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Journalismus aus Russland und Belarus in deutscher Übersetzung

  • Editorial: Ein Jahr des brutalen Wahnsinns

    Editorial: Ein Jahr des brutalen Wahnsinns

    Ein Jahr des brutalen Wahnsinns und Schreckens liegt hinter uns, vor allem hinter den Menschen in der Ukraine, hinter deren Angehörigen und den Geflüchteten. Das, was bevorsteht, verspricht nichts Besseres. Am Dienstag, bei seiner Rede vor der Föderalversammlung, hat Putin die Bevölkerung eingeschworen auf einen langen Krieg.

    Ähnlich sieht Maxim Trudoljubow die Lage. In seinem Text Die schwindende Macht der Angst, den wir als eine Art Bilanz dieses Jahres ausgesucht haben, beschreibt der Autor die Situation ungefähr so: Putins Angstmache gen Westen hat nicht die gewünschte Wirkung gezeigt – nach innen jedoch hat sie gewirkt. So stark gewirkt, dass sich das Land im und auf den Krieg einrichtet.
    Das zweite Publish dieser Woche zeigt den Schrecken der Wehrlosesten. Bilder vom Krieg #10: „Dieser Junge steht für tausende von Kindern, die getötet werden“.

    Das zurückliegende Jahr bekommt von uns heute keine Beschreibung in großen Worten. dekoder hat versucht, die Geschehnisse adäquat zu begleiten und abzubilden. Fühlt euch eingeladen nachzulesen und nachzuschauen: Das Dossier zum Krieg sammelt chronologisch die Materialien, die wir veröffentlicht haben. 

    Zunächst sind dort übersetzte Medientexte – kritische Perspektiven aus Russland und Belarus, dazu angesichts der neuen Lage erstmals auch Stimmen aus der Ukraine.
    In Bezug auf Russland war vor allem eine Verlagerung der Medien auf YouTube zu bemerken – ein Marker dafür, dass wir am Ende dieses Kriegsjahres feststellen müssen: Viele unabhängige Medien wurden mit Beginn der Invasion von der russischen Führung ins Exil gezwungen. Die belarussischen Medien und Journalisten haben sich bereits vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Ausland eine neue Arbeitsbasis geschaffen. Sie waren im Zuge der historischen Proteste von 2020 schließlich ins Exil getrieben worden – auch in die Ukraine, von wo sie mit dem Beginn des Krieges wieder flüchten mussten. 
    Zwei wissenschaftsbasierte Formate haben in diesem Jahr auf dekoder stark an Gewicht gewonnen, um auf aktuelle Fragen reagieren zu können. Das schnelle Fragenformat Bystro und die FAQs. Zusammengefasst sind Letztere in dem Special Russlands Krieg gegen die Ukraine – Fragen und Antworten.
    In den ersten Tagen des Angriffskriegs haben wir aufgrund der überbordenden Menge an wichtigen Informationen begonnen, auch externe Leseempfehlungen zu sammeln.
    Neu enstanden ist die Reihe Bilder vom Krieg, die wir seit Mai veröffentlichen, jeweils begleitet von Texten der Fotografinnen und Fotografen. Unmittelbar nach dem 24. Februar begannen wir bis April mit einem Fototagebuch aus Kyjiw, das zu diesem Zeitpunkt half, die unfassbare Situation wahrzunehmen. Es war damals ähnlich grau wie jetzt.

    Mittlerweile ist aus den übersetzten Medientexten ein Buch zu diesem Jahr entstanden – die Flugschrift Das ist ein Ozean aus Wahnsinn – kritische Stimmen zum Krieg aus Russland und Belarus, die dieser Tage bei der edition FOTOtapeta erscheint und jetzt beim Verlag zu bestellen ist. Auf WDR 3 haben wir das Buch bereits vorgestellt, live machen wir das am 2. März in Berlin in der Kurt-Tucholsky-Buchhandlung. Wir freuen uns, wenn ihr kommt.

    Vielen Dank an alle, die dekoder in diesem Jahr unterstützt haben und damit geholfen haben, nicht in Sprachlosigkeit zu fallen. Wir hoffen, dass wir durch unsere Arbeit einen Teil leisten konnten auf dem Weg.

    Eure dekoderщiki 

  • In eigener Sache

    In eigener Sache

    Unsere Chefredakteurin Tamina Kutscher verlässt dekoder zum 1. Februar 2023. Hier verabschiedet sie sich von euch Leserinnen und Lesern – und wir danken ihr für sieben gemeinsame Power-Jahre.

    Liebe dekoder-Leserinnen und -Leser, 

    zum 1. Februar werde ich nicht mehr Teil von dekoder sein. Dies zu schreiben fällt mir nicht leicht. dekoder war nie nur ein Job für mich. Seit dekoder-Gründer Martin Krohs mich Anfang 2016 als Chefredakteurin ins damals drei Monate junge Projekt geholt hat, war dekoder eine Aufgabe, die mich voll gefordert und erfüllt hat. 

    Was heißt es, Russland zu entschlüsseln? Das wurde ich sehr oft gefragt in den letzten sieben Jahren. Auf dekoder heißt es, genau hinzuhören – auf den unabhängigen Diskurs, den wir ins Deutsche bringen. Und gleichzeitig, zu hinterfragen, zu kontextualisieren und einzuordnen – mittels Fakten und Expertise aus der Wissenschaft. Mit allzu einfachen Antworten geben wir uns auf dekoder nicht zufrieden, auch unsere Leserinnen und Leser nicht. In sieben Jahren ging es auch darum diesen dekoder-Geist, den Martin Krohs dem Projekt eingehaucht hat, weiterzutragen: Es sind zahlreiche neue Formate entstanden, ein Buch (und ein zweites ist auf dem Weg), wir haben einen russischsprachigen Europa-dekoder und einen Belarus-dekoder aus der Taufe gehoben, ein ganzes dekoder-lab und viele unterschiedliche Specials. Zwei Grimme Online Awards und der Friedrich-Wilhelm-Fricke-Preis waren uns dabei wichtige Anerkennung und Ansporn.

