Von A wie Anna Achmatowa bis Z wie Z-Pop: Hier gibt es alle dekoder-Gnosen im Überblick. Eine grafische Übersicht bietet zudem unser Gnosmos.
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Debattenschau № 52: Proteste vom 12. Juni
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationDer 12. Juni ist der Tag Russlands. Ausgerechnet für diesen Feiertag rief der Oppositionelle Alexej Nawalny erneut zu landesweiten Anti-Korruptions-Protesten auf.
Tausende Menschen in mehr als 140 Städten Russlands folgten seinem Ruf – Ende März waren es noch unter 100 Städte.
Bei den Protesten wurde nicht nur gegen Korruption protestiert, auch Slogans wie „Russland ohne Putin“ oder „Putin ist ein Dieb“ waren zu hören. Laut der Menschenrechtsorganisation OWD-Info gab es allein in Moskau rund 700 Festnahmen.
Auf dem Sankt Petersburger Marsfeld ist für den Tag keine Kundgebung gestattet: Die Polizei wendet sich an die Umstehenden – in ausgesucht freundlichem Ton / Quelle: @ars_ves/Twitter
Nawalny selbst wurde noch vor Beginn der Aktion in Moskau in seinem Hausflur verhaftet, inzwischen wurde er zu einer Haftstrafe von 30 Tagen verurteilt. Zuvor hatte er die Moskauer Protestaktion von einem abgelegenen Büroviertel ins Zentrum verlegt: Die Demonstrierenden sollten vom zentralen Puschkinplatz aus die Twerskaja-Straße entlangspazieren. Dies war nicht genehmigt worden, an dem Feiertag spielten dort einzelne Gruppen historische Szenen nach.
Bereits am 26. März waren tausende Menschen dem Aufruf Nawalnys gefolgt, gegen Korruption zu protestieren. In einem Video hatte der Oppositionspolitiker unter anderem Premier Dimitri Medwedew der Korruption beschuldigt, die er über ein undurchsichtiges Netz von Stiftungen betreibe. Auch Milliardär Alischer Usmanow sei in die undurchsichtigen Geschäfte verwickelt.
Der anschließende Prozess Usmanows gegen Nawalny und auch öffentliche Diffamierungsversuche (wie ein Video, in dem er mit Hitler gleichgesetzt wird) scheinen dem Oppositionspolitiker, der Putin bei den Präsidentschaftswahlen im März 2018 herausfordern will, nichts anzuhaben.
Die Proteste vom 12. Juni: Zeichen des zunehmenden Bürger-Unmuts? Schreibt Nawalny die Wahlkampf-Gesetze neu? Oder ist es nur mehr Machtkampf eines Einzelnen, während die Protestbewegung an Kraft verliert?dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.
Rossijskaja Gaseta: Inszenierung für den Westen
Die offizielle Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta hält die Proteste für inszeniert:
[bilingbox]Man fragt sich: Wofür hat die Opposition das alles gemacht? Doch nur, um den westlichen Fernsehanstalten Bilder zu liefern, die dann sagen können: In Moskau gibt es eine Opposition zum Präsidenten Putin! Dafür hat die Opposition, die ein Tausendstel aller Moskauer ausmacht, versucht, die ganze Twerskaja Uliza in einen Drehort zu verwandeln und die Menschen, die den Tag Russlands feierten, als ihre Anhänger darzustellen. Sie haben bewusst die Rechtsschutzorgane provoziert und sie dazu genötigt, harte Maßnahmen zu ergreifen …
Dank gemeinsamer Anstrengung von Moskauer Behörden, Innenministerium, Nationalgarde und freiwilligen Helfern, die für Ordnung in der Hauptstadt sorgten, ist es ihnen dennoch nicht gelungen, den Moskauern und den Gästen der Hauptstadt die Laune zu verderben.~~~Спрашивается, ради чего оппозиция все это делала? Да только для того, чтобы создать картинку для западных телекомпаний, которые смогут сказать: в Москве у президента Путина существует оппозиция! Вот для этого оппозиция в лице тысячной доли москвичей и попыталась превратить всю улицу Тверскую в съемочную площадку, а людей, праздновавших День России, представить как своих сторонников. Они специально провоцировали представителей правоохранительных органов, вынуждая их на принятие самых жестких мер…
И все- таки в целом испортить настроение москвичам и гостям столицы им не удалось благодаря общим усилиям столичных властей, МВД, Росгвардии и народных дружинников, обеспечивавших охрану общественного порядка в столице.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
Echo Moskwy Blog: Regierung sucht den Konflikt
Nawalny hatte unter anderem beklagt, dass ihm in Moskau keiner das technische Equipment für seine Aktion verleihen wollte, auf Druck der Regierung. Anton Orech kommentiert in seinem Blog auf Echo Moskwy:
[bilingbox]Hätten sie Nawalny doch die Möglichkeit gegeben, Leute zu versammeln und eine Kundgebung abzuhalten: mit Bildschirmen, Tonanlage und Bühne, ohne Spezialeinheiten und Gefängnistransporter – nichts wäre passiert! Kein Lärm in der Welt, keine Festnahmen, keine Prügelopfer. Und so viele Menschen wären dann übrigens auch nicht gekommen.
Den Bürgern ist ihr Schaschlik wichtiger als alles andere auf der Welt. Aber die Regierung hat es von Anfang an auf einen Konflikt angelegt. Formal wurde alles erlaubt, aber hinter den Kulissen alles dafür getan, dass es nicht funktionieren konnte.
Die Regierung braucht Zusammenstöße und Tumult viel mehr als Nawalny: um allen Angst einzujagen, die sich in nächster Zeit Straßenaktionen anschließen wollen, um unter dem Vorwand von Chaos alles zu verbieten, was bislang noch nicht verboten ist.~~~Ну, дали бы спокойно Навальному собрать людей, провести митинг — с экранами, сценой и звуком, без ОМОНа и автозаков — и ничего бы не было! Ни шума на весь мир, ни задержанных, ни побитых. И народу, к слову, пришло бы не так много.
Гражданам шашлыки дороже всего на свете. Но власти с самого начала закладывались на конфликт. Потому формально все разрешали, а за кулисами делали все, чтобы ничего не получилось. Столкновения и беспорядки нужны властям гораздо больше, чем Навальному. Чтобы запугать всех, кто впредь собирается ходить на уличные акции, чтобы под предлогом беспорядков запретить все, что еще не успели запретить.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
Republic: Wahlkampf der Post-TV-Epoche
Oleg Kaschin diagnostiziert Russland auf dem unabhängigen Portal republic.ru eine ganz neue Art von Präsidentschaftswahlkampf:
[bilingbox]In gewissem Sinne ist Alexej Nawalny heute der wahre Chef des offiziell noch nicht aufgestellten Wahlkampfstabs von Wladimir Putin […]. Er bestimmt den Terminplan der Wahlkampfveranstaltungen, der Regierung bleibt nur, ihm zu folgen, indem sie Reenactment-Feste veranstaltet, die Jugendpolitik ummodelt oder prophylaktische Diskussionen in Schulen und Hochschulen durchführt. […]
Derartige Präsidentschaftswahlen hat es in Russland noch nie gegeben. Weder 1996 noch 1999 und erst recht nicht unter Putin fand ein Wahlkampf, wie dramatisch er auch gewesen sein mag, außerhalb der Fernsehwelt statt. Der erste Präsidentschaftswahlkampf der Post-TV-Epoche ist eröffnet und wird angeführt von einem Herausforderer aus dem Internet.
~~~В каком-то смысле Алексей Навальный сегодня – реальный начальник еще формально не созданного предвыборного штаба Владимира Путина […]. Он составляет график предвыборных мероприятий, и власти остается только следовать за ним, устраивая реконструкторские фестивали, переформатируя молодежную политику или проводя профилактические беседы в школах и вузах. […]
Таких президентских выборов в России еще не было. И в 1996 году, и в 1999-м, и тем более при Путине каждая предвыборная кампания, какой бы драматичной она ни была, не выходила за пределы мира, существующего в телевизоре. Первую президентскую кампанию посттелевизионной эпохи открыл и ведет оппозиционер из интернета.[/bilingbox]erschienen am 13.06.2017
Vedomosti: Neue Protestwelle
Die Redaktion von Vedomosti zieht Parallelen zu den Protesten von 2011/12 – und sieht doch entscheidende Unterschiede:
[bilingbox]Nach den Ereignissen vom 12. Juni kann man nun von einer neuen Welle politischer Proteste sprechen. Und diese Welle unterscheidet sich von der Welle der Jahre 2011/12. Der Protest in Russland ist nicht erschöpft, er hat sich politisiert und personalisiert. […]
Damals war es eine Bewegung der Mittelschicht in den großen Städten, die gehofft hat, den politischen Trend mittels legaler Massenaktionen zu ändern. […] Die heutigen Demonstranten sind bunter gemischt, was Besitz und Alter angeht, sie machen sich keine Illusionen über einen Dialog mit den Machthabern. […] Die, die heute auf die Straße gehen, stehen in Opposition zur Regierung und fordern einen Machtwechsel.~~~После событий 12 июня, пожалуй, уже можно говорить о новой волне политических протестов, и эта волна отличается от волны 2011–2012 гг. Протест в России не исчерпан, он политизировался и персонализировался. […]
Тогда это было движение среднего класса больших городов, который надеялся изменить политические тренды массовыми легальными акциями. […] Нынешние протестующие более пестры по имущественному положению и возрасту, у них нет иллюзий о возможности диалога с властью. […] Те, кто выходит сейчас, внутренне уже противостоят власти и требуют ее замены.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
Novaya Gazeta: Kampf eines Einzelnen
Kirill Martynow von der unabhängigen Novaya Gazeta dagegen sieht weniger eine erstarkte Protestbewegung, als den Machtkampf eines Einzelnen:
[bilingbox]Eine Protestbewegung gibt es nicht mehr, es gibt nur noch den Kampf von Alexej Nawalny um die Macht. Daran ist selbstverständlich nichts Schlimmes. Politik, vor der man bei uns in Russland in den letzten Jahren solche Angst hat, bedeutet ja letztendlich einen Kampf um die Macht. […]
Nach dem 26. März war klar, dass es eine zweite erfolgreiche Aktion braucht, um den Erfolg der neuen oppositionellen Demonstrationsbewegung zu festigen. Der 12. Juni kam, wenn auch vielleicht nicht im von den Initiatoren gewünschten Maßstab: In dutzenden Städten fanden große Kundgebungen statt.
Aber bisher gilt es im Spiel Nawalny gegen die Regierung ein Unentschieden zu konstatieren. Zwar hatte der Оppositionelle genug Ressourcen, um mit einem unerwarteten Zug in Moskau den Erfolg vom März auszubauen. Doch die Aktionen auf ein neues Niveau zu heben, das gelang ihm bisher nicht. ~~~Протестного движения больше нет, есть борьба Алексея Навального за власть. В этом, разумеется, нет ничего дурного.
Политика, которой у нас в России так страшатся в последние годы, и представляет собой борьбу за власть.
[…]
После 26 марта было ясно, что для закрепления успеха новой оппозиционной уличной повестки нужна вторая успешная акция. 12 июня она состоялась, пусть и не в желаемых ее устроителями масштабах: крупные митинги прошли в десятках российских городов.
Но пока в игре Навального против власти стоит зафиксировать ничью. Хотя у оппозиционера хватило ресурсов для того, чтобы предложить в Москве неожиданный ход, некоторым образом развить успех, достигнутый в марте, но вывести акции на новый уровень пока не удалось.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
Izvestia: Anführer von Internet-Lemmingen
Die staatsnahe Izvestia kreidet Nawalny vor allem an, dass er den Ort der Protestaktion kurzfristig verlegte. Und vermutet hinter seiner vorzeitigen Verhaftung persönliches Kalkül:
[bilingbox] Es ist schon sehr bezeichnend: Letztes Mal rief er Schüler zu einer nichtgenehmigten Kundgebung im Stadtzentrum auf und setzte sie damit der Gefahr einer Bestrafung durch die Obrigkeit aus. Nun hat der er Anführer des virtuellen Protests wieder vor der Veranstaltung schnell seine Verhaftung provoziert. Damals hat er sein Vergehen bei der Polizei abgesessen, eine kleine Strafe bezahlt und ist dann ruhig nach Hause gegangen, zum Abendessen.
Nach demselben Schema wurde er heute laut seiner Frau noch vor der von ihm provozierten unrechtmäßigen Aktion auf der Twerskaja im Treppenhaus verhaftet. Er hatte einfach keine Lust, an einer unrechtmäßigen Aktion teilzunehmen und im Gefängnistransporter zu landen. Dorthin hat er seine Internet-Lemminge geschickt. Sollen sie doch in den Gefängnistransportern sitzen und ihre Eltern dann später die Strafen zahlen.~~~Весьма показательно — как и в прошлый раз, призвав школьников на центральную улицу на незаконный несанкционированный митинг, подставляя их под санкции властей, лидер виртуального протеста по-быстрому спровоцировал свое задержание еще до мероприятия. Тогда он отсиделся в отделении полиции, заплатил мелкий штраф и спокойно пошел домой ужинать.
Сегодня по той же схеме еще до начала провоцируемой незаконной акции на Тверской Навальный, со слов его жены, был задержан в подъезде. Просто ему на незаконную акцию в полицейский автозак идти неохота. Он туда своих сетевых хомяков отправил. Пусть они по автозакам сидят и потом их родители штрафы платят.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
Radio Echo Moskwy: Die gefletschten Zähne der Macht
Auch Jelena Lukjanowa, Rechtsprofessorin an der Moskauer Higher School of Economics, sieht die Verlegung der Aktion ins Moskauer Zentrum kritisch. Im Radio-Interview mit Echo Moskwy schildert sie, welch gespaltene Gefühle die Bilder aus dem Moskauer Zentrum – die etwa in den Nachrichten auf dem Staatskanal Rossija 1 nicht gezeigt wurden, sondern vor allem in vielen unabhängigen Onlinemedien – bei ihr auslösten:
[bilingbox]Jede Freiheit hat ihre Grenzen, und die Grenzen sind die Interessen der anderen. Und dieser Grenzwert wird in Russland gerade ausgelotet. Das [heutige Übertreten dieser Grenze – dek] obliegt der Verantwortung eines Politikers [wie Nawalny – dek], und genau das gefällt mir nicht. Das bedeutet, die Moskauer in Gefahr zu bringen […], die gekommen sind, um das Reenactment eines Feiertags anzuschauen, und zweitens auch die Gäste der Stadt.
[…] andererseits gucken doch viele Fernsehen, wo nichts gezeigt wird, ihnen ist nicht klar, dass die Dinge im Internet auch sie betreffen könnten. Wie die gefletschten Zähne der Macht aussehen. Was willkürliche Verhaftung bedeutet. Was die Polizei ist, die, wie es heute in den Nachrichten hieß, mit Kampfstiefeln auf den Kopf eines jungen Mannes einschlug, der am Ende nur noch in den Armen der Polizisten hing. Wir wissen noch nicht, was da passiert ist. Wir kennen noch keine Ergebnisse. Und wissen nicht, wie viele Opfer betroffen sind. […]Zu dem, was die Regierung auf der Twerskaja als Reenactment zu inszenieren versuchte, kamen die wirklichen Ereignisse dieses Tages. Herausgekommen ist ein Reenactment, dem man online deutlich ansah, was heute im Land vor sich geht.~~~У всякой свободы есть предел и предел это интересы других. И этот предел в России сегодня только нарабатывается, где граница. Это, конечно ответственность политика и это то, что мне не нравится. Это поставить под угрозу москвичей, которые, […] пошли посмотреть на реконструкцию на праздник, а во-вторых, гостей [города].
[…] ведь многие смотрят телевизор, в котором ничего не показывают, им невдомек, что то, что в Интернете может вдруг коснуться их. Что такое звериный оскал власти. Что такое безосновательное задержание, что такое полиция, которая, прошло сегодня сообщение, что ударил полицейский берцом по голове молодого парня, который повис на руках в итоге. Мы еще не знаем, что там произошло. Мы еще не знаем, каковы результаты. И сколько пострадало.
[…]
то, что пыталась власть сделать в виде [реконструкторского] спектакля на Тверской, добавилось реальными событиями сегодняшнего дня. это получилась реконструкция, которая абсолютно в онлайн режиме показывала, что сегодня происходит в стране.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
Moskowski Komsomolez: Ein zweiter Revolutionär
Michail Rostowski, Korrespondent des staatsnahen Moskowski Komsomolez, begegnet dem Oppositionspolitiker mit gemischten Gefühlen: Er kann Nawalny durchaus auch Gutes abgewinnen – und warnt gleichzeitig vor ihm:
[bilingbox]In der von Putin errichteten Machtvertikale gab es immer genug Feinde und Gegner. Doch einen ständig wachsenden, sich ständig geschickt wandelnden Opponenten wie Nawalny im Sommer 2017, gab es noch nie.
Ich sehe in den Handlungen Alexej Nawalnys kein Bestreben nach Blutvergießen. Ich sehe in ihnen aber die feste Überzeugung eines Nawalny: An Regeln halte ich mich nicht. Meine Sache ist rechtens. Mein Wort ist Gesetz.
Diese Häuptlings-Attitüde erinnert mich an einen anderen Politiker in unserer Geschichte, der sich auch im Jahr 17 „verwirklichte“: Wladimir Lenin.
Solange es sich im Rahmen hält, ist Nawalnys Einfluss auf den politischen Prozess Russlands ein Einfluss zum Guten. Ein Einfluss, der unsere politische Elite diszipliniert, sie dazu zwingt, nicht auszuufern und sie nicht zur Ruhe kommen lässt.
Doch falls es Nawalny irgendwann gelingt, operative Freiheiten an sich zu reißen und den verwalterisch-politischen Apparat zu unterwerfen, dann wird er Russland – genauso wie Lenin 1917 – die wirkliche Bedeutung von „ich werd’s euch schon zeigen“ beibringen. Mir scheint, so weit sollte man es besser nicht kommen lassen. Wir hatten schon einen Lenin. Einen zweiten brauchen wir nicht.~~~У выстроенной Владимиром Путиным вертикали власти никогда не было недостатка во врагах и противниках. Но такого постоянно растущего, постоянно мимикрирующего оппонента как Навальный образца лета 2017 года на ее пути еще не встречалось. […]
я не вижу в действиях Алексеях Навального стремления к крови. Но я вижу в них твердую убежденность Алексея Анатольевича: правила – не для меня. Мое дело правое. Мое слово – закон. И эта абсолютно вождистская установка заставила меня вспомнить о другом политике из нашей истории, который тоже “проявил себя” в семнадцатом году: Владимире Ленине. […]
В разумных пределах влияние Алексея Навального на российский политический процесс – это влияние во благо. Влияние, которое дисциплинирует нашу политическую элиту, заставляет ее держать себя в рамках и не позволяет расслабиться.
