erinnern: Damals sagte Wladimir Putin ganz klar und in vollem Ernst, dass ganz Osteuropa seine Einflusssphäre sei. Wie das formell aussehen wird, mit oder ohne Verlust der formellen Souveränität – was spielt das für eine Rolle? Diese Einflusssphäre umfasst zweifellos auch die ehemalige DDR, einfach weil Wladimir Putin damit persönliche Erinnerungen verbindet. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass er dieses Territorium nicht als seines betrachtet. Putin hat definitiv vor, die Zone des Warschauer Paktes wiederherzustellen – und dann mal schauen, wie es läuft.
Ich höre oft: „Das ist doch Unfug, wie soll das funktionieren? Das ist irrational, das ist Wahnsinn, dazu hat er gar nicht die Möglichkeiten!“ Ich erinnere daran, dass das Gleiche vor Kurzem noch über die Ukraine gesagt wurde. Oder über Moldau, und jetzt hören wir, dass die moldauische, die ukrainische und die Regierung der USA Moldau als ernsthaft bedroht einschätzen. Wir haben bereits gesehen, dass Moldau in den Plänen der aktuellen Militäroperation immer wieder vorkam, es hat sich nur noch nicht ergeben.
Wir sollten zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist, wie hoch man die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass eine Handlung, die Person X unternimmt, zum Erfolg führt. Etwas anderes ist es, wie hoch man die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass Person X diese Handlung unternimmt. Man mag zu Recht der Meinung sein, dass dieses Handeln zum Scheitern verurteilt ist, aber daraus folgt nicht, dass die Person es nicht tut. Nicht, weil die Person irrational wäre, sondern weil sie zum Beispiel der Meinung ist, keine andere Wahl zu haben.
Die allgemeine [russische] Strategie sieht in etwa so aus: Wir greifen uns ein Stück, das wird für legitim erklärt, und im nächsten Schritt greifen wir uns auf Grundlage dieser Legitimität etwas anderes.
Mithilfe eines Waffenstillstands können die Gewinne gesichert und die Reserven aufgefüllt werden
[In der Logik dieser Strategie] greifen wir uns, grob gesprochen, zuerst die Ostukraine, mithilfe eines wie auch immer gearteten Waffenstillstands. Auf diese Weise können die Gewinne gesichert und die Reserven aufgefüllt werden. Die globale Wirtschaft hat somit einen guten Grund, nach Russland zurückzukehren (das sie größtenteils gar nicht verlassen hat), während im Gegensatz dazu unter solchen Bedingungen niemand in die Ukraine investieren wird. Das schafft die Voraussetzungen für einen weiteren Vorstoß [Russlands] in der Ukraine.
Putin ist überzeugt, dass die NATO auseinanderbrechen wird, sobald die Zeit gekommen ist, Artikel 5 auf die Probe zu stellen
Daraufhin werden in Europa bald Stimmen zu hören sein, die sagen: „Am Ende war es doch ihr Territorium, jetzt haben sie sich geeinigt und gut ist.“ Aber Moment mal, wenn das „ihr“ Territorium ist, russisches Territorium, weil man dort russisch spricht, was ist dann zum Beispiel mit dem Osten Estlands? Man kann antworten: Aber Estland ist in der NATO! Doch wird die NATO um Estland kämpfen? Putin ist überzeugt: Sollte Artikel 5 der NATO zum richtigen Zeitpunkt auf die Probe gestellt werden, dann würde die NATO auseinanderbrechen. Und das aus einem einfachen Grund: Sie wissen im Grunde, dass sie sich etwas genommen haben, das ihnen nicht gehört, und deswegen werden sie kneifen und nicht darum kämpfen, wenn es ernsthaft bedroht wird.
Wenn niemand in Westeuropa bereit ist, für die Gebiete im Osten zu kämpfen (zur Erinnerung: All das geschieht [in diesem Szenario], nachdem Russlands Annexion ukrainischer Gebiete durch unterschriebene Dokumente legitimiert wurde), dann gibt es da natürlich noch die USA. Aber die USA könnten zu diesem Zeitpunkt bereits einen anderen Präsidenten haben, dem Osteuropa nicht so wichtig ist.