    Der nahe und gleichzeitig analytische Blick, den dekoder bietet, auf Russland, auf Belarus und auf Europa, ist mit Sicherheit jetzt besonders wichtig, da Russland in der Ukraine einen schrecklichen Krieg führt. Wir merken es an den vielen Anfragen, die dekoder gerade seit dem 24. Februar 2022 erreichen, und auch an den deutlich gestiegenen Zugriffen auf unsere Seite.

    Und doch: Für mich ist es nun Zeit zu gehen. Nach sieben ereignis- und erfolgreichen Jahren in einem großartigen Team gilt es, Neues zu wagen. Im Moment blicke ich erwartungsfroh auf noch Unbekanntes, als Journalistin werde ich mich auf jeden Fall weiterhin mit Gesellschaft und Medien in Russland/Osteuropa beschäftigen. 

    dekoder weiß ich dabei in Händen eines wunderbaren Teams, unterstützt von euch allen, interessierten, im besten Sinne kritischen und treuen Leserinnen und Lesern. Und ich weiß auch: Wohin mich der Weg auch führen mag, ich bleibe dekoderщik im Herzen.

    Und wir alle wissen: Man sieht sich im Leben immer zweimal. Wann und wo auch immer – ich freue mich schon darauf!

    Danke für alles.

    Tamina 

    Liebe Tamina,

    dieser Abschied fällt auch uns als Redaktion nicht leicht. In sieben Jahren haben wir gemeinsam ein Medium aufgebaut, haben angesichts von Krieg und immer neuen Repressionen Wut und Entsetzen geteilt, sind ausgerastet vor Freude, als wir diverse Preise erhalten haben, haben gemeinsam geflucht über „Bleiwüsten“ und „Textriemen“ (bzw. „RIEMEN“ in deiner Schreibweise), haben mit unseren tollen Übersetzerinnen und Lesern (leider viel zu selten!) Klubabende bis in die Nacht gefeiert, haben über das dekoder-lab weitere Brücken in die Wissenschaft errichtet, …

    All das wäre niemals möglich gewesen ohne dich, liebe Tamina, ohne deinen unermüdlichen Einsatz als Chefredakteurin. Mit deiner fachlichen Kompetenz, deiner journalistischen Feinfühligkeit und Erfahrung hast du dekoder federführend zu einem professionellen Medium mit starken Partnern gemacht – ein Medium, das heute gefragter ist denn je.

    Auf die intensiven Jahre und das gemeinsam Erreichte können wir voll Dankbarkeit zurückblicken. Und genau deswegen können wir auch trotz Abschiedsschmerz mit Zuversicht auf das Kommende blicken – sowohl bei dekoder als auch für deine Zukunft. Вперед!

    Deine dekoderщiki

    Alena, Anton, Bianca, Daniel, Ingo, Mandy, Leonid, Rike und Martin

    Oh, darf ich (Martin) noch ein PS?

    Liebe Tamina! Lass mich nur drei Sätze noch ergänzen – persönliche. Nach innen wie nach außen hast du dekoder verkörpert, wie es sich kein Gründer besser wünschen kann. Was für ein Glück, dass du bereit warst, diese Aufgabe zu übernehmen. Nicht nur als hochprofessionelle Fachperson – das steht sowieso außer Zweifel –, sondern auch als leuchtende Persönlichkeit, deren Integrität, Format, frische Gelassenheit und natürliche Souveränität uns alle um dich herum immer wieder beeindruckt und berührt.

    Du wirst diesem Projekt sehr fehlen, publizistisch wie menschlich. Diese sieben Jahre hast du geformt, ja: geprägt. Sie werden weiter glänzen. Das Allerbeste dir. Hab größten Dank!


    Ausrasten. Köln, 2016.

     

    Perestroika bei dekoder, 2017.

     

    Gopniki. Foto © M. Bustamante

     

    Redaktionsalltag in Corona-Zeiten, 2021.

     

    Wieder ausrasten: Grimme Online Award 2021. Foto © Tanya Tkachova
  • Repression in Zahlen

    Repression in Zahlen

    Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ändert auch Russland selbst: Mit der Aggression nach Außen nimmt auch die Repression im Inneren zu. Dies belegen nicht zuletzt die Zahlen, die die Menschenrechtsorganisation OWD-Info permanent aufbereitet und im August in einem eigenen Report vorgestellt hat. Diesen hat das Exilmedium Meduza zusammengefasst und konstatiert: „Im Land wurde eine de facto-Diktatur errichtet“.

    Die Menschenrechtsorganisation OWD-Info bietet seit 2011 direkten Beistand und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen und politische Repressionen. 2021 haben russische Behörden die Seite von OWD-Info blockiert und die NGO auf die Liste der sogenannten „ausländischen Agenten“ gesetzt. 

    Das ist der aktuelle Stand [27.09.2022] der Festnahmen, den OWD-Info bei Protesten in ganz Russland zählte, nachdem Wladimir Putin in einer Fernsehansprache am 21. September die „Teilmobilmachung“ verkündet hatte. 

     

    Vom 24. Februar bis zum 17. August 2022 wurden laut OWD-Info in Russland insgesamt mindestens 16.437 Personen bei Antikriegs-Demonstrationen festgenommen. Dabei kann es sich um größere öffentliche Kundgebungen oder auch um Einzelproteste gehandelt haben. 62 Festnahmen erfolgten allerdings nach solchen Aktionen, 138 aufgrund von Antikriegs-Posts in Sozialen Netzwerken und 118 wegen „Antikriegs-Symbolik“.

    Mit Stand vom 24. September zählt OWD-Info 282 Angeklagte in Prozessen gegen Kriegsgegner, bis zum 24. August waren es 224. Die Menschenrechtsorganisation listet außerdem einzeln auf, nach welchen Paragraphen die Anklagen jeweils erfolgten. Einer der Angeklagten ist etwa der ehemalige Bürgermeister von Jekaterinburg Jewgeni Roisman.

    Wenn es um Verfahren wegen „Diskreditierung der Armee“ geht, stützt sich OWD-Info auf Daten von Mediazona. Demzufolge gab es im ersten halben Jahr seit Beginn des Angriffskriegs insgesamt 3807 Verfahren nach dem verschärften Paragraphen. Die meisten davon in den ersten drei Monaten.

