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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Bystro #13: Rassismus in Russland – kein Thema?

    Bystro #13: Rassismus in Russland – kein Thema?

    Black Lives Matter? Die russischen Debatten drehen sich eher um die Ausschreitungen in den USA als über Rassismus. Dabei ist rassistische Diskriminierung auch in Russland allgegenwärtig. Wo liegen die Wurzeln von Rassismus in Russland? Wie äußert er sich, wer ist davon betroffen? Und was tut die Politik dagegen? Ein Bystro von Julia Glathe in sieben Fragen und Antworten – einfach durchklicken.

    1. 1. Der Historiker Ivan Kurilla konstatiert, dass sich russische Debatten derzeit eher um die Ausschreitungen in den USA drehen würden als um Themen wie Rassismus und Polizeigewalt. Stellen Sie das gleiche fest?

      Tatsächlich stehen in der russischen Öffentlichkeit die Ausschreitungen im Vordergrund und nicht die Frage, welche Ursachen die Wut vieler Menschen in den USA hat. Das hat auch damit zu tun, dass die staatsnahen Medien in Russland Protest generell spätestens seit dem Euromaidan als Gefahr für die Stabilität des Landes darstellen: Laut Propaganda gehen zu Protesten gewaltbereite Chaoten, die  nur eigene Interessen verfolgen und sich gegen das Gemeinwohl stellen. 

      Dieses Denkschema wird nun auch auf die USA übertragen. So entsteht auch die Botschaft: Seht her, was in den Ländern passiert, in denen der Staat nicht die absolute Kontrolle behält. 

      Ähnlich haben die staatsnahen Medien 2015/16 auch die sogenannte „europäische Flüchtlingskrise“ reflektiert: Sie lenkten den Fokus ebenfalls auf Protest, Unruhe und Gewalt und haben damit suggeriert,  dass die demokratisch verfassten Staaten der EU die Kontrolle verlieren. Diesem Bild stellen sie nicht selten Russland entgegen: Ein stabiles Musterland, in dem alles unter Kontrolle sei.

    2. 2. Warum ist Rassismus in Russland kein Thema?

      Rassismus wird in Russland vorwiegend unter dem Begriff „Nationalitätenhass“ oder als „interethnischer Konflikt“ verhandelt. Da die  nationale staatliche Identität unmittelbar auf der Idee von Multiethnizität aufbaut, ist Rassismus grundsätzlich ein heikles Thema: Rassistische und xenophobe Tendenzen gelten damit als staatsgefährdend, was es schwierig macht, institutionellen Rassismus zu thematisieren. Laut offizieller Lesart kann Russland nicht rassistisch sein, denn im Gegensatz zu Europa ist ethnische Pluralität organischer Bestandteil russischer Staatlichkeit. Wenn also in Russland über Rassismus gesprochen wird, dann geht es meistens um Andere: die USA oder Westeuropa. Auch rechtsextreme Subkulturen wie Skinheads oder Hooligans sind manchmal Thema in den Staatsmedien; eine öffentliche Diskussion über den tiefgreifenden strukturellen Rassismus findet demgegenüber kaum statt.

    3. 3. Wo liegen die Wurzeln von Rassismus in Russland?

      Russland war im Gegensatz zu Europa keine klassische Kolonialmacht, die Menschen in  Übersee unterworfen und ausgebeutet hat. Eine Geschichte der Sklaverei, wie in den USA, gibt es in Russland nicht. Die Sowjetunion schrieb sich auf die Fahne, anti-rassistisch zu sein und präsentierte sich mit ihrem Internationalismus und Anti-Imperialismus als Gegenmodell zum europäischen Nationalismus.

      Nichtsdestotrotz ist die Geschichte Russlands durch die Eroberung großer Landesteile geprägt, woraus der multiethnische Staat hervorging. Einige russische Wissenschaftler wie Alexander Etkind vertreten vor diesem Hintergrund die Theorie der „inneren Kolonisation“:  Die Zaren und später die sowjetische Regierung betrachteten demnach die eigene multiethnische Bevölkerung als die, die kolonisiert werden muss. 

      Dabei ging es den Machthabern allerdings nicht so sehr um ökonomische, sondern vielmehr um kulturelle Aspekte. So war beispielsweise die sowjetische Modernisierung Zentralasiens auch von einer Ideologie der „Zivilisierung“ begleitet, die das Ländliche, Nomadische und Religiöse als rückständig abwertete und unterdrückte. Solche Überlegenheitsgefühle und Zuschreibungen bestehen bis heute fort und prägen in Russland den Umgang mit sogenannten Gastarbajtery aus Zentralasien, die Teile der russischen Gesellschaft als rückständig und kulturell fremd ansehen. 

    4. 4. Gegen wen richtet sich heute hauptsächlich Rassismus in Russland? 

      Insbesondere Migrant:innen aus den postsowjetischen Nachbarländern sind die Leidtragenden. Dies macht sich insbesondere auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar, wo sogenannte Gastarbajtery aus Zentralasien unter höchst prekären, unterbezahlten und gefährlichen Bedingungen ausgebeutet werden. Ermöglicht werden diese rassistischen Arbeitsmarktstrukturen durch die starke ökonomische Ungleichheit zwischen Russland und Emigrationsländern wie Tadschikistan und Kirgistan. Diese befinden sich aufgrund der Rücküberweisungen ihrer in Russland arbeitenden Staatsbüger:innen in starker Abhängigkeit von Russland. So betrug der Anteil der Rücküberweisungen am Bruttoinlandsprodukt von Tadschikistan in der ersten Hälfte der 2000er Jahre zeitweise bis zu 50 Prozent. 

      Rassismus äußert sich aber auch gegenüber russischen Staatsbürger:innen, wie zum Beispiel Menschen aus dem Nordkaukasus. Die Wurzeln dafür liegen unter anderem in den Tschetschenienkriegen, in denen russische Truppen die Separationsbewegung des muslimisch geprägten Gebiets niedergeschlagen haben. Als Teil der Kriegsstrategie setzten die Separatisten auch auf Terroranschläge gegen die Besatzer und ihre Strukturen. Vor diesem Hintergrund galt der Zweite Tschetschenienkrieg offiziell als „Anti-Terror-Operation“ und war begleitet von einer massiven Medienkampagne gegen die tschetschenische Minderheit. 

      Darüber hinaus richtet sich Rassismus auch gegen die rund 40.000 in Russland lebenden Afro-Russ:innen. Ihre Geschichte ist unter anderem mit dem sowjetischen Internationalismus und der Unterstützung anti-kolonialer Bewegungen verbunden.

    5. 5. 2007/08 waren russlandweit dutzende Städte von fremdenfeindlichen Übergriffen erfasst. Warum hört man nichts mehr darüber? 

      Bereits in den 1990er Jahren hat sich in dem politischen Vakuum der Transformation in Russland eine gewalttätige rechtsextreme Szene herausgebildet. Sie schaffte es mehrfach, Menschen zu anti-migrantischen Protesten zu mobilisieren. Diese gingen nicht selten in fremdenfeindliche Pogrome über, wie zum Beispiel 2013 im Moskauer Randbezirk Birjuljowo. Mitte der 2000er Jahre wurde Russland zudem durch eine regelrechte rechtsextreme Terrorwelle mit dutzenden Todesopfern erschüttert. Nach dem Höhepunkt des Terrors in den Jahren 2007/08 gelang es den russischen Behörden, die Stärke der Szene zu brechen: Viele führende Mitglieder der Rechtsradikalen wurden verhaftet, einige haben Suizid begangen oder verließen das Land. Zudem haben die russischen Behörden eine Reihe von rechtsextremen Organisationen und Publikationen verboten. Spätestens mit der Annexion der Krim im Jahr 2014 ist es der politischen Führung Russlands zudem gelungen, die nationalistische Bewegung weitgehend zu spalten und zu kanalisieren.

    6. 6. Ist Rassismus auch ein Problem innerhalb der Polizei in Russland? 

      Rassismus äußert sich bei der russischen Polizei insbesondere in einem allgegenwärtigen Racial Profiling. Vor allem an Metrostationen finden permanent Kontrollen von Menschen statt, die in Russland abwertend als „tschjornyje“ (wörtlich: Schwarze) bezeichnet werden. Das betrifft sowohl russische Staatsbürger:innen als auch Migrant:innen. 

      Insbesondere für Menschen ohne russische Staatsbürgerschaft ist dies nicht selten ein Spießrutenlauf, da es in Russland äußerst schwierig ist, einen legalen Aufenthaltstitel zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Polizei auch korrekte Dokumente häufig als fehlerhaft bezichtigt, um Bestechungsgelder zu erpressen. Durch diese Praxis werden viele Migrant:innen an den (Stadt-)Rand der Gesellschaft gedrängt, da sie sich nicht mehr trauen, die Metro zu nehmen.

    7. 7. Sind in Russland Proteste wie die US-amerikanische Black Lives Matter Bewegung denkbar? 

      Rassismus und Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft betrifft in Russland so viele Menschen, dass grundsätzlich ein großes Widerstandspotential besteht. Allerdings scheint es bislang kaum ein übergreifendes politisches Bewusstsein bezüglich der eigenen Lage zu geben. Diaspora-Organisationen verfolgen eher ökonomische Interessen oder kulturelle Anliegen. Hinzu kommt, dass das autoritäre politische System Proteste systematisch einschränkt. Dies gilt um so mehr für die Millionen Migrant:innen, die keinen regulären oder dauerhaften Aufenthaltstitel haben.

      Widerstand gegen rassistische Strukturen ist daher für mich am ehesten in Form erneuter Separationsbestrebungen denkbar, wie zu Beginn der 1990er Jahre. Die russische Führung ist sich dieser potentiellen Gefahr aber offensichtlich bewusst: Die territoriale Integrität und Vermeidung ethnischer Konflikte gelten im Kreml als ein Fundament für den Stabilitätserhalt des politischen Systems.
       

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    Video #32: Verfassung gegen Gay-Eltern

    Am 1. Juli sollen Russlands Wahlberechtigte über Änderungen in der Verfassung abstimmen. Das neue Datum – ursprünglich war die Abstimmung im April geplant – hat Putin auf einer live übertragenen Videokonferenz Anfang der Woche bekannt gegeben. 

    Es sind weitreichende Änderungen vorgesehen: Unter anderem sollen die Amtszeiten des Präsidenten auf Null gesetzt werden, so dass Putin bis 2036 im Amt bleiben könnte. Er wäre dann 83 Jahre alt. Die Rolle des Präsidenten soll insgesamt massiv gestärkt werden, so soll er etwa den Premier entlassen können, ohne dass die gesamte Regierung zurücktreten muss. Russisches Recht soll Vorrang vor internationalen Rechtsnormen haben. Außerdem ist etwa vorgesehen, das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare genauso in der Verfassung zu verankern wie den Glauben an Gott.

    Am 1. Juni, dem Internationalen Kindertag, tauchte in sozialen Netzwerken ein Agitationsvideo auf: In einer homophoben Erzählung wirbt es dafür, für die Änderungen in der Verfassung zu stimmen. Viele oppositionelle und liberale Stimmen kritisieren die vorgesehenen Änderungen als restriktiv und gesetzeswidrig. Außerdem sehen sie die Abstimmung als Makulatur, deren Ergebnis längst feststehe.

    Urheber des Videos ist die Mediengruppe Patriot, zu der unter anderem auch die Nachrichtenagentur RIA FAN gehört. Kuratoriumsvorsitzender von Patriot ist der Putin-Vertraute Jewgeni Prigoshin, dem auch die Sankt Petersburger Trollfabrik zugeschrieben wird.
    Nachdem das Video einen Sturm der Entrüstung in Sozialen Medien auslöste, gab Patriot ein offizielles Statement heraus: „Der Grundgedanke [des Videos] ist nicht der Kampf gegen die LGBT-Community, sondern der Schutz der Institution Familie als Bund zwischen Mann und Frau.“

     

    Das Original-Video finden Sie hier.