Но если Навальный когда-нибудь сможет вырваться на “оперативный простор” и переподчинить себя административно-политический механизм, то он – совсем как Ленин в 1917 году – покажет России истинное значение выражения “ кузькина мать”. Мне кажется, что до этого дело лучше не доводить. Один Ленин у нас уже был. Второго не надо.[/bilingbox]erschienen am 12.06.2017
dekoder-Redaktion
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Debattenschau № 51: Ukraine bannt russische Internetseiten
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationZensur oder Sicherheitsmaßnahme? In einem Dekret hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Anfang der Woche angekündigt, dass mehrere russische Internetseiten, darunter Soziale Netzwerke und Email-Provider, in der Ukraine gesperrt werden – für mindestens drei Jahre. Betroffen sind unter anderen das russische Facebook-Pendant VKontakte, Odnoklassniki, die Suchmaschine Yandex oder der Email-Provider mail.ru – sie gehören zu den Top-10 der beliebtesten Seiten in der Ukraine.
Quelle: TNS UkraineDie überraschende Ankündigung entfachte entsprechend aufgeregte Debatten in der Ukraine und auch in Russland. Vor allem seitens der ukrainischen Zivilgesellschaft und junger liberaler Politiker hat das Vorhaben viel Kritik geerntet. Sie sehen die Meinungsfreiheit bedroht. Befürworter dagegen bewerten es als notwendigen Schritt für die nationale Sicherheit und zur Abgrenzung gegenüber Russland. All diese Argumente werden auch in russischen Medien diskutiert: dekoder bringt Debatten-Ausschnitte aus beiden Medienlandschaften.
Blog Ukrainska Pravda: Sicherheitslücke füllen
Der Westukrainer Maksym Sawanewskyj, Online-Experte und Leiter der PR-Agentur PlusOneDa, unterstützt im Blog der Ukrainska Pravda das Verbot vor allem aus Sicherheitsgründen:
[bilingbox]Es ist kein Geheimnis, dass alle bedeutenden IT-Firmen in Russland von den Geheimdiensten kontrolliert werden oder Informationen mit ihnen austauschen. Die Leute verstehen oft nicht, welche Fülle an Informationen sie den Sozialen Netzwerken übergeben: Informationen über Chats, Freunde, Vorlieben – alles, was man liked, teilt und kommentiert; Webseiten, die man besucht. […]~~~Ні для кого не секрет, що всі значущі ІТ-компанії Росії так чи інакше контролюються або обмінюються інформацією з російськими спецслужбами.
Люди часто не усвідомлюють, який масив інформації вони передають соцмережам:
– інформація про коло друзів
– переписка з ними
– ваші уподобання – що ви лайкаєте, поширюєте, коментуєте
– сайти, які ви відвідуєте […][/bilingbox]
erschienen am 16.05.2017
Meduza: Tipps vom russischen Staats-TV
Beim Exilmedium Meduza wundert man sich, dass ausgerechnet der staatliche Fernsehsender Rossija 24 in seinem Programm erklärt hat, wie man mit Hilfe von Anonymizern und anderen Tricks die Sperren umgehen kann:
[bilingbox]Ungeachtet dessen, dass ein föderaler [russischer – dek] Fernsehsender die Benutzung von Anonymizern empfiehlt, werden diese in Russland aktiv bekämpft. Roskomnadsor beispielsweise fordert, dass Anonymizer keinen Zugang zu Seiten geben dürfen, die offiziell in der Russischen Föderation gesperrt sind – und natürlich blockiert die Behörde Anonymizer.
Hervorzuheben ist, dass die Anleitung für die Ukrainer auf einem Kanal gezeigt wurde, der seit 2014 in der Ukraine verboten ist.~~~Невзирая на то, что федеральный телеканал советует пользоваться анонимайзерами, в России с ними активно борются. Роскомнадзор, в частности, требует, чтобы анонимайзеры закрывали доступ к сайтам, официально заблокированным в РФ — и, конечно, блокирует сами анонимайзеры.
Отдельно следует отметить, что инструкцию для украинцев показали на телеканале, который с 2014 года запрещен на Украине.[/bilingbox]erschienen am 16.05.2017
Vedomosti: Doppelte Standards
Auch im Wirtschaftsblatt Vedomosti sprechen Pawel Aptekar und Nikolay Epplée von einer widersprüchlichen Haltung russischer Offizieller zum Thema Internetsperren:
[bilingbox]Wenn es um Russland geht, wird oft das „souveräne Recht des Staates“ betont, „die Informations-, Technologie- und Wirtschaftspolitik im nationalen Segment des Netzes ,Internet‘ zu bestimmen“. Werden in den Ländern Zentralasiens den jeweiligen Regierungen gegenüber kritische russische Internetseiten blockiert, tun russische Offizielle so, als wüssten sie von nichts. Wenn aber die Ukraine russische Internetseiten sperrt, dann ist das natürlich „politisch motivierte Zensur“.~~~Когда дело касается России, важно «суверенное право государства определять информационную, технологическую и экономическую политику в национальном сегменте сети «Интернет». Когда в странах Центральной Азии происходит блокировка российских интернет-ресурсов, критически настроенных к властям этих стран, российские официальные лица как бы не в курсе. Но если российские ресурсы блокирует Украина, это, конечно, «цензура по политическим мотивам».[/bilingbox]
erschienen am 17.05.2017
Echo Moskwy: Eine Identitätsfrage
Alexander Baunow, Chefredakteur von Carnegie.ru, sieht im Interview mit Echo Moskwy die Entscheidung vor allem in der ukrainischen Identitätsfrage begründet:
[bilingbox]Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Staatsmacht und öffentliche Meinung [in der Ukraine – dek] mehr oder weniger einigen können, ist der: Die Ukraine ist nicht Russland. […]
Bei der ganzen Geschichte geht es darum, dass dieses Land tatsächlich spürt: Es kann seine Identität nicht aufbauen, solange es in engem Kontakt mit Russland steht, weil die Ähnlichkeit so groß ist, das Gravitationszentrum aber aufgrund der unterschiedlichen Masse in jedem Fall in Richtung Moskau rückt. Der gemeinsame russisch-ukrainische Raum sollte deswegen so wenig wie möglich gemein haben.~~~главный вектор всех сил, на котором более-менее сошлись власти и общественное мнение – что Украина не Россия. […]
Это все история про то, что действительно это страна чувствует, что свою идентичность, находясь в тесных связях с Россией, она не может построить в связи с тем, что сходство велико, а центр тяжести из-за разности масс все равно, так или иначе, будет откатываться в сторону Москвы. Этого общего российско-украинского пространства поэтому должно быть как можно менее общим.[/bilingbox]erschienen am 16.05.017
Nowoje Wremja: Poroschenkos Pseudo-Patriotismus
Serhij Leschtschenko, einer der führenden liberalen Politiker der Ukraine und Abgeordneter des Block Petro Poroschenko, kritisiert in der ukrainischen Nowoje Wremja das Vorhaben heftig:
[bilingbox]Das wird alles übel enden. Denn Poroschenkos Plan ist es, die öffentliche Aufmerksamkeit zu verschieben: vom Kampf gegen Korruption hin zu einem Pseudo-Patriotismus. Er wird immer neue Ideen haben, um die Illusion zu erzeugen, dass ausgerechnet er der wichtigste Schutzschirm gegen die russische Aggression ist. Und parallel wird er Szenarien zur Vernichtung des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine und zur Diskreditierung von Korruptionsbekämpfern vorantreiben. […]
Hauptsache ist, möglichst laut über „Moskaus Hand“ zu schimpfen und alle, die nicht einverstanden sind, als „Putins Agenten“ zu bezeichnen.~~~Все это плохо закончится. Потому что идея Порошенко – перевести фокус общественной дискуссии: с борьбы с коррупцией на тему псевдопатриотизма. Он будет выдумывать все новые и новые идеи, призванные создать иллюзию, что именно он – главный заслон от российской агрессии. И параллельно будет продвигать сценарий уничтожения НАБУ и дискредитации антикоррупционеров.
[…] Главное – погромче кричать о „руке Москвы“ и называть „агентами Путина“ всех несогласных. [/bilingbox]erschienen am 16.05.2017
Facebook: Social-Media-Flüchtlinge
Oleksij Tschupa, Poetry-Slammer aus der Ostukraine, gehört zu denen, die die Aufregung wegen des Verbots eher lächerlich finden und ironisch kommentieren:
[bilingbox]Ein wahrlich hartes Schicksal haben die Ukrainer. Nicht nur, dass viele von ihnen im Laufe ihres Lebens die Stadt oder das Land, ihren Beruf oder ihre Sprache wechseln müssen – jetzt sind sie auch gezwungen, ihr bevorzugtes Soziales Netzwerk zu wechseln. Ach du meine Güte. Schande dem Diktator Poroschenko. […] Wenn es Flüchtlingslager für die Flüchtlinge aus VKontakte und Odnoklassniki geben wird – sagen Sie mir Bescheid, ich werde ihnen ein Brötchen überweisen.~~~Справді трагічна доля випала українському народові. Мало того, що багатьом доводить упродовж життя змінювати місто та країну проживання, доводиться кілька разів за життя змінювати професію чи мову спілкування, так тепер ще й змушені будуть змінювати пріоритетну соцмережу.
Лышенько-лышенько
Ганьба диктаторові Порошенку.
[…]
Коли з’являться табори для біженців із ВК та ОК – дайте знати, перекажу їм булочку.[/bilingbox]erschienen am 16.05.2017
Sekret Firmy: Infrastruktur fehlt
Sergej Petrenko, Ex-CEO des ukrainischen Yandex, äußert im Interview mit dem russischen Business-Portal Sekret Firmy Zweifel in Bezug auf die Umsetzbarkeit des Vorhabens:
[bilingbox]Anders als Russland verfügt die Ukraine nicht über die Infrastruktur für derartige Blockierungen. Es gibt kein Roskomnadsor oder eine andere Stelle, wo eine Liste der zu sperrenden Seiten veröffentlicht wird. […]
Die einzig reale Möglichkeit für eine solche [Sperrung] wäre es, die 1500 Provider (oder wieviele wir hier haben) abzuklappern und sie davon zu überzeugen, bestimmte IP-Adressen zu sperren. Ich weiß nicht mehr, wieviele IP-Adressen Yandex genau hat, aber ein paar Zehntausend sind es sicher.~~~Дело в том, что у Украины, в отличие от России, нет инфраструктуры для таких блокировок. Нет Роскомнадзора или другого места, где публикуется общий список адресов, которые нужно заблокировать. […]
Единственный реальный способ это сделать — ногами обойти 1500 (или сколько там у нас) провайдеров и уговорить их заблокировать определённые IP-адреса. Я не помню, сколько именно IP-адресов у «Яндекса», но несколько десятков тысяч точно есть.[/bilingbox]erschienen am 16.05.2017
dekoder-Redaktion, Inga Pylypchuk
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Debattenschau № 49: Nawalny und die Macht der Straße
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationEs waren auffällig viele junge Leute: Teenager und Schüler. Manche hatten ihre Gesichter grün bemalt, manche hielten Schildchen mit Badeenten darauf in die Höhe. Und sie waren fast überall: nicht nur in Moskau und Sankt Petersburg, sondern auch in Jekaterinburg, in Nowosibirsk, in Wladiwostok und vielen weiteren Städten in den russischen Regionen. Beobachter sprechen von den größten Demonstrationen in Russland seit den Bolotnaja-Protesten 2011/2012.
„Ich vermute, auch Putin und Nawalny sind verblüfft vom Ausmaß der Anti-Korruptions-Proteste“, twitterte Spiegel-Korrespondent Christian Esch am Sonntag aus Moskau.
Oppositionspolitiker Alexej Nawalny war es, der zu den Protesten aufgerufen hatte. Zuvor hatte sein Fonds für Korruputionsbekämpfung (FBK) einen Bericht über Premier Medwedew veröffentlicht. Das Video auf Youtube hat nach dreieinhalb Wochen derzeit über 12,5 Millionen Klicks.
Bei den Protesten am Sonntag griff die Polizei durch, zumal die Demonstrationen meist nicht von den örtlichen Behörden genehmigt worden waren: Allein in Moskau gab es laut Menschenrechtlern rund 900 Festnahmen, die Polizei spricht von etwa 500. Jugendliche filmten noch aus Polizeiwagen heraus, die Videos wurden über das Internet verbreitet.
Auch Nawalny selbst war während der Proteste am Sonntag in Moskau verhaftet worden, wurde am heutigen Montag dem Richter vorgeführt und zu einer Strafe von 20.000 Rubel [rund 320 Euro] verurteilt. Außerdem muss er für 15 Tage in Haft.
Auftrieb für die Proteste dürfte außerdem auch der Videomitschnitt einer Diskussion über Nawalny und andere politische Themen zwischen Schülern und Lehrerinnen in der Oblast Brjansk gegeben haben. Das Video, von Nawalnys Wahlkampfteam vergangene Woche im Netz verbreitet, wurde zum Hit, die selbstbewussten Schüler zu „Helden des russischen Internets“.
Ein ereignisreiches Wochenende, und nicht nur in Russland: In Belarus, wo seit Wochen protestiert wird, griff die Staatsmacht am Samstag durch. Hunderte wurden verhaftet, die Polizei ging teilweise sehr brutal gegen die Demonstrierenden vor.
Während russische Staatsmedien kaum berichten und die landesweiten Proteste darin weitgehend marginalisiert werden, kommentieren vor allem unabhängige Medien: Nawalny, der Retter Russlands? Frühlingserwachen der russischen Zivilgesellschaft? Was wird bleiben von den Protesten?
Moskowski Komsomolez: Putin ist in der Pflicht
Das Massenblatt Moskowski Komsomolez sieht Wladimir Putin nun vor großen Herausforderungen:
[bilingbox]Der Präsident trägt in unserem Land die komplette Verantwortung. Er ist unmittelbar verpflichtet, seine Untergebenen bei der Stange zu halten. Am Vorabend der Wahlen vom 26. März 2000 erklärte WWP [Wladimir Wladimirowitsch Putin – dek] den Bürgern in einer TV-Sondersendung: „Wir wählen einen Präsidenten, der dazu verpflichtet ist, dem Land wieder zu Ansehen zu verhelfen.“ Die Anschuldigungen Nawalnys an die Adresse Medwedews, die bislang ohne befriedigende Antwort geblieben sind, haben zwar kaum das Ansehen unseres Landes beeinflusst, haben aber das Ansehen der russischen Machthaber eindeutig ruiniert. Mal sehen, ob Wladimir Putin das wieder aufbessern kann.~~~Президент в нашей стране отвечает за все. Держать в тонусе своих подчиненных – это прямая обязанность Владимира Владимировича Путина. Накануне выборов 26 марта 2000 года ВВП заявил в специальном телевизионном обращении к гражданам: “ Мы выбираем президента, чья обязанность – вернуть стране ее престиж”. Оставшиеся пока без содержательного ответа обвинения Навального в адрес Медведева вряд ли повлияли на престиж страны, но вот престиж российской власти они точно уронили. Посмотрим, сумеет ли Владимир Путин вновь его поднять.[/bilingbox]
erschienen am 26.03.2017
Kommersant: Der Kreml hat die Wahl
Auch Stanislaw Kutscher schaut in der Tageszeitung Kommersant auf die mögliche Reaktion des Kreml – und sieht es dabei als entscheidend an, wen mögliche Strafmaßnahmen treffen werden:
[bilingbox]In der Bevölkerung herrscht ein klares Bedürfnis, gegen die Korruption anzukämpfen – das zu ignorieren ist unmöglich. Deswegen wäre meines Erachtens die klügste Reaktion seitens der Regierung, erneut eine demonstrative Antikorruptionskampagne loszutreten.
Kurz gesagt, der Kreml hat die Wahl, und die lautet ganz einfach: Wer wandert ins Kittchen?
~~~Запрос общества на борьбу с коррупцией очевиден, игнорировать его невозможно, а потому самым умным ответом – на мой взгляд – была бы очередная демонстративная антикоррупционная кампания со стороны самой власти.Итак, если коротко, повторю, у Кремля есть выбор, и формулируется он просто: кого сажать?
[/bilingbox]
erschienen am 27.03.2017
Republic: Ein Teufelskreis
Für Oleg Kaschin dagegen scheint klar, dass auch die neue Generation der Protestierenden nichts ausrichten kann. Auf auf dem unabhängigen Portal Republic schreibt er:
[bilingbox]Völlig verständlich ist der Enthusiasmus derer, die den vereinten Protest vor fünf Jahren genug beweint haben und jetzt plötzlich die neuen Gesichter auf der Twerskaja entdeckt haben. Ein Generationenwechsel dieser Art allerdings, bei der jede vorige Generation die nächste anschaut und hofft, ihr möge das gelingen, was den Älteren nicht gelang – das ist ein klassischer breit angelegter Entwicklungsweg, der beinahe garantiert, dass irgendwann zur Hälfte der nächsten Amtszeit Putins schon eine neue Jugend antreten wird. Und die, die heute auf der Twerskaja waren, werden ihnen zuschauen mit genau den Hoffnungen, mit denen die ehemalige Bolotnaja-Bewegung auf die heutigen Teenager schaut. Es mutet an wie ein Teufelskreis, was sich da gerade hinter neuen Gesichtern verbirgt, die aber sowieso nichts erreichen werden. […]
Demokratien vermeiden ihr Zerbersten mithilfe von Machtwechseln. Der russische Autoritarismus (lässt er sich noch mit einem anderen vergleichen?) vermeidet das Zerbersten, indem er alle fünf Jahre die Teilnehmer auf Protestkundgebungen auswechselt.~~~Понятен энтузиазм тех, кто успел оплакать слитый протест пять лет назад и вдруг увидел новые лица на Тверской. Но смена поколений в таком формате, когда каждое предыдущее поколение смотрит на новое и надеется, что у него получится то, что не получилось у старших – это классический экстенсивный путь развития, почти гарантирующий, что где-нибудь к середине следующего путинского срока придет уже новая молодежь, а те, кто был сегодня на Тверской, будут смотреть уже на нее с той же надеждой, с которой бывшая Болотная смотрит на тинейджеров сегодня. Ощущение замкнутого круга прячется теперь за новыми лицами, но все равно никуда не девается.