    Weitere Themen

    Kanonenfutter: „Wenn sie sterben – umso besser“

    „Ich wünsche Putins Russland aufrichtig eine Niederlage“

    Zitat #14: „Putin eskaliert den russischen Krieg in der Ukraine“

    Zitat #15: „Die Lüge vergiftet und zermalmt den Menschen das Hirn“

    Von der „Spezialoperation“ zum Krieg

  • Die Lage der Medien in Russland und Belarus – dekoder-Redakteure in Interviews

    Die Lage der Medien in Russland und Belarus – dekoder-Redakteure in Interviews

    Für unabhängige Journalisten und Medien hat sich die Situation in Russland seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine dramatisch verschlechtert. Soweit bekannt, haben seither mindestens 500 Medienschaffende das Land verlassen. 
    Über die Lage der Medien in Russland und Belarus haben dekoder-Redakteure seit dem 24. Februar 2022 in zahlreichen Interviews, online, in Radio und Print, gesprochen. 

    Die Interviews und Podiumsdiskussionen im Überblick 
    (in chronologischer Reihenfolge):

    21. Februar 2023: „Kritischer Journalismus in Russland und Belarus“ 

    WDR5: dekoder-Übersetzungredakteurin Friederike Meltendorf und Herausgeberin des dekoder-Buches „Das ist ein Ozean aus Wahnsinn" spricht im Interview über die Lage der unabhängigen Medien und Journalisten in Russland und Belarus: „Unabhängigger Journalismus ist in diesen Ländern nicht mehr möglich."

    29. Juni 2022 „Der Diskurs geht weiter“ 
    TAZ: Thema im Interview mit dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher sind die neuen Wege, die sich die russischen unabhängigen Medien im Exil suchen. Riga ist ein Anlaufpunkt, so sich Redaktionen neu sortieren. Aber auch die bedeutende Rolle von YouTube wird dargestellt – dort erlebt der geschlossene Sender Echo Moskwy zumindest eine teilweise Wiedergeburt: „Der Diskurs geht weiter“

    29. Juni 2022 „Krieg ohne Ende?“ 
    TAZ-Salon: Tamina Kutscher spricht über die Themen, die jetzt im unabhängigen russischen Diskurs dominieren, allen voran „Wo liegt unsere Schuld? Wo liegt unsere Verantwortung?“ Es sind Stimmen wie die von Anton Dolin, der vor Jahren entschieden hat, sich journalistisch lieber Filmkritiken zuzuwenden (statt der Politik im eigenen Land) und sich nun dafür Vorwürfe macht. Sie spricht über die Arbeit von mutigen regionalen Journalisten und Medien wie Ljudi Baikala, deren Texte auch die Wirkung der Propaganda offenlegen. Das und mehr in einem Austausch mit Susanne Schattenberg von der FSO, die auch dekoder-Gnosistin ist, sowie mit Roman Dubasevych von der Universität Greifswald: „Krieg ohne Ende?“ 

    Es geht um Skandalisierung und darum, ein Feindbild zu schärfen 

    – Tamina Kutscher am 04.05. im SRF über russische Polit-Talkshows

    05.05.2022 „Geschichtsbilder (in den sozialen Medien) im Krieg in der Ukraine“
    STIFTUNG EVZ: Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft fragt in ihrer Reihe EVZ Conversations! nach der Instrumentalisierung der Geschichte in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. dekoder-Politikredakteur Anton Himmelspach über die in vielen liberalen russischen Medien diskutierte Frage, ob der Krieg gegen die Ukraine auch ein Krieg gegen den Westen sei. „Geschichtsbilder (in den sozialen Medien) im Krieg in der Ukraine“

    04.05.2022 „Talkmaster Solowjow: der finstere Diener seines Herrn“
    SRF: dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher ordnet beim SRF einen der zentralen Propagandisten des russischen Staatsfernsehens ein, Wladimir Solowjow. „Es geht um Skandalisierung und darum, ein Feindbild zu schärfen“ – das der Ukraine und des Westens: „Talkmaster Solowjow: der finstere Diener seines Herrn“

    03.05.2022 „Totale Kontrolle? Zensur & Pressefreiheit in Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges“
    CAMPUS-FORUM: dekoder-Redakteur Ingo Petz diskutierte beim Campus-Forum. Diskurs in der Stasi-Zentrale mit und sprach über Pressefreiheit in Russland und über die Schließung unabhängiger Medien, die es bereits zu Beginn von Putins erster Amtszeit gab. Er verweist auf die Zerschlagung des damaligen „Leuchtturms der neuen, russischen freien Medienlandschaft“ NTW und die gleichzeitige Herausbildung spezifischer Mechanismen der russischen Propaganda, „deren Ergebnis wir uns gerade täglich anhören“: „Totale Kontrolle? Zensur & Pressefreiheit in Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges“

    28.04.2022 „Wahrheit gegen Propaganda – Medienberichterstattung in Krise und Krieg“ 
    MEDIA FORUM: Bei einer Diskussionsrunde des Medieninstituts Mainz gibt dekoder-Redakteurin Mandy Ganske-Zapf zwei Monate nach Beginn des großflächigen Angriffskriegs auf die Ukraine Einblick in die verheerende Lage der russischen Medien. Sie weist darauf hin, dass viele Menschen sich nach jahrelanger repressiver Politik unter Putin von Politik abgekoppelt haben. Also kaum noch zu erreichen sind, selbst wenn sie unabhängige Informationen erhalten. „Wahrheit gegen Propaganda – Medienberichterstattung in Krise und Krieg“ 

    23.04.2022 „Medien im Krieg: Zuerst stirbt die Wahrheit“
    REPUBLIK: Bei einem Tag voller Panel-Diskussionen des Online-Magazins Republik in Zürich spricht dekoder-Wissenschaftsredakteur Leonid Klimov zur Frage, wie jetzt noch unabhängiger Journalismus innerhalb Russlands möglich ist: Diese Landschaft wurde fast komplett platt gemacht, sagt er auf dem Podium – und gibt einen Einblick in die neuen repressiven Gesetze, die seit dem großflächigen Angriffskrieg in Russland greifen.
    Mit ihm diskutieren die ukrainische Desinformations­forscherin Anastasiia Grynko und die Republik-Redakteurin Adrienne Fichter. „Medien im Krieg: Zuerst stirbt die Wahrheit“