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  • Editorial: Erinnerung

    Editorial: Erinnerung

    „Die Erinnerungen in meiner Familie an den Krieg brechen alle irgendwann ab. Oder sie haben keinen Anfang. Oder sie beginnen erst nach dem Krieg. Es sind keine schönen und auch widersprüchliche Geschichten, über die nicht viel gesprochen wurde.“

    Dieses Editorial ist die Summe eines Versuchs. 75 Jahre nach Kriegsende in Europa hatten wir als dekoder-Redaktion die Idee, ein Echo zu geben auf eine Publikation in unserem Partnermedium Meduza: In Weißt du, da war Krieg erzählen Mitarbeiter des online-Magazins ihre Großeltern-Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Zum 75. Jahrestag antworten wir mit Erinnerungen aus der dekoder-Redaktion, gerade weil bei uns mit Декодер – читая Европу (dekoder – Europa lesen) seit Ende vergangenen Jahres der Austausch in beide Richtungen möglich ist.

    Doch es ist schwierig. Denn das Erinnern an den Krieg in Deutschland ist etwas anderes als in Russland. Die deutschen Geschichten handeln von Schuld („Irgendwann wurde mir klar, dass es gar nicht so normal ist, zwei Opas zu haben, die im Dritten Reich Richter waren.“ ), von erkannter Schuld („Nach allem, was die Deutschen verbrochen haben, ist keine Versöhnung mehr möglich. Nimm die Beine in die Hand und flieh!“) von weniger Schuld („Da war der vorsichtige Stolz meines Opas, weil sein Vater seine Funktion als Blockwart genutzt hatte, um im Krieg Juden zu verstecken“) – kurz vom Gestalten, Verwalten, Ertragen des eigenen, in gewisser Hinsicht selbst geschaffenen Horrors, vom Überleben, selten vom Verhindern.

    Ist es schwierig, den russischen Geschichten deutsche zur Seite zu stellen? Warum gibt es Unbehagen, die Erinnerungen ins Netz zu stellen? Warum teilweise Bedenken vor der Familie? Immer noch. 75 Jahre danach. Wir nehmen es wahr und tun es trotzdem, denn hier gilt Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes außer man tut es. 
    Auch wenn es ein Versuch bleibt.

    eure dekoderщiki

    [bilingbox]Leonid A. Klimov, Wissenschaftsredakteur:
    Polina Stepanowna war die Cousine meines Opas. Sie lebte in Sankt Petersburg, und nach Petersburg zu fahren, bedeutete immer, zu Tante Panja zu fahren. So nannten wir sie. Wenn wir kamen, brach der Esstisch unter den Köstlichkeiten zusammen. Schon auf dem Weg hatte man mir gesagt: Es wird aufgegessen! Es gab für Tante Panja keine größere Kränkung, als etwas auf dem Teller liegenzulassen. Nach dem Essen kehrte sie mit der Handkante die Krümel auf dem Tisch zusammen und steckte sie sich in den Mund. 
    Tante Panja war eher klein, dünn, hatte ein rundes Gesicht und große Augen, ein singendes Lachen und lautlose Tränen. Und immer redete sie über die Blockade.
    Es gab viele Geschichten. Doch hinter allen Erzählungen stand eines: der Hunger. Er war verzehrend, existentiell, vor seinem Hintergrund waren sogar die Deutschen zwar immer noch das absolute, aber dennoch abstrakte Böse. Der Hunger war überall. Vor Bomben konnte man sich verstecken, vor dem Hunger nicht. Er war allgegenwärtig.
    Zu ihrem „Blockadegeburtstag“ bekam sie von ihrer Mama eine Porzellantasse geschenkt. Ein Gegenstand von überwältigender Schönheit, bemalt mit paradiesischen Blumen. Aber völlig sinnlos: Schon damals hatte sie einen Sprung, trinken konnte man nicht aus ihr. Sie hatte 65 Gramm Brot gekostet – eine halbe Tagesration. 
    Doch selbst Jahrzehnte nach Kriegsende war sie das wertvollste Stück im Haus, niemand durfte sie berühren. Als Tante Panja starb, konnte ich mir aussuchen, was ich haben wollte, und ich entschied mich für die Tasse. Da nahm ich sie zum ersten Mal in die Hand. Sie und die Angst und den Schmerz, den sie barg.~~~Леонид А. Климов, Научный редактор:
    Полина Степановна была двоюродной сестрой моего деда. Она жила в Петербурге и поехать в Петербург означало поехать к тете Пане, как ее часто называли. Потом это изменилось, Петербург стал моим собственным, а вот Ленинград так и остался ее. 
    Она жила вместе с мужем в маленькой квартире на проспекте Просвещения. Мы приезжали, стол в гостиной ломился от еды. И уже по пути меня предупреждали – съесть надо будет все. Пожалуй, не было для тети Пани большего оскорбления, чем если что-то оставалось в тарелке. После еды она краем ладони собирала крошки со стола и отправляла их в рот.
    Тета Паня была невысокого роста, худая, с круглым лицом и большими глазами. С тихим, переливчатым смехом и беззвучными слезами. О блокаде она рассказывала всегда. 

    Историй было много, она рассказывала их в мельчайших подробностях. Но за всеми рассказами стояло одно – голод. Это была всепоглощающая, экзистенциальная проблема, на фоне которой даже немцы были хоть и абсолютным, но все-таки абстрактным злом. Голод был везде. От бомбежки можно было укрыться, а от него нет. Он был вездесущ. 
    На свой „блокадный“ день рождения она получила от матери в подарок фарфоровую чашку. Это была потрясающей красоты вещь, расписанная райскими цветами. Но совершенно бессмысленная: уже тогда она была треснута и пить из нее было невозможно. Стоила она 65 граммов хлеба – половину дневного рациона. Но и спустя десятилетия после окончания войны это была самая дорогая вещь в доме – ее никто не имел права до нее дотрагиваться. Когда тетя Паня умерла, мне разрешили взять на память то, что я хочу, и я выбрал эту чашку. Тогда я впервые взял ее в руки – в ней были боль и страх.[/bilingbox]


    [bilingbox]Tamina Kutscher, Chefredakteurin:
    Ein Foto: Das Kaufhaus meiner Großeltern väterlicherseits in einer Kleinstadt in Mähren. Aus jedem Fenster hängen Flaggen, auf jeder Flagge ein Hakenkreuz. Es ist das Jahr 1939. 
    Sechs Jahre später ist mein Großvater in Kriegsgefangenschaft – im ehemaligen KZ Auschwitz. Er schreibt seiner Frau nach Hause, dass nach allem, was die Deutschen verbrochen hätten, keine Versöhnung mehr möglich sei. Sie solle die erste Gelegenheit ergreifen, um Mähren zu verlassen und nach Deutschland zu gehen. Das Kaufhaus überschreiben meine Großeltern einem tschechischen Angestellten. Er wird später enteignet. Aber das weiß zu dem Zeitpunkt noch keiner. 
    Meine Großmutter macht sich mit fünf Kindern im Flüchtlingstreck auf Richtung Bayern. Nach einem Tieffliegerangriff auf den Treck findet sie ein Baby neben der toten Mutter im Straßengraben, nimmt es mit und gibt es an einer Rot-Kreuz-Station wieder ab. Mein Onkel fasst mit der Verzweiflung eines 10-Jährigen den Vorsatz, eine Pistole zu besorgen und die ganze Familie zu erschießen. Als Erwachsener erzählt er davon und lacht.~~~Тамина Кучер, главный редактор:
    На фотографии магазин моих деда и бабушки по отцовской линии в каком-то городке в Моравии. В каждом окне флаг, на каждом флаге свастика. 1939 год. Через шесть лет мой дед в плену — в бывшем концлагере Освенцим. Он пишет домой жене, что после всех преступлений, совершенных немцами, никакого прощения быть не может. Она должна при первой же возможности уехать из Моравии в Германию. Магазин этот моя семья переписала на работавшего у них чеха. Позже все имущество национализируют. Но этого пока никто не знает.
    Бабушка с пятью детьми в колонне немецких беженцев отправляется в сторону Баварии. После авианалета на их колонну, в канаве, рядом с мертвой женщиной она находит младенца и несет его до следующего поста Красного креста. Мой дядя, с отчаянием десятилетнего мальчика, твердо решает раздобыть пистолет и застрелить всю свою семью. Спустя много лет он вспоминает эту историю со смехом.[/bilingbox]


    [bilingbox]Polina Aronson, Redakteurin:
    Ich lebe seit zwölf Jahren in Berlin. Oft habe ich die Frage gehört, von Deutschen wie von Russen: „Wie kannst du als Enkelin Überlebender der Blockade, zudem noch als Jüdin, mit Deutschen zusammenleben?” Die Antwort fand ich, wo ich sie am wenigsten vermutet hätte – im Blockade-Tagebuch meines Großvaters mütterlicherseits, Oscher (Iosif) Basin.
    Mein Opa beginnt sein Tagebuch mit einem Goethe-Zitat. Nur wer seine Vergangenheit kennt, versteht die Gegenwart. Nicht die Deutschen nennt er den Feind, er benutzt selbst in den schrecklichsten Momenten beharrlich das Wort Faschisten oder Hitleranhänger. Als er aus der Prawda von der Massenvernichtung von Juden erfährt, wo seine Eltern zurückgeblieben waren, schreibt er: „Das sind nicht mal Menschenfresser oder Tiere. Das sind Hitler-Faschisten. Das ist es: Diese Hitler-Faschisten sind eine eigene Spezies.“
    Mein Großvater stammte aus einem kleinen jüdischen Stetl und war bis zu Kriegsbeginn ein glühender Anhänger kommunistischer Ideale – er war den Bolschewiken dankbar für seine Ausbildung, für seine Arbeit, für sein Leben. 
    Nachdem er den ersten Blockadewinter überlebt hatte, wurde er nach Kujbyschewe evakuiert und ging dann an die Front. Bei Kriegsende war er in Warschau. Beinahe unversehrt kehrte er aus dem Krieg zurück – und war schwer enttäuscht von dem Kommunismus, an den er früher geglaubt hatte. 
    Ende der 1940er Jahre schickte die Leningrader Führung meinen Opa für einige Monate nach Leipzig. Von Hass war in ihm keine Spur. Der Frieden hatte begonnen – und das war sein einziger Wunsch. 
    Wenn selbst mein Großvater als Überlebender der Blockade und des Kriegs zwischen Deutschen und Nazis unterschieden hat, dann sollte ich das doch wohl erst recht können. Alles andere wäre undankbar – ihm gegenüber und gegenüber dem Land, in dem ich lebe.~~~Полина Аронсон, Редактор:
    Я живу в Берлине уже 12 лет. Сколько раз я слышала этот вопрос: „Как можешь ты, внучка блокадников, к тому же еврейка, спокойно жить с немцами?
    Ответ нашелся в самом неожиданном месте – в блокадном дневнике моего деда по материнской линии, Ошера (Иосифа) Басина. 

    Дед начинает дневник словами из Гете: „Только тот, кто знает свое прошлое, может понять свое настоящее“. Он не называет врага „немцами“ – он настойчиво пишет „фашисты“ или „гитлеровцы“. Верен себе он остается даже в самые страшные минуты. Узнав из „Правды“ о массовом истреблении евреев в тех местах, где остались его родители, он пишет: „Нет, это даже не людоеды, не звери – их имя гитлеровцы. Это просто гитлеровцы“. Выходец из небольшого еврейского местечка, до начала войны дед свято верил в идеалы коммунизма – он был благодарен большевикам за свое образование, за свою работу, за свою жизнь.