[…]
Демократии избегают взрыва с помощью ротации власти. Российский авторитаризм (и с кем его здесь сравнить?) избегает взрыва с помощью ротации людей на протестных митингах раз в пятилетку.[/bilingbox]erschienen am 27.03.2017
Colta: Korruption ist der Zündstoff
Jegor Sennikow sieht auf colta.ru die Korruption als Zündstoff und gleichzeitig als Klammer, die viele im Land vereint:
[bilingbox]Vergessen darf man allerdings auch nicht, dass das Thema Korruption als Zündstoff für die heutigen Proteste gedient hat, und dies gänzlich vom Zettel zu streichen wäre falsch. […]
Zu irgendeinem Zeitpunkt wurde vielen klar, dass du zwar gleichzeitig die Spielregeln beachten und den vorgesehenen Abläufen folgen kannst, aber als Reaktion erntest du weder aufrichtiges Mitgefühl noch das geringste bisschen Gerechtigkeit, auch in der Rechtsprechung. Das alles ist so durchsichtig, dass es sowohl Schüler verstehen, die von ihren Lehrern bearbeitet werden, als auch Rentner, die das Fernsehen bearbeitet. […]
Ganz sicher ist jedoch, dass in Russland – und zwar nicht nur in Moskau und Petersburg – eine neue gesellschaftliche Bewegung herangereift ist.~~~Но нельзя забывать и то, что коррупционная тема послужила запалом сегодняшних протестов — и скидывать ее со счетов целиком совсем не стоит. […] В какой-то момент многим стало понятно, что ты можешь играть по правилам и следовать установленным процедурам, но в ответ ты не дождешься ни искреннего сочувствия, ни хотя бы условной справедливости и правосудия. Символ этот такой зримый, что понятен и школьникам, обрабатываемым своими учителями, и пенсионерам, обрабатываемым телевизором. […]
[Но] о чем можно говорить сегодня совершенно точно, что в России — а не только в Москве или в Петербурге — вызрело какое-то новое общественное движение.[/bilingbox]erschienen am 26.03.2017
Komsomolskaja Prawda: Vorsicht Falle!
Die regierungsnahe Komsomolskaja Prawda warnt vor der Teilnahme an den ungenehmigten Protestaktionen:
[bilingbox]Ganz offensichtlich war es kein friedlicher Spaziergänger, der den Polizisten geschlagen hat. Wahrscheinlich war es ein Aktivist aus dem Lager, das zu der illegalen Demonstration aufgerufen hatte. Der Täter konnte untertauchen, nun wird er anhand von Bildern der Überwachungskameras gesucht.
Das ist die Lektion für alle, die auf nicht genehmigte Demos gehen: Leute, vielleicht steht ihr einfach nur da und seid ganz friedlich. Aber man kann euch leicht in eine Falle locken und in Krawalle hineinziehen.~~~И бил полицейского явно не мирно гуляющий прохожий. Наверняка это был активист из лагеря тех, кто собирал незаконный митинг. Он успел скрыться, его ищут по изображениям с камер наблюдения…
И это урок тем, кто выходит на несанкционированные шествия — ребята, вы, может, и будет просто стоять, никого не трогая. Но вас могут легко подставить, втянуть в беспорядки.[/bilingbox]erschienen am 26.03.2017
Echo Moskwy Blog: Nawalny fehlt ein Plan
Kristina Potuptschik, bis 2012 Pressesprecherin der Jugendorganisation Naschi, galt für viele als die Personifizierung der sogenannten Kreml-Blogosphäre. Seit einigen Jahren hört man von ihr gemäßigte Töne. Auf ihrem Echo-Blog kann sie der oppositionellen Euphorie nur wenig abgewinnen:
[bilingbox]Sehr viele Jugendliche waren da, Schüler von gestern und heute. Der wichtigste Ort war Piter und nicht Moskau. Das sind die Hauptunterschiede zu Bolotnaja. Außerdem gab es damals nach den Protesten dieses deutliche Empfinden: Es passiert etwas. Das fehlt diesmal. […] Nawalny steckt in einer misslichen Lage: Die Menschen haben sich getroffen, sind wieder auseinandergegangen, und dann? Nichts. Nawalny hat dem Protest nichts anzubieten, kein Programm und keinen Handlungsplan. Und das begreifen sogar die Schüler.~~~Очень много молодежи, вчерашних и нынешних школьников. Главным городом стал Питер, а не Москва. Эти же пункты — главные отличия от Болотки. А еще то, что тогда после протестов было четкое ощущение — что-то Происходит. Сейчас такого ощущения нет. […] И Навальный сейчас в ситуации крайне неудачной — ну погуляли, ну разошлись, а дальше что? А дальше — ничего. Предложить Навальный протесту ничего не может, программы и плана действий у него нет, и понимают это даже школьники.[/bilingbox]
erschienen am 26.03.2017
Facebook Alexander Morosow: Geschichte geschrieben
Der renommierte Politologe Alexander Morosow dagegen zollt auf seinem facebook-Account dem umstrittenen Oppositionspolitiker Nawalny allen Respekt:
[bilingbox]
Wie auch immer das alles ausgeht – die heutige Aktion in 80 Städten wird in die politische Geschichte Russlands eingehen. So viel ist bereits klar. […]
Drei Jahre schon publiziert Nawalny Anti-Korruptions-Materialien. Mit dem Beginn seiner spielerischen Wahlkampagne und nun dem Video über Dimon hat Nawalny ordentlich politisch Kapital geschlagen. Er ist ohne jegliche Übertreibung ein großer Zeitgenosse. Gehörigen Respekt verschaffen ihm sein Verstand, seine Beharrlichkeit und seine geniale Medienkompetenz.~~~Чем бы это все не закончилось, но сегодняшняя акция в 80 городах войдет в политическую историю РФ . Это уже ясно. […]
Трехлетнюю историю антикоррупционных публикаций Навальный мощно капитализировал одним роликом про димона и началом своей игровой президентской кампании. Он без всякого преувеличения великий современник. Вызывают огромное уважение его ум, упорство и медиа-гениальность.[/bilingbox]erschienen am 26.03.2017
Facebook Batscho Kortschilawa: Ukraine als Vorbild
Batscho Kortschilawa ist ehemaliger Presseattaché der georgischen Botschaft in der Ukraine. Auf seinem facebook-Account kommentiert er die Proteste in Russland und Belarus, dabei schreibt er der Ukraine eine wichtige Rolle zu:
[bilingbox]Werden die aktuellen Demonstrationen in Russland und Belarus irgendetwas verändern? In den nächsten Jahren nicht. Weil Derartiges dort regelmäßig passiert, aber ohne jedes Ergebnis.
Wisst ihr, warum ich nicht daran glaube, dass sich in den beiden Ländern – besonders in Russland – aktuell irgendwas verändern wird? Ganz einfach: Weil dort bisher Positiv-Beispiele im großen Maßstab fehlen. Die baltischen Länder und Georgien können hier nicht als Vorbild dienen. Aber falls die Ukraine zu einem entwickelten, wirtschaftlich starken, stabilen und demokratischen europäischen Staat werden sollte, könnte sie nicht nur zum Vorbild, sondern auch zum Impuls für große Veränderungen werden. Und erst dann wird es zu einer Demontage der derzeitigen Regimes in Belarus und Russland kommen. Aber in der gegenwärtigen Lage braucht ihr nicht zu erwarten, dass sich dort irgendetwas verändert.
Veränderungen in der gesamten Region werden von der Ukraine ausgehen und nicht anders. Und falls solche Veränderungen beginnen, dann wird die UKRAINE zum echten Anführer der Region. ~~~Изменят ли что то в России и Белорусии митинги которые проходят? В ближайшие годы нет. Потому что такое переодически там происходит, но не имеет никакого результата.
Знаете почему я не верю в то что сейчас в этих двух странах, а особенно в России может что-то изменится? Ответ прост – у них нет пока положительного примера в большом масштабе. Страны Балтии и Грузия для них примером служить не может. А вот пример Украины, если она сможет стать развитым, экономически сильным, стабильным и демократическим европейским государством, сможет послужить не только примером, но и импульсом к большим изменениям. И только тогда произойдёт демонтаж тех режимов, которые сейчас в Белорусии и России.
А пока так как есть, не ждите что там что-то изменится. Изменения во всем этом регионе начнутся с Украины, и никак по другому. А если такие изменения начнутся, то УКРАИНА станет реальным лидером региона.[/bilingbox]erschienen am 26.03.2017
dekoder-Redaktion
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Debattenschau № 48: Mord an Denis Woronenkow
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationAm 23. März wurde der Ex-Dumaabgeordnete Denis Woronenkow in Kiew auf offener Straße erschossen.
Der ehemalige Abgeordnete der Kommunistischen Partei war eine umstrittene Figur: Er hatte die Linie des Kreml mitgetragen, in Sozialen Netzwerken etwa die Angliederung der Krim begrüßt. Umso überraschender war es für Viele, als er Ende 2016 in die Ukraine emigrierte – nachdem er nicht mehr in die Duma gewählt worden war. Da in Russland seit 2014 wegen Korruption gegen Woronenkow ermittelt wurde, vermuteten dies manche als Beweggrund für seine Emigration. In Kiew verglich er Russland schließlich sogar mit Nazi-Deutschland. Woronenkow hinterlässt eine Ehefrau, die populäre Opernsängerin Maria Maksakowa-Igenbergs, den gemeinsamen Sohn sowie zwei Kinder aus einer früheren Ehe.
Foto © Roman Jarowizyn/Kommersant Unmittelbar nach Woronenkows Ermordung brachen heftige Spekulationen über das Motiv und die Hintermänner aus: Steckt der SBU hinter dem Mord? Der russische Geheimdienst aus „Rache am Verräter“? Oder ging es um irgendwelche schmutzigen Geschäfte?
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach von „russischem Staatsterrorismus“, die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa dagegen von einem „Auftragsmord“.
Der mutmaßliche Mörder war nach der Tat schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert worden, wo er seinen Verletzungen erlag. Am Tag nach dem Mord veröffentlichte der ukrainische Obosrewatel den Namen des mutmaßlichen Täters. Andere, zumeist russische, Quellen stützen sich jedoch auf die Anwältin des Mannes, die behauptet, ihr Mandant sei noch am Leben.
In russischen Medien wird derzeit heftig spekuliert, wer hinter dem Mord steckt, unter anderem wird die in Russland typische Frage „Wem nützt es?“ aufgeworfen. Dass so viele eine schnelle Antwort darauf haben, das hat vereinzelt wiederum eine eigene Debatte ausgelöst. dekoder bringt Ausschnitte:
Novaya Gazeta: Kreml wird sich nicht herauswinden können
Julia Latynina von der unabhängigen Novaya Gazeta hat keinen Zweifel, wer hinter dem Mord steckt:
[bilingbox]Auch wenn die Kiewer Polizei und der SBU hilflos erscheinen, so werden sie doch alles daran setzen, dieses Verbrechen aufzuklären. Meiner Meinung nach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es aufgeklärt wird, so wie der Mord an Litwinenko. In diesem Fall wird sich der Kreml nicht herauswinden können.
Bestenfalls wird seine Verteidigungsstrategie folgende sein: „das war Eigeninitiative“, „hat versucht, sich anzudienen“. Funktionieren wird diese Verteidigungsstrategie nur bei den Olgino-Trollen.~~~Как бы ни были беспомощны киевская полиция и СБУ, они бросят на раскрытие этого преступления все силы. На мой взгляд, есть очень большая вероятность, что его раскроют, так же, как было раскрыто убийство Литвиненко. В таком случае Кремлю не отмыться.
В лучшем случае линия защиты будет такая: «это самодеятельность», «пытались угодить». Действовать эта линия защиты будет только на ольгинских троллей. [/bilingbox]
erschienen am 24.03.2017
Republic: Komplizierter als MH17-Abschuss
Oleg Kaschin vermutet eine Rache des Kreml hinter der Ermordung – und fragt sich auf Republic, wie der es schaffen wird, damit ein Zeichen zu setzen und sich gleichzeitig nicht als Täter zu entlarven:
[bilingbox]Die russische Staatsmacht wird nun vermutlich Mittel und Wege erfinden, um zu zeigen, dass Woronenkow wegen Verrats bestraft wurde. Diese müssen einerseits von allen potentiellen Adressaten eindeutig verstanden werden; andererseits dürfen sie auch nicht zum offenherzigen Bekenntnis werden: „Ja, das waren wir.“
Diese Herausforderung ist deutlich größer als damals bei der MH17 oder bei Nemzow. Vielleicht werden die russischen Machthaber nicht dicht halten und sich schneller verplappern als die ukrainischen Ermittler den Mordfall aufdecken.~~~[…] российская власть сейчас, скорее всего, будет изобретать способы дать понять, что Вороненков наказан за предательство, и эти способы должны быть такими, чтобы, с одной стороны, они воспринимались однозначно всеми потенциальными адресатами, а с другой – не стали бы чистосердечным признанием: «Да, это мы».
Tакая задача несопоставимо более сложна, чем то, что было с «Боингом» или Немцовым. Может случиться так, что российские власти не выдержат и проболтаются быстрее, чем украинские следователи раскроют убийство.[/bilingbox]
erschienen am 23.03.2017
Komsomolskaja Prawda: Der SBU war’s
Für das Massenblatt Komsomolskaja Prawda ist ebenfalls klar, wer die Drahtzieher sind – auch wenn es zu einem anderen Schluss kommt als Republic:
[bilingbox][Woronenkows] kriminelle Sünden in Russland wurden dabei [in der Ukraine – dek] nur spärlich erwähnt, beiläufig, im Rahmen der politischen Verfolgung. Schließlich hatte man das glänzende Bild eines [Unschulds-]Lamms. Aus Woronenkow hat man alles rausgeholt, was ging. Und ihn dann zur Schlachtung überführt. Diese Version sieht doch sehr viel logischer aus, oder? Besonders vor dem Hintergrund der für die Ukraine nicht allzu erfreulichen jüngsten Ereignisse. Für Poroschenko, aus dessen Händen die Macht langsam zu den Radikalen abfließt, ist das der rettende Strohhalm. Vorerst. […]
Übrigens wurde am Tatort eine Handtasche des Killers gefunden. Eine Handtasche, verstehen Sie? Wozu hat er die „zum Einsatz“ mitgenommen? Bestimmt hatte er darin einen Bart zum Ankleben, einen Kompass, einen Kiew-Stadtplan für Touristen und einen Ausweis der „Abteilung Liquidation“ des KGB. Derartiges wird der SBU wahrscheinlich bald präsentieren. […] ~~~О криминальных прегрешениях в России при этом упоминалось скупо, вскользь, в рамках политического преследования. В итоге образ агнца получился на славу. Из Вороненкова выжали все, что было возможно. И принесли на заклание. Согласитесь, эта версия выглядит куда логичнее. Особенно на фоне последних не самых приятных для Украины событий.
Для Порошенко, из рук которого власть потихоньку утекает к радикалам, это спасительная палочка. На какое-то время. […]Кстати, на месте убийства была найдена борсетка киллера. Борсетка, понимаете? Зачем он брал ее «на дело»? Даже не сомневаюсь, что в ней он носил накладную бороду, компас, туристическую карту Киева и удостоверение «отдела ликвидаций» КГБ. Скоро что-то подобное наверняка обнародует СБУ.[…][/bilingbox]
erschienen am 23.03.2017
Vedomosti: Russland und Ukraine müssen zusammenarbeiten
Die Tageszeitung Vedomosti verdächtigt weder Kreml noch SBU – und regt zur Aufklärung des Falls eine Zusammenarbeit der russischen und ukrainischen Behörden an:
[bilingbox]Wenn man die spezielle Art der Beschäftigungen des Ex-Abgeordneten bedenkt, darf man auch die Version nicht ausschließen, die man gewöhnlich als Konflikt in der Businesswelt bezeichnet. Selbst irgendwelche persönlichen Hintergründe oder eine Vermischung all solcher Umstände darf man nicht ausschließen.
Wenn man alle diese Versionen ernsthaft in Betracht zieht, dann wird der Mordfall ohne eine Zusammenarbeit der russischen und ukrainischen Rechtsschutzorgane nur schwer überzeugend aufzuklären sein. Aber nach offiziellen Verlautbarungen, dass russische Geheimdienste am Mord beteiligt gewesen sein sollen, wird es eine solche Zusammenarbeit offenbar nicht mehr geben.~~~Учитывая непростой род занятий бывшего депутата, нельзя исключать и версию, которую принято называть «конфликтом в сфере бизнеса». Нельзя даже исключать и какие-то личные версии, а также сочетание всех этих обстоятельств. Если все эти версии рассматривать серьезно, то без сотрудничества правоохранительных органов России и Украины по-настоящему убедительно раскрыть это убийство будет сложно. Но, похоже, после официальных заявлений о причастности к убийству российских спецслужб такого сотрудничества не будет.[/bilingbox]
erschienen am 24.03.2017
spektr: Opfer des hybriden Kriegs
Das russischsprachige Spektr, das in Lettland ansässig ist, ist der Spekulationen und schnellen Verdächtigungen müde:
[bilingbox]
Eine weitere Leiche – diesmal im Zentrum von Kiew – wird blitzartig zur Waffe im Propaganda-Krieg. Eigentlich interessiert sich auch niemand wirklich dafür, wer ihn weshalb umgebracht hat. Den Konfliktparteien ist auch so alles klar. Selbst wenn der Killer überlebt und ausgesagt hätte, würde man die Aussagen, die nicht in das einfache Weltbild der eigenen Seite passten, beiseite legen, es der feindlichen Propaganda anlasten und mit der Entlarvung des Gegners fortfahren.
Das heißt, obwohl wir das nicht wollten, sind wir auf beiden Seiten der Grenze bereits zu gemeinsamen Opfern des hybriden Kriegs geworden.
~~~Еще один труп – на этот раз в центре Киева – тоже молниеносно оказывается орудием пропагандистской войны. Собственно, никому ведь и не интересно, кто и за что его убил. Сторонам конфликта и без того все ясно. И даже если бы киллер выжил и дал бы показания, та сторона, в простую картину мира которой эти показания не впишутся, легко отмахнется от них, спишет на вражескую пропаганду и продолжит сеанс разоблачения противника.
То есть все мы по обе стороны границы, сами того не желая, уже вступили в союз жертв гибридной войны.[/bilingbox]
erschienen am 23.03.2017
dekoder-Redaktion
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Wie Boris Nemzow ermordet wurde
Journalisten in der Provinzfalle
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Debattenschau № 47: ESC-Kandidatin Julia Samoilowa
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationWie politisch ist der Eurovision Song Contest (ESC)? Die Frage wurde schon mehrfach diskutiert, vor allem auch im vergangenen Jahr, als die Ukraine (ein Jahr nach der russischen Angliederung der Krim) die Krimtatarin Jamala ins Rennen schickte, diese prompt gewann und den russischen Kandidaten auf Platz 3 verwies.