    Was wir derzeit in Russlands Medienlandschaft erleben, ist beispiellos. Es geht dem Staat um die totale Kontrolle des Informationsraumes

     – Tamina Kutscher zu den Repressionen gegen Medienschaffende in Russland

    13.04.2022 „‚Spezialeinsatz‘ in der Ukraine: Viele Russen unterstützen Putins Krieg“ 
    DEUTSCHE WELLE: „Die Propaganda tut ihre Wirkung – und auch die Entpolitisierung in 20 Jahren Putin.“ – dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher im Interview mit der Deutschen Welle zu den hohen Zustimmungswerten für Putin in Russland, was das mit Propaganda zu tun hat und wie dramatisch sich die innenpolitische Lage in Russland für Meinungsfreiheit und Medienschaffende verschärft hat: „‚Spezialeinsatz‘ in der Ukraine: Viele Russen unterstützen Putins Krieg“

    09.04.2022 „Putins Propaganda – Warum Russlands Bevölkerung nicht aufschreit“
    SR2: dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher in der Sendung SR2 Medien – Cross und Quer zur Frage, wie dominierend das russische Staatsfernsehen in Russland ist. „Polit-Talkshows haben die Funktion einzupeitschen.“ „Putins Propaganda – Warum Russlands Bevölkerung nicht aufschreit“

    09.04.2022 „Putins perfekter Erfüllungsgehilfe“
    WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN: „Er ist eine Art Propagandaminister geworden.“ – dekoder-Politikredakteur Anton Himmelspach hat mit den Westfälischen Nachrichten über den russischen Außenminister Sergej Lawrow gesprochen (hinter Paywall): „Putins perfekter Erfüllungsgehilfe“

    05.04.2022 11 Fragen an Tamina Kutscher von dekoder.org 
    KAS: Es ist Anfang April und die Lage der russischen unabhängigen Medien hat sich bereits dramatisch verschärft. Zum Zeitpunkt, als das Interview geführt wird, erscheint die Novaya Gazeta noch, die als ein Aushängeschild auch der investigativen Medien noch mehrere Wochen versucht hat, der Staatspropaganda etwas entgegenzusetzen. Darüber und über die Gewalt des Staates insgesamt nach innen, spricht dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher mit der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Je länger der Krieg dauert, je grausamer die Bilder, desto stärker wird die Kontrolle im Inneren“

    02.04.2022 Meduza – regierungskritische Medienstimme im Exil“
    DLF KULTUR: Ein russisches Exilmedium, das bereits seit dem Jahr 2014 in Riga eine gut funktionierende Redaktion aufgebaut hat, ist Meduza. Unter Herausgeberin Galina Timtschenko bildet Meduza gerade auch jetzt in Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine kritische Stimme, die kontinuierlich ohne Bruch seit dem 24. Februar 2022 berichten konnte. Andere Medien, die noch in Russland waren, müssen sich im Exil zunächst neu erfinden. Doch auch Meduza kommt nun unter großen finanziellen Druck. dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher kommt im hier gezeichneten Medienporträt zu Wort: Meduza – regierungskritische Medienstimme im Exil“

    Nischen, wie es sie bisher gab, soll es offensichtlich nicht mehr geben. Allein diese Chance scheint schon zu viel zu sein

     – Mandy Ganske-Zapf am 29.03. in NDR Kultur über Drangsalierung letzter unabhängiger Internetmedien in Russland

    31. März 2022 „dekoder – über den Versuch Russland zu entschlüsseln“
    RADIO CORAX: Wie sieht die russische Medienlandschaft einen guten Monat nach Beginn des russischen Angriffskrieges aus? dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher spricht über die Auswirkungen des Gesetzes über die „Diskreditierung der russischen Armee“ vom 4. März 2022, das zur Folge hat, dass unabhängige Medien den Krieg nicht mehr als Krieg bezeichnen dürfen. „Wir erleben einen Kahlschlag“ – Doshd, Novaya Gazeta, Echo Moskwy gaben auf und auch sonst wird die Entwicklung der vergangenen Wochen nachgezeichnet. „dekoder – über den Versuch Russland zu entschlüsseln“

    30.03.2022 „Das ist selbst für Russland beispiellos“
    T-ONLINE: Mit der Novaya Gazeta ist „das letzte große unabhängige Medium gefallen“, sagt dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher im Gespräch mit t-online. Gleichzeitig weist sie darauf hin, wie sehr Plattformen wie YouTube und Telegram damit für den russischen Informationsraum an Bedeutung gewinnen: „Das ist selbst für Russland beispiellos“

    Wir brauchen viel mehr Wissen über die Ukraine

    – Ingo Petz am 30.03. beim Digitalen Salon der Humboldt-Universität zu Berlin

    30.03.2022 „Zensur, Solidarität und Informationsfreiheit auf digitalen Plattformen im Russland-Ukraine-Krieg“
    HIIG: Unser Redakteur Ingo Petz hat beim Digitalen Salon der Berliner Humboldt-Universität zum Thema Propaganda, Krieg und soziale Medien mitdiskutiert. Er macht darauf aufmerksam, dass man die autoritären Regime unterscheiden lernen müsse, das Regime Putin, das Regime Lukaschenko. Zugleich appelliert er: „Wir brauchen viel mehr Wissen über die Ukraine.“ Der ganze Stream: „Zensur, Solidarität und Informationsfreiheit auf digitalen Plattformen im Russland-Ukraine-Krieg“