Putin wird so viel bekommen, wie man ihm lässt
Lassen Sie mich klarstellen: Ich halte das Gesagte nicht für das wahrscheinlichste Szenario. Es beschreibt Putins Strategie, aber Putin beherrscht nicht die Welt – er wird so viel bekommen, wie man ihm lässt. Aber völlig ausgeschlossen ist das alles nicht. Ich spreche von durchaus realistischen Dingen.
Man kann sich gut vorstellen, dass Putin und sein engster Kreis am 24. Februar 2022 so gedacht haben. Aber es ist ein Jahr vergangen – und der Westen ist nicht zersplittert, mehr noch, er leistet der Ukraine spürbare Unterstützung. Ist es denkbar, dass dieses Jahr und die Ergebnisse der russischen Militärkampagne sich auf die Weltsicht, die Sie gerade beschrieben haben, ausgewirkt haben?
Ja, bestimmt. Ich nehme an, Wladimir Putin ist jetzt überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Selbst wenn er Zweifel hatte, dann [weiß er jetzt, dass sie] unberechtigt [waren]. Dieses letzte Jahr hat ihm gezeigt: Wenn der Westen so sehr an der Ukraine hängt, dann ist sie offenbar doch eine Schlüsselregion, von der aus man ihn angreifen wollte. Außerdem ist es [aus Putins Sicht] gut, dass die aktuellen Probleme sich vor dem echten Krieg offenbart haben, den die russische Führung für unausweichlich hält. Viel schlimmer wäre es [in ihrer Logik], mit dieser Armee in diesen [zukünftigen] großen Krieg zu gehen. Das heißt, alles, was geschieht, bestärkt Putin nur in seinen Ansichten.
Der geplante Blitzkrieg um Kyjiw ist gescheitert. Aber wer sagt, dass das der einzige Plan war?
Es gibt so eine Phrase: „Putin hat sich verkalkuliert“. Aber wir sollten endlich aufhören, Wladimir Putin so geringzuschätzen. Sicher, wir haben gesehen, dass ein Blitzkrieg um Kyjiw geplant war, und der ist gescheitert. Aber wer sagt, dass das der einzige Plan war?
Dieser Krieg wurde jahrelang vorbereitet. Es wäre merkwürdig, wenn es nur einen Plan gäbe. Bei einem Machthaber, der seit Langem an nichts anderes denkt als an die Vorbereitung auf diesen Krieg, funktioniert das so nicht. [In Putins Logik klingt das so:] „Ja, es ist nicht perfekt gelaufen, aber das macht nichts, wir bleiben dran. Wir sind bereit, so viel Blut zu vergießen, wie nötig ist – und sie sind es nicht. [Die Ukraine] gehört uns, und irgendwann werden sie das einsehen und aufhören, ihre wertvollen Ressourcen zu opfern.“
In Putins Logik klingt das so: Wir sind bereit so viel Blut zu vergießen, wie nötig ist – und sie sind es nicht
Ich sage nicht, dass diese Taktik funktionieren wird. Mehr noch, ich denke, dass Putins eigene Logik ihn zur Niederlage verdammt – unbewusst will er verlieren. Die Frage ist, wie viele Menschen sterben werden, bevor es dazu kommt. Aber wenn wir die Situation vorhersehen wollen, müssen wir die Logik verstehen, nach der die Menschen handeln [, die in Russland an der Macht sind].
Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, das Putin zwingen würde, sein Weltbild in Zweifel zu ziehen?
Dieses Dossier sollte ursprünglich „Krieg und Strafe“ heißen. Die Strafe ist noch in weiter Ferne, der Krieg behält die Oberhand, manchmal scheint es gar, dass er sich zu einem Flächenbrand ausweitet. Schon seit Jahrzehnten sagen wir „nie wieder“, die Friedensappelle verhallen aber. Was sind die Ursachen von Gewalt? Was sind ihre Logiken? Wie kann man sie überhaupt fassen? Solchen Fragen widmet sich dieses Dossier.