Nun hat der Erste Kanal die russische Kandidatin für den ESC 2017 in Kiew bekannt gegeben. Dass keine Zuschauerwahl stattfand, ist nicht gegen ESC-Regeln, aber ungewöhnlich. Und leistet dem Vorwurf Vorschub, dass die russische Seite versuche, die Gewinnerin zu instrumentalisieren: Julia Samoilowa hat 2015 einen Auftritt auf der Krim absolviert. Weil sie bei ihrer Einreise gegen ukrainisches Recht verstieß – sie hatte keine Einreiseerlaubnis der ukrainischen Behörden – droht ihr in diesem Fall eigentlich ein Einreiseverbot oder eine Geldstrafe. Da die 27-jährige Sängerin aber seit ihrer Kindheit im Rollstuhl sitzt und noch dazu in einem Interview sagte, schon immer von der Teilnahme beim ESC geträumt zu haben, sehen vor allem viele Ukrainer ihr Land moralisch erpresst. Am 15. März wurden laut Medienberichten schließlich alle Verbote gegen die Sängerin von ukrainischer Seite aufgehoben – für die Zeit des ESC [Update vom 22. März: Wie Interfax berichtet, wurde Samoilowa ein offizielles Einreiseverbot erteilt. Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU hatte bereits am 20. März angegeben, dass ein Dokument für ein Einreiseverbot gegen Samoilowa vorbereitet worden sei].In russischen wie ukrainischen Medien und Sozialen Netzwerken tobt seit Samoilowas Nominierung eine hitzige Debatte. Eine Debatte, die nicht nur das desolate Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine spiegelt, sondern auch positive wie negative Stereotype gegenüber Menschen mit Behinderung zum Vorschein bringt.
Facebook Uliana Pcholkina: Gleiche Regeln für alle
Die ukrainische TV-Moderatorin Uliana Pcholkina sitzt selbst im Rollstuhl. Auf ihrer Facebook-Seite wirbt sie für gleiche Regeln für alle – in jeder Hinsicht:
[bilingbox]Die Kandidatin Russlands, die eine Behinderung hat, soll unter Verletzung der Gesetze unseres Staates in die Ukraine reisen. Der SBU untersucht den Fall bereits und wird überprüfen, ob Julia tatsächlich die ukrainische Grenze überschritten und ein Konzert auf der annektierten Krim gegeben hat.
Aber hier gibt es noch eine andere Seite der Medaille. Im Internet schreiben einige, dass sie Favoritin würde, weil sie „ein armes Mädchen im Rollstuhl“ sei.
Leute, meint ihr das ernst? Das ist ein Songcontest, und bewertet werden sollten der Gesang, das artistische Vermögen und der Auftritt selbst! Was spielt denn hier die Behinderung für eine Rolle? Wie hilft ihr diese beim Singen?
[…]
Ich schlage vor, eine Aktion ins Leben zu rufen: „Ukrainische Menschen mit Behinderung gegen die Gesetzesbrecherin Samoilowa!“~~~Конкурсантка від росії, яка має інвалідність, має приїхати в Україну, порушуючи закони нашої держави. СБУ вже розглядає цей випадок і буде перевіряти, чи дійсно Юлія перетинала кордон України і давала концерти в анексованому Криму.
Але, тут є і інша сторона медалі. Користувачі мережі, пишуть, що вона має стати фавориткою, бо „бєдна дєвочка в каляскє“ …
Народ, ви серйозно? Це пісенний конкурс і оцінювати треба спів, артистичність і сам номер! При чому ту її інвалідність? Як вона допомагає їй співати?
[…] Пропоную, запустити акцію „Люди з інвалідністю України, проти порушниці закону Самойлової![/bilingbox]
erschienen am 13.03.2017
Republic: Revanche und Testballon
Oleg Kaschin kommentiert auf dem unabhängigen russischen Portal Republic, dass die ESC-Teilnahme Julia Samoilowas für die Verantwortlichen Revanche und Testballon zugleich bedeute:
[bilingbox]Nun wird niemand mehr glauben, dass der Skandal in der Show Minute des Ruhms unabhängig war von der geplanten Kandidatur der russischen Sängerin beim Kiewer ESC. Auf der Seite des Ersten Kanals finden sich die Clips nebeneinander in der Rubrik „Spezialprojekte“: Renata Litwinowa und Wladimir Posner entschuldigen sich bei dem einbeinigen Tänzer Jewgeni Smirnow für die Äußerungen zum „unerlaubten Kniff“, daneben das Mädchen im Rollstuhl, die Sängerin Julia Samoilowa mit ihrem Song Flame is burning, quasi als Fortsetzung des Themas „Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen im kulturellen und medialen Leben Russlands“.
[…]
Die Sängerin Samoilowa befindet sich an einem Punkt, an dem gleich drei Probleme sich kreuzen, mit denen sie nichts zu tun hat. Die Revanche des Ersten Kanals nach der ESC-Niederlage im vergangenen Jahr, und jetzt, im Vorfeld der Wahl, das Austesten der Möglichkeiten des Fernsehens sowie der russisch-ukrainischen Beziehungen – das sind die drei Räder, auf denen der Rollstuhl der Sängerin ins Finale des Wettbewerbs gefahren ist.~~~Никто уже не поверит, что скандал на шоу «Минута славы» не был связан с запланированным выдвижением российской певицы на киевское «Евровидение». На сайте Первого канала эти два ролика висят рядом в разделе спецпроектов – Рената Литвинова и Владимир Познер извиняются («извиняются») перед безногим танцором Евгением Смирновым за слова о «запрещенном приеме», а рядом девушка в инвалидной коляске, певица Юлия Самойлова со своей песней «Flame is burning» как бы продолжает тему участия людей с ограниченными физическими возможностями в культурной и медийной жизни России. [….]
Певица Самойлова находится в точке, в которой сошлись сразу три проблемы, не имеющие к ней никакого отношения. Реванш Первого канала после прошлогоднего отставания, предвыборные проверки возможностей телевидения и российско-украинские отношения – вот три колеса, на которых коляска певицы доехала до финала песенного конкурса.[/bilingbox]
erschienen am 13.03.2017
Komsomolskaja Prawda: Die Flamme brennt
Das Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda mutmaßt, weshalb Julia Samoilowas ESC-Teilnahme in Russland nicht unumstritten ist:
[bilingbox]Von der Seite sieht das so aus: Nach Kiew kommt endlich der Armata T-14, fährt auf die Bühne des ESC und beginnt zu feuern. Flame is burning – die Flamme brennt. Und mit ihr die „europäischen Werte“, die gleichgeschlechtliche Liebe, die Transgender, Transvestiten, Transsexuellen und anderes profiliertes Publikum der Show.
Das wäre ein zu konfrontatives Vorgehen. So scheint es vielen (bei einer Umfrage des KP-Radios sprachen sich 64 Prozent gegen die Kandidatur von Julia aus). Das wäre zu gemein, zu konjunkturell, zu spekulativ.
Mit anderen Worten: ein „unerlaubter Kniff“.~~~Со стороны это выглядит так. В Киев наконец-то входит «Армата Т-14», заезжает на сцену «Евровидения» и начинает палить. Горит пламя. А вместе с ним — «европейские ценности», однополая любовь, трансгендеры, трансвеститы, транссексуалы и другая профильная аудитория шоу.
То есть слишком лобовой ход. Так кажется многим (опрос на радио «КП» выявил 64% несогласных с кандидатурой Юли). Слишком пошло, слишком конъюнктурно, слишком спекулятивно.Другими словами, запрещенный прием.[/bilingbox]
erschienen am 13.03.2017
Apostrophe.ua: ESC als Plattform für hybriden Krieg
Das ukrainische Onlinemagazin Apostrophe.ua empfindet die Kandidatur Samoilowas ebenfalls als eine Art „unerlaubten Kniff“:
[bilingbox]Die Russische Föderation nutzt den ESC nicht als Songcontest, sondern als ideologische Plattform für ihren hybriden Krieg.
So haben sie ohne jegliche Vorauswahl Julia Samoilowa zur Kandidatin gekürt, zynisch eine Interpretin im Rollstuhl ausgewählt, um später zu zeigen, wie brutal die Ukrainer sind, weil die sie nicht reinlassen. Das ist der völlige moralische Verfall des putinschen Russlands sowohl in humanitärer als auch in politischer Hinsicht. Die Auswahl eines Mädchens, das sich im Rollstuhl fortbewegt – das ist für die ein völlig normaler propagandistischer Zug. ~~~РФ использует Евровидение не как песенный конкурс, а как идеологическую площадку в своей гибридной войне.
И вот они без всякого отбора назначили кандидата Юлию Самойлову, цинично выбрав исполнительницу на инвалидной коляске, чтобы потом показать жестокость украинцев, которые не будут ее принимать. Это полное моральное падение путинской России как в гуманитарном, так и в политическом смысле. Выбор девушки, которая передвигается на инвалидном кресле, – для них нормальный пропагандистский ход.[/bilingbox]
erschienen am 13.03.2017
Blog Echo Moskwy: Verhängnisvolles Symbol
Dimitri Bykow sieht in seinem Blog auf Echo Moskwy ein „gefährliches Symbol“ in einer Rollstuhlfahrerin, die Russland ausgerechnet in der Ukraine vertreten soll:
[bilingbox]Russland und die Ukraine befinden sich vielleicht nicht im Kriegszustand, aber Frieden kann man das auch nicht nennen. In dieser Situation ein Mädchen im Rollstuhl auf die ukrainische Bühne zu schicken, bedeutet – besonders wenn man bedenkt, dass der ESC in Russland aus irgendeinem Grund als unglaublich wichtig und prestigeträchtig gilt, obwohl er das schon längst nicht mehr ist – einen gefährlichen symbolischen Schritt zu machen. Schließlich interpretieren wir jetzt jeden Wettbewerb, ob kulturell oder sportlich, im symbolischen Sinne. Und bei diesem Wettbewerb einen Invaliden vorzuschlagen, bedeutet ein gewisses doppeldeutiges Bild seines Landes zu schaffen. Nach der Art: Uns darf man nicht den Sieg verwehren, weil wir krank sind. Das wurde offenbar nicht so erdacht, aber aussehen tut es genau danach. Ist Russland heute daran interessiert, als Invalider zu erscheinen? (Besonders wenn man bedenkt, dass die Situation von Menschen mit Behinderung in Russland schwierig ist.)
Ich persönlich will nicht, dass mein Land im Kontext höchst musikalischer Wettkämpfe als Paralympionike wahrgenommen wird. Auch wenn das heute der schnellste Weg zum Sieg ist. Aber vielleicht wissen wir einfach nicht alles über die wahre Sachlage?~~~Россия сейчас находится с Украиной не то чтобы в состоянии войны, но и миром это тоже не назовешь. В этой обстановке выпускать на украинскую сцену девушку в коляске — особенно если учесть, что Евровидение почему-то считается в России ужасно важным и престижным, давно не являясь таковым — значит совершать опасный символический шаг. Ведь мы теперь любое соревнование, культурное или спортивное, интерпретируем в символическом плане. И предлагать к участию в таком конкурсе инвалида — значит создавать какой-то двусмысленный образ своей страны. Типа нам нельзя не отдать победу, потому что мы больные. Это явно задумывалось не так, но выглядит это именно так. Заинтересована ли сегодня Россия в том, чтобы представать в образе инвалида? (Особенно если учесть, что положение инвалидов в России сложное.)
Лично я не хотел бы, чтобы моя страна воспринималась в контексте сугубо музыкальных соревнований как паралимпиец. Даже если это сегодня кратчайший путь к победе. Но, может, мы просто не всё знаем об истинном положении дел?[/bilingbox]
erschienen am 15.03.2017
Nowoje Wremja: Nichts zu befürchten
Bogdan Jaremenko ist ukrainischer Diplomat und Vorsitzender der Bewegung Maidan sakordonnich spraw. Was er am 14. März auf dem populären ukrainischen Onlineportal Nowoje Wremja vorschlägt, wurde schließlich umgesetzt: Für die Zeit des ESC darf Samoilowa in die Ukraine reisen [Update vom 22. März: Wie Interfax berichtet, wurde Samoilowa nun ein offizielles Einreiseverbot erteilt. Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU hatte bereits am 20. März angegeben, dass ein Dokument für ein Einreiseverbot gegen Samoilowa vorbereitet worden sei]:
[bilingbox]Ich würde Samoilowa zum ESC in der Ukraine zulassen.
Erstens haben wir gewisse Verpflichtungen gegenüber den Organisatoren und Zuschauern des Wettbewerbs. […] Und Verpflichtungen muss man erfüllen – einerlei, ob es für dich nutzbringend oder schwierig ist.
[…]Ja, wir haben das Hoheitsrecht, zu definieren, wen wir auf unserem Staatsgebiet sehen wollen oder nicht. Und selbstverständlich wird die Entscheidung, Samoilowa nicht zum ESC zu lassen, aus offensichtlichen Gründen unter vielen Ukrainern Anklang finden.
Aber falls wir die Einreise verweigern, und zwar einer Sängerin, die noch dazu „ein Mädchen im Rollstuhl“ ist (Julia Samoilowa ist körperlich beeinträchtigt), schadet dieser von Russland provozierte Skandal der nationalen Sicherheit der Ukraine meines Erachtens mehr als wenn wir Julia Samoilowa für die ESC-Teilnahme in unser Staatsgebiet lassen.
[…]
Und noch eine Sache: Ich habe mir Samoilowa angeguckt, ihr Lied angehört … Eine abgeleierte Melodie (würde mich wirklich wundern, wenn die nicht geklaut ist), ein einfach gestricktes Mädchen (und ihren Facebook-Posts nach – einfach ungebildet), irgendeine scheußlich-gelispelte englische Aussprache. In etwa so ist auch Russland. Da gibt’s nichts zu befürchten.~~~Я бы допустил Самойлову в Украину на Евровидение.
Во-первых, мы имеем определенные обязательства перед организаторами и зрителями конкурса. […] Обязательства следует выполнять несмотря на то, выгодно, сложно это для тебя или нет.
[…]
Да, мы имеем суверенное право определять, кого хотим или не хотим видеть на территории своего государства. И, конечно, решение не допустить на Евровидение Самойлову по очевидным причинам найдет положительные отзывы среди многих украинцев.Но спровоцированный россиянами скандал вокруг нашего отказа допустить в Украину певицу, да еще и „девушку в инвалидной коляске“ (Юлия Самойлова имеет физические ограничения), с моей точки зрения, нанесет больше вреда национальной безопасности Украины, чем допуск на нашу территорию для участия в конкурсе Евровидение Юлии Самойловой.
[…]
И еще одно. Посмотрел я на Самойлову, послушал ее песню… Банальный мотив (буду искренне удивлен, если не ворованный), простенькая девочка (а из постов в ФБ – то элементарно безграмотная), какое-то ужасно-шепелявое английское произношение. Где-то такой Россия и есть. Нечего бояться. [/bilingbox]erschienen am 14.03.2017
InLiberty: Amputation des Gewissens
Der Politikwissenschaftler und Historiker Sergej Medwedew ist eine der profiliertesten Stimmen des liberalen Lagers. Auf der unabhängigen Diskussionsplattform InLiberty geißelt er den Zynismus der Show-Produzenten:
[bilingbox]Samoilowas Problem besteht auf zwei Ebenen – auf der menschlichen und auf der politischen. Auf der menschlichen kann man ihr nichts anderes für den Wettbewerb wünschen als den Sieg, von dem sie schon jahrelang träumt. […] Möglicherweise wird ihr Auftritt allen helfen, die mit eigenen Verletzungen und Gebrechen kämpfen; die diese nicht verstecken, den Schmerz überwinden, die Isolation und die Anonymität. Vielleicht wird er ihnen helfen, sich vollwertig in die Gesellschaft zu integrieren.
Auf der politischen Ebene ist es unmöglich, sich nicht über den Zynismus dieser Show-Produzenten zu wundern, die Samoilowa nach Kiew schicken – lösen sie doch ihre propagandistischen Aufgaben mithilfe verwundbarer, abhängiger Körper. Im Übrigen, das Gewissen wurde ihnen schon vor Langem amputiert – wie auch unsere Fähigkeit verkümmerte, uns noch über irgendetwas zu wundern.~~~Проблема Самойловой существует на двух уровнях — человеческом и политическом. По-человечески нельзя не желать ей победы в конкурсе, о котором она мечтала долгие годы: Возможно, ее выступление поддержит всех, кто борется со своими травмами и недугами, не скрывает их, преодолевает боль, изоляцию и анонимность, поможет им полноценнее интегрироваться в общество. Но на политическом уровне нельзя не удивиться цинизму продюсеров этого шоу с отправкой Самойловой в Киев: они решают свои пропагандистские задачи при помощи уязвимых, зависимых тел. Впрочем, у них уже давно случилась ампутация совести — как и у нас атрофировалась способность чему-либо удивляться.[/bilingbox]
erschienen am 14.03.2017
dekoder-Redaktion
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Presseschau № 46: Putins Programmrede
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationDer russische Staatspräsident Wladimir Putin hält im Dezember traditionell eine Jahresrede vor den wichtigsten Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien des Landes, sehr feierlich im prunkvollen Georgssaal des Kreml. Viel hat er in diesem Jahr über die wirtschaftliche Lage des Landes gesagt, aber auch über den Kampf gegen Korruption und Terrorismus. Auf ein Thema, das in den vergangenen Jahren dominierte – die Außenpolitik – setzte er wenige Akzente, kam vor allem auf Syrien zu sprechen, am Rande noch auf die USA, sprach von Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten Trump.
Viel Wert wird gewöhnlich auf das in dieser Rede skizzierte Programm gelegt, es gilt oft als eine zumindest rhetorische Richtschnur für das bevorstehende Jahr. Wie hat die russische Presse diesmal Putins Worte interpretiert? Und müssen es immer die Worte selbst sein, die bei diesem Auftritt wichtig sind? Was wurde nicht gesagt und warum? Sowohl unabhängige als auch staatsnahe Medien haben da ihre Lesarten. Eine Presseschau.