    29.03.2022 „Medien in Russland: Aus für Kreml-kritische Zeitung ‚Nowaja Gaseta‘“
    NDR KULTUR: Am 28. März kündigt die Novaya Gazeta an, bis auf Weiteres nicht mehr zu erscheinen. Der Grund: Die Zensur und die Verwarnungen der Medienaufsicht, die die Zeitung erhalten hat, die dem Medium am Ende die Lizenz kosten könnte, wie es in einer entsprechenden Erklärung heißt. Was bedeutet das Vorgehen des Staates? „Nischen, wie es sie bisher gab, soll es offensichtlich nicht mehr geben. Allein diese Chance scheint schon zu viel zu sein.“ – das sagt Redakteurin Mandy Ganske-Zapf auf NDR Kultur zum Aussetzen der Novaya und spricht darüber, wo sich kritische Stimmen aus dem russischen unabhängigen Journalismus jetzt noch finden. „Medien in Russland: Aus für Kreml-kritische Zeitung ‚Nowaja Gaseta‘“

    25.03.2022 „So hetzen russische Talkshows im Auftrag des Kreml“
    SPIEGEL: Die Polit-Talkshows in staatlichen und staatsnahen russischen Fernsehkanälen sind derb und drastisch. Wie sind geäußerte Drohungen, dass es zu Atombombenangriffen auf Europa kommen wird, zu deuten? dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher sagt: „Hier wird Propaganda-Narrativen nochmal ein emotionaler Verstärker geboten.“ Der ganze Beitrag über russische Polit-Talkshows, Solowjow & Co.: „So hetzen russische Talkshows im Auftrag des Kreml“

    22.03.2022 „Hilfe für Medienschaffende aus der Ukraine und Russland“
    DLF KULTUR: Mindestens 150 Journalistinnen und Journalisten haben, soweit bekannt, bis dato Russland verlassen. Ihre Lage im Exil – alles andere als einfach. Auch Medien, die es schon länger im Exil gibt, darunter das Online-Medium Meduza, bangen um ihre Finanzierung. Das betrifft aber auch die unabhängigen Medien in der Ukraine, die im Krieg noch ganz andere Probleme haben. dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher sagt: „Es ist auch ein Informationskrieg, und er richtet sich auch in Russland selber gegen die, die für die Wahrheit kämpfen und die, die diesen Krieg als Krieg benennen.“: „Hilfe für Medienschaffende aus der Ukraine und Russland“


    20.03.2022 „Putins Fernsehsoldaten“
    SPIEGEL: Die russische Staatspropaganda rückt immer mehr in den Fokus der Medien in Deutschland. Viele fragen sich, wie sie funktioniert. Welche Narrative bedient sie, an welche Diskurse knüpft sie an? Der ganze Beitrag dazu mit dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher: „Putins Fernsehsoldaten“


    16.03.2022 „Russische Bevölkerung von unabhängiger Berichterstattung abgeschnitten“
    SWR: Seit zwölf Tagen gilt das neue Gesetz gegen die „Diskreditierung“ der Armee, das in Russland verbietet, den Krieg einen Krieg zu nennen und das vorschreibt, nur gemäß offizieller staatlicher Stellen in Russland über das Vorgehen in der Ukraine zu berichten. Das wird vom offiziellen Russland als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet. dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher erklärt bei SWR aktuell, dass es nun immer schwieriger für die Menschen in Russland wird, sich frei und unabhängig zu informieren: „Russische Bevölkerung von unabhängiger Berichterstattung abgeschnitten“

    15.03.2022 „Ovsyannikovas TV-Protest: Wie Kritik in Russland noch möglich ist“
    DLF KULTUR: Im russischen Staatsfernsehen taucht eine Frau im Hintergrund der Hauptnachrichtensendung auf und zeigt ein Plakat in die Kamera, auf dem die Worte stehen: „Stoppt den Krieg“ und „Glaubt nicht der Propaganda“. Die Frau heißt Marina Oswjannikowa und war bis dahin Teil der Propagandamaschinerie im staatlichen Ersten Kanal. dekoder-Redakteurin Mandy Ganske-Zapf dazu, wie diese Aktion einzuordnen ist: „Ovsyannikovas TV-Protest: Wie Kritik in Russland noch möglich ist“

    13.03.2022 „Wissen und Macht: Medien im russischen Krieg gegen die Ukraine“
    DLF KULTUR: „Das Internet kann man nicht abstellen: Wer sich in Russland informieren will, kann das tun“ – stimmt das so noch? dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher zu Zensur in der in diesen Tagen noch mehr wachsenden Bedeutung des Internets und von Social Media. Gerade wird für die russische Gesellschaft immer wichtiger, VPN zu nutzen, um weiter auf den russischsprachigen Internetmedien lesen zu können, die von der Medienaufsicht in Russland gesperrt wurden: „Wissen und Macht: Medien im russischen Krieg gegen die Ukraine“

    Zwei große Schwergewichte haben aufgegeben. Einer davon war Echo Moskwy – das ist ein wahnsinniger Einschnitt, weil es diesen Sender über Jahrzehnte gab

     – Mandy Ganske-Zapf am 12.03. in rbb Kultur über das Ende einer (Radio)Epoche in Russland


    12.03.2022 „Unabhängigkeit bewahren“
    RBB KULTUR: Innerhalb von ein bis zwei Wochen hat sich die Lage für russische unabhängige Medien radikal verschärft. Am 1. März wurde der Radiosender Echo Moskwy geschlossen: „Das ist ein wahnsinniger Einschnitt, weil es diesen Sender über Jahrzehnte gab und mit ihm im Netz auch eine regelrechte Enzyklopädie kritischer Berichterstattung.“ dekoder-Redakteurin Mandy Ganske-Zapf über die Schließung von Echo Moskwy und den Fernsehkanal Doshd Anfang März, auch dekoder wird vorgestellt: „Unabhängigkeit bewahren“

    12.03.2022 „Kritische russische Medien vor dem Aus“
    WDR5: Unter dem Eindruck des großflächigen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird die Nische der kleinen unabhängigen russischen Medien in diesen Tagen regelrecht zunichte gemacht. „Sie werden mundtot gemacht“, sagt dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher. Zugleich wurden tausende Menschen bei Anti-Kriegs-Protesten festgenommen. „Das alles verfehlt nicht seine Wirkung.“ Das ganze Gespräch – mit einem Blick auch nach Belarus: „Kritische russische Medien vor dem Aus“ 