Das kürzlich veröffentlichte „offizielle Strategiepapier“, in dem die schrittweise Einverleibung von Belarus bis 2030 durch Russland skizziert wird, scheint weiteres Unheil für Alexander Lukaschenko zu bedeuten. Auch wenn viele der darin enthaltenen Pläne alles andere als neu sind. Die Integration von Belarus in den Unionsstaat wird vor allem seit 2021 auf wirtschaftlicher und militärischer Ebene mit Nachdruck umgesetzt. Entsprechend zurückhaltend äußerte sich der belarussischen Machthaber zu dem bekannt gewordenen Papier: „Russland hat seine eigene Strategie, so auch in Bezug auf Belarus – um mit seinen Brüdern in Frieden und Freundschaft zu leben.“ Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Jahr, der gerade am Anfang auch vom belarussischen Territorium aus geführt wurde, sehen nicht wenige Analysten die Souveränität von Belarus ohnehin als höchst gefährdet an. Lukaschenko hat sein Land seit den historischen Protesten von 2020 in eine Situation manövriert, in der es aus dem Zugriff von Russland kaum noch ein Entrinnen zu geben scheint.
Was bedeutet diese Situation und insgesamt der Krieg, in den sich Lukaschenko heillos verstrickt hat, für Belarus und die Zukunft des Landes? Der belarussische Journalist Alexander Klaskowski zieht ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion für das Online-Medium Pozirk umfassend Bilanz.
Vor einem Jahr hat Russland versucht, von belarussischem Territorium aus Kiew einzunehmen. Der am Morgen des 24. Februar begonnene „Blitzkrieg“ wuchs sich zu einem langwierigen Krieg aus, der zur Gefahr für Russland wurde und in dem Lukaschenkos Regime sich als Unterstützer des Aggressors wiederfand. Trotz allem gelingt es dem belarussischen Präsidenten aber bislang, einer Entsendung eigener Truppen in den Kampf gegen die Ukrainer auszuweichen.
Darüber hinaus hat die belarussische Regierung sogar einigen finanziellen Gewinn aus dem Status des einzigen Verbündeten der Russischen Föderation gezogen. Der Preis dafür ist im Gegenzug jedoch die immer stärkere wirtschaftliche und politische Bindung an den Kreml.
Die Wirtschaft hält stand, doch der Preis ist die immer größere Abhängigkeit von Moskau
Der westliche politische Mainstream neigt zu der Einschätzung, dass Lukaschenko die Eigenständigkeit praktisch verspielt hat und vollständig zur Marionette Moskaus geworden ist. Dem Anführer des belarussischen Regimes selbst ist das unangenehm, er versucht, sich als potentieller Friedensstifter darzustellen.
Heute zeichnet sich ab, dass Belarus dank russischer Unterstützung die Auswirkungen der westlichen Sanktionen für die Kriegsbeteiligung abmildern konnte. Die apokalyptischen Prognosen einer Reihe von Experten sind nicht eingetreten: Das BIP fiel im vergangenen Jahr nur um 4,7 Prozent. Das ist unangenehm, aber längst keine Katastrophe für das Regime, ein wirtschaftlicher Spielraum bleibt erhalten. Staatsbeamte prahlen mit einem „historisch hohen“ Außenhandelsüberschuss von etwa 4,5 Milliarden Dollar.
Minsk erhält von 2023 bis 2025 günstiges Gas (128,52 USD pro 1000 Kubikmeter) – früher mussten in der Weihnachtszeit stets aufs Neue Preiskämpfe geführt werden. Außerdem wurden Steuererleichterungen für die Erdölraffinerien (deren Rentabilität sich dadurch erhöht) sowie ein Aufschub der Schuldenrückzahlungen erwirkt.
Lukaschenko klammerte sich euphorisch an die Idee der Importsubstitution. Belarus erhielt in diesem Kontext einen Kredit in Höhe von 105 Milliarden Russischer Rubel (1,3 Milliarden Euro). Dafür bietet Minsk beispielsweise seine Mikroelektronikprodukte an und ist gar bereit, Kampfflugzeuge vom Typ Su-25 zu produzieren.
Belarussische Mikrochips, das gibt Lukaschenko zu, sind im weltweiten Produktvergleich ziemlich klobig. Doch Moskau ist durch die Sanktionen und den Weggang westlicher Firmen im Moment nicht in der Position, die Nase zu rümpfen. Deshalb nehmen die russischen Nachbarn viele belarussische Waren – sowohl für den militärischen, als auch für den zivilen Bedarf – mit Kusshand.