Vedomosti: Putin 1981
Die unabhängige Tageszeitung Vedomosti betont zunächst, dass der Sinn derartiger Botschaften darin bestehe, einen jeweils für notwendig erachteten Ton anzugeben. Nachdem die Kommentatoren eine Reihe von Unstimmigkeiten in der Rede Wladimir Putins aufgezeigt haben – etwa die, dass zwar das Wachsen des Bausektors erwähnt wurde, nicht aber die Tatsache, dass gleichzeitig die Kaufkraft der Wohnungssuchenden sinkt – ziehen sie eine Parallele zum Jahr 1981:
[bilingbox]Solche Reden sind aber – neben allem anderen – auch immer Texte, in denen zwischen all den überzogenen Rechenschaftsberichten, patriotischen Losungen und den schwer realisierbaren Handlungsanweisungen auch ein Moment der Wahrheit steckt. […]
,Eine Stabilisierung, das bedeutet nicht automatisch einen Übergang zu einer dauerhaften Aufwärtsentwicklung. Wenn wir nicht grundlegende Probleme der russischen Wirtschaft lösen, nicht mit voller Kraft neue Wachstumsfaktoren schaffen, dann können wir für Jahre in einem Nullwachstum steckenbleiben. Und das hieße, wir müssten uns ständig einschränken, immer sparen und alle Entwicklung auf ein Später verschieben‘, nahm der Präsident das zur Kenntnis, was vor sich ging. Und korrigierte sich pflichtgemäß: ,So etwas können wir uns nicht erlauben.‘
Die Stagnation wird noch 20 Jahre andauern, das prophezeite vor etwa einem Monat das Wirtschaftsministerium, das bald darauf auf dramatische Weise seiner Führung verlustig ging. An so etwas müssen wir uns nicht neu gewöhnen, denn wir erinnern uns ja: ‚Die Bilanz der Entwicklung der Volkswirtschaft bestätigt auf überzeugende Art und Weise die Richtigkeit der ökonomischen Strategie der Partei. […] Die Intensivierung der Landwirtschaft ermöglichte es, unentwegt den Umfang der Produktion zu steigern. […] Jetzt geht es darum, an der gewonnenen Erfahrung anknüpfend, Hindernisse beiseite zu schaffen, die das Wirtschaftswachstum bremsen.‘ Leonid Breshnew, XXVI. Parteitag der KPdSU, 1981.~~~Послания, ко всему прочему, это текст, в котором среди подтянутых отчетов, патриотических лозунгов и трудноисполнимых поручений всегда есть момент истины. ‚Стабилизация не означает автоматического перехода к устойчивому подъему. Если мы не решим базовые проблемы российской экономики, не запустим в полную силу новые факторы роста, то на годы можем зависнуть возле нулевой отметки и, значит, нам придется постоянно ужиматься, экономить, откладывать на потом свое развитие‘, – признал то, что уже происходит, президент. Но тут же дежурно поправился: ‘Такого мы себе позволить не можем‘.
Стагнация продлится еще 20 лет, предсказывало месяц назад Минэкономразвития, вскоре драматично лишившееся руководителя. Нам не привыкать, мы помним: ‚Итоги развития народного хозяйства убедительно подтверждают правильность экономической стратегии партии […] Интенсификация сельского хозяйства позволила неуклонно увеличивать объем продукции. […] Теперь дело за тем, чтобы, опираясь на накопленный опыт, устранять препятствия, мешающие росту экономики‘. Леонид Брежнев, XXVI съезд КПСС, 1981 г.”[/bilingbox]
Novaya Gazeta: Wahlkampfauftakt
Die Novaya Gazeta sieht in der Rede von Wladimir Putin bereits eine Art frühen Wahlkampfauftakt – im März 2018 soll in Russland ein neuer Präsident gewählt werden. Das sei der Grund für den inhaltlichen Schwenk zur Innenpolitik.
[bilingbox]Zum Glück ist es [in der Rede – dek] dieses Jahr ganz ohne Anspielungen auf die ,schwierige geopolitische Lage‘ abgegangen und ohne Kritik ,an unseren westlichen Partnern‘.
Zum einen reagiert der Präsident darauf, dass die Gesellschaft offensichtlich der außenpolitischen Diskussionen müde ist – gerade wurde eine Umfrage des Lewada-Zentrums veröffentlicht, in der sich 75 Prozent der Russen für eine Normalisierung der Beziehungen zum Westen aussprechen. Es deutet sich aber auch die Suche nach einem neuen Bild Putins an, für den Start der Kampagne im Präsidentschaftswahlkampf, die allem Anschein nach recht bald beginnen dürfte – und um die zu gewinnen, reicht die Krim allein schon nicht mehr aus.~~~К счастью, в этом году совсем обошлось без отсылок к ‚сложной геополитической ситуации‘ и без критики ‚наших западных партнеров‘.
Президент, с одной стороны, реагирует на очевидную усталость общества от внешнеполитических дискуссий — накануне был опубликован опрос Левады, согласно которому 75 % россиян выступают за нормализацию отношений с Западом. Но также здесь намечен поиск нового образа Путина для старта президентской кампании, которая, судя по всему, начнется по историческим меркам совсем скоро — и выиграть ее одним Крымом уже не получится.[/bilingbox]
Rossijskaja Gazeta: Innere Probleme größer als durch die Sanktionen
Im Amtsblatt der russischen Regierung, der Rossijskaja Gazeta, wird dieser innenpolitische Fokus der Rede besonders betont – auch im Kontext der gegen und von Russland selbst verhängten Sanktionen. Die Zeitung hebt zudem hervor, dass der Präsident eine Steuerreform angekündigt hat.
[bilingbox]Mehrere Male sprach das Staatsoberhaupt über die Sanktionen, ‚mit denen man uns dazu bringen wollte, nach einer fremden Pfeife zu tanzen‘. Aber die Hauptursachen für die Verlangsamung der Wirtschaft liegen Putins Ansicht nach vor allem in unseren innenpolitischen Problemen. Es gibt daneben jedoch auch viele positive Momente, in einer Reihe von Branchen ist ein Wachstum spürbar.
In der Wirtschaft braucht es keine abstrakten Szenarien, sondern professionelle Prognosen für die Entwicklung, schloss das Staatsoberhaupt und wies das Kabinett an, gemeinsam mit den Unternehmerverbänden bis Mai einen Plan auszuarbeiten mit einem Zeithorizont bis 2025, dessen Umsetzung es erlaubt, zum Anbruch des neuen Jahrzehnts 2019 bis 2020 ein schnelleres Wachstum als der Weltmarkt zu erreichen.
Außerdem schlug der Präsident vor, im Laufe des kommenden Jahres Vorschläge zum Umbau des Steuersystems zu prüfen, bis 2018 die Korrekturen vorzunehmen, und sie ab 2019 umzusetzen.~~~Несколько раз глава государства говорил о санкциях, ‚которыми нас пытались заставить плясать под чужую дудку‘. Но главные причины торможения экономики кроются прежде всего в наших внутренних проблемах, считает он. Впрочем, много и положительных моментов, в ряде отраслей заметен рост.
В экономике нужны не абстрактные сценарии, а профессиональный прогноз развития, заключил глава государства и поручил кабмину с участием деловых объединений до мая разработать план до 2025 года, реализация которого позволит на рубеже 2019-2020 годов выйти на темпы экономического роста выше мировых.
Также он предложил в течение следующего года рассмотреть предложения по настройке налоговой системы, в 2018 году принять поправки, а с 2019 года ввести их в действие.[/bilingbox]
Tatjana Stanowaja bei Carnegie: Eine Rede aus dem Schwebezustand heraus
Tatjana Stanowaja, Leiterin der Analyse-Abteilung des Zentrums für Politische Technologien, ist überzeugt, Wladimir Putin habe gerade einfach nichts zu sagen, wolle Konkretes bewusst offen lassen. In einem Kommentar für das Portal des Thinktanks Carnegie Moskau meint sie, er brauche von der Gesellschaft ohnehin nur Vertrauensbekundungen, für programmatische Entscheidungen sei jetzt nicht die richtige Zeit.
[bilingbox]Die konzeptionelle Gehaltlosigkeit der Agenda rührt von zwei Ursachen her. Erstens bleibt der Rahmen von Dialog und Austausch zwischen der Staatsmacht und der Gesellschaft darauf beschränkt, dass der Macht das Vertrauen ausgesprochen wird. Danach wird die inhaltliche Diskussion geschlossen, und der Dialog verengt sich auf die Themen Patriotismus und nationale Würde.
Die zweite Ursache ist die Ruhe der Zwischenzeit. Es steht die Ausformulierung der Wahlkampagne Putins bevor, der sich auf massive Umstrukturierungen innerhalb des Regimes (die werden 2017 bis 2018 unumgänglich sein) und auf eine neue geopolitische Wirklichkeit vorbereitet. Programmatische Entscheidungen zur Entwicklung des Landes sind stets zweitrangig im Vergleich zur Arbeit an Institutionen und Kadern, die noch lange nicht abgeschlossen ist.
Die Programmrede kam zu einer Zeit, als Putin sich eine strategische Pause für die Ausformulierung der weiteren Entwicklungsrichtung des Landes nahm, wobei diese Richtung in vielerlei Hinsicht nicht von ihm abhängen wird.~~~
Концептуальная пустота повестки стала следствием двух причин. Во-первых, узким оставлен предмет диалога между властью и обществом. Взаимодействие между властью и обществом по-прежнему сводится к получению первой мандата доверия, после чего содержательная дискуссия закрывается, а диалог сужается до тем патриотизма и национального достоинства.
Вторая причина – затишье промежуточного периода. Предстоит сформулировать предвыборную программу Путина, готовящегося к крупным перенастройкам внутри режима (а они будут неизбежны на рубеже 2017–2018 годов) и к новой геополитической реальности. Концептуальные решения по развитию страны всегда вторичны по отношению к институциональной и кадровой настройке, которая пока далека от завершения.
Послание пришлось на период, когда Путин взял стратегическую паузу в формулировании дальнейшего вектора движения страны, направление которого во многом будет зависеть не от него.[/bilingbox]
Rosbalt: Zivilgesellschaft an den Tropf holen
Der Kolumnist Sergej Schelin analysiert auf dem Portal der unabhängigen Nachrichtenagentur Rosbalt das Nichtgesagte. Zwischen den Zeilen liest er von einer Verstaatlichung der Zivilgesellschaft und einer Rückkehr zum sowjetischen Staatsmodell.
[bilingbox]Wer dem breiten Publikum berufsmäßig die Präsidentenreden erklären muss, der hat es derzeit nicht leicht. Im 68-minütigen Auftritt Wladimir Putins vor den wichtigsten Menschen des Landes ist so wenig Konkretes, dass den Deutern nichts anderes übrig bleibt, als sich auf die Analyse des Tonfalls zu konzentrieren und sich über den versöhnlichen, beizeiten gar liberalen Ton zu freuen. […]
Wenn man [hinsichtlich eines politischen Tauwetters] alles Gesagte und Nichtgesagte in knappe Worte zusammenfasst, dann lauten diese: Es gibt kein Tauwetter und keinen politischen Aktivismus, nirgends.
Die weitschweifigen Ausführungen über die Förderung von Ehrenamt und Nichtregierungsorganisationen [NGOs] laufen auf eine einzige konkrete Empfehlung hinaus: Die Bürokraten sollen den NGOs für die Durchführungen ihrer Maßnahmen ruhig großzügiger Staatsgelder zuteilen, für die sie (die Bürokraten) sich dann vor ihren Vorgesetzten zu verantworten haben. Mit anderen Worten: Sollen sich die NGOs doch von den Staatsbediensteten aushalten lassen. Über den Kampf mit den ausländischen Agenten wurde dabei nichts gesagt. Also: In dieser Hinsicht bleibt alles beim Alten. […]
In Putins Augen gibt es keine selbständige politische Kraft im Land, und es kann auch keine geben. Es gibt nur den Apparat der Staatsbediensteten, und dem wurde angeraten, sich delikater mit den Untertanen zu gebärden. Diese Ratschläge haben die Generalsekretäre der KPdSU ihrer Nomenklatur Tausende Male erteilt.~~~Тем, кто по роду занятий обязан разъяснять для широкой публики президентские речи, сейчас несладко. В 68-минутном выступлении Владимира Путина перед главными людьми страны настолько мало конкретики, что толкователям приходится концентрироваться на анализе интонаций и радоваться миролюбивому, а местами и либеральному тону. […]
Если резюмировать все сказанное и несказанное на этот [политические послабления] счет в нескольких словах, то они будут такими: никаких послаблений и никакого политического активизма ни на одном участке.
Пространные рассуждения о поощрении волонтерства и НКО подводят к одной единственной конкретной рекомендации: пусть бюрократы щедрее дают НКО казенные деньги на выполнение мероприятий, за которые они (бюрократы) отчитываются перед своим начальством. То есть пусть НКО будут у чиновников на жаловании. О борьбе с иноагентами не упомянуто. Следовательно, на этом участке все будет как было. […]
В глазах Путина какого-либо самостоятельного политического актива в стране нет и быть не может. Есть только чиновничество, которому рекомендовано тактичнее вести себя с подданными. Генеральные секретари КПСС давали своей номенклатуре точно такие же советы тысячи раз.[/bilingbox]
Kommersant: Das Persönliche zählt
Andrej I. Kolesnikow geht in der Tageszeitung Kommersant auf die Form der Erarbeitung dieser Programmrede Putins ein und meint: Hier war klar, es spricht der Präsident – und sein Wort solle allen ein Befehl sein.
[bilingbox]Unseren Informationen zufolge war diese Rede des Präsidenten im Großen und Ganzen etwa vor einem Monat fertig. Danach ging sie direkt an mehrere Adressaten für interne Abstimmungen und Korrekturen. Die Besonderheit dieser Rede besteht darin, dass sie sich nach allen Korrekturen – darunter auch den letzten des Präsidenten selbst – fast nicht verändert hat. Darin besteht, kann man sagen, auch ihre Einzigartigkeit: Normalerweise beginnt jeder, der sich dazu berufen fühlt (und das tun alle), fieberhaft an dem Text zu arbeiten, Änderungen, Korrekturen und Ergänzungen vorzuschlagen, und am Ende bleibt vom Text, der eigentlich allen schon von Anfang an gefallen hatte, fast nichts mehr übrig.
Diesmal erwies sich die Rede frei von diesem ganzen Ballast, nur Wladimir Putin hat im letzten Moment noch einige Korrekturen eingefügt: Er hat, nach unseren Informationen, vor allem noch etwas ergänzt, nicht gekürzt. […]
Dann nahm dieser ganze, recht widersprüchliche Haufen, diese wimmelnde, brummende Masse [im Saal – dek] Platz in ihren Sesseln, und er trat vor ihnen auf, pünktlich, um 12 Uhr, und begann seinen Vortrag. Übrigens: Warum hätte man den Text nicht einfach [ausgedruckt – dek] verteilen können, anstatt eine Stunde auf sein Verlesen zu verwenden? Nein, das wäre unter keinen Umständen möglich gewesen. Allen musste eines klar werden: Das alles sagt er. Das sind seine Worte, und fortan kann man ihm, der sie ausgesprochen hat, keine anderen mehr unterschieben, selbst wenn man das sehr wünscht. Für diese Worte muss Verantwortung übernommen werden, und das muss nicht Putin tun, sondern die, die im Saal sitzen – aber vor ihm, Putin, selbst. […]~~~
Послание президента было в общих чертах готово, по данным “Ъ”, примерно месяц назад. После этого его проект поступил сразу по нескольким адресам для внутреннего обсуждения и корректировок. Особенность этого послания состоит в том, что оно после всех правок, в том числе и окончательных президентских, почти не изменилось. В этом, можно сказать, даже его уникальность: обычно все, кто способен (а способными оказываются все), начинают лихорадочно работать над текстом, предлагать изменения, поправки, дополнения, и в конце концов от окончательного текста, который на самом деле нравился всем с самого начала, почти ничего не остается.
Это послание оказалось избавлено от всех этих хлопот, и только Владимир Путин внес в последний момент еще несколько правок: в основном, по данным “Ъ”, дописывал, а не сокращал. […]
Вся эта противоречивая, кипучая, бурчащая масса устроилась в конце концов в своих креслах в ожидании президента, и он появился перед ними вовремя, в полдень, и зачитал. Почему нельзя было просто раздать, кстати, текст и не тратить на зачитывание час? Нет, ни в коем случае. Надо, чтоб всем было ясно: это сказал именно он. Это его слова, и отныне его, произносящего их, ни с кем не спутаешь, даже если очень захочешь. За эти слова придется отвечать, и не ему, а им, сидящим в зале, причем перед ним же. […][/bilingbox]
Komsomolskaja Prawda: Vor allem Zählen zählt
Beim regierungsfreundlichen Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda wurde während der Rede vor allem eines getan: gezählt. Und zwar wie häufig es Applaus für Wladimir Putin gab – zudem dokumentiert, nach welchen Wörtern das Applaudieren einsetzte.
[bilingbox]Die Komsomolka [Komsomolskaja Prawda – dek] zählte während der 69-minütigen Rede des Präsidenten, dass im Saal zwölf Mal applaudiert wurde. Das hier sind die Themen, auf die im Georgssaal mit Applaus reagiert wurde:
- Einigkeit des Volkes
- Hilfe für junge Spezialisten
- Gründung eines Notfall-Sanitärdienstes
- Zentrum zur Unterstützung begabter Kinder
- Der Erfolg Russlands – das ist die Entdeckung von Talenten
- Arbeit von Nichtregierungsorganisationen
- Im Bau sind 85 Millionen Quadratmeter Wohnraum
- Erfolg in der Landwirtschaft
- Internationale Konkurrenz der russischen Unternehmen
- Mächtiger Schlag gegen die Terroristen in Syrien
- Dankbarkeit für die Diensttuenden in der Armee, die Russland damit ihre Ehre erweisen
- Wir erreichen alle von uns gesteckten Ziele
Den lautesten Beifall gab es, nachdem die Dankbarkeit gegenüber den Soldaten in Syrien ausgedrückt worden war. […]~~~‚Комсомолка‘ подсчитала, что за 69 минут, пока длилось Послание президента, зал аплодировал 12 раз. Вот на какие темы собравшиеся в Георгиевском зале Кремля реагировали апплодисментами:
- Единство народа.
- Помощь молодым специалистам.
- Создание службы санитарной авиации.
- Центры поддержки одарённых детей.
- Успех России – в раскрытии талантов.
- Работа некоммерческих организаций.
- В строй введено 85 миллионов квадратных метров жилья.
- Успехи в сельском хозяйстве.
- Международная конкуренция российских компаний.
- Мощный удар по террористам в Сирии.
- Благодарность военнослужащим, дорожащим честью России.
- Достигнем и решим все стоящие перед нами цели.
Причем, самые громкие апплодисменты звучали после слов благодарности нашим военным в Сирии. […][/bilingbox]
dekoder-Redaktion
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Presseschau № 45: Fall Uljukajew
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationEs ist ein Fall, wie ihn das gegenwärtige Russland noch nicht erlebt hat: Ein Regierungsmitglied wird verhaftet und von einem Gericht unter Hausarrest gestellt. Noch am selben Tag entbindet ihn Präsident Putin von seinem Amt als Wirtschaftsminister. Alexej Uljukajew – der zum liberalen Lager der Wirtschaftsreformer gezählt wird – steht unter der schweren Anschuldigung, Schmiergelder in Höhe von zwei Millionen Dollar im Zuge eines großen Übernahmegeschäfts erpresst zu haben. Sollte es zu einer Anklage und einer Verurteilung kommen, drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Das schlägt hohe Wellen in Russland. Beobachter sind überrascht und verwirrt vom Vorgehen des federführenden Ermittlungskomitees gegen den Minister, viele sehen Ungereimtheiten und bezweifeln, dass es tatsächlich um einen Korruptionsfall gehe – während die Hintergründe noch völlig offen sind. Putin hat bereits vor Jahren eine Strategie im Kampf gegen Korruption ausgerufen, zugleich bleiben Enthüllungen von regierungskritischer Seite mit schweren Vorwürfen gegen hochrangige Politiker und staatsnahe Unternehmer so gut wie folgenlos.