    Пережив первую блокадную зиму, Иосиф сначала эвакуировался в Куйбышев, а затем ушел на фронт и встретил окончание войны в Варшаве. Он вернулся с войны почти невредимым – и сильно разочаровавшимся в том коммунизме, в который верил раньше. в конце сороковых – ленинградское руководство отправило его в Лейпциг. Прожив там несколько месяцев, он вернулся в Ленинград, и никакой ненависти в нем не было. Наступил мир – и ничего другого он не мог пожелать. Если бы я, его внучка, позволила себе сегодня „ненавидеть немцев“ – это не было не просто неблагодарностью к стране, где я живу и работаю. Это было бы неблагодарностью к памяти деда – человека, пережившего блокаду и фронт.[/bilingbox]


    [bilingbox]Friederike Meltendorf, Übersetzungsredakteurin:
    Mein Großvater war schon immer sehr alt. Ihn umflorte irgendein Geheimnis. Ich wusste als Kind nur, dass er elf Jahre in russischer Gefangenschaft war. Und danach noch eine Doktorarbeit oder ähnliches in Philosophie geschrieben hatte. Das war für mich ein dicker Stapel Papier.
    Er war im Ersten Weltkrieg als Fliegeroffizier abgestürzt und der erste Mensch, der mit einem Wirbelsäulenbruch geheilt wurde. Dafür hatte er ein halbes Jahr gehangen. Davon hatte ich ein sehr genaues Bild vor Augen: eine Sprossenwand war da im Spiel, das einzige wo ich mir vorstellen konnte, dass man dran hängen kann. 
    Danach studierte er Jura und lernte meine Oma kennen, die als eine der ersten Frauen in Freiburg Jura studierte. Jurist und Offizier war er also und kam dann Ende der dreißiger Jahre ans Reichskriegsgericht, eines der höchsten Gerichte im Dritten Reich. Die Familie wohnte in einer Villa in Berlin Nikolassee. Es gab dort wohl eine Hitlerecke, von der es heißt – jedoch herrscht Uneinigkeit – da habe früher einmal Hitler gesessen. 
    1941 wurde dieser Opa vom Richterdienst suspendiert, weil er sich weigerte, in die NSDAP einzutreten und Zeugen Jehovas zum Tode zu verurteilen, oder weil er Urteile hinausgezögert hat, darüber gibt es unterschiedliche Geschichten.
    1945 kam er zu Besuch auf das Rittergut, wo seine Frau, meine Lieblingsoma, mit ihren drei Kindern evakuiert war: meine Mutter, die damals sieben war und ihre beiden Brüder. 
    Man hatte meinen Opa gewarnt, er solle nicht kommen, die Russen würden alle holen, doch er war der festen aufrechten Überzeugung, nichts Falsches getan zu haben. Sie nahmen ihn mit. Er kam nach Bautzen und elf Jahre später nach Hause, nach Berlin. Meine Mutter war unterdessen 19 Jahre alt.~~~Фридерике Мелтендорф, Редактор перевода:
    Сколько себя помню, мой дедушка всегда был очень старым. Еще ребенком я была в курсе, что он провел одиннадцать лет в плену у русских. А потом написал диссертацию по философии или что-то в этом роде. Для меня это была просто большая стопка бумаг.
    Во время Первой мировой он служил в авиации, и когда его самолет разбился, он стал первым пациентом, выздоровевшим после перелома позвоночника. И чтобы разгрузить позвоночник его полгода как-то подвешивали. Я очень ясно себе это представляла: наверняка, там была какая-то шведская стенка, — ну а на чем еще может висеть человек?
    Потом он поступил на юридический и познакомился с моей бабушкой, одной из первых девушек, учившихся на юрфаке во Фрайбурге. Был он, значит, юрист и офицер, и вот в конце тридцатых поступил на службу в Имперский военный суд, один из высших судов Третьего рейха. Его семья жила на вилле возле озера Николазее в Берлине. В этом доме, еще до них, говорят, бывал Гитлер – впрочем тут мнения в семье расходились.
    В 1941 году дедушку отстранили от судейской должности, так как он отказался вступать в НСДАП и не стал приговаривать к смертной казни Свидетелей Иеговы, или, по крайней мере, затягивал вынесение приговоров, на этот счет тоже были разные истории. 
    В 1945 году он приезжал в загородное поместье, где в эвакуации жила его жена, моя любимая бабушка, с тремя детьми: моей мамой и ее братьями. Дедушку предупреждали, что ехать не следует, что русские всех заберут, но он был абсолютно искренне убежден, что не делает ничего плохого. Его забрали. Он попал в Баутцен, а через 11 лет вернулся домой, в Берлин. Моей маме тогда исполнилось 19 лет.[/bilingbox]


    [bilingbox]Alena Schwarz, Controlling:
    Meine Oma war erst vier, als der Krieg begann. Ihre Erinnerungen daran setzen sich aus einzelnen Episoden zusammen. Wie sie 1943 ihre Puppe verpfändet hat, um ihrem Bruder ein Weihnachtsgeschenk kaufen zu können, oder wie sie jeden Mittag im Keller den Schimmel von der Graupensuppe abgeschöpft hat. 
    Im März 1945 entschloss sich meine Uroma, mit ihren vier Kindern aus Koszalin (dt. Köslin) in Westpommern zu fliehen. An diese Flucht in letzter Sekunde erinnert sich meine Oma sehr genau: im Rucksack nur Bettwäsche, Kleidung, für den jüngsten Bruder ein Teddy. Schnee und Eis, Dunkelheit, offene Güterzüge, im Bauch eines Schiffes, Beschuss durch Tiefflieger. 
    Meine Urgroßmutter brachte alle Kinder unversehrt quer durch Polen und Deutschland bis nach Cuxhaven. Die Familie, auf deren Hof sie untergebracht wurden, war sehr gastfreundlich und hilfsbereit. Den Neffen des Landwirts hat meine Oma acht Jahre später geheiratet. ~~~Алена Шварц, Администрация:
    Когда началась война, бабушке было всего четыре. У нее остались отрывочные воспоминания об этом времени. Например, как в 1943 году ей пришлось продать куклу, чтобы купить подарок брату на Рождество, или как в обед она каждый раз снимала плесень с перловки в подвале.
    В марте 1945 года моя прабабушка решила забрать своих четырех детей и бежать из Кезлина в Западной Померании. Это бегство в последнюю минуту бабушка помнит очень хорошо: в рюкзаке только постельное белье, одежда, плюшевый мишка младшего брата. Снег и лед, темень, товарные поезда, трюм какого-то корабля, обстрелы штурмовиков.
    Прабабушка довезла всех детей живыми и здоровыми через всю Польшу и Германию до Куксхафена. Семья фермеров, к которым они попали, была очень дружелюбна и добра к ним. Восемь лет спустя за племянника хозяина фермы бабушка вышла замуж.[/bilingbox]


    [bilingbox]Dmitry Kartsev, Redakteur:
    Mein Opa Wadja war nicht sehr gesprächig, besonders zum Ende hin. Den Großteil der Geschichten von der Front weiß ich nicht von ihm, sondern von den anderen Verwandten. Dass er und seine zwei älteren Brüder, Opa Jura und Opa Ljowa in den Krieg gingen – und wie durch ein Wunder alle drei zurückkamen. Dass er zur Pioniertruppe kam, weil er ein bisschen Deutsch konnte (falls Gefangene verhört werden mussten), und er dort mit seinen 17 Jahren als Jüngster und Liebling der Familie mit Verbrechern und Straftätern zusammen diente, da man hinter der Frontlinie Leute brauchte, die selbstständig Entscheidungen treffen konnten. Dass er einmal seiner zukünftigen Frau, meiner Oma Lisa, einen kurzen Brief schrieb: „Warum zum Teufel schreiben Sie nicht?“ (aus irgendeinem Grund weiß ich, dass das sein einziger Brief war). Dass zwischen meinem Opa und meiner Oma nicht alles einfach war (aus dem Inhalt des Briefes kann man da durchaus darauf kommen). 
    Mit eigenen Augen habe ich nur Ansichtskarten noch nicht zerstörter deutscher Städte gesehen, die er meiner Oma nach dem Sieg schickte. Sie kannten sich seit dem Kindergarten, doch er siezte sie und die Texte auf den Postkarten waren romantisch und schwülstig.
    Mein Großvater erzählte wenig vom Krieg, der nie den Schwerpunkt unseres Familiengedächtnisses bildete. Dafür bin ich ihm wohl genauso dankbar wie für seine Heldentat. ~~~Дмитрий Карцев, Редактор:
    Мой дедушка Вадя был не из разговорчивых, особенно под конец. Кажется, большую часть фронтовой истории я знаю не от него, а от других наших родственников. О том, что на войну ушел он и двое его старших братьев, деда Юра и деда Лева, — и настоящее чудо, что все трое вернулись. О том, что его взяли в саперную разведку, так как он немного знал немецкий (на тот случай, если нужно будет допрашивать пленных), — и, он 17-летний младший ребенок в семье и всеобщий любимец, служил там вместе с бандитами и уголовниками, которых брали, потому что за линией фронта нужны люди, которые умеют самостоятельно принимать решения. О том, что однажды он написал своей будущей жене, моей бабушке Лизе, короткое письмо: «Какого черта не пишете?» (почему-то мне запомнилось, что это было его единственное письмо). О том, что между бабушкой и дедушкой не все было просто (по содержанию письма, впрочем, можно было догадаться).
    Своими глазами я видел только открытки с видами еще не разрушенных немецких городов, которые он посылал бабушке уже после победы. Они были знакомы с детского сада, но он обращался к ней на «Вы», и тексты открыток были одновременно романтичными и вычурными.
    Я знаю, что дед был ранен под Вязьмой (и где-то дважды еще), его наградили, и наградной лист можно найти в интернете. Он мало рассказывал о войне, и она не стала главным содержанием нашего коллективного семейного опыта. И за это я, пожалуй, благодарен ему так же, как и за его подвиг.[/bilingbox]

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  • Debattenschau № 80: Putin forever?

    Debattenschau № 80: Putin forever?

    Es ist Dienstag, 10. März 2020, eigentlich will die russische Staatsduma über die geplante Verfassungsänderung abstimmen. Die Zukunft des amtierenden Staatspräsidenten Putin nach der Wahl 2024 scheint unklar, laut Verfassung darf er nicht mehr kandidieren. Dennoch beschäftigen sich die Abgeordneten routiniert mit den von ihm eine Woche zuvor eingebrachten Vorschlägen. Bis die Abgeordnete Valentina Tereschkowa eine aufsehenerregende Idee in die Diskussion einbringt: 

    „Warum es so verworren und kompliziert machen, wozu all die unnötige Mühe mit künstlichen Konstruktionen?“, fragt Tereschkowa, die 1963 als erste Frau im Weltall war. Es gebe doch eine einfache Lösung: Die verfassungsmäßige Begrenzung der Amtszeiten für den russischen Präsidenten zu annullieren, damit Putin wieder zum Staatschef gewählt werden kann.

    Tereschkowa, eine bekannte und geschätzte Person des öffentlichen Lebens, ist in der Duma bislang nicht als Verfassungsrechtlerin aufgefallen, insgesamt blieb sie in der russischen Politik eher unscheinbar. Ihr Vorschlag aber platzt wie eine Bombe in den Reihen der Abgeordneten. Der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, ruft schleunigst den Staatschef an, der schon kurze Zeit später in der Duma erscheint, um eine Rede zu halten. Im Prinzip, sagt Putin, wäre die Annullierung der Amtszeiten möglich, aber nur, wenn das Verfassungsgericht sie als verfassungskonform bestätigt. Außerdem müsse auch das Volk demokratisch darüber entscheiden, bei der Abstimmung am 22. April.