    09.03.2022 „Unabhängige Berichterstattung in Russland fast nicht mehr möglich“
    BR2: Tamina Kutscher über die ersten Tage seit Beginn der Invasion in die Ukraine und zur dramatischen Lage für russische Journalistinnen und Journalisten: „Unabhängige Berichterstattung in Russland fast nicht mehr möglich“ 

    06.03.2022 „Die Tage für unabhängige Medien in Russland sind gezählt“
    TAZ: In der Nische der unabhängigen russischen Medien wurde in den ersten Tagen des Angriffskrieges versucht, so gut es geht, kritisch zu berichten. Sie hatten die Dinge beim Namen genannt, doch dann knickten sie unter dem Eindruck der harten Repressionen nach innen immer mehr ein. Die Novaya Gazeta – die von Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow geleitet wird – versucht, noch durchzuhalten. Tamina Kutscher sagt zur Strategie der Novaya, unter diesen Bedingungen zu arbeiten und zur Lage insgesamt: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Tage für unabhängige Medien in Russland im Grunde gezählt sind.“ 

    Wir müssen davon ausgehen, dass die Tage für unabhängige Medien in Russland im Grunde gezählt sind

     – Tamina Kutscher am 06.03. in der taz 


    04.03.2022 „Die Propaganda in Russland funktioniert“
    DLF Nova: In diesen ersten Tagen des Angriffskrieges wird deutlich, wie die Propagandamaschinerie in Russland anzieht und die Formeln permanent wiederholt, die Präsident Wladimir Putin in seinen Ansprachen geäußert hat, um den Krieg legitim erscheinen zu lassen. Der Begriff „militärische Spezialoperation“ wurde etabliert und soll durchgesetzt werden. Zugleich, sagt Tamina Kutscher, steigt die Repression nach innen: „Die Propaganda in Russland funktioniert“

    03.03.2022 „Unterdrückung des unabhängigen Journalismus in Russland“
    SWR1: Tamina Kutscher zeichnet nach, wie stark der Druck auf die wenigen unabhängigen russischen Medien innerhalb dieser ersten Kriegstage aufgebaut wird. Denn: Diese unabhängige Medienszene ist klein und droht nun, völlig zerstört zu werden: „Unterdrückung des unabhängigen Journalismus in Russland“ 

    25.02.2022 „Wie funktioniert die russische Propaganda im Krieg gegen die Ukraine?“
    ÜBERMEDIEN: Einen Tag nach Beginn der russischen Invasion war dekoder-Chefredakteurin Tamina Kutscher zu Gast im Übermedien-Podcast Holger ruft an. Das Gespräch war bereits vor dem 24. Februar geplant und fand dann unter dem Eindruck des Angriffs statt. Ein Talk über russische Propaganda im Krieg gegen die Ukraine, die Rolle der unabhängigen Medien aus Russland (sowie Belarus): „Wie funktioniert die russische Propaganda im Krieg gegen die Ukraine?“

    Weitere Themen

    Muratows Krawatte und der Friedensnobelpreis

    „Wir sind die letzte Bastion im Krieg des Staates gegen sein Volk“

    „Sie haben die Zukunft zerbrochen“

    Goliath hat gewonnen. Ein Tagebuch von Xenia Lutschenko

  • Podcast Prodolshenije Sledujet #1: Alles düster

    Podcast Prodolshenije Sledujet #1: Alles düster

    Können Sanktionen Putin stoppen? McDonalds, Zara, H&M haben in Russland dichtgemacht, und das ist erst der Anfang. Worauf man sich noch vorbereiten sollte – das kommentiert Journalist Pawel Kanygin in der neuesten Folge des Podcast Prodolshenije Sledujet und fragt:Ist das die Vergangenheit, oh Verzeihung, die Zukunft, zu der die Staatsführung unter Wladimir Putin die russischen Bürger verdammt hat, indem sie einen Krieg in Europa losgetreten hat?“

    Kanygin war lange Jahre Korrespondent der Novaya Gazeta, für die er auch 2014 aus dem Osten der Ukraine berichtet hat. Für seine investigativen Recherchen, unter anderem zum Abschuss der MH17, wurde er mehrfach ausgezeichnet. Auf YouTube betreibt er den Podcast Prodolshenije Sledujet (dt. „Fortsetzung folgt“). dekoder hat die aktuelle Ausgabe untertitelt und bietet Kontext:

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    Mehr Hintergrund:

    BYSTRO #34: Können Sanktionen Putin stoppen?

    Hintergründe zum Krieg in der Ukraine
        
    Mehr zu Problemen der russischen Wirtschaft – schon vor dem russischen Angriffskrieg: Bringen Sie uns bloß die Wirtschaft in Ordnung!

    „Worin liegt die Kraft, Bruder?“ („W tschom sila, brat?“) Christine Gölz über den russischen Kultfilm Brat.

    Sapsan: Die Siemens AG gab Mitte Mai 2022 bekannt, ihr Russlandgeschäft zu beenden. Ein historischer Rückblick auf rund 170 Jahre Geschäftsbeziehung.

    Mehr über das russische Gesundheitssystem in unserer Gnose.

    „Hoffentlich zumindest keine neuen Kriege. Dann doch lieber den orthodoxen Sowok als Nordkorea.“ Andrej Loschak schrieb schon 2018 über Putins Ideologen und einen „höllischen Brei, der sich da in den Köpfen zusammenbraut.“

    Mehr über Tschetschenien in unserer Gnose von Marit Cremer.


    Deutsche Untertitel von Jennie Seitz und Ruth Altenhofer/dekoder.org
    Der Podcast Prodolshenije Sledujet auf YouTube
    Original veröffentlicht am: 30.05.2022

    Weitere Themen

    Unsere Podcasts: dekoder zum Hören

    Krieg in der Ukraine – Hintergründe

    Sowjetische Propagandastrategien im heutigen Kriegsrussland

    Podcast #1: Hundert Jahre Revolution

    Podcast #2: Alles Propaganda?!