In der Presse überschlagen sich die Kommentatoren mit Analysen – in unabhängigen Medien vor allem mit Fragen und Spekulationen über die Hintergründe, während in staatsnahen Medien eher der Kampf gegen die Korruption gelobt wird. Vielfach beschäftigt auch die Frage, welche allgemeinen Signale von diesem bislang einmaligen Vorgang ausgehen.
Alexej Walentinowitsch Uljukajew – Foto © Government.ru unter CC-BY 4.0 Kommersant: Geheimdienste flehen um Spielraum
In der Tageszeitung Kommersant meint Dimitri Butrin, stellvertretender Chef im Wirtschaftsressort, es sei keine tiefgehende Aufklärung des Falls zu erwarten – schon deshalb nicht, weil die Regierung zu dem dahinterstehenden Übernahmegeschäft (beteiligt sind die staatsnahen Mineralölkonzerne Rosneft und Baschneft) aus seiner Sicht nie die ganze Wahrheit sagen würde.
[bilingbox]Zu viel war zu lesen über die ach so normalen Tätigkeiten der FSB-Mitarbeiter und der Mitarbeiter des Ermittlungskomitees – da entsteht unweigerlich ein Verdacht ob ihrer Verstrickungen in einem dunklen Spiel, das sie durch ihre vor der Gesellschaft verborgenen Ziele zur Hälfte selber am Laufen halten […]
Was das Ermittlungskomitee derzeit über Alexej Uljukajew sagt, bedeutet – würde man das Gesagte haargenau so glauben – eine äußerst schreckliche Kritik auch in Bezug auf die Regierung: Es bedeutet, dass keinerlei Kontrollmechanismen gegen Korruption, die das Weiße Haus seit 2004 aufbaut, greifen. Ansonsten müsste man glauben, dass sich unter der Maske von Alexej Uljukajew, den wir nicht erst im letzten Jahrzehnt kennengelernt haben, seit Jahren der dreiste Räuber Fan Fan, der Husar verborgen hielt, der nachts mit lautem Gelächter staatliche Unternehmen um riesige Barschaften beraubte. Und tagsüber friedlich zu Regierungssitzungen ging, die Brille aufblitzen ließ und über die Dynamik des Bruttoinlandsproduktes raisonierte, und niemand, abgesehen vom heldenmütigen FSB, schöpfte auch nur den leisesten Verdacht, dass sich im herrschaftlichen Umfeld ein genialer verbrecherischer Schauspieler verbarg.
Deswegen halte ich die Festnahme von Alexej Uljukajew unter den uns hier demonstrierten Umständen vorerst standardmäßig für den x-ten – sei es der 758. oder 759. – Versuch seitens des Ermittlungskomitees oder des FSB, die Staatsführung anzuflehen und um eine kostümierte Reinszenierung des Großen Terrors zu bitten und gleich auch neue schwarze Raben, die Sanierung der Lubjanka und die nächtlichen Überstunden der heldenhaften Ermittler zu bezahlen.~~~Мы слишком много читали об обычных занятиях сотрудников ФСБ и о занятиях сотрудников СКР, чтобы не заподозрить их в вовлеченности в какую-то мутную игру, половину которой они обеспечивают сами с неизвестными обществу целями.
[…]
То, что сейчас рассказывает СКР про Алексея Улюкаева, если этому в точности верить, является самой страшной критикой по отношению и к правительству: это значит, что не работают вообще никакие механизмы контроля коррупции, которые Белый дом строил с 2004 года. Иначе придется поверить, что под личиной Алексея Улюкаева, которого мы знаем не первое десятилетие, годами скрывался дерзкий разбойник Фанфан-тюльпан, по ночам с хохотом грабящий государственные компании на крупные суммы наличности. А днем он спокойно ходил на заседания правительства, поблескивая очками и рассуждая о динамике ВВП, и никто, кроме доблестного ФСБ, не мог заподозрить, что в государевом окружении скрывался гениальный преступный актер.
Поэтому пока по умолчанию я считаю задержание Алексея Улюкаева в тех обстоятельствах, которые нам продемонстрировали, очередной — семьсот пятьдесят восьмой или семьсот пятьдесят девятой — попыткой СКР и ФСБ поумолять власть начать костюмированную постановку «Большой террор», оплатив новые черные воронки, ремонт Лубянки и ночные сверхурочные доблестным следователям.[/bilingbox]
erschienen am 15.11.2016
Izvestia: Anti-Korruptionskampf trägt Früchte
Die regierungsnahe Tageszeitung Izvestia sieht in der Verhaftung von Uljukajew ein konsequentes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen Korruption bestätigt. Ohne Rücksicht auf Ansehen der Person.
[bilingbox]Die Verhaftung von Alexej Uljukajew ist Teil der systemischen Entscheidungen im Kampf gegen Korruption. Vor drei Jahren hat der Präsident erklärt, dass Korruption eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstelle. Danach hat Wladimir Putin auf einem Treffen mit den regionalen Führungsspitzen gewarnt, dass diejenigen, die ihren staatlichen Aufgaben nicht nachkommen, hart bestraft werden. […]
Wenn die Strafverfolgungsbehörden und der Pressesprecher des Präsidenten erklären, dass die Arbeit an dem Fall Uljukajew bereits vor einem Jahr begann, bedeutet das, es gab noch andere Materialien, noch eine andere Geschichte. […] So bedeutet diese Verhaftung, dass der Kampf des Systems gegen Korruptionäre läuft und dass heute nicht mal mehr ein Ministerposten eine Garantie dafür ist, sich der Verantwortung entziehen zu können, dass man im schlimmsten Fall in den Ruhestand, auf Urlaub geschickt wird. Nein, unter Arrest wird man gestellt. Erst warnt der Präsident, dann straft er.~~~Арест Алексея Улюкаева — часть системных решений по борьбе с коррупцией. Три года назад президент заявил, что коррупция — это угроза национальной безопасности. Потом, на встрече с региональными лидерами, Владимир Путин предупредил, что будут жестко наказывать тех, кто не решает государственные задачи.
[…]
Если правоохранительные органы, пресс-секретарь президента заявляют, что разработка Улюкаева была начата год назад, значит, были и другие материалы, была другая история. Просто сейчас она стала основанием для реализации оперативных материалов. […] Таким образом, этот арест говорит о том, что идет системная борьба с коррупционерами и на сегодня даже министерский пост — не гарантия того, что можно уйти от ответственности, что в крайнем случае человека отправят на пенсию, на отдых. Нет, отправят под арест. Президент сначала предупреждает, потом наказывает.[/bilingbox]
erschienen am 16.11.2016
Vedomosti: Wirtschaftsstrafrecht als Instrument für Personalfragen
Das unabhängige Wirtschaftsblatt Vedomosti hat sich entschieden, einen Kommentar im Namen des gesamten Meinungsressorts zu veröffentlichen, ohne einen konkreten Autor anzugeben, was selten vorkommt. Der Fall Uljukajew wird hier in einen größeren Trend eingeordnet, in dem der Geheimdienst immer stärker das Wirtschaftsstrafrecht instrumentalisiere.
[bilingbox]Die erstarkte Rolle der Geheimdienste nach den Protesten von 2011 bis 2012 und später dann nach der Krim (2014) hat den Markt der Gefahren vergrößert. Die Produktion von Gefahren und die gegen sie zum Einsatz kommenden Kampfmittel ist heute eines der lukrativsten Geschäfte, da hierdurch politische und personelle Aufgaben gelöst werden können und natürlich Aktiva und Finanzströme aufgeteilt werden – was in einer unter Druck stehenden Rentenökonomie sehr wichtig ist.
Große Wirtschafts- und Korruptionsfälle sind eine Angelegenheit des FSB, aber in den letzten zwei Jahren wurde er auf diesem Gebiet immer aktiver. Das sieht man an den Statistiken der auf seine Initiative hin eingeleiteten Wirtschaftsermittlungen: Allein in der ersten Hälfte 2016 waren es so viele wie in den jeweils zwölf Monaten der Jahre 2013 und 2014. Eine Schlüsselrolle in den Untersuchungen bedeutender Fälle spielt die FSB-Behörde für wirtschaftliche Sicherheit. […]
Derzeit befinden sich die Ermittlungen in den Verfahren gegen drei Gouverneure in unterschiedlichen Phasen, die Anklage beruht nach dem russischen Strafgesetzbuch auf wirtschaftskriminellen Tatbeständen (Korruption und Betrug): Wjatscheslaw Gaiser, Alexander Choroschawin und Nikita Belych, das Verfahren leitet das Ermittlungskomitee, die operative Ausarbeitung oblag dem FSB, die Verhaftung der internen Sicherheitsabteilung.~~~Резкое усиление роли спецслужб в России после протестов 2011–2012 гг. и затем после Крыма (2014 г.) привело к разрастанию рынка угроз. Производство угроз и средств борьбы с ними сегодня одно из самых прибыльных, поскольку позволяет решать политические, кадровые задачи и, конечно, делить активы и финансовые потоки – что так важно в сжимающейся рентной экономике.
Разработкой крупных экономических и коррупционных дел занимается ФСБ, но в последние два года она стала куда активнее. Об этом свидетельствует статистика возбужденных по ее инициативе экономических дел: только за первую половину 2016 г. их количество практически сравнялось с числом дел за все 12 месяцев 2013 и 2014 гг.
Ключевую роль в расследовании крупных дел играет служба экономической безопасности ФСБ.
[…]
Сейчас на разных этапах следствия находятся дела трех губернаторов, обвиняемых по экономическим статьям УК (взяточничество и мошенничество), – Вячеслава Гайзера, Александра Хорошавина и Никиты Белых, дела ведет СКР, оперативной разработкой занималась ФСБ, задержанием – УСБ ФСБ.[/bilingbox]
erschienen am 16.11.2016
Spektr: Neues Stadium der Autokratie
Arkadi Babtschenko ist überzeugt, es handle sich um einen Fake, bemerkt im Exilmedium Spektr spitz, ein Minister in Russland habe sicher bessere Geldquellen. Was hat das Ganze dann zu bedeuten?
[bilingbox]Also was? Ein verdeckter Kampf von Ermittlungskomitee und FSB? Von Falken und Liberalen? Von Setschins und Kudrins Leuten?
Ja, zweifellos. Das eine wie das andere. Zweifellos auch ein verdeckter Kampf der Kremltürme untereinander. Aber trotzdem ist es nur eine Folge. Die Hauptursache liegt, wie mir scheint, woanders. […]
All diese ständigen Neubesetzungen, Abberufungen, Umbesetzungen, Verschiebungen von einem an den anderen Ort, Annäherungen und Entfernungen, Beförderungen und Ungnaden in letzter Zeit. Mir scheint, dass all das nur Eines bedeutet.
Das Autoritäre hat das Stadium der liberalen Heuchelei hinter sich gelassen, ist sich endlich seiner selbst bewusst geworden und auf ein neues Niveau gewechselt.
Der Autokrat muss nicht länger so tun, als würde er von diesem oder jenen Meister seines Fachs in der Regierung abhängen. Von diesem oder jenen Gouverneur in den Regionen. Von dieser oder jener Neubesetzung, oder von dieser oder jener Verhaftung.
Die Autokratie in Russland ist sich ihrer selbst bewusst geworden als einzige Machtquelle im Land, als einziges Instrument der Staatsführung, als einziger Souverän, der auf keinerlei Mittelsmänner mehr angewiesen ist, seien sie auch im Range eines Ministers oder eines Gouverneurs, der weder die Unterstützung und noch nicht einmal die Loyalität von irgendwem benötigt.~~~Тогда что же? Подковерная борьба Следственного комитета и ФСБ? Ястребов и либералов? Сечинских и кудринских?
Да, безусловно. И это тоже. Безусловно, подковерная борьба башен Кремля друг с другом. Но все же и это следствие. Главная же причина, как мне кажется, — в другом.
[…]
Все эти перманентные в последнее время назначения, снятия, переназначения, перемещения с места на место, приближения и удаления, возвышения и опалы.
Мне кажется, что все это означает одно.
Авторитария в России прошла стадию либерального лицемерия, наконец-таки осознала сама себя и перешла на новый уровень.
Автократу не надо больше делать вид, что он зависит от того или иного профессионала в правительстве. От того или иного губернатора в области. От того или иного назначения или от того или иного ареста.
Автократия в России осознала себя как единственный источник власти в стране, единственный инструмент управления страной, единственного суверена, не нуждающегося больше ни в каких посредниках хоть в ранге министра, хоть в ранге губернатора, не нуждающегося больше ни в чьей поддержке и даже ни в чьей лояльности.[/bilingbox]
erschienen am 15.11.2016
Sekret firmy: Persönliche Abrechnung?
Der Moskauer Carnegie-Analyst, Andrej Mowtschan, spekuliert beim online erscheinenden Wirtschaftsmagazin Sekret firmy noch mal ganz anders zu den Hintergründen der Verhaftung – weil er nicht daran glaubt, dass es bei dem Vorgehen um einen Richtungsstreit in der Wirtschaftspolitik gehen könne.
[bilingbox]Beinahe alles, was wir bisher über die Verhaftung von Alexej Uljukajew erfahren haben, ist ein leuchtendes Beispiel für eine false agenda. Wir haben keinerlei Anlass, der offiziellen Version zu glauben – aber noch weniger sinnvoll ist es in diesem Fall, sich auf die Überlegungen einzulassen, der Grund für die Verhaftung könne in der Unzufriedenheit mit Uljukajews Wirtschaftspolitik liegen.
All unser Wissen darüber, wie in der Russischen Föderation Angelegenheiten geregelt werden, sagt uns, dass ein Dissens in wirtschaftlichen Fragen niemals Anlass für ein derartiges Vorgehen sein kann. […]
Wenn man in der aktuellen Situation daher zum Spaß annimmt, Alexej Uljukajew habe einem hochstehenden Silowik die Liebste ausgespannt, ist das vernünftiger, als über einen Kampf gegen die vom Minister verfolgte Wirtschaftspolitik zu debattieren. Vielleicht spielt der persönliche Faktor in solch lauten Angelegenheiten eine prioritäre Rolle – und wir würden nicht mal drauf kommen, was all dem zugrunde lag.~~~Практически всё, что мы публично слышали об аресте Алексея Улюкаева — яркий пример false agenda. У нас нет никаких оснований доверять официальной версии — но ещё менее разумно в этом случае пускаться в рассуждения о том, что причиной ареста могло быть недовольство проводимой Улюкаевым экономической политикой.
Всё, что мы знаем о том, как делаются дела в Российской Федерации, говорит нам, что никакие разногласия по экономическим вопросам никогда не могли служить поводом для подобных мер. […]
Так что, в нынешней ситуации в шутку предполагать, что Алексей Улюкаев отбил любимую женщину у высокопоставленного силовика, разумнее, чем рассуждать о борьбе против экономической политики, которую проводил министр. Возможно, личный фактор в таких громких делах играет приоритетную роль — и мы не можем даже догадываться о том, что легло в основу этого дела.[/bilingbox]
erschienen am 15.11.2016
Nesawissimaja Gaseta: Putin für 2018 fest im Sattel
In der Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta fasst Wirtschaftsredakteurin Anastassija Baschkatowa Meinungen zusammen – um darüber hinaus nach politischen Schlussfolgerungen mit Blick auf die nächsten Wahlen zu fragen.
[bilingbox]Die Verhaftung des Wirtschaftsministers Alexej Uljukajew hat ein großes öffentliches Echo hervorgerufen. Die Mehrheit der Experten meint, dass der „Fall Uljukajew“ – unabhängig davon, ob noch weitere Verhaftungen folgen werden oder nicht – ein klares Signal an die Vertreter der Elite ist, dass niemand im Land unantastbar bleibt.
Experten stellen in dem Fall viele Unstimmigkeiten fest, und Uljukajew selbst leugnet die Version der Ermittler, indem er seine Verhaftung als Provokation bezeichnet. Als wichtigste politische Folge aus der Verhaftung zeichnet sich ab, dass Ausmaß und Reichweite des Vertrauens innerhalb der zur Elite zählenden Gesellschaftsschichten abnehmen wird. Und das wiederum lässt vermuten, dass Wladimir Putin – in der Rolle des einzigen politischen Moderators im Land – auch nach 2018 Präsident bleiben wird.~~~Арест министра экономического развития Алексея Улюкаева вызвал большой общественный резонанс. Большинство экспертов считает: независимо от того, последуют или нет новые аресты, «дело Улюкаева» – ясный сигнал для представителей элиты, что неприкасаемых в стране нет. Эксперты отмечают в деле много несоответствий, а сам Улюкаев оспаривает версию следствия, называя свой арест провокацией. Но, как представляется, главное политическое последствие ареста – это сокращение уровня и радиуса доверия в элитных слоях общества, что предполагает следующее: Владимир Путин останется президентом и после 2018 года, исполняя функцию единственного политического модератора в стране.[/bilingbox]
erschienen am 16.11.2016
dekoder-Redaktion
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Presseschau № 42: Russland und die USA
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Presseschau № 44: Trumps Wahlsieg
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationPutin gratulierte sehr schnell per Telegramm. Ließ verlautbaren, er hoffe auf einen gemeinsam Weg aus der Krise im Verhältnis beider Länder. Ähnlich äußerte sich Medwedew. Donald Trump hat die US-Wahl gewonnen – der Mann, der in Moskau gemeinhin als Wunschkandidat galt. In der Duma klatschten die Abgeordneten spontan, während das Staatsfernsehen am Mittwochabend erstmals seit langem mit wohlwollendem Ton über die USA berichtete. Zuletzt undenkbar, waren die Beziehungen beider Länder wegen der russischen Luftangriffe im Syrien-Krieg doch auf einen erneuten Tiefpunkt gesunken.
In der Presse wird derweil nun lebhaft kommentiert, wie das politische Erdbeben aus den USA nach Russland ausstrahlen könnte. Wie ist der Sieg zu bewerten, welche Politik zu erwarten? Und wie könnte sich das Verhältnis beider Länder insgesamt entwickeln? Eine Nachlese zur Wahl in den USA.