    Schon bevor die Duma mehrheitlich für die scheinbar überraschende Verfassungsänderung stimmt, bricht in Russland eine hitzige Diskussion los: Ist die Volte Teil eines sorgsam orchestrierten Plans, den Putin am 15. Januar mit seiner Idee von der Verfassungsänderung lostrat, oder ist sie aus der Not geboren? Was könnte den Präsidenten dazu getrieben haben, diesen Vorschlag vorbringen zu lassen: Gefahr, die aus dem Westen droht, Angst vor Machtverlust – oder gar das Coronavirus? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.

    Novaya Gazeta: Alle Hemmungen fallen gelassen

    Kirill Martynow konstatiert in der Novaya Gazeta, dass Putins „eleganter“ Plan, bis 2024 einen geregelten Machttransfer zu vollziehen und dennoch faktisch an der Macht zu bleiben, nun einer plumpen Lösung weicht:

    [bilingbox]Der Kreml hat in Bezug auf die Verfassung alle Hemmungen fallen gelassen: Putin ist bereit, so lange an der Macht zu bleiben, wie er und die von ihm selbst ernannten Richter des Verfassungsgerichts das für nötig halten.~~~У Кремля больше нет никаких конституционных комплексов: Путин готов находиться на своем посту столько, сколько сочтет нужным он сам и назначенные им же судьи КС.[/bilingbox]

    erschienen am 10.03.2020, Original

    TASS: Annullierung? Welche Annullierung?

    Pawel Krascheninnikow, Ausschussvorsitzender der Staatsduma für Staatsaufbau und Gesetzgebung, bewertet die Lösung als verfassungsgemäß – schließlich sollen die Bürger darüber abstimmen:

    [bilingbox]Es gibt da keine Annullierung […]. Die Verfassungsänderungen werden zur Volksabstimmung vorgelegt. Und wenn die Bürger dem zustimmen, dann kann er nochmal Kandidat werden. Und das wird in einem Artikel der Verfassung sowie in einem Artikel der Übergangsbestimmungen verankert.~~~Ну нет там обнуления […]. Поправки выносятся на общероссийское голосование. И если граждане это поддерживают, то он еще раз может стать кандидатом. И это будет записано в одной статье Конституции и в одной статье переходных положений.[/bilingbox]

    erschienen am 11.03.2020, Original

    Meduza: Die äußere Gefahr bestimmt den Kurs

    Meduza zitiert einen anonymen Informanten aus der Präsidialadministration. Dieser meint, dass Putin bei seiner Entscheidung von Silowiki wie Nikolaj Patruschew und Alexander Bortnikow gedrängt wurde:

    [bilingbox]‚Die äußere Gefahr bleibt und nimmt zu, ein Machttransfer in einer solchen Situation ist gefährlich. Man hat den Präsidenten davon überzeugt, dass er sich durch eine Annullierung absichern sollte, damit er die Möglichkeit hat, [im Amt – dek] zu bleiben. Und dass es besser wäre, er bliebe.‘~~~«Внешняя угроза сохраняется и растет, транзит власти в таких условиях опасен, они убеждали президента „подстраховаться“ через обнуление, что надо оставить возможность остаться. И лучше бы остаться»[/bilingbox]

    erschienen am 10.03.2020, Original

    Echo Moskwy: In einem Krieg wechselt man nicht den Befehlshaber

    Auch der kremlnahe Politologe Sergej Markow bemüht die Propagandaformel der belagerten Festung: Der Westen führe einen Krieg gegen Russland, das russische Volk sei verängstigt und dürste mehr denn je nach einem starken Leader: 

    [bilingbox]Der Oberbefehlshaber darf während des hybriden Krieges gegen Russland nicht ausgewechselt werden, das ist der Wille des Volkes. Das ist die Logik der Geschichte. Wenn also der Westen seinen hybriden Vernichtungskrieg gegen Russland fortsetzt, den er seit 2013 führt, […] dann wird das russische Volk wollen, dass Putin an der Macht bleibt …~~~Главнокомандующий во время гибридной войны против России меняться не должен, такова воля народа. Такова логика истории. Поэтому если Запад продолжит свою гибридную войну на уничтожение России, которую он ведет, начиная с 13-го года, […] тогда народ России, чтобы Путин остался у власти…[/bilingbox]

    erschienen am 11.03.2020, Original

    Facebook/Grigori Golossow: Angst vor dem Nachfolger

    Der Politikwissenschaftler Grigori Golossow glaubt, dass Putins Entscheidung improvisiert war. Der ursprüngliche Plan barg für den Präsidenten große Gefahren, meint der Dekan der Politikwissenschaftlichen Fakultät an der Europäischen Universität Sankt Petersburg:

    [bilingbox]Ich nehme an, dass die kasachische Variante, mit [Putin als Chef des] Staatsrat, lange Zeit ernsthaft erwogen wurde. Irgendwann (vielleicht sogar erst letzte Woche) hat Putin aber erkannt, dass er keinen Kandidaten finden würde, den er einerseits ernsthaft für das Präsidentenamt aufstellen könnte und der ihn andererseits nicht bei der ersten Gelegenheit aus dem Staatsrat entlassen würde. Putin hatte schlicht Angst. Ihm wurde klar, dass es nicht die Zeit ist, einen Wettbewerb mit Nasarbajew zu veranstalten, wer jetzt cooler ist: Es ist wichtiger, jetzt auf sich selbst aufzupassen.~~~Я так понимаю, что казахстанский вариант с Госсоветом довольно долго рассматривался как приоритетный, но в какой-то момент (возможно, даже на прошлой неделе) Путин понял, что он не найдет такого кандидата, которого, с одной стороны, он мог бы всерьез выдвинуть в президенты, а с другой стороны, который не уволил бы его с Госсовета при первой возможности. Просто испугался. Понял, что не время тягаться с Назарбаевым в крутизне, важнее позаботиться о себе.[/bilingbox]

    erschienen am 10.03.2020, Original

    Facebook/Kirill Rogow: Coronavirus hilft Putin 

    Auch der Politologe Kirill Rogow ist sich sicher, dass Putins Entscheidung nicht orchestriert war. Geboren sei sie vielmehr aus einer für den Präsidenten günstigen Gelegenheit:

    [bilingbox]Es war improvisiert. Putin hatte sich allem Anschein nach davor gefürchtet, jetzt anzukündigen, dass er bleibt. Er hatte Angst vor Massenprotesten. Er fürchtete sich vor einer Konsolidierung [der Opposition – dek]. Aber dann wurde ihm nahegelegt, auf das Coronavirus zu setzen: Die Überlegung, dass das Coronavirus ein guter Helfer ist, um Massenproteste zu verhindern. Es erzeugt Ängste bei den Menschen und liefert einen guten Vorwand, um Demonstrationen zu verbieten.~~~Это была импровизация. Объявлять сейчас о том, что он остается, Путин, по всей видимости, боялся. Боялся массовых манифестаций. Боялся точки консолидации. Но тут ему принесли план с коронавирусом – рассуждение о том, что коронавирус хорошее подспорье в предотвращении массовых протестов – и страхи людей, и хорошая отмазка для запрета манифестаций.[/bilingbox]

    erschienen am 10.03.2020, Original

    Facebook/Dimitri Gudkow: Putinsche Nebelkerzen

    Der Oppositionspolitiker Dimitri Gudkow glaubt dagegen, dass die im Januar angekündigte Verfassungsreform nur vom Wesentlichen ablenken sollte. In diesem Schauspiel sei der Vorschlag von Valentina Tereschkowa Teil eines orchestrierten Szenarios:

    [bilingbox]Das heißt, dieses ganze unanständige Hin und Her mit der Verfassung ist allein wegen dieses einen Moments heute angezettelt worden: für zwei neue Amtszeiten Putins. Tereschkowa, die Stalin noch gut in Erinnerung hat, hat Putin nicht hängen lassen.~~~То есть вся эта неприличная возня с Конституцией затевалась ради одного сегодняшнего момента: двух новых сроков Путина. Терешкова, хорошо помнящая еще Сталина, не подвела.[/bilingbox]

    erschienen am 10.03.2020, Original

    Geopolitiкa: Weltweites Ende des Liberalismus

    Alexander Dugin gehört zu denjenigen Intellektuellen in Russland, denen eine Nähe zum neofaschistischen Gedankengut nachgesagt wird. Putins Entscheidung bewertet der Ideologe zweideutig: Es werde zwar keine Gerechtigkeit unter Putin geben, weil dieser laut Dugin unter anderem nicht nationalistisch genug sei. Dafür werde Russland unter Putin dem Westen aber weiterhin die Stirn bieten können:

    [bilingbox]Die Politik in Russland wird bis 2036 abgeschafft, wenn vorher nichts geschieht: etwas Coronavirus-Artiges oder etwas ähnlich Unberechenbares. […] Die bedrohliche Beschwörungsformel des „langwährenden Staates“ wird real. Ja, jetzt ist klar, in welchem Sinne er langwährend sein wird … Richtig, er ist langwährend, nämlich im Sinne von „praktisch ewig“ … […]
    Es wird keine Proteste geben, oder es wird welche geben, die leichterdings durch einen einfachen Verweis auf ihren pro-westlichen liberalen Charakter erstickt werden können. Und der Liberalismus ist nicht nur bei uns, sondern einfach überall zusammengebrochen. Jetzt geht es nur noch um eine geschlossene Gesellschaft und chinesischen Zentralismus.~~~Политика в России отменена до 2036 года, если раньше ничего не случится коронавирусного или аналогично непредсказуемого.[…] Сбывается угрожающее заклинание про «долгое государство». Да, теперь понятно, в каком смысле оно будет долгим… Правда, это долго – в смысле практически «вечно»…
    […]
    Протестов не будет или будут такие, которые легко заглушить простым указанием на их прозападную либеральную природу. А либерализм рухнул окончательно не только у нас, но просто везде. Теперь только закрытое общество и китайский централизм имеют значение.[/bilingbox]

    erschienen am 10.03.2020, Original

    Vedomosti: Putin forever 

    Das System Putin habe nun auch seine letzte Maske fallen lassen, meint die Redaktion von Vedomosti:

    [bilingbox]Die vorgeschlagenen Änderungen stärken das hyperpräsidentielle, fast monarchische Machtmodell, bei dem die Imitation von Wahlen nicht verhindert, dass es praktisch jahrzehntelang von ein und derselben Person aufrechterhalten wird. Die erste Generation der unter Putin geborenen Russen könnte bereits am 22. April an der landesweiten Volksabstimmung teilnehmen. Die Verfassungsänderung, die ihnen zur Abstimmung vorgelegt wird, bedeutet: Auch ihre Kinder könnten allein unter Putin geboren werden und aufwachsen.
    ~~~Предложенные поправки укрепляют гиперпрезидентскую, близкую к монархической модель власти, в которой имитация выборов не мешает ее сохранению одним и тем же человеком в течение теперь уже фактически десятилетий. Первое поколение россиян, родившееся при Путине, уже может прийти на общероссийское голосование 22 апреля. Поправки, за которые им будет предложено проголосовать, означают, что и их дети могут родиться и вырасти при нем же.[/bilingbox]

    erschienen am 11.03.2020, Original

    Zusammenstellung: dekoder-Redaktion
    Übersetzung: Hartmut Schröder, dekoder-Redaktion

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  • Alyona Kochetkova: Als ich krank war

    Alyona Kochetkova: Als ich krank war

    Eine junge Fotografin bekommt Brustkrebs – und fotografiert ihren Heilungsprozess. „Es ist nicht leicht, Empfindungen zu zeigen, die sich im Inneren abspielen und von außen nicht sichtbar sind.“ Eine Fotoserie von Alyona Kochetkova.