    Podcast #3: (Kein) Vertrauen in die Demokratie

  • Bilder vom Krieg #2

    Bilder vom Krieg #2

    Fotografische Perspektiven auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Robin Hinsch

    Einkaufszentrum Retroville, Kyjiw, 2022 © Robin Hinsch
    Einkaufszentrum Retroville, Kyjiw, 2022 © Robin Hinsch

    ROBIN HINSCH
    „Auf diesem Parkplatz könnten auch wir stehen“

    Ich bereise die Ukraine seit 2010. In meiner Serie Kowitsch untersuche ich, wie die Lebenswirklichkeit der Menschen ständigen Veränderungen ausgesetzt ist. Ich fand und finde die Ukraine allein deshalb interessant, weil sie peripher und zentral zugleich ist und schon immer war. Bereits nach dem Zerfall der Sowjetunion gab ein Ringen um Einfluss auf das Land, ob nun aus Ost oder West. Dieser Zustand der Identitätsfindung oder des – im etwas überspitzen Sinne – nation building ist, was mich an der Ukraine interessiert. 

    Als ich Anfang März in Lwiw ankam, lag allgemeines Unbehagen in der Luft, unterstützt vom Dröhnen des Bombenalarms. Doch die Situation blieb noch diffus. Dies änderte sich schlagartig, als die ersten Raketen auch in Lwiw einschlugen. Immer drastischer wurde dieses Bild, je weiter ich in den Osten fuhr. Nach einiger Zeit im Südosten des Landes beschloss ich, nach Kyjiw zu fahren. In dieser Zeit schlug ein Iskander-Marschflugkörper in das Einkaufszentrum Retroville ein und hinterließ einen gigantischen Radius der Zerstörung. 

    Für mich steht dieses Bild stellvertretend für diesen entpersonalisierten Krieg, den Schrecken und das Leid, das Menschen sich gegenseitig zufügen können. Es ist ein Versuch im Betrachter, in der Betrachterin das Gefühl zu wecken, selbst auf diesem Parkplatz zu stehen.

     

    ROBIN HINSCH

    geboren 1987
    Er studierte Fotografie an der HfG Karlsruhe in der Klasse von Elger Esser, an der Hochschule Hannover bei Prof. Ralf Mayer und Prof. Rolf Nobel, an der HfBK Hamburg bei Silke Großmann und schloss sein Studium mit einem Master in Fotografie an der HAW Hamburg bei Prof. Vincent Kohlbecher ab. 

    AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL)

    2022 – Kowitsch, Galerie Melike Bilir, Hamburg, Eröffnung am 2. Juni 2022, 19 Uhr

    2022 – Gute Aussichten, Haus der Fotografie, Hamburg

    2021 – Fotofestiwal, Lodz

    2020 – Willy Brandt Haus, Berlin

    STIPENDIEN UND AUSZEICHNUNGEN (AUSWAHL)

    2022 – PH Museum Photography Grant (Shortlist)
    2022 – Copenhagen Photo Award (Shortlist)
    2022 – Hellerau Portrait Award (Shortlist)
    2021 – Gute Aussichten Award
    2020 – Sony Grant

    PUBLIKATIONEN u.a. in Spiegel, CNN, Guardian, Rolling Stone, National Geographic, Süddeutsche Zeitung Magazin u.v.m.


    Foto: Robin Hinsch
    Bildredaktion und Konzept: Andy Heller
    Veröffentlicht am 23.05.2022

    Weitere Themen

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    Bilder vom Krieg #1

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    Fotografische Perspektiven auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: ELENA SUBACH

     

     

    Links: Eines der Zelte an der Grenze, in denen sich Flüchtlinge ausruhen, aufwärmen und medizinische Hilfe bekommen. Ushgorod, Ukraine, Februar 2022
    Rechts: Olena aus Charkiw in einem Schutzraum in Lwiw, ein kurzer Zwischenstopp auf ihrem Weg in die EU. Ukraine, April 2022
    Fotos © Elena Subach

    ELENA SUBACH
    „Wir spüren keine Zukunft mehr“

    [bilingbox]Ein Mensch aus Mariupol hat mir einmal gesagt: „Für die Evakuierung musste man eine andere Person werden – halb-leer und semi-neu. Anders hattest du keine Chance, aus der Stadt herauszukommen. Du wirst eine Person ohne Vergangenheit, denn sie wird dir weggenommen, ein Mensch, dessen Erinnerungen keine materielle Grundlage mehr haben. Du stehst ohne alles da, sogar ohne die Gräber deiner Eltern.“

    Die Fotos habe ich in Schutzräumen für Binnenflüchtlinge in Lwiw aufgenommen. Theater, Schulen, Bibliotheken, Kindergärten und Büros wurden in Schutzräume umgewandelt. Außerdem nehmen die Bewohner von Lwiw auch viele Menschen bei sich zu Hause auf. Lwiw in der Westukraine, die Stadt, in der ich lebe, ist heute ein wichtiger Fluchtort für mehr als 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die wegen des Krieges von zu Hause fliehen mussten. Einige von ihnen werden nach Hause zurückkehren können, einige nicht, weil es nichts gibt, wohin sie zurückkehren können. Die Städte, aus denen sie kommen, sind womöglich dem Erdboden gleichgemacht, wie zum Beispiel Mariupol.

    In einem Team von Gleichgesinnten arbeite ich an einem Projekt, bei dem wir die Geschichten von Menschen aufzeichnen, die wegen des Kriegs gezwungen waren, von zu Hause zu fliehen. Das Ziel unseres Projekts ist eine Dokumentation mit Fakten und den tragischen persönlichen Geschichten dieser Menschen. Nach Fertigstellung wollen wir der Welt dieses Projekt zeigen, obwohl das wahrscheinlich noch lange dauern wird.

    Mein Ansatz beim Fotografieren ist mittlerweile ein anderer als in den ersten beiden Kriegswochen, als ich die Serie Chairs at the Border aufgenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, ich dürfe den privaten Raum der Menschen nicht verletzten, denn es würde ihnen Zeit rauben, die sie brauchen, um sich von ihren Angehörigen zu verabschieden. Ich habe nicht gewagt, in ihre sowieso schon fragile und zerstörte Privatsphäre einzudringen, obwohl ich mir der historischen Bedeutung und Wichtigkeit des Moments bewusst war. Auch für mich selbst war alles seltsam, so dass ich mich auf die Suche nach Spuren der Anwesenheit von Menschen begab – das waren Dinge, die sie zurückgelassen hatten. Ich habe einige Stillleben fotografiert. Stühle mit Gegenständen, die dort noch lagen. Das waren für mich Inseln inmitten der Wellen von Menschen, auf denen man innehalten und kurz ausruhen konnte.