Izvestia: Bankrott der Soziologie
Nach der Dumawahl 2016 war in der russischen Presse vielfach vom Versagen der Meinungsforschung die Rede – keines der Institute habe ein derart hohes Ergebnis für Einiges Russland vorhergesagt. Nach der US-Wahl sieht der Soziologe Aleksej Firsow in der regierungsnahen Tageszeitung Izvestia nun eine globale Krise seines Fachs.
[bilingbox]Die Wahlen in Amerika zeigen, dass in der Soziologie das Gespür für die Gesellschaft verloren gegangen ist. Das betrifft nicht nur die Umfragedaten, sondern auch das Verständnis für den Untersuchungsgegenstand als solchen. Die Soziologen haben die Zunahme der rechten Bewegungen in Europa verschlafen. Die Soziologen haben den Ausgang des Brexit-Referendums falsch vorausgesagt. Und die Meinungsforschung hat voller Überzeugung in den USA auf einen Sieg von Clinton gesetzt.
Die Prognosemaschine funktioniert nicht mehr. Würde so etwas in Russland geschehen, fänden die Kritiker leichterdings eine Reihe ausgesprochen „hausgemachter“ Gründe. Doch wir beobachten diesen Prozess jetzt in seiner globalen Dimension.~~~Американские выборы показывают, что социология теряет чувствительность к обществу. Причем речь идет не только об анкетных данных, а о понимании предмета своего изучения в целом. Социологи проспали рост правых движений в Европе. Социологи ошибочно предсказали результаты референдума по Brexit. Социология уверенно ставила на победу Клинтон в США.
И вот — машина прогнозирования перестает работать. Если бы такое случилось в России, критики легко нашли бы целый ряд сугубо «домашних» причин. Но мы видим этот процесс в глобальном масштабе.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Echo Moskwy: Trump schuldet Russland nichts
Die regierungskritische Politologin Lilia Shevtsova stellt heraus, dass Russland erstmals eine wichtige Rolle im US-Wahlkampf gespielt hat und meint in ihrem auf der Seite von Echo Moskwy veröffentlichten Kommentar: Trump bleibe ein Nationalist, niemand solle auf ihn zählen.
[bilingbox]Es wäre lächerlich, wenn irgendjemand in Russland erwarten würde, dass Trump im Gegenzug für die Unterstützung etwas zurückgibt: Trump ist dafür bekannt, dass er Schulden nicht zurückzahlt!
Kann man eine Annäherung Russlands an Trumps Weißes Haus erwarten? Selbst wenn Trump auch weiterhin Sympathien in Bezug auf Wladimir Putin äußern sollte, ist ein „Reset“ der Beziehungen zwischen Russland und Amerika zweifelhaft. Erstens, weil Trump selbst ein Nationalist ist, der nach Größe lechzt und nicht in der Lage ist, in seinen Sympathien konsequent zu sein. Und weil es in Amerika Kräfte gibt, die hinsichtlich der Absichten des Kreml ein durchaus verständliches Misstrauen hegen. Doch das größte Hindernis für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und den USA dürfte in der Bereitschaft Trumps liegen, die Spielregeln zu missachten: Wenn das die Staatschefs beider Länder tun, können wir uns auf Probleme gefasst machen! Und das umso mehr, wenn die Wähler von ihnen jeweils eine Demonstration der Stärke erwarten.~~~Смешно, если кто-либо в России ожидает от Трампа компенсации за поддержку: Трамп известен тем, что долгов не отдает!
Можно ли ожидать сближения России с трамповским Белым Домом? Даже если Трамп будет и дальше выражать симпатии в отношении Владимира Путина, новая «перезагрузка» отношений России и Америки сомнительна. И потому, что сам Трамп является националистом, жаждущим величия и не способным к последовательности своих симпатий. И потому, что в Америке оформились силы, испытывавшие вполне понятную подозрительность в отношении намерений Кремля. Но самым большим препятствием на пути нормализации отношений между Россией и США станет готовность Трампа нарушать правила игры: когда это делают лидеры обеих стран, жди проблем! Тем более, если от обоих лидеров их электораты требуют демонстрации силы.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Pravda.ru: Amerika steht gegen liberale Auffassungen auf
Der kremlfreundliche Ideologe und Schriftsteller Alexander Prochanow sieht in Trumps Sieg einen Aufstand der US-Bürger verwirklicht. Prochanow, der imperialistische Positionen vertritt, kommentiert den Ausgang der Wahl für die Internetzeitung Pravda.ru, die sich als Nachfolger des kommunistischen Parteiorgans versteht.
[bilingbox]Und von daher begreife ich Trumps Sieg als einen Aufstand Amerikas. Amerika hat sich in seiner Tiefe erhoben gegen die Spitzfindigkeiten der liberalen Ansichten, gegen die liberale Politik, gegen jenes Spinnennetz, mit dem der amerikanische Kontinent umwickelt ist. Die ganze vorgeschobene, verlogene Toleranz, die Menschenrechte, während man andere Länder bombardiert, das vernichtet jegliches Freiheitsdenken im Keim …
Das ist eine riesige, globale Lüge kosmischen Ausmaßes, die Clinton und ihre Unterstützer gepredigt haben. Und die ist letztendlich auf tiefliegende Seins- und Menschheitsgesetze gestoßen, auf eine Matrix, in der die Menschheit geschaffen wurde.~~~И поэтому победу Трампа я трактую как восстание Америки. Америка, в своей глубине, восстала против казуистики либеральных взглядов, либеральной политики, той паутины, в которую оплели американский континент. Вся эта мнимая лживая толерантность и права человека, когда бомбят другие страны, уничтожают все ростки свободомыслия…
Это огромная, космическая, глобальная ложь, которую исповедовала Клинтон и близкие к ней люди. Она, в конце концов, натолкнулась на какие-то глубинные законы бытия и человечества, какую-то матрицу, в которой человечество создавалось.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Republic: Völlig unvorhersehbare Politik
Vor voreiligen Schlüssen zur tatsächlichen Politik des neuen US-Präsidenten mahnt der Historiker Ivan Kurilla auf dem liberalen Portal Republic (ehemals slon) – weder Trumps Verhältnis zu Russland noch die US-Außenpolitik innerhalb der Weltordnung seien vorhersagbar.
[bilingbox]Amerika zeigt mit diesem Sieg einige Charakteristika, die den Russen bekannt vorkommen. Mehr als die Hälfte der Amerikaner hat jemanden gewählt, der offen viele Errungenschaften einer liberalen Gesellschaft abgelehnt hat. Schon melden sich die amerikanischen Intellektuellen zu Wort, die von ihren Landsleuten enttäuscht sind. Da ich unter ihnen viele Freunde habe, möchte ich sie etwas aufmuntern: Die Wahl Trumps ist keine Tragödie, in vier Jahren gibt es die Möglichkeit, einen anderen Präsidenten zu wählen, das ist unabwendbar. Nicht in allen Ländern hat das Volk eine solche Möglichkeit.
Ich würde mich auch an der Stelle jener Landsleute nicht zu früh freuen, die Trump die Daumen gedrückt haben: Es gibt keine Garantie, dass dieses dark horse, dieses unbeschriebene Blatt, ein für Russland günstigerer Gegenspieler sein oder die globale Präsenz der USA zurückfahren wird, wie sich das viele bei uns wünschen. Es könnte auch genau das Gegenteil eintreten.~~~Америка с этой победой приобрела некоторые знакомые россиянам черты. Более половины американцев проголосовали за человека, открыто отвергавшего многие достижения либерального общества. Уже слышны голоса американской интеллигенции, разочарованной в своих соотечественниках. Поскольку среди них много моих друзей, хочу их подбодрить: избрание Трампа не трагедия, через четыре года появится возможность избрать другого президента, и это неотвратимо. Не во всех странах у народа есть такая возможность.
Не стал бы я преждевременно радоваться и на месте тех соотечественников, кто «болел» за Трампа: нет никаких гарантий, что «темная лошадка» окажется более удачным оппонентом для России или что он свернет глобальное присутствие США, как многим бы у нас хотелось. Все может обернуться и прямо противоположным образом.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Moskovskij Komsomolets: Endlich ein Verhandlungspartner
Gerade die vielzitierte Unvorhersagbarkeit des neuen Mannes im Weißen Haus hält Michail Rostowski, politischer Kommentator des auflagenstarken, regierungsfreundlichen Moskovskij Komsomolets, dagegen zumindest für eine Chance.
[bilingbox]In der amerikanischen Politik herrscht seit Jahrzehnten völliger Konsens zu vielen zentralen Fragen, beispielsweise zu der absolut vorrangigen Rolle der NATO und zum Auftrag Amerikas als „Kindermädchen“ und Beschützerin Europas. Donald Trump steht außerhalb dieses Konsenses. Er hat zu allem seine eigenen Vorstellungen, und die scheinen für Politiker der traditionellen Schule eine Art Sakrileg zu sein. […]
Unvorhersagbarkeit bedeutet nicht nur Gefahren, sondern auch potenzielle Möglichkeiten. Mit Trump haben wir es mit einem US-Präsidenten zu tun, der keine festgefahrene persönliche Abneigung gegen Russland hat und der bereit ist zu verhandeln. Nach den Maßstäben des Herbstes 2016 ist das bereits sehr, sehr viel. Ich weiß nicht, ob Präsident Trump für die russisch-amerikanischen Beziehungen gut sein wird. Aber Präsident Trump wird diesen Beziehungen sicherlich eine neue Chance geben.~~~В американской политике уже многие десятилетия существует полный консенсус по целому ряду ключевых вопросов — например, об абсолютно приоритетной роли НАТО, о призвании Америки быть «няней» и защитницей Европы. Дональд Трамп не является частью этого консенсуса. У него свои идеи по поводу всего — идеи, которые кажутся политикам традиционной закваски чем-то вроде святотатства. […]
Непредсказуемость — это не только опасность, это еще и потенциальная возможность. В лице Трампа мы имеем президента США, у которого нет застарелой личной антипатии к России и который не прочь договариваться. По меркам осени 2016 года это уже очень и очень неплохо. Не знаю, будет ли президент Трамп хорош для российско-американских отношений. Но президент Трамп точно дает этим отношениям новый шанс.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Rossijskaja Gaseta: Russland soll sich lieber China zuwenden
In der Tageszeitung Rossijskaja Gaseta, dem Amtsblatt der russischen Regierung, meint der Politologe Sergej Karaganow, Russland solle sich gar nicht so stark auf den neuen US-Präsidenten und seine mögliche Politik kaprizieren – sondern lieber stärker nach China schauen.
[bilingbox]Amerika kann stark sein, das ist vollkommen klar. Allerdings weiß ich nicht, ob es Trump seinen Plan umsetzen lässt, der einen partiellen Isolationismus und die Konzentration der USA auf eigene Probleme nach sich zieht (übrigens hat das tatsächlich, in erheblich abgeschwächter und liberalerer Spielart, auch Obama geboten). […]
Trump hat in seinem Wahlprogramm viel vom Dialog mit Russland gesprochen. Aber es muss klar sein, dass die amerikanische Elite zu einem erheblichen Teil Russland schlichtweg ganz offen hasst, insbesondere die Liberalen. Doch das Entscheidende ist, dass Trump keine ernsthaften Pläne in Bezug auf Russland hat. Der Dialog mit den USA ist nötig, und die Beziehungen müssen wir und können wir womöglich ein wenig gesunden lassen. Das Wichtigste ist jedoch, dass Russland seine Politik ungeachtet von Trumps Regierungsübernahme weiterführt.
Ich bin sehr beunruhigt, dass viele russische Beobachter in hohem Maße unsere Politik davon abhängig machen wollen, wer bei den amerikanischen Wahlen gewinnt. Wir müssen uns nach Osten wenden, die Beziehungen zu China vertiefen, peu à peu mit den führenden europäischen Staaten zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Europa auf eine neue Spaltung zuschlittert.~~~Америка может быть сильной, это совершенно понятно. Однако не знаю, дадут Трампу реализовать его план, подразумевающий частичный изоляционизм и концентрацию США на собственных проблемах (кстати, такое предлагал, правда, гораздо в более мягком и либеральном варианте Обама). […]
В своих предвыборных программах Трамп много говорил о диалоге с Россией. Но нужно понимать, что значительная часть американской элиты просто откровенно ненавидит Россию, в основном либеральная часть. Но, главное, у Трампа нет серьезных планов в отношении России. Диалог с США нужно вести и отношения нужно и, может быть, даже можно немного оздоровить. Однако главное, что нужно сделать России, это продолжать свою политику вне зависимости от прихода к власти Трампа.
Меня очень настораживает, что многие российские обозреватели в значительной степени связывали нашу политику с тем, кто победит на американских выборах. А нам нужно поворачиваться на Восток, углублять отношения с Китаем, потихонечку работать с ведущими европейскими странами, чтобы предотвратить соскальзывание Европы к новому расколу.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Sekret firmy: Geschäft wichtiger als Politik?
In dem auf Unternehmerschaft in Russland spezialisierten Online-Magazin Sekret firmy schließt Redakteur Andrej Babitzki mit der Frage, ob am Ende nicht etwas ganz anderes als die große Politik eine entscheidende Rolle spielen könnte.
[bilingbox]Außenpolitisch wird Trumps Position fast sicher weicher sein als Clintons. Seine Ansichten sind ein wenig isolationistischer, er meint, die USA sollten weniger im Ausland kämpfen. Im Verhältnis konkret zu Russland sind seine Worte genau so unbeständig wie im Verhältnis zu allen andern. Er hat sich einerseits so geäußert, dass er im Falle einer russischen Invasion die baltischen Staaten nicht verteidigen würde, andererseits sagte er, dass er zum Abschuss eines russischen Flugzeugs bereit wäre, sollte es sich einem amerikanischen zu sehr nähern. Zudem hat er oft gesagt, dass man mit Putin eine gemeinsame Sprache finden müsse.
Am Ende, wie der Sohn des gewählten Präsidenten einmal gesagt hat, der in den Unternehmen der Familie arbeitet, würden die Russen einen überproportional großen Anteil der Immobilienkunden in Entwicklungsprojekten von Trump darstellen. Und Geschäft sei wichtiger als Politik.~~~В смысле внешней политики позиция Трампа почти наверняка будет мягче, чем у Клинтон. Он держится чуть более изоляционистских взглядов, считает, что США должны меньше воевать за рубежом. В отношении конкретно России его слова так же изменчивы, как в отношении всего остального. Ему приходилось говорить и о том, что он не будет защищать балтийские страны от российского вторжения, и о том, что он готов сбить российский самолёт, если тот пролетит слишком близко от американского. Кроме того, он много раз говорил, что с Путиным надо искать общий язык.
Наконец, как рассказывал сын избранного президента, работающий в семейном бизнесе, русские составляют непропорционально большую часть покупателей недвижимости в девелоперских проектах Трампа. Бизнес важнее политики.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
Snob: Feindbild wird fehlen
Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Ekaterina Schulmann fragt im international ausgerichteten Gesellschaftsmagazin Snob, welches Feindbild in Russland bemüht werde, nun, da Obama von der Mattscheibe verschwinde.
[bilingbox]Die Russische Fernsehpropaganda wird es bitter zu spüren bekommen, das Fehlen „des bösen Obama und der niederträchtigen Clinton“, die beide „Russland Schaden bringen und die Kiewer Junta unterstützen“. Allein mit den „Brüsseler Bürokraten” ohne die „Washingtoner Strippenzieher“ kommt man nicht weit. Von „geklauten Stimmen des amerikanischen Volkes“ zu sprechen, gelingt nicht. Man wird – wie Prophet Bileam, der Israel verdammen sollte, es dann aber dreimal segnete, – die großartige amerikanische Demokratie loben. […]
Mittelfristig könnte uns Enttäuschung erwarten und Streitigkeiten aus nichtigen Gründen, wie im Szenario mit Erdogan. Die Enttäuschung könnte um so bitterer ausfallen, als dass der neue Präsident als Isolationist und Beschützer einheimischer Produzenten höchstwahrscheinlich beginnen wird, die Förder- und Exportbeschränkungen von amerikanischem Öl zu senken. Und das bedeutet, dass der Ölpreis sinken wird.~~~Российская телепропаганда будет остро ощущать нехватку «злого Обамы и подлой Клинтон», которые «вредят России и поддерживают киевскую хунту». На одних «бюрократах из Брюсселя» в отсутствие «вашингтонских кукловодов» далеко не уедешь. Не получится говорить об «украденных голосах американского народа». Придется — как Валааму, которого пригласили проклясть, а он трижды благословил, — хвалить великую американскую демократию. […]
В среднесрочной перспективе нас может ждать разочарование, ссора по случайному поводу, по сценарию Эрдогана. Разочарование может быть тем острее, что новый президент, как изоляционист и защитник отечественного производителя, с большой вероятностью начнет снимать ограничения на добычу и экспорт американской нефти. А значит нефть будет дешеветь.[/bilingbox]
erschienen am 09.11.2016
dekoder-Redaktion
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Historische Presseschau: Oktober 1917
Original by dekoder-Redaktion on dekoder
TranslationAm frühen Morgen des 25. Oktober (7. November) 1917 erklärten die Bolschewiki unter Führung von Wladimir Iljitsch Lenin die Regierung in Petrograd für abgesetzt und noch am selben Tag besetzten sie die wichtigsten infrastrukturellen Punkte der Stadt: den zentral gelegenen Nikolajewski Bahnhof, die Telefonzentrale, das zentrale Elektrizitätswerk und die Staatsbank. Die Regierungsmitglieder – im Amt war eine parlamentarische Übergangsregierung unter Führung von Alexander Kerenski – wurden in der folgenden Nacht im Winterpalast festgenommen. Kerenski selbst konnte fliehen.
Die Geschehnisse dieser zwei Tage, der Umsturz und die Machtübernahme der Bolschewiki, sind unter dem Namen Oktoberrevolution in die Geschichte eingegangen. Ereignisse, die unter Historikern bis heute Kontroversen produzieren. Russland erlebte damit bereits die zweite massive Umwälzung politischer Verhältnisse innerhalb kürzester Zeit, denn erst im Februar 1917 war die herrschende Zarenfamilie zu Fall gebracht und das Land seitdem provisorisch von der parlamentarischen Übergangsregierung geführt worden.
Nach Machtergreifung der Bolschewiki nun war einer der ersten Schritte die Einführung einer Zensur. Der Beschluss fiel bereits am 27. Oktober: In einem Dekret über die Presse erklärte das bolschewistische Revolutionskomitee, es sähe sich gezwungen, „eine ganze Reihe an Maßnahmen gegen konterrevolutionäre Presse aus verschiedenen Richtungen“ zu unternehmen. Einige Medien, wie etwa die liberalen Zeitungen Retsch und Birshewyje wedomosti, wurden unmittelbar nach der Machtübernahme geschlossen. Viele Zeitungen verschwanden oder passten sich in ihrer politischen Ausrichtung im Laufe des Jahres an.
