Leviathan

Der Film Leviathan von Andrej Swjaginzew ist ein 2014 erschienenes russisches Sozialdrama. Der international beachtete und mit dem Golden Globe gekrönte Film löste in Russland aufgrund der kritischen Darstellung der russischen Lebensrealität heftige Kritik aus.

Der Leviathan (hebräisch: der sich Windende) ist in der jüdisch-­christlichen Mythologie ein bösartiges, von Menschen unbezwingbares Mischwesen aus Krokodil, Drache, Schlange und Wal und findet sich unter anderem im Alten Testament im Buch Hiob. Im 17. Jahrhundert wählte der englische Philosoph Thomas Hobbes in seinem gleichnamigen Werk die Figur des Leviathans, um die Allmacht des Staates zu beschreiben.

Der Film Leviathan (2014) von Andrej Swjaginzew greift diesen Gedanken auf und kritisiert die Machtfülle der Triade aus Staat, Verwaltung und Kirche in Russland. Das Sozialdrama thematisiert – wie bereits Swjaginzews Film Elena (2011) – Korruption und fehlende Rechtsstaatlichkeit in Russland. Im Film wird mit einem kolossalen Walgerippe der Bezug zum Seeungeheuer Leviathan hergestellt, das metaphorisch für die drei zentralen Themen des Films – Chaos, Boshaftigkeit und Neid – steht.

Gedreht inmitten der spektakulär-­rauen Küstenlandschaft des russischen Nordens, erzählt Leviathan in der epischen Bildsprache des Kameramanns Michail Kritschman ein Familiendrama, in dem die Hauptfigur Nikolaj Sergejew sich einem korrupten Bürgermeister widersetzt, der es auf sein Grundstück abgesehen hat. Die biblische Warnung Hiobs vor dem Leviathan trifft in diesem Fall auf den allmächtigen und skrupellosen Bürgermeister zu: „Niemand ist so kühn, dass er ihn reizen darf.“ Im aussichtslosen Kampf um seine Rechte sucht Nikolaj die Unterstützung eines alten Freundes, des gut vernetzten Moskauer Anwalts Selesnjow, aber auch mit seiner Hilfe lässt sich das staatliche Monster nicht besiegen. Stattdessen verliert Nikolaj in der modernen Adaption der Hiobsgeschichte sein gesamtes bisheriges Leben.1

Der Film stieß im Ausland auf große Beachtung und bekam viel positive Resonanz. Die Zeitung Die Welt schrieb, dass „selten jemand den von vielen Russen so empfundenen Alltag himmelschreiender Ungerechtigkeit und die Hilflosigkeit der Bürger [schonungsloser] dargestellt“ hat.2 Leviathan gewann als erster russischer Film seit Jahrzehnten einen Golden Globe und war als bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert.

Im zunehmend patriotisch gestimmten gesellschaftlichen Klima Russlands jedoch, in dem staatlich gesteuerte Medien üblicherweise ein positives Russlandbild zeichnen, stieß der Film auf heftige Kritik und Ablehnung, und Swjaginzew wurde als Vaterlandsbeschmutzer beschimpft.3 Der Philosoph Michail Ryklin sieht den Grund für die Ablehnung darin, dass „Russlands Bürger darin ihr Spiegelbild erblicken (zumindest im Ansatz) und sich erschrecken. Diese Blickrichtung wird ihnen aber – insbesondere nach der Besetzung der Krim – von Putins Fernsehpropaganda erfolgreich abgewöhnt“.4

Die Regierung kritisierte den Film, da er Klischees über trinkende Russen und korrupte Funktionäre verbreite und Regierungskritik übe. Kulturminister Wladimir Medinski war dabei einer der schärfsten Kritiker, obwohl der Film aus Mitteln des Ministeriums gefördert worden war. Er sprach sich in der Folge dafür aus, solch „unpatriotische“ Filme nicht mehr zu fördern und schlug Richtlinien vor, die es ermöglichen sollen, Filme, die die Nationalkultur schädigten, zukünftig zu verbieten. Auch die Kirche sprach sich gegen Leviathan aus, da er zu pessimistisch sei und es an positiven Helden mangele.5

 


1.Süddeutsche.de: Hiobs Traum
2.Welt.de: „Leviathan“ – Golden-Globe-Sieger spaltet Russland
3.Spiegel.de: Russischer Film „Leviathan“: Verkommene Menschen in einem verkommenen Land
4.Kino-­krokodil.de: Der russische Leviathan​
5.Süddeutsche.de: „Leviathan“ – Golden-Globe-Sieger spaltet Russland

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