Dank Moskau konnte Belarus einen Teil seines Exports retten, nachdem ein ordentliches Stück des Handels mit Europa und der gesamte Handel mit der Ukraine weggefallen waren. Kalium geht zum Beispiel nun nach China, auf dem Landweg und per Schiff über Russland. Minsk wurde sogar großzügig ein Liegeplatz im Hafen Bronka bei Sankt Petersburg zugesprochen.
Doch all das geschieht zum Preis einer stärkeren Abhängigkeit von Russland, mit dem bereits mehr als 60 Prozent des Außenhandels laufen. Auch die Abhängigkeit im Transitbereich erhöht sich fatal. Minsk muss 28 Unionsprojekte umsetzen, die auf eine stärkere, auch institutionelle, Anbindung der belarussischen Wirtschaft an die russische abzielen.
Der Krieg hat dem Prozess der „Unionsintegration“ die Sporen gegeben, an dessen Ende die Einverleibung droht. Auch für eine neue belarussische Regierung würde es höchst kompliziert, diese Schlinge zu lösen.
In Belarus walten russische Generäle
Besonders traurig steht es um die militärische Souveränität und die Außenpolitik (von der vielgepriesenen Multivektoralität ist kaum noch etwas geblieben). Lukaschenko bleibt zwar Oberbefehlshaber der Streitkräfte, faktisch walten auf belarussischem Territorium jedoch russische Generäle. Unter dem Vorwand des Aufbaus einer gemeinsamen regionalen Armee-Einheit holen diese russischen Generäle jetzt ihre „Mobilisierten“ nach Belarus, um morgen (vielleicht nicht direkt morgen, die Formation einer Angriffstruppe braucht Zeit) wieder einen Angriff auf die Ukraine von Norden her zu starten.
Unabhängige Analytiker sind sich einig, dass der belarussische Präsident, sollte Wladimir Putin ihm die entscheidende Frage stellen, die eigene Armee in den Krieg schicken würde, ob er will oder nicht. Damit kann man gleichzeitig die gängige These anzweifeln, der Kreml würde Belarus in dieser Frage ohnehin schon in den Schwitzkasten nehmen wollen. Wenn er das wirklich wollte, hätte er es schon längst getan. Putin demonstriert seinen Standpunkt offen: Im Dezember flog er nach Minsk, machte viele teure Geschenke finanzieller und wirtschaftlicher Natur. Das erweckt nicht gerade den Anschein eines weiteren Konflikts zwischen den Erbverbündeten. Zu Konfliktzeiten hat Moskau den Geldhahn zugedreht.
Vermutlich konnte Lukaschenko seinem Moskauer Gegenüber bislang überzeugend vermitteln, dass Belarus besser als Aufmarschgebiet, Truppenübungsplatz und Lieferant dringend nötiger Produkte dienen kann, anstatt die belarussischen Spezialeinsatzkräfte (andere kampfbereite Einheiten gibt es kaum) an der ukrainischen Front in Hackfleisch zu verwandeln. Und außerdem, lieber Wolodja, schützen wir deine Spezialoperation davor, dass das niederträchtige NATO-Messer im Rücken landet! Ein Kriegseintritt, ganz ehrlich, könnte auch die innenpolitische Situation auf unserer kleinen Insel der Stabilität kippen lassen.
Natürlich kann Putin, dessen Rationalismuslevel viele Analytiker bis zum 24. Februar 2022 stark überschätzten, diese Argumente jederzeit vom Tisch wischen und seinem Verbündeten sagen: Nein, Bruder, genug der Umschweife und genug im Hinterland herumgedrückt! Wir gehen gemeinsam in die entscheidende Schlacht! Und Lukaschenko hat immer weniger Ressourcen, sich dem imperialen Draufgänger zu widersetzen.
Der Opposition fehlen starke Hebel, dem Regime die Manövrierfähigkeit
Auch die politische Opposition, die seit den Ereignissen 2020 ihre Geschäfte im Ausland führt, hat kaum Möglichkeiten, einen belarussischen Kriegseintritt abzuwenden. Von den Möglichkeiten, einen Regimewechsel zu bewirken, ganz zu schweigen.