     

     

    Fotos © Alyona Kochetkova
    Fotos © Alyona Kochetkova

    An meinem 29. Geburtstag bekam ich die Diagnose Brustkrebs. Es war ein Schock. Wie konnte ausgerechnet ich diese Krankheit bekommen, wo ich doch immer auf eine gesunde Lebensweise geachtet hatte? Krebs ist weltweit die zweithäufigste Todesursache. Jede achte Frau in den USA und der EU erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Und dennoch wusste ich nichts darüber, und ebenso wenig wusste ich, wie es jetzt weitergehen sollte.

    Ich war seit mehr als zehn Jahren Fotografin. Die Geschichten, an denen ich bisher gearbeitet hatte, handelten von Dingen, die sich außerhalb von mir abspielten. Als ich die Krebsdiagnose bekam, war es Zeit, mich selbst zum Gegenstand meiner Arbeiten zu machen. Dabei wollte ich nicht nur die Stadien der Krankheit dokumentieren oder eine beängstigende Geschichte erzählen. Ich wollte Bilder machen, die einen starken visuellen Eindruck erzeugen. Sie sollten das Stigma der Diagnose durchbrechen und Verständnis dafür wecken, wie sich Menschen fühlen, die mit einer schweren Erkrankung konfrontiert sind. Ich hoffe, dass meine Geschichte andere Krebspatienten ermutigt, ihren Weg durch diese schwierige Lebensphase zu finden.

    Erst hatte ich Angst um mein Leben und war zu erschöpft, um zu fotografieren. Aber mein Therapieplan gab mir Hoffnung auf Besserung – eines von vielen Gefühlen, die ich empfand, während ich versuchte, meinen Körper von der Krankheit zu befreien. Es gab Phasen der Depression, Phasen der festen Zuversicht, dass alles in Ordnung kommen würde, scheinbar endlose Phasen der Müdigkeit und Phasen morbider Selbstbeobachtung. Durch die Krankheit sah ich mein ganzes Leben mit neuen Augen. All das wollte ich in meinen Bildern erfassen.

    Anfangs habe ich die Fotos nur für mich selbst gemacht. Aber als ich im Krankenhaus anderen Krebspatienten begegnete – und besonders, nachdem ich die Bilder einer Mitpatientin zeigte, die mittlerweile eine Freundin geworden war – begriff ich, dass viele von ihnen ähnliche Gedanken und Ängste hatten wie ich. Heute sind einige gute Freunde von mir. 

    Eine der wichtigsten Eigenschaften der Fotografie ist für mich, dass sie von Dingen spricht, die sich mit Worten schwer ausdrücken lassen. Sie ist eine Universalsprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird.

    Während der Chemotherapie war mein Immunsystem geschwächt. Ich habe Selbstporträts gemacht, während ich mit Übelkeitsanfällen auf meinem Bett lag. Ich begann mit meiner roten Nachttischlampe zu experimentieren. Die Farbe traf genau meine Gefühle. Das war interessant, weil eines der wichtigsten Medikamente, die ich bei der Chemotherapie einnehmen musste, auch rot war.

    Ich konnte nicht mehr herumfahren und im Freien fotografieren wie früher. Es gab Zeiten, in denen ich nicht einmal das Haus verlassen konnte. Meine eigene Wohnung war für mich zum Gefängnis geworden. Fotografie war das einzige, womit ich mich noch beschäftigte und was mich mit dem Leben vor der Krankheit verband. Sie war auch eine Art Kunsttherapie. Das war besonders wichtig, als ich mich krank fühlte, auf mein aufgedunsenes Gesicht und meine frische Glatze starrte und mich nur noch abschotten wollte.

    Ich habe meine Haare immer lang getragen. Während der Chemo begann es auszufallen, also schnitt ich mir den Zopf ab. Das war ein schmerzloser, jedoch sehr emotionaler Verlust. Dieses Bild ist eines der einprägsamsten in meinem Projekt. Es symbolisiert die körperlichen und seelischen Veränderungen, die ich in Kauf nehmen musste.

    Ich hatte auch ein Chemobrain. Mit diesem Ausdruck beschreiben Krebspatienten und Überlebende kognitive Schwierigkeiten und Gedächtnisprobleme, die während und nach der Krebstherapie auftreten können. Ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren. Manchmal fühlte ich mich wie zerbrochenes Glas.

    Es ist nicht leicht, die Empfindungen zu zeigen, die sich ganz im Inneren abspielen und von außen nicht sichtbar sind. Nach dem ersten Chemotherapie-Zyklus spürte ich heftige Knochenschmerzen. Es fühlte sich an, als ob in verschiedenen Körperteilen glühende Asche lodert. Ich konnte nur mit Mühe eine erträgliche Körperhaltung finden. Ich habe mir einen Laserpointer gekauft und angefangen zu experimentieren.

    Ich habe versucht, meine Kräfte beisammen zu halten, und ich wusste, wie wichtig es ist, zu essen, aber ich hatte keinen Appetit. Eigentlich mag ich Borschtsch, eine nahrhafte und kräftigende Suppe mit Roter Bete und Rindfleisch, die in Russland sehr beliebt ist. Aber nach einer Chemotherapie ekelst du dich vor dem Essen. Etwas so Selbstverständliches wurde plötzlich wegen der starken Übelkeit und der Geschmacksveränderungen zu einem ernsten Problem. Deshalb habe ich Fotos von der Essenszubereitung immer wieder aufgeschoben.

    Manche ehemalige Krebspatienten möchten die Zeit ihrer Erkrankung am liebsten vergessen. Mir geht es nicht so. Das Leben ist komplex. Schmerz, Krankheit und Tod gehören ebenso dazu wie Freude, Hoffnung, Glaube und Liebe. Während meiner Therapie hat meine Schwester geheiratet. Ich habe mir eine knallrote Perücke gekauft, eines meiner Lieblingskleider angezogen und bin zur Hochzeitsfeier gegangen. Das war nicht leicht, aber es hat Spaß gemacht und ich hatte das Gefühl, dass ich trotz allem mein Leben lebe.

    Wie viele andere habe auch ich mich gefragt: Warum ausgerechnet ich? Auf diese Frage gibt es keine wirkliche Antwort. Aber als gläubiger Mensch bin ich überzeugt: Krankheit kann eine Prüfung sein, eine Strafe ist sie nicht. Sie erinnert dich an das, was dir wirklich wichtig ist – Sinnvolles zu tun, etwas zu schaffen, anderen zu helfen, statt nur zu konsumieren. Und sie ist ein Teil des Lebens, der uns etwas lehrt und zu spirituellen Wandlungen führt. Vieles, was ich für wichtig gehalten habe, hat sich als unwesentlich erwiesen und ist verblasst. Ich bemühe mich jetzt, freundlicher zu den Menschen in meiner Umgebung zu sein und mehr Zeit mit meinen Verwandten zu verbringen.

    Meine Therapie war auch für meine Familie und Freunde belastend. Und doch haben sie mir immer ihre Liebe gezeigt, mir Hoffnung und Kraft gegeben. Das ist nicht die Zeit, um zu streiten, auch wenn es vielleicht schwer fällt. Selbst die beste Behandlung garantiert keine Heilung.

    Es geht mir nicht darum, den Menschen Angst einzujagen, die in ihrem Leben keine Erfahrung mit Krebs gemacht haben. Ich will zeigen, dass meine Geschichte kein Einzelfall ist. Sie ähnelt den Geschichten vieler anderer Menschen auf der ganzen Welt, die an Krebs erkrankt sind. Nicht alle können darüber sprechen, aber alle brauchen Liebe und Unterstützung.


    Fotos: Alyona Kochetkova
    Bildredaktion: Andy Heller
    Text: Alyona Kochetkova
    Übersetzung: Anselm Bühling
    Veröffentlicht am 05.03.2020

     

     

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  • Bystro #12: Was plant Putin?

    Bystro #12: Was plant Putin?

    Am Mittwoch, 15. Januar 2020, überschlagen sich die Ereignisse: Putin regt eine Reihe von Verfassungsänderungen an (über die die Bürger in einem Referendum abstimmen sollen), dann tritt die Regierung zurück und auch Premier Medwedew, für den ein Nachfolger präsentiert wird. Was geht da vor im Kreml? Ein Bystro von Jens Siegert in fünf Fragen und Antworten.

    1. 1. Putin hat am Mittwoch Verfassungsänderungen vorgeschlagen, die dem Premier und dem Parlament mehr Macht geben würden. Am gleichen Tag trat die Regierung zurück und auch Medwedew als Premier. Was hat das alles zu bedeuten?

      Putin hat zwei große Probleme: seine sinkende Popularität und die Frage, was nach seiner jetzigen Amtszeit 2024 geschieht. Die beiden Probleme sind eng verbunden. Nach allem, was wir wissen (können), will Putin 2024 als Präsident aufhören. Er sitzt aber in der Falle aller autoritären Herrscher, nicht einfach so aufhören zu können. Sein Wohlstand, seine Gesundheit und vor allem seine Sicherheit hängen davon ab, dass er an der Macht ist. Deshalb gehen eigentlich alle Beobachter/innen davon aus, dass das Ende von Putin als Präsident nicht das Ende von Putin an der Macht sein wird. Die angekündigten Verfassungsänderungen sind (fast) alle kleine Schritte zur Vorbereitung dieses Übergangs. Durch sie wird die bisherige (fast) All-Macht des russischen Präsidenten beschnitten und anderen staatlichen Institutionen übertragen.

    2. 2. Welche Verfassungsänderungen genau sind geplant?

      Zuallererst soll das Parlament mehr Rechte bekommen. Das Unterhaus, die Staatsduma, soll künftig bei der (Aus-)Wahl des Ministerpräsidenten und der Minister mitbestimmen. Bisher durfte sie nur den Vorschlag des Präsidenten bestätigen und wenn sie es nicht getan hätte (was  allerdings nicht vorgekommen ist), hätte der Präsident sie auflösen und Neuwahlen ansetzen können. Das Oberhaus, der Föderationsrat, soll Mitspracherechte bei der Auswahl der Leiter der sogenannten „Macht-Behörden“ („silowyje wedomstwa“) bekommen. 
      Die vielleicht wichtigste Änderung betrifft den sogenannten Staatsrat. Das ist bisher ein rein konsultatives, vom Präsidenten aufgrund eines Erlasses eingesetztes Organ, das vor allem aus Regionalgouverneuren besteht. Dieses Gremium soll nun Verfassungsrang bekommen.  Außerdem soll durch eine Reihe von Änderungen „ausländischer Einfluss“ eingeschränkt werden: Etwa dürfen zukünftige Präsidenten, Gouverneure, Richter oder Minister weder eine ausländische Staatsbürgerschaft noch eine ausländische Aufenthaltsgenehmigung besitzen oder besessen haben. Der Präsident (oder, unwahrscheinlich, die Präsidentin) muss darüber hinaus die letzten 25 Jahre (derzeit 10 Jahre) in Russland gelebt haben.

    3. 3. Welche Szenarien sind nach 2024 also denkbar?

      Klarheit, welches der schon seit langem zirkulierenden Szenarien Putin für die Zeit nach 2024 wählt, gibt es nach wie vor nicht. Auch mit den angekündigten Verfassungsänderungen und dem Rücktritt der Regierung Medwedew hält sich Putin alle Optionen offen. Nur den (sicher möglichen) Verbleib als Präsident über 2024 hinaus, schließt er anscheinend aus: nicht zuletzt hat Putin eine Verfassungsänderung angesprochen, die die Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten beschränken soll
      Die Aufwertung des Staatsrates zu einem Verfassungsorgan macht die sogenannte „kasachische Variante“ ab 2024 vielleicht etwas wahrscheinlicher: Der kasachische Präsident Nasarbajew war voriges Jahr zurückgetreten, hält aber als Chef des Staatssicherheitsrats und „Führer der Nation“ alle Machtfäden weiter in der Hand. 
      In einem anderen Szenario könnte Putin das Oberhaupt eines bis dahin gebildeten russisch-belarussischen Unionsstaates werden, den es formal bereits seit Mitte der 1990er Jahre gibt. 
      Auch eine Rochade wie mit Medwedew, der zwischen 2008 und 2012 Präsident war, während Putin Premierminister wurde, ist zwar unwahrscheinlicher, aber nicht ganz ausgeschlossen. 