    Mittlerweile höre ich den Geschichten von Menschen zu und fotografiere sie dann. Manchmal unterhalten wir uns mehrere Stunden, denn jetzt haben sie Zeit und das Bedürfnis, uns von sich zu erzählen. Sehr oft setzen sich diese Bekanntschaften fort. Wir haben ihre Kontaktdaten und versuchen zu helfen, wo wir nur können.

    So entstand auch dieses Portrait von Olena, 44. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn Jaroslaw (1 Jahr und 7 Monate alt) und ihrer Schwiegermutter aus Charkiw geflohen. Ungefähr zehn Tage nach Kriegsbeginn war Olenas Mann aus dem Haus gegangen, um nach Wasser für die Familie zu suchen. Auf dem Rückweg geriet er in ein Feuergefecht, fiel in ein durch eine Explosion entstandenes Erdloch und brach sich ein Bein. Der Krankenwagen erreichte sie wegen der scharfen Kämpfe in dem Gebiet erst nach zwei Tagen. Nach einem Monat im Keller wurde das Kind allmählich krank und Olena beschloss, die Stadt zu verlassen. Sie stiegen in einen Zug, der Menschen evakuierte, und kamen nach Lwiw. Ihr Mann und ihre Mutter blieben in Charkiw.

    Im Krieg erinnern mich die Menschen mehr und mehr an Bäume. Sie sind stark und mächtig, die Tiefe ihrer Wurzeln ist um Vieles größer als die Höhe ihrer Stämme. Doch nun werden diese Bäume entwurzelt und weggeworfen. Nicht jeder kann sich tief genug eingraben, um wieder Wurzeln zu schlagen, nicht jeder wird im Frühling blühen und im Herbst gelbe Blätter kriegen. Wir, alle Ukrainer, spüren keine Zukunft mehr. Alles, was wir noch haben, sind Fragmente der Erinnerung an das, was vor Februar geschah. Aber viele von uns haben nichts mehr.~~~One guy from Mariupol once told me, “In order to be able to evacuate from there, you had to become a different person—half-empty and semi-new. Otherwise, you had no chance to leave the city. You become a person with no past as it has been taken away, a person whose memories have no material basis. There is nothing you are left with, not even the graves of your parents.“
    The photos you can see here were taken in Lviv shelters for internally displaced persons. Theaters, schools, libraries, kindergartens, and offices have been converted into shelters. Moreover, Lviv residents also take in many people at their own homes. Today, Lviv in Western Ukraine, the city, where I live, has become a great refuge for more than 200,000 Ukrainians who have been forced to flee their homes because of the war. Some of them will be able to get back home, and some will not because there will be nowhere to return to. The cities where they lived may be wiped off the face of the earth, as is the case with Mariupol. 
    With a team of like-minded people, I am working on a project which deals with recording the stories of people who were forced to flee their homes because of the war. The end goal of the project is the creation of a document of recorded facts and tragic personal stories of those people. We aim to show this document to the world when the project is ready, although I understand that this may not happen soon.

    Now my approach to taking photos is different from what it was during the creation of Chairs at the Border series in the first two weeks of the war. At that point in time, I felt that I could not violate people’s private space, because it would take their time, which they would rather like to use saying goodbye to their relatives. I did not dare to interfere in their already fragile and ruined private space, although I understood the historicity and importance of the moment. Also, for me personally, everything was strange, so I looked for traces of people’s presence—the things which remained after they left. I took a number of still life photos. I photographed chairs with the objects left on them, since they seemed to me like islands among waves of people, that is, places where one could stop and rest for a moment.

    Now I listen to people’s stories before taking their photos. Sometimes we talk for a few hours because now they have time for it and feel the need to tell us about themselves. Very often these acquaintances have a continuation. Having the contacts of the people, we try to help them as much as possible. 
    This is a portrait of Olena, 44. She fled Kharkiv with her young son Yaroslav, who is 1 year and 7 months old, and her mother-in-law. About 10 days after the start of the war, Olena’s husband left home to find and bring water to the family. On the way back, he came under gunfire, fell into a pit left after the explosion and broke his leg. The ambulance was able to reach them only in 2 days, because fierce battles were fought in their area. After a month of hiding in the basement, the child began to get sick and Olena decided to leave the city. They boarded an evacuation train and arrived in Lviv. Her husband and mother stayed in Kharkiv.

    In wartime, people remind me more and more of trees. They are strong and powerful, the depth of their roots is many times greater than the height of their trunks. However, now these trees are uprooted and thrown away. Not everyone can bury themselves enough to take root again, not everyone will bloom in spring and turn yellow in autumn. Now, all of us Ukrainians no longer feel the future. All we have left are the fragments of memories of everything that happened before February. But many of us have nothing left.[/bilingbox]

     

    ELENA SUBACH

    geboren 1980 in Tscherwonohrad, Ukraine
    Wirtschaftsstudium an der Staatlichen Universität Wolyn
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Nationalgalerie Lwiw, Kuratorin, visuelle Künstlerin

    AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL)

    2022 – Home again, Willy-Brandt-Haus, Berlin

    2022 — In Ukraine, Gallery at Dobbin Mews, New York

    2021 — Odesa Photo Days festival, Who is next to you?, Museum of Odesa Modern Art

    2019 — City of Gardens, EEP Berlin (Einzelausstellung)

    2019 — Woven Matter at Unseen, Amsterdam

    2019 — Fotofestival Lodz


    PUBLIKATIONEN u. a. in Weltkunst, SZ Magazin, Vogue Polska, Guardian (UK)


    Fotos: Elena Subach
    Bildredaktion und Konzept: Andy Heller
    Übersetzung: Friederike Meltendorf
    Veröffentlicht am: 10.05.2022

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