Unter den Bedingungen der irrsinnigen Repressionen, in einer von unmäßiger Angst gezeichneten Gesellschaft, ist es unrealistisch, einen Partisanenkampf zu führen oder den Plan Peramoha [dt. Sieg] umzusetzen. Das gibt auch das Übergangskabinett von Swetlana Tichanowskaja zu. Das belarussische Freiwilligenkorps Kastus Kalinouski, das auf Kiews Seite kämpft, verspricht, später auch das eigene Land von der Diktatur zu befreien. Doch aus heutiger Sicht ist das eine poröse und nebulöse Perspektive.
Dabei ist offensichtlich, dass das Kalinouski-Korps nicht nur die belarussische Ehre auf dem Schlachtfeld gegen das Imperium rettet, sondern bereits zum politischen Phänomen geworden ist. Das Gerangel um die Sympathie des Korps (der politische Veteran Senon Posnjak will im Verbund mit dem Korps ein neues Zentrum der Opposition, den „Sicherheitsrat“, gründen) droht die Spannungen in der politischen Emigration nur zu vergrößern. Kiew seinerseits spielt mit dem Korps und ignoriert Tichanowskaja faktisch. Lukaschenko wiederum versucht diese Realpolitik der ukrainischen Regierung auszunutzen, um sein eigenes Spiel mit ihr zu spielen (vor Kurzem ließ er versehentlich einen geheimen Nichtangriffspakt durchblicken). Doch auch der Kreml überwacht dieses Spiel und ließ dem gerissenen belarussischen Partner aus dem Mund des Außenministers Sergej Lawrow eine verdeckte Notiz zukommen.
Die Knute des Kreml, das Etikett des Ko-Aggressors, aber auch der politische Terror im eigenen Land (den der Führer nicht beenden mag), begrenzen die Manövrierfähigkeit des Minsker Regimes in Richtung Westen. Wenngleich einige in Europa (erwähnt sei hier der kürzliche Besuch des ungarischen Außenministers Péter Szijjártó in Minsk) eine Sondierung des Feldes nicht ablehnen. Doch die Zeiten, in denen Lukaschenko die geopolitische Schaukel flott anschob, sind vorbei. Die Schwelle zum Westen liegt für den toxischen belarussischen Regenten momentan außerordentlich hoch.
Der Kriegsausgang kann ein Fenster für Veränderungen öffnen
Wenngleich dieser Krieg für viele unerwartet hereingebrochen ist, nähert sich Lukaschenkos langjähriges Spiel mit dem Imperium einem vorhersehbaren Finale. Er hat sich im imperialen Casino glattweg verzockt. Der Krieg wurde dabei zu einem mächtigen Katalysator für den zerstörerischen Prozess der schleichenden Einverleibung, vergrößerte die Kluft zwischen dem belarussischen Zarenregime und der demokratischen Welt.
Darüber hinaus hat die Reputation der Belarussen, deren Image durch die starken Proteste 2020 aufgewertet worden war, stark gelitten, das Verhältnis der Ukrainer zu ihnen hat sich verschlechtert, im Ausland ist Diskriminierung zu beobachten. Dank verdienen Tichanowskajas Team und andere demokratische Kräfte, die zeigen, dass Lukaschenkos Regime nicht mit dem belarussischen Volk gleichzusetzen ist.
Der Herrscher aber, auch wenn ihn wohl das Gespenst von Den Haag plagt, beweist auch in der aktuellen Situation der höheren Gewalt virtuosen Einfallsreichtum. Sollte Putins Regime durch eine Niederlage in der Ukraine ins Wanken geraten, wird sein Verbündeter wohl versuchen, sich so weit wie möglich von der leckgeschlagenen russischen Titanic zu entfernen. Ein Sieg der Ukraine würde auch ein Fenster für einen Regimewechsel in Belarus eröffnen. Denn das Regime stützt sich nur auf zwei Dinge – die schrecklichen Repressionen und Moskau. Wird Moskau schwächer, leiden auch die Ressourcen der belarussischen Diktatur.