    4. 4. Was ist die neue Rolle Medwedews, was könnte eigentlich hinter seinem Rücktritt stecken? Und warum wird Mischustin sein Nachfolger?

      Dazu gibt es zwei mögliche Erklärungen. Beide haben etwas damit zu tun, dass es auch nach Putin einen russischen Präsidenten mit sehr viel Macht geben wird, – nach den Verfassungsänderungen jedoch auch weniger als Putin heute besitzt. Das muss, aus Putins Sicht, also jemand sein, dem er vertrauen kann und – da Vertrauen sicher nicht die bevorzugte Politikmethode Putins ist – den er glaubt kontrollieren zu können. Das dürfte auf beide, auf Medwedew wie auf Mischustin, zutreffen. 
      Medwedew hat das bereits gezeigt, als er 2012 zugunsten von Putin wieder ins zweite Glied zurücktrat und seither als Sündenbock namens Ministerpräsident alle Versäumnisse von Putins Politik auf sich nahm. Von Mischustin steht ein solcher Beweis noch aus. Aber sein gesamter Werdegang weist ihn bisher als loyalen (und effektiven) Bürokraten ohne eigene politische Ambitionen aus.

    5. 5. Könnte der nächste russische Präsident also Mischustin heißen?

      Der Rücktritt Medwedews könnte bedeuten, dass er den Platz für Mischustin als möglichen Putin-Nachfolger im Präsidentenamt freimachen musste. Es könnte aber auch bedeuten, dass Medwedew aus der Schusslinie genommen wurde, um wieder als Präsident aufgebaut zu werden. Letzteres scheint aber weit unwahrscheinlicher. Eine dritte Möglichkeit ist, dass es keiner der beiden wird. Medwedew musste deswegen gehen, weil die Unbeliebtheit seiner Regierung Putin mit nach unten zu ziehen drohte. Und Mischustin wurde gewählt, weil er so unpolitisch ist, dass er als Platzhalter für den „eigentlichen“ Nachfolger dienen kann.

     

     

     

     


    *Das französische Wort Bistro stammt angeblich vom russischen Wort bystro (dt. schnell). Während der napoleonischen Kriege sollen die hungrigen Kosaken in Paris den Kellnern zugerufen haben: „Bystro, bystro!“ (dt. „Schnell, schnell!“) Eine etymologische Herleitung, die leider nicht belegt ist. Aber eine schöne Geschichte.

     

     

     

     

    Text: Jens Siegert
    Stand: 16.01.2020

     

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  • Historische Presseschau: 20 Jahre Putin

    Historische Presseschau: 20 Jahre Putin

    „Ich habe eine Entscheidung getroffen. Lange und schmerzhaft war der Prozess. Heute, am letzten Tag dieses Jahrhunderts, trete ich zurück.“ Diese Worte von Boris Jelzin, ausgestrahlt am 31. Dezember 1999 im russischen Fernsehen, kamen völlig überraschend. Zwar hatte der Ruf des ersten postsowjetischen Präsidenten Russlands durch die Wirtschaftskrise und Korruptionsskandale in den Jahren zuvor stark gelitten, und die Niederlage im Ersten Tschetschenienkrieg wurde ihm genauso angelastet wie die Folgen der wirtschaftlichen Schocktherapie – mit einem vorzeitigen Rücktritt hatte jedoch kaum jemand gerechnet.

    Noch am selben Tag übergab Jelzin das Präsidentenamt kommissarisch an Wladimir Putin, der erst im Herbst überraschend zum Premierminister ernannt worden war. Und Putin, nicht Jelzin, hielt um Mitternacht die traditionelle Neujahrsansprache. Dabei kündigte er unter anderem Neuwahlen an für Ende März. Am nächsten Tag garantierte er mit seiner ersten Amtshandlung Jelzin und dessen Familie Immunität vor Strafverfolgung.

    In den damaligen Reaktionen auf den Machtwechsel spiegeln sich die Fragen und Hoffnungen jener Tage. Wie ist Jelzins Amtszeit, wie sein vorzeitiger Rücktritt zu bewerten? Wer ist dieser Nachfolger überhaupt und was kann man von ihm erwarten? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in den russischen Medien.

    Jelzin übergibt die Macht an Wladimir Putin – symbolisiert durch die goldene Amtskette / Foto © kremlin.ru

    Fernsehansprache Boris Jelzins

    Um zwölf Uhr mittags verkündet Boris Jelzin seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten. Kurz vor Mitternacht wird das Video in allen Regionen des Landes noch einmal gesendet.

    erschienen am 31.12.1999

    Echo Moskwy/Boris Nemzow: Würdevoller Abgang

    Bereits eine halbe Stunde nach dem Rücktritt äußert sich der einst als Jelzins Kronprinz gehandelte Boris Nemzow auf dem Radiosender Echo Moskwy zum scheidenden Präsidenten und den kommenden politischen Aufgaben:

    [bilingbox]Erstens waren sowohl Jelzins Amtsantritt als auch seine Amtsniederlegung sehr schön. Als seinen Antritt begreife ich den Moment, in dem er auf den Panzer kletterte und mit seiner ganzen Erscheinung die Freiheit in Russland verteidigte. Und auch der Moment seines Rücktritts wird, denke ich, in die Geschichtsbücher eingehen. Allein deshalb, weil es an der Schwelle zum neuen Jahrtausend geschah, und auch, weil Jelzin außerordentlich offen und aufrichtig war, und auch, weil er es meiner Ansicht nach rechtzeitig tat und gleichzeitig absolut unerwartet. […]

    Nun braucht es eine starke Kampagne. Und da kommt mir nur eine Kampagne in den Sinn: der Kampf gegen die Korruption. Und zwar nicht eine Korruptionsbekämpfung im Stile Primakows, wo nur darüber geredet wird, aber nichts geschieht. Sondern eine effektivere Bekämpfung, bei der diejenigen, die tatsächlich viel Schändliches und Gemeines angestellt haben, schnell hinter Gittern landen.

    Wenn es Wladimir Putin gelingt, vor den Wahlen wenigstens bei der Bekämpfung dieses Übels Entschlossenheit zu demonstrieren, dann liegen seine Siegeschancen klar bei 100 Prozent.~~~Во-первых, я считаю, что Ельцин и очень красиво пришел, и очень красиво ушел. Я считаю его приходом момент, когда он забрался на танк и всем своим видом защищал свободу в России. А момент отставки, я думаю, тоже попадет в учебники по истории, уже хотя бы потому, что это на пороге тысячелетий, уже хотя бы потому, что Ельцин был необыкновенно открытым и искренним, и уже потому, что он это сделал вовремя, на мой взгляд, и одновременно, абсолютно неожиданно. (…)

    Нужны будут какие-то яркие кампании. Мне в голову приходит только одна кампания, а именно борьба с коррупцией, причем борьба с коррупцией не в стиле Примакова, когда об этом говорится и ничего не делается, […] а очень эффективная борьба, когда те, которые действительно много натворили всяких гнусностей и гадостей, вдруг оказываются за решеткой. Если Владимиру Владимировичу удастся продемонстрировать хотя бы решимость перед выборами бороться с этим делом, то тогда его шансы просто 100 процентов.[/bilingbox]

    erschienen am 31.12.1999

    Radiosender Majak: Putin ist eine antidemokratische Figur

    Emil Pain, ehemaliger Jelzin-Berater und schon damals ein bekannter Politikwissenschaftler und Nationalismusforscher, gibt auf Radio Majak eine kritische Prognose zum Interimspräsidenten ab:

    [bilingbox]Ich meine, dass Putin ganz klar eine antidemokratische Figur ist, ein Anti-Reformer. Er ist ein Traditionalist, ein Sowjetmensch, der unsere Gesellschaft für eine gewisse Zeit mit imperialen Ideen ablenken wird, mit ideologischen Gedanken, und keineswegs mit Ideen, die mit der Wirtschaft zu tun haben.~~~Я считаю, что ПУТИН как раз фигура антидемократическая, антиреформаторская. Это традиционалист, советский человек, который на какое-то время отвлечет наше общество на идеи имперские, идеи идеологические, а вовсе не на те, которые связаны с экономикой. [/bilingbox]

    erschienen am 31.12.1999

    Neujahrsansprache von Wladimir Putin

    Fünf Minuten vor Mitternacht erscheint Wladimir Putin in Millionen russischen Haushalten auf dem Fernsehbildschirm und hält die traditionelle Neujahrsansprache:

    erschienen am 31.12.1999

    Literaturnaja Gaseta: Der Ruf nach einem starken Mann

    Der Philosoph und Politologe Alexander Zipko spricht in der Literaturnaja Gaseta über die Erwartungshaltung vieler Russen an den neuen Präsidenten:

    [bilingbox]Jelzin hat sich als ein sehr viel verantwortungsbewussterer und gewichtigerer Politiker erwiesen, als seine Gegner dachten. Was Putin angeht, so ist dieser deshalb sein Nachfolger geworden, weil er sämtliche notwendige Eigenschaften hat, um sich maximal an die Bedingungen unserer „Revolution des Apparates“ anzupassen, an die Interessen und Stimmungsschwankungen von Boris Jelzin. […] 

    Jelzin hat sowohl durch seine Senilität als auch durch seine gesundheitlichen Probleme und seine Verantwortungslosigkeit die Erwartungen nach einer starken, zentralisierten und entschlossenen Staatsmacht hervorgerufen und geschürt, die mutig und energisch vorgeht.
    Die Ära Jelzin, eine Ära der Stagnation und des Auseinanderdriftens der Russischen Föderation, hat das traditionelle Bedürfnis nach einer Einzelherrschaft, nach einer starken Hand des Staates verschärft. Und das Drama besteht darin, dass wir ohne extreme Maßnahmen, etwa im Kampf gegen die Kriminalität oder die Schattenwirtschaft, die derzeitige Staatskrise niemals überwinden werden.~~~Ельцин оказался куда более ответственным и серьезным политиком, чем предполагали его оппоненты. Что же касается Путина, то он стал наследником именно потому, что имел все необходимые качества, чтобы максимально приспособиться к условиям нашей аппаратной революции, к интересам и сдвигам в настроениях Бориса Николаевича. (…)
    Сам Ельцин и своей дряхлостью, и своей болезненностью, и своей безответственностью спровоцировал и обострил ожидание сильной, централизованной и решительной власти, которая будет действовать смело и энергично. Эпоха Ельцина, эпоха стагнации и расползания Российской Федерации обострила традиционную потребность в единоначалии, в крепкой государственной руке. И драма состоит в том, что без чрезвычайных мер, скажем, и по борьбе с преступностью, и по восстановлению контроля над теневой экономикой мы никогда не преодолеем нынешний государственный кризис.
    [/bilingbox]

    erschienen am 13.01.2000

    Izvestia: Die historische Rolle Putins

    In der reichweitenstarken Zeitung Izvestia findet die Journalistin Swetlana Babajewa versöhnliche Worte für Jelzin und erklärt Putin zum richtigen Mann für den notwendigen politischen Wandel: 

    [bilingbox]Er kam auf einer Welle des demokratischen Schulterschlusses in der Gesellschaft an die Macht, als Sieger. Und er schied auf einer Welle politischer Stabilisierung, und sei diese auch nur rein taktisch. Er hat die Gesellschaft zwei Mal um sich geschart (1991 und [durch seinen Rücktritt – dek] 1999), wobei er alles getan hat, was er tun musste. Und er ist abgetreten. Alles Übrige ist nun an denen, die bleiben. […] Er kam als Sieger und geht als Sieger. Er zieht in die Geschichte ein. […]

    Wir treten in einen neuen politischen Zyklus ein, der, den vorhergegangenen nach zu urteilen, vier bis acht Jahre andauern wird. […] Putin wird in diesem Zyklus nicht nur subjektiv gebraucht, als „Kaltmacher“, Militär, harter und kompromissloser Politiker. Er wird objektiv gebraucht. Zweifellos wird auch er seine historische Rolle bekommen. Die Rolle eines Heerführers. Als solcher wird er die russische Gesellschaft an die Grenze zum zivilisierten Leben heranführen – und mit ihr gemeinsam diese Grenze überschreiten.~~~Он пришел к власти на волне демократического сплочения общества, как победитель. Он ушел из нее на волне политической стабилизации, пусть и тактической. Он сплотил общество дважды – в 1991-м и в 1999-м, сделав все, что должен был. И ушел. Остальное – остающимся. (…) 

    Он пришел победителем и уходит победителем. Уходит в историю. (…)

    Мы входим в новый политический цикл, который, судя по прежним виткам, продлится от 4 до 8 лет. (…)

    Путин востребован в этом цикле не только субъективно – как „мочитель“, военный, жесткий и бескомпромиссный политик. Он востребован объективно. У него – нет сомнений – тоже будет своя историческая роль. Роль полководца. Он должен будет подвести российское общество к границе цивилизованной жизни. И перейти вместе с ним эту границу.[/bilingbox]

    erschienen am 05.01.2000

    Izvestia: Wer ist der neue Präsident?