Doch der Ausgang dieses Krieges ist bislang schwer vorhersehbar. Das erste blutige Jahr hat geendet, das zweite verspricht bislang, nicht weniger blutig zu werden.
Ein Jahr des brutalen Wahnsinns und Schreckens liegt hinter uns, vor allem hinter den Menschen in der Ukraine, hinter deren Angehörigen und den Geflüchteten. Das, was bevorsteht, verspricht nichts Besseres. Am Dienstag, bei seiner Rede vor der Föderalversammlung, hat Putin die Bevölkerung eingeschworen auf einen langen Krieg.
Ähnlich sieht Maxim Trudoljubow die Lage. In seinem Text Die schwindende Macht der Angst, den wir als eine Art Bilanz dieses Jahres ausgesucht haben, beschreibt der Autor die Situation ungefähr so: Putins Angstmache gen Westen hat nicht die gewünschte Wirkung gezeigt – nach innen jedoch hat sie gewirkt. So stark gewirkt, dass sich das Land im und auf den Krieg einrichtet. Das zweite Publish dieser Woche zeigt den Schrecken der Wehrlosesten. Bilder vom Krieg #10: „Dieser Junge steht für tausende von Kindern, die getötet werden“.
Das zurückliegende Jahr bekommt von uns heute keine Beschreibung in großen Worten. dekoder hat versucht, die Geschehnisse adäquat zu begleiten und abzubilden. Fühlt euch eingeladen nachzulesen und nachzuschauen: Das Dossier zum Krieg sammelt chronologisch die Materialien, die wir veröffentlicht haben.
Zunächst sind dort übersetzte Medientexte – kritische Perspektiven aus Russland und Belarus, dazu angesichts der neuen Lage erstmals auch Stimmen aus der Ukraine. In Bezug auf Russland war vor allem eine Verlagerung der Medien auf YouTube zu bemerken – ein Marker dafür, dass wir am Ende dieses Kriegsjahres feststellen müssen: Viele unabhängige Medien wurden mit Beginn der Invasion von der russischen Führung ins Exil gezwungen. Die belarussischen Medien und Journalisten haben sich bereits vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Ausland eine neue Arbeitsbasis geschaffen. Sie waren im Zuge der historischen Proteste von 2020 schließlich ins Exil getrieben worden – auch in die Ukraine, von wo sie mit dem Beginn des Krieges wieder flüchten mussten. Zwei wissenschaftsbasierte Formate haben in diesem Jahr auf dekoder stark an Gewicht gewonnen, um auf aktuelle Fragen reagieren zu können. Das schnelle Fragenformat Bystro und die FAQs. Zusammengefasst sind Letztere in dem Special Russlands Krieg gegen die Ukraine – Fragen und Antworten. In den ersten Tagen des Angriffskriegs haben wir aufgrund der überbordenden Menge an wichtigen Informationen begonnen, auch externe Leseempfehlungen zu sammeln. Neu enstanden ist die Reihe Bilder vom Krieg, die wir seit Mai veröffentlichen, jeweils begleitet von Texten der Fotografinnen und Fotografen. Unmittelbar nach dem 24. Februar begannen wir bis April mit einem Fototagebuch aus Kyjiw, das zu diesem Zeitpunkt half, die unfassbare Situation wahrzunehmen. Es war damals ähnlich grau wie jetzt.
Mittlerweile ist aus den übersetzten Medientexten ein Buch zu diesem Jahr entstanden – die FlugschriftDas ist ein Ozean aus Wahnsinn – kritische Stimmen zum Krieg aus Russland und Belarus, die dieser Tage bei der edition FOTOtapeta erscheint und jetzt beim Verlag zu bestellen ist. Auf WDR 3 haben wir das Buch bereits vorgestellt, live machen wir das am 2. März in Berlin in der Kurt-Tucholsky-Buchhandlung. Wir freuen uns, wenn ihr kommt.
Vielen Dank an alle, die dekoder in diesem Jahr unterstützt haben und damit geholfen haben, nicht in Sprachlosigkeit zu fallen. Wir hoffen, dass wir durch unsere Arbeit einen Teil leisten konnten auf dem Weg.