    Dieselbe Autorin kommt in einem weiteren Izvestia-Artikel jedoch nicht umhin einzugestehen, dass über den künftig mächtigsten Mann im Staate kaum etwas bekannt ist:

    [bilingbox]Die Mehrheit der Bürger Russlands weiß in Wirklichkeit nichts über ihn, und – was das Interessante ist – das ist für sie auch gar nicht notwendig. Dem Volk reicht es, dass er „hart, ehrlich und prinzipienfest“ ist.

    Also: Der amtierende Präsident Russlands ist 47 Jahre alt, ist Leningrader, Geheimdienstler, Tschekist. Putins ehemalige Kollegen vom Geheimdienst hatten im Herbst gesagt: „Ihr werdet ihn noch kennenlernen – dieser harte, zynische und ehrgeizige Mensch wird sich schon noch zeigen“. […]

    Eine Diskussion, ob es nun gut oder schlecht ist, fünf vor Mitternacht einen Präsidenten mit diesen Eigenschaften zu bekommen, ist sinnlos. Das Volk bekommt die Herrscher, die es verdient. Jetzt braucht es einen solchen. Und ein solcher wird er auch sein.~~~Большинство российских граждан действительно не знает о нем ничего, и, что любопытно, им это и не надо. Для народа достаточно того, что он „жесткий, честный и принципиальный“.

    Итак, исполняющему обязанности президента России 47 лет, он ленинградец, разведчик, чекист. Бывшие коллеги Путина по спецслужбам осенью говорили: „Вы его еще узнаете – этот жесткий, циничный и честолюбивый человек еще себя покажет“. (…)

    Плохо или хорошо получить без пяти минут президента с такими качествами – обсуждать бессмысленно. Народ получает тех правителей, которых он заслуживает. Сейчас нужен такой. Такой ему и будет.[/bilingbox]

    erschienen am 05.01.2000

    Sowetskaja Rossija: Um eine Wahl betrogen

    In Sowetskaja Rossija, Organ der kommunistischen Opposition, beklagt Wassili Safrontschuk die Art und Weise der Machtübergabe und mutmaßt, warum Jelzin gerade Putin als Nachfolger auserkoren hat:

    [bilingbox]Formal wurde die Machtübergabe gemäß Recht und Verfassung gestaltet. Doch wo, in welchem demokratischen Land hat man erlebt, dass die Macht vom amtierenden Präsidenten an ein neues Staatsoberhaupt nicht durch den Willen des Volkes übergeben wird, sondern durch die Entscheidung des Präsidenten?! Es heißt, das sei im Einklang mit der Verfassung Russlands. Dabei demonstriert es ein weiteres Mal den undemokratischen, gegen das Volk gerichteten Charakter der Jelzinschen Verfassung. […]

    Wie ist diese plötzliche Entscheidung zu erklären? Einige Beobachter nehmen an, dass Jelzin in den letzten Jahren auf Drängen des Westens und russischer Oligarchen fieberhaft nach einem Nachfolger für sich gesucht hat, der einerseits die Beibehaltung des gegenwärtigen kriminellen pseudomarktwirtschaftlichen Regimes gewährleisten und andererseits Jelzin und seiner Familie Immunität garantieren würde. Einen solchen Nachfolger hat er schließlich in Putin gefunden.~~~Формально эта передача власти была обставлена по всем канонам законности и конституционности. Но где, в какой демократической стране видано, чтобы власть передавалась действующим президентом новому главе государства не волей народа, а решением президента?! Говорят, что это соответствует нормам российской конституции. Но это лишний раз демонстрирует недемократический,mантинародный характер ельцинской конституции. (…)

    Чем же объяснить это внезапное решение? Некоторые наблюдатели полагают, что в последние годы Ельцин по настоянию Запада и российских олигархов лихорадочно искал себе преемника, который, с одной стороны, обеспечивал бы сохранение нынешнего криминального псевдорыночного режима, а с другой стороны, дал бы гарантии неприкосновенности Ельцину и его семье. Такого преемника он в конце концов нашел в лице Путина.[/bilingbox]

    erschienen am 05.01.2000

    Novaya Gazeta: Unser neuer russischer Pinochet

    Journalistin Yevgenia Albats wirft Jelzin in der Novaya Gazeta vor, seinen Platz in den Geschichtsbüchern über demokratische Prinzipien gestellt zu haben. Und erinnert die Leser daran, dem neuen Präsidenten genau auf die Finger zu schauen:

    [bilingbox]Jelzin will in die Geschichte eingehen als erster russischer Souverän […], der selbst, aus eigenem Willen heraus, die Macht abgab. […] Er selbst, er hat das beschlossen und das Zepter übergeben. Das ist eine Tat. Das verdient Respekt.

    Hätte Jelzin allerdings nicht an sich und seinen Platz in der Geschichte gedacht, sondern an das Land und daran, die demokratischen Traditionen hier zu festigen, dann hätte er bis [zur Wahl im – dek] Juni durchhalten müssen – mit Tabletten, Spritzen, Geräten, ganz egal, wie –, damit die Macht auf dem Wege direkter Wahlen, bei denen es Alternativen gibt, an einen Nachfolger übergeht. Jelzin hat jedoch keinen demokratischen, sondern einen monarchischen Präzedenzfall geschaffen. Er hat Kraft seines monarchischen Willens, der allein dem Allmächtigen verantwortlich ist, die Macht an seinen Nachfolger übergeben. Es liegt auf der Hand, dass die [vorgezogenen – dek] Wahlen im März von rein ritueller Bedeutung sein werden. […]

    Was für ein Präsident Wladimir Putin auch werden mag, eines ist klar, nämlich dass im März – und im Grunde schon jetzt – die Regeln des innen- und außenpolitischen Spiels Russlands für die kommenden vier, wenn nicht sogar acht Jahre, geändert werden.

    Für uns ist die Situation etwas komplizierter. Wir müssen erst noch rauskriegen, ob unser neuer russischer Pinochet ein guter oder ein böser sein wird. Das wird übrigens auch von uns abhängen. Er wird die Art Präsident sein, die wir zulassen.~~~Ельцин хочет остаться в истории первым российским сувереном (…) который сам, своей волей передал власть. (…)

    Сам, сам решил и отдал скипетр. Это – поступок. Это заслуживает уважения. Хотя если бы Ельцин думал не о себе и своем месте в истории, а о стране и укреплении в оной демократических традиций, он обязан был бы дотянуть – на таблетках, на уколах, на аппаратах, как угодно – до июня, чтобы власть перешла к преемнику путем прямых и альтернативных выборов. Ельцин же создал не демократический – монархический прецедент: он монаршей волей, подотчетной лишь всевышнему, передал власть преемнику. Очевидно, что выборы в марте будут иметь чисто ритуальное значение. (…)

    Каким бы президентом ни оказался Владимир Путин, очевидно, что в марте – а по сути дела уже сейчас – будут переделаны правила российской внутренней и внешнеполитической игры на ближайшие четыре, если не все восемь, лет. Несколько сложнее ситуация с нами. Нам еще только предстоит узнать, будет ли наш российский Пиночет злым или будет он добрым. Впрочем, это зависит и от нас. Каким мы позволим ему быть, таким он и будет.[/bilingbox]

    erschienen am 10.01.2000

    Prawda: Wieder ein Oberst an der Staatsspitze

    In der Prawda, der Parteizeitung der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, fühlt sich Journalist Jewgeni Spechow an einen anderen Amtsantritt erinnert:

    [bilingbox]An der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte Oberst Nikolaj Romanow, bekannt als Zar Nikolaus II., das Amt des Herrschers Russlands angetreten. An der Schwelle vom 20. zum 21. Jahrhundert wurde der Oberst Wladimir Putin zum Interimspräsidenten Russlands ernannt. Ein Treppenwitz der Geschichte? ~~~На исходе XIX и в начале XX века на пост правителя России заступил полковник Николай Романов, известный как Николай II. В конце XX и на пороге XXI века исполняющим обязанности президента назначен полковник Владимир Путин. Гримаса истории?[/bilingbox]

    erschienen am 06.01.2000

    Übersetzung: Hartmut Schröder
    Zusammenstellung und begleitende Texte: dekoder-Redaktion

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  • Debattenschau № 78: Vier Jahre Sperre: „Antirussische Hysterie“?

    Debattenschau № 78: Vier Jahre Sperre: „Antirussische Hysterie“?

    Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wird es wohl keine Athleten unter russischer Flagge geben. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat Russland wegen Doping für vier Jahre gesperrt. Damit hielt sich die WADA an die Empfehlung der unabhängigen Prüfkommission CRC. Einzelne russische Sportler können unter bestimmten Voraussetzungen allerdings unter neutraler Flagge an den Spielen teilnehmen. Auch die Fußball-EM 2020 wird weiterhin mit der russischen Mannschaft und teilweise in Russland stattfinden, da die UEFA den WADA-Code nicht unterzeichnet hat und die EM zudem als „kontinentales“ Sportereignis gilt.

    Hintergrund der Sperre ist, dass Russland die Manipulation von Dopingtests nachgewiesen wurde. Der russische Sportminister bestritt die Vorwürfe. Premierminister Medwedew räumte zwar Probleme mit Doping ein, sprach angesichts der vierjährigen Sperre allerdings von „antirussischer Hysterie“. Russland will nun beim Internationalen Sportgerichtshof Einspruch einlegen.

    Nicht nur kremlnahe, sondern auch liberale Stimmen äußern sich kritisch über die WADA-Entscheidung. Die vierjährige Sperre Russlands: Ausdruck einer antirussischen Haltung? Werden die Falschen bestraft? Oder ist es eine gerechtfertigte Maßnahme? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.

    Facebook / Sergej Medwedew: Je schlimmer, desto schlimmer

    Der Schlag, den die WADA Russland verpasst hat, sei viel schwerer als all die politischen Sanktionen. Das meint der kremlkritische Historiker und Publizist Sergej Medwedew auf Facebook:

    [bilingbox]Im Weltsport – anders als in der Weltpolitik – zeigen Sanktionen genaue, automatische und schmerzliche Wirkung. Atomwaffen und Staatengröße sind keine Argumente: Aus der UNO wird Russland nicht rausgeschmissen, aus Olympia aber ohne mit der Wimper zu zucken.

    Und es soll bitte niemand sagen, es sei eine politische Entscheidung gewesen – ja, sie hat enorme politische Wirkung, aber zunächst einmal ist das Ganze rein technisch: Russland (beziehungsweise der, der die Datenbank frisiert hat) hat WADA überhaupt keine Chance gelassen.
    Fehl am Platz ist auch das typische russische „Je schlimmer, desto besser“. Nein: je schlimmer, desto schlimmer – der russische Sport hat voll eins in die Fresse bekommen […] und damit wir alle: Ein Schlag gegen das Humankapital, die Soft Power, die Gesundheit und Freude der Nation, oder was auch immer noch von diesen Begriffen übrig ist. Sport ist das, wo Russland bislang zumindest ein bisschen (und verdientermaßen) stark war.~~~В мировом спорте, в отличие от мировой политики, санкции работают четко, автоматически и болезненно. Тут ядерное оружие и территория не аргумент: из ООН Россию не выгонят, а с Олимпиады — запросто.
    И не надо говорить, что это решение политическое — да, оно имеет огромные политические последствия, но в основе своей оно чисто техническое: Россия (вернее, те, кто зачищал базу данных) не оставила ВАДА никакого выбора.
    И не надо тут типично русской Schadenfreude, «чем хуже, тем лучше».  Нет, чем хуже, тем хуже — нанесен зубодробительный удар по российскому спорту и в итоге — по нам всем, по человеческому капиталу, мягкой силе, здоровью и радости нации, что бы там от этих понятий ни оставалось. Спорт — то немногое, в чем Россия до сих пор была хоть немного (и заслуженно) сильна.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 09.12.2019

    Facebook / Wladislaw Inosemzew: Neues Schäbigkeits-Level

    Der Ökonom und Publizist Wladislaw Inosemzew fragt auf Facebook nach den strukturellen Ursachen der russischen Doping-Politik:

    [bilingbox]Das aktuelle System des Weltsports ist in der Epoche der Machtkämpfe und der militärpolitischen Konkurrenz entstanden und hat diese Prozesse mitentwickelt und ergänzt.  
    Das schäbige Bild des modernen Russlands nach der Entscheidung der WADA spiegelt in erster Linie wider, wie unangemessen diese veralteten politischen Interessen sind sowie ihre Kollision mit den Interessen der Sportler. Diese müssen mit Fans und Zuschauern die einzigen wichtigen Akteure des globalen Sports sein.~~~Современная организация мирового спорта родилась в эпоху суверенитетов и военно-политического соперничества, став развитием и дополнением этих процессов. Убогость образа современной России после решения ВАДА отражает прежде всего неадекватный характер устаревшей трактовки политических интересов и их столкновение с интересами спортсменов, которые – наряду с фанатами и зрителями – должны быть единственными значимыми акторами глобального атлетического движения.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 09.12.2019

    Facebook / Iwan Preobrashenski: Geiseln der Drecksäcke 

    Auch für den liberalen Politikwissenschaftler Iwan Preobrashenski werden die russischen Sportler zu Opfern des Systems:

    [bilingbox]Mein Beileid den russischen Sportlern, die zu Geiseln der Drecksäcke geworden sind.~~~Мои соболезнования российским спортсменам, которые оказались заложниками подонков.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 09.12.2019

    Erster Kanal: Unangemessen, unlogisch und unverhältnismäßig

    Der Vorsitzende des Russischen Olympischen Komitees Stanislaw Posdnjakow protestiert auf dem staatlichen Ersten Kanal gegen den Olympia-Ausschluss: 

    [bilingbox]Die Position des Russischen Olympischen Komitees bleibt unverändert: Die Sanktionen sind unangemessen, unlogisch und unverhältnismäßig. Und wir werden alles Mögliche tun, damit die russische Olympiamannschaft in Japan unter den Farben der russischen Trikolore antritt.~~~Позиция ОКР остается неизменной — санкции носят неадекватный, нелогичный и чрезмерный характер. И мы сделаем все от нас зависящее, чтобы олимпийская сборная выступила в Японии под цветами российского триколора.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 09.12.2019

    Kremlin.ru: Gesetzeswidrige Kollektivhaftung

    Auf seiner Pressekonferenz nach dem Gipfel im Normandie-Format in Paris äußerte sich Wladimir Putin auch zu der WADA-Entscheidung: 

    [bilingbox][…] jegliche Strafe, so schon im Römischen Recht verankert, muss individuell verhängt werden, ausgehend davon, was die eine oder andere Person getan hat. Strafen können nicht kollektiv verhängt werden und für Menschen gelten, die mit dem konkreten Verstoß nichts zu tun haben. ~~~[…] любое наказание, так повелось еще со времен Римского права, должно быть индивидуально и исходить из того, что содеяно тем или иным лицом. Наказания не могут носить коллективного характера и распространяться на людей, которые к определенным нарушениям не имеют никакого отношения.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 10.12.2019

    Vedomosti: Zweite Chance für Russland

    Bei den Olympischen Winterspielen 2018 sind russische Sportler bereits unter neutraler Flagge angetreten. Auch diesmal sind die WADA-Sanktionen ähnlich. Die Redaktion der Tageszeitung Vedomosti fragt, ob die zweite Chance denn verdient sei:

    [bilingbox]Die Reaktion der russischen Politiker und Beamten bietet bislang keinen Anlass zu Optimismus. Premierminister Dimitri Medwedew hat die WADA-Sanktionen schon als „antirussische Hysterie“ bezeichnet, das Außenministerium – als „skrupellose Konkurrenz“. Nachdem im Dezember 2017 der russischen Mannschaft verboten wurde, unter eigener Flagge bei der Winterolympiade anzutreten, hat der Kreml Fingerspitzengefühl bewiesen: hat das Doping-Problem eingestanden und den Sportlern erlaubt, in Pyeongchang unter neutraler Flagge zu starten. Doch Worte sind hier ganz bestimmt nicht das Wichtigste: Russland hat schon bewiesen, dass es fähig ist, gegebene Versprechen zu brechen und gegen selbst auferlegte Verpflichtungen zu verstoßen. Wenn auch die wiederholten Sanktionen es nicht schaffen, Russland von Doping und von Manipulationen der Proben abzubringen, dann kann es sein, dass es keine dritte Chance bekommen wird. ~~~Реакция российских политиков и чиновников пока не дает повода для оптимизма. Премьер Дмитрий Медведев уже назвал санкции WADA «антироссийской истерией», а МИД — «недобросовестной конкуренцией». В декабре 2017 г. после лишения российской сборной флага на зимней Олимпиаде — Кремль продемонстрировал сдержанность: признал наличие допинговой проблемы и разрешил атлетам отправиться в Пхенчхан в нейтральном статусе. Но слова тут в любом случае не главное: Россия уже доказала, что способна нарушать данные обещания и не выполнять взятые на себя обязательства. Если и повторные санкции не заставят Россию на самом деле отказаться от допинга и махинаций с пробами, третьего шанса ей могут и не дать.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 09.12.2019

    Republic: Die grünen Männchen des Sports

    Zwischen den beiden Möglichkeiten „Lass dich nicht erwischen“ und „Löffel die Suppe aus, die du dir eingebrockt hast“ wird Russland nun eine dritte wählen – prognostiziert Andrej Sinitsyn auf Republic:

    [bilingbox]Wladimir Putin (wer, wenn nicht er?) könnte sich aus reiner Gewohnheit fürs Nichtstun plus Propaganda entscheiden. Ja, wir befinden uns unter dem Beschuss der Russophobie, aber wir wissen doch, dass es eben unsere Sportler sind, die da unter neutraler Flagge eine neutrale Hymne singen, wir wissen, welche echte Flagge sie in der geballten Faust in ihrer Tasche haben und welche echte Hymne sie singen, bevor sie schlafen gehen im Olympischen Dorf. Sie werden zu den „Es-gibt-dort-Keine“, den „höflichen Menschen“ und der Gruppe Wagner des Sports. Und den russischen Fans wird stets bewusst sein, wen sie da anfeuern – und den Gegner werden sie zehn Mal heftiger verfluchen.~~~[…] Владимир Путин (а кто, если не он?) может по привычке выбрать […] ничегонеделание плюс пропаганда. Да, мы под огнем русофобии, но мы же знаем, что под нейтральным флагом поют нейтральный гимн именно наши спортсмены, мы знаем, какой у них настоящий флаг зажат фигой в кармане и какой настоящий гимн они поют перед сном в Олимпийской деревне. Они станут спортивными «ихтамнетами», «вежливыми людьми» и спортротой ЧВК Вагнера, и российские болельщики будут всегда знать, за кого болеть. А соперника они станут проклинать в десять раз сильнее.[/bilingbox]

    Original, veröffentlicht am 10.12.2019

    dekoder-Redaktion

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  • Editorial: Das Tool

    Editorial: Das Tool

    Neulich in der dekoder-Redaktion:

    Tamina: Ich habe ja den Eindruck, viele machen sich nicht klar, dass so eine Redaktionsarbeit viel Aufwand bedeutet.

    Alena: Das Problem haben andere ja auch. Da muss man dann oft erst diese Pop-Ups wegklicken.

    Martin: Das nervt aber. Also ich will nicht genötigt werden. Eher schon würde bei mir funktionieren, glaube ich, wenn mir ein Portal sozusagen ständig meine Nutzungs-Intensität anzeigen würde. Und wenn ich dann sehe, dass ich schon viel von dem Angebot profitiert habe, dann komme ich schon selber auf den Gedanken, mal die paar Klicks zu Paypal zu machen. 

    Tamina: Ja, man verdrängt das einfach. 

    Martin: Genau, man hat ja auch besseres zu tun beim Lesen. Gerade wenn der Artikel interessant ist.

    Alena: Paradox. Je besser der Content ist, desto weniger denkt man ans Bezahlen.

    Martin: In der Tat paradox … – Was meint ihr, wenn man sowas auf dem Site integrieren würde? So eine Art Nutzungs-Barometer? Und dann, wenn das allmählich steigt, einfach mal in netter Form einen Vorschlag machen? He, cool, dass du so häufig da bist! Vergiss uns nicht, wir ackern hier hinter den Kulissen, damit es das alles gibt! Unverbindlich. Ich meine, dekoder ist immer auch kostenlos, und wer nichts zahlen will oder schlicht nicht kann, der ist ja genauso willkommen.

    … 

    Und aus einer solchen Idee ist das Tool gewachsen, das – ihr habt es vielleicht schon bemerkt – seit vergangener Woche in jedem dekoder-Artikel und in jeder dekoder-Gnose zu sehen ist:

    Gemeinsam mit unserem Entwickler-Kollegen Kim von Palasthotel haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten überlegt, wie man diese Gratwanderung zwischen „bestimmt Erinnern“ und „nicht auf die Nerven gehen“ meistern kann, haben skizziert, gefeilt und schließlich den donation encourager gebaut.

    Das Dankesagen soll freiwillig sein, unkompliziert und am besten auch noch Freude bereiten. So sind wir auf den Emoji Selector gekommen, mit dem du, liebe Leserin, lieber Leser, dein individuelles Dankeschön-Paket schnüren kannst:

    Probier es doch einfach mal aus, etwa in unserem neuen Meinungsstück von Lilija Schewzowa über Russlands Rolle auf internationaler Bühne oder gleich hier unter dem Editorial.
    Achtung, Eröffnungsrabatt, nur bis 28. November: Nimm drei Emojis und zahl nur zwei!

    Freudiges Emojipacken wünschen 

    dekoder-Coder Daniel und die anderen dekoderщiki 

    PS: Du betreibst einen Blog, ein Indie-Medium oder bild.de und möchtest den donation encourager auf deiner Seite verwenden? Kein Problem – der Code liegt frei verfügbar auf Github! Meldet euch gern dazu!

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