Die Zeitungen, die noch im Dazwischen des Machtwechsels – am 26. Oktober – erscheinen konnten, bieten eine Möglichkeit, hinter die Kulissen dieses historischen Datums zu schauen. Dazu haben wir aus dem Zeitungsarchiv der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg eine Historische Presseschau zusammengestellt.
Rabotschi put (Prawda): Der Kampf hat erst begonnen
Die Tageszeitung Rabotschi put (Prawda) berichtete direkt am 26. Oktober (8. November), dass die Provisorische Regierung gestürzt worden sei und wies zugleich auf die unsichere Stellung der neuen Machthaber hin. Das Blatt war das Parteiorgan der Bolschewiki und forderte, an diesem Punkt dürfe nicht nachgelassen, der Kampf gegen die Bourgeoisie müsse fortgesetzt werden.
[bilingbox]Die Kerenski-Regierung ist gestürzt. In Petrograd hat die Revolution gesiegt. Bedeutet das etwa, dass die Revolution schon endgültig gewonnen ist, dass der Sieg feststeht?
Nein, es wäre ein Verbrechen, sich jetzt auf den Lorbeeren auszuruhen und zu glauben, die Kräfte der Revolutionsfeinde seien schon zerstört.
Auf keinen Fall sollte einer Konterrevolution einfach so das Feld überlassen werden. Für die Gutsbesitzer und Kapitalisten steht nun wirklich alles auf dem Spiel. Die Bourgeoisie, sie ist ein beharrlicher, hartnäckiger und findiger Feind. Kaum den Rückzug angetreten, bereitet sie sich schon auf einen neuen Angriff vor.
Die Kerenski-Regierung hat die Flucht ergriffen. Wir zweifeln jedoch nicht daran, dass sie einen Einmarsch in Petrograd vorbereitet. Wir sind davon überzeugt, dass die gestürzten konterrevolutionären Interimsherren nicht einen Gedanken daran verschwenden werden, gegen die Deutschen Front zu machen, nur um über das eigene Volk einen blutigen Sieg zu erringen.
Der Kampf hat erst begonnen – der Kampf geht weiter.~~~Правительство Керенского низложено. Революция победила в Петрограде. Означает ли это, что революция уже победила окончательно, что победа ее закреплена?
Нет, преступлением было бы успокоиться теперь “на лаврах” и считать силу врагов революции уже уничтоженной.
Контр-революция так легко ни в коем случае не уступит поля битвы. Для помещиков и капиталистов все, ведь, поставлено на карту. Буржуазия – враг настойчивый, упорный и ловкий. Отступая, она немедленно готовит новое наступление.
Правительство Керенского бежало. Но мы ни минуты не сомневаемся в том, что оно готовит поход на Петроград. Мы не сомневаемся в том, что низложенные контр-революционные времещники не задумаются ни на минуту открыть фронт немцам, лишь бы одержать кровавую победу над собственным народом.
Борьба началась – борьба не кончена.[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (08.11.) 1917, Nr. 46
Nowaja shisn: Die Machthaber müssen auch Opfer verlangen
Wassili Desnizki (er schrieb unter dem Pseudonym W. Strojew) sympathisierte in seinem Artikel in der Nowaja shisn offen mit den Bolschewiki. Die erst im April 1917 gegründete Tageszeitung, die sich zu den Reihen der Sozialdemokraten gezählt hatte, befürwortete die Umwälzungen im Land. Desnizki, Publizist und selbst Revolutionär, forderte in seinem Text, die Bolschewiki müssten – auch wenn das viele Opfer verlange – alles tun, damit das politische Programm und eine neue Regierung auch von anderen akzeptiert werde.
[bilingbox]Also, zumindest für Petrograd ist die Sache entschieden: Die Übergangsregierung, die durch die Koalition der Demokraten mit den Vertretern der besitzenden Klassen zustande kam, besteht allem Anschein nach nicht mehr! Der Kongress hat nun die Aufgabe, die Regierung auf der Grundlage des von den Aufständischen verkündeten Programms zu organisieren.
Dieses Programm, das die Ziele der neuen Regierung in ganz allgemeiner Weise formuliert, ist für die revolutionäre Demokratie sicherlich akzeptabel. Nun kommt es darauf an, ob es angesichts des unausweichlichen Bürgerkriegs von den demokratischen Kräften des gesamten Landes akzeptiert wird – ob das Land und die Armee die Regierung anerkennen, die gebildet wird, um es zu verwirklichen. […]
Frieden, Brot und Freiheit kann man dem Land nicht mit einem Federstrich geben. Diese Ziele lassen sich nur durch die lange, harte Arbeit einer entschlossenen, demokratischen Regierung erreichen. Nachdem sie von Worten zur Tat geschritten ist, darf die Macht den Volksmassen nicht nur verlockende Perspektiven für die nahe Zukunft in Aussicht stellen. Sie wird auch Opfer verlangen müssen. Sie wird zu harten Zwangsmaßnahmen greifen müssen, wenn dies zum Wohl der Revolution erforderlich ist.~~~Итак, для Петрограда, по крайней мере, вопрос решен: Вр. Правительство, созданное на основе коалиции демократии с представителями имущих классов, по-видимому, более не существует! И перед Съездом стоит задача организации власти на основе программы, провозглашенной восставшими.
Программа эта, формулируя задачи новой власти в самой общей форме, несомненно приемлема для революционной демократии. Вопрос в том, чтобы в условиях неизбежной гражданской борьбы она была принята демократией всей страны чтобы страна и армия признали ту власть, которая будет создана для ее проведения в жизнь. […]
нельзя одним росчерком пера дать стране мир, хлеб и свободу. Эти задачи могут быть выполнены только в процессе длительной упорной работы, осуществляемой решительной демократической властью. Власть, перешедшая от слов к делу, должна будет показать народным массам не только заманчивые перспективы близкого будущего. Она должна будет потребовать и жертв, должна будет прибегать и к суровым мерам принуждения, раз это потребуется во имя блага революции.[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (08.11.) 1917, Nr. 163 (157)
Wolnost: Todeskampf eines freien Russlands
Die Tageszeitung Wolnost, die von dem Schriftsteller und Publizisten Alexander Amfiteatrow herausgegeben wurde, sah in dem Oktoberumsturz das Ende der Februarrevolution und wies auf deutsche Spuren dabei hin – [gnose-4315]Lenin war vor der Revolution aus dem Exil[/gnose] über Deutschland nach Petrograd gelangt.
[bilingbox]Die bolschewistische Verschwörung gegen die Revolution, Freiheit und Verteidigung des Landes war ein glänzender Erfolg. Die aus der Februarrevolution hervorgegangene Regierung gibt es in Russland nicht mehr. Damit ist die Februarrevolution tot, vergewaltigt, frevelhaft geschunden und den Schikanen von Russlands Feinden zum Opfer gefallen.
Die Februarrevolution ist tot. Und die neue Etappe können wir nur als den Todeskampf eines freien Russlands bezeichnen. Ein Wesen im Todeskampf kann sich noch bewegen, kann noch Leben simulieren und das eigene Dasein vortäuschen. Doch über seinem Kopf hat sich bereits der Tod erhoben, aus dessen knochiger, fest zupackender Hand es niemand mehr befreien wird. […]
Wir haben nur noch sehr wenig Grund, zu hoffen, dass dieser Wahnsinn auf Widerstand stoßen wird. Die letzte Hoffnung richtet sich auf Moskau und das restliche Russland. Doch die neue Regierung, die voller Wucht und Druck operiert und beim Einsatz ihrer Mittel nicht wählerisch ist, wird wissen, wie sie das Land zunächst terrorisiert und fest in den Griff kriegt. In den Griff von Händen, auf denen sich noch glühend der Druck des deutschen Handschlags abzeichnet, von der Durchreise ihrer Vertreter durch Deutschland. Und überrascht werden wir nicht sein, wenn Russland angesichts der allgemeinen Raserei genötigt sein sollte, die Machtübernahme neuer Interimskräfte vorerst zu akzeptieren.~~~Большевистский заговор против революции, свободы и обороны страны удался блестяще. В России больше нет правительства, рожденного февральской революцией. И с этой минуты, февральская революция умерла, изнасилованная, кощунственно замученная, павшая жертвой издевательства врагов России.
Февральская революция умерла. И новый ее этап мы не можем иначе назвать, как агонией свободной России. Агонирующий ещё может делать движения, еще способен имитировать жизнь и обманывать видимостью своего бытия. Но смерть встала уже над головой, и никто не устранит ее костлявой, сжимающей руки. […]
Очень мало осталось у нас надежд на то, что это безумие встретит отпор. Последняя надежда на Москву и всю остальную Россию. Но, действуя нахрапом и напором, не разбираясь в средствах, новая власть, вероятно, сумеет на первых порах терроризировать страну и крепко держать ее в своих руках, на которых так ярко горят следы пожатий немецких рук при проезде ее представителей через Германию. И мы не удивимся, если, при всеобщем безумии Россия принуждена будет пока признать власть новых временщиков.[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (08.11.) 1917, Nr. 163 (157)
Retsch: Stadium einer Vivisektion
Die liberale Tageszeitung Retsch, die von der Partei der Volksfreiheit (Konstitutionelle Demokraten) herausgegeben wurde, sah in der Machtübernahme der Bolschewiki politischen Wahnsinn am Werk – der fatale Folgen haben würde.
[bilingbox]Die Würfel sind also gefallen. Einem von drei Kriegsjahren geplagten und ausgezehrten Land, das die Konvulsionen einer Revolution durchlebt hat, das verelendet ist und den äußersten Grad wirtschaftlicher und industrieller Zerrüttung erreicht hat – einem Land, das keine stabile und dauerhafte Regierung hat und zum Schauplatz von Anarchie und Pogromen geworden ist – diesem armen, zugrunde gehenden Land steht eine neue Etappe auf seinem Leidensweg bevor. Wir befinden uns bereits in einem neuen Stadium eines Vivisektions-Versuchs, was das Land betrifft. […] Es hat eine neue, tiefgreifende Erschütterung gegeben, und deren Folgen für die innere und internationale Situation sind unabsehbar.
Bis zum letzten Augenblick wollten wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass der Kelch weiterer Prüfungen an unserem Land vorübergehen möge. Auch wenn die Hoffnung noch so gering war, schien uns doch, dass selbst blinder Parteifanatismus seine Grenze dort finden würde, wo der Untergang des ganzen Landes auf dem Spiel steht. […] Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. […]
Ganz gleich was der morgige Tag uns bringt, welche Formen die Staatsmacht annimmt, in wessen Hände sie fällt, ES IST JETZT SCHON VOLLKOMMEN KLAR, dass diese Machthaber zwangsläufig vor genau denselben Aufgaben stehen werden. […] Sie sind unausweichlich, man kann sie sich nicht mit billigen Phrasendreschereien auf Versammlungen vom Hals schaffen, und man kann sie nicht durch trügerische und unerfüllbare Versprechungen ersetzen. Vor diesen Aufgaben werden auch die Herren Lenin und Trotzki stehen, wenn ihr umstürzlerisches Vorhaben gelingt. Dann wird das Land erneut Konvulsionen erleiden und die bitteren Früchte des politischen Irrsinns und Abenteurertums kosten müssen – und wer weiß, ob es sich von dieser neuen Dosis Gift je wieder erholen wird.~~~Итак, жребий брошен. Стране, измученной и истерзанной тремя годами войны, пережившей судороги революции, обнищавшей, дошедшей до последней степени экономического и промышленного расстройства, – стране, лишенной твердой и прочной власти, стране, ставшей ареной анархических и погромных движений, – этой несчастной гибнущей стране предстоит новый этап крестного пути. Мы уже вошли в полосу нового опыта вивисекции над нею. […]
Произошло новое глубокое потрясение, и его последствия для внутреннего и для международного положения страны неисчислимы.
До последнего времени мы не хотели терять надежду на то, что нашу родину минует чаша новых испытаний. Как ни мала была эта надежда, все же нам казалось, что и для ослепленного партийного фанатизма есть пределы, за которыми чувствуется гибель всей страны. […]
Чтобы не принес нам завтрашний день, какие бы формы ни приняла власть, в какие бы руки она ни перешла, ВСЕ УЖЕ СОВЕРШЕННО ЯСНО, что перед этой властью, неизбежно должны встать одни и те же задачи. […] Они неотвратимы, от них нельзя отделаться дешевой риторикой митингового пустословия, их нельзя подменить обманными и неисполнимыми обещаниями. Они встанут и перед гг. Лениным и Троцким, если им удастся их мятежный замысел. И тогда стране придется выстрадать новые судороги, вкусить горькие плоды политического безумия и авантюризма, – и кто знает, оправится ли она от этой новой дозы яда.[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (08.11) 1917, Nr. 252 (3994)
Rabotschaja gaseta: Dies ist keine Revolution, das ist ein Militärkomplott
Die Tageszeitung Rabotschaja gaseta, die das Zentralorgan der Partei der Menschewiki war, sprach sich dagegen aus, den Oktoberumsturz als Volksaufstand und Heldentat des Proletariats zu bezeichnen. Sie sah darin allein eine verschwörerische Machtergreifung.
[bilingbox]Dies ist keine Revolution, ja, nicht einmal ein Aufstand. Dies ist ein Militärkomplott, wie man es von den Jungtürken oder aus der Geschichte Spaniens und der südamerikanischen Republiken kennt. Dass es sich nicht um einen Volksaufstand, sondern um ein Militärkomplott handelt, zeigt sich daran, dass der Umsturz bislang so leicht vonstatten geht. Aber eben deshalb ist das bolschewistische Abenteuer auch so ephemer und leichtfertig. Das Unterfangen der Bolschewiki ist keine Kommune, kein heroischer Zusammenschluss des Proletariats mit dem Kleinbürgertum gegen die reaktionäre Bourgeoisie und den äußeren Feind, sondern eine rein konspirative Machtergreifung.~~~Это не революция и даже не восстание. Это – военный заговор, в роде младотурецкого или тех, какие знает история Испании и южно-американских республик. Именно в том, что это не народное восстание, а военный заговор заключается причина той легкости, с какой пока совершается переворот. Но именно в том и заключается весь эфемерный, легкомысленный характер большевистской авантюры. Их попытка – не коммуна, не геройское выступление пролетариата в союзе с мелкой буржуазией против реакционной буржуазии и внешнего врага, а именно чисто заговорщицкий захват власти[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (07.11) 1917
Delo naroda: Ratlosigkeit und Ohnmacht
Die Tageszeitung der Sozialrevolutionäre Delo naroda berichtete über die Selbstisolation der Bolschewiki von anderen revolutionären Kräften und zweifelte daran, dass die neuen Machthaber in der Lage seien, das Land zu regieren und innen- wie außenpolitische Probleme zu lösen.
[bilingbox]Der Aufstand der Bolschewiki in Petrograd ist erfolgt. […] Mit diesem Schritt haben sie sich von allen nicht-bolschewistischen Teilen der revolutionären Demokratie isoliert und übernehmen so die ganze schreckliche Verantwortung für all seine Folgen. […]
Pompös feiern die Bolschewiki ihren Sieg: Endlich, die Feinde der Arbeiterdemokratie sind zu Fall gebracht, die Paladine des Bolschewismus werden an die Macht kommen.
Eine Bank, Bahnstationen und Kraftwerke zu besetzen oder sogar die Provisorische Regierung zu erschießen, bedeutet allerdings noch nicht den Sieg. Das heißt bloß, dass man eine Reihe bekannter materieller Handlungen ausführt, die erst dann einen politischen Sinn erhalten, wenn die am Umsturz Beteiligten ein konkretes Programm und eine Vorstellung von dessen praktischer Umsetzung haben.
Wir wissen nicht, als was für Staatsführer die Bolschewiki sich erweisen werden, wie sie dieses große Land regieren wollen, das äußerlich wie innerlich unter unvorstellbar schrecklichen Bedingungen lebt. Doch ihr erster Probeauftritt, wenn man das so nennen mag, als Herrscher erweckte bei nahezu allen Beobachtern einen bedrückenden Eindruck von Ratlosigkeit und Ohnmacht.~~~Восстание большевиков в Петрограде состоялось. […] Своим шагом они изолировали себя от всей не-большевистской части революционной демократии и тем самым взяли на себя всю страшную ответственность за все его последствия. […]
Большевики громко торжествуют свою победу: наконец-то, враги трудовой демократии ниспровергнуты, и у власти становятся паладины большевизма.
Однако, занять банк, железнодорожные и электрические станции, даже расстрелять Временное Правительство еще не значит победить. Это лишь значит совершить ряд известных материальных действий, которые получают политический смысл лишь тогда, когда у людей, совершающих переворот есть определенная программа и практическое понимание способов ее осуществления.
Не знаем, какими государственными деятелями окажутся большевики, как они примутся управлять великой страной, переживающей невероятные внешние и внутренние условия. Но первое, если можно так выразиться, пробное выступление их в качестве людей власти произвело почти на всех свидетелей этого выступления самое тягостное впечатление растерянности и беспомощности.[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (08.11.) 1917, Nr. 189
Sowremennoje slowo: Sprung in den bodenlosen Abgrund
Die Tageszeitung Sowremennoje slowo, die sich selbst als eine unparteiisch-demokratische Zeitung bezeichnete und der liberalen Partei der Volksfreiheit nahestand, ordnete den Oktoberumsturz in die Reihe der Ereignisse des Jahres 1917 ein. Sie sah darin keine neue, sondern das Ende der Revolution und befürchtete für „das große Russland“ den Untergang.
[bilingbox]Die russische Revolution hat ihr Werk vollendet. Sie begann als landesweite Erhebung gegen die zarische Autokratie. Sie war Volksprotest gegen Sklaverei, Niederlage und Schande. […] Aber sehr bald schon wurden diese Ziele durch die Übergriffe einzelner Gruppen und Parteien blockiert. Auf dem Banner der Revolution wurden Parteilosungen zur Schau gestellt, und die vom alten Regime in Unwissenheit aufgezogenen Massen erlagen nur allzu leicht allen möglichen unrealistischen Versprechungen im Geiste der Internationale und des extremen Sozialismus.
Die Revolution wurde immer mehr zur Parteisache. […] Der entscheidende Sieg, den der Bolschewismus jetzt feiert, trägt alle Züge […] der letzten Phase einer Revolution, hinter der sich ein finsterer Abgrund auftut. […]
Nur Einzelne können darin das Wirken einer neuen Revolution sehen. Nur wer die Augen vor dem verschließt, was der kommende Tag für Russland bereithält, kann ignorieren, welche Folgen dieser Umsturz für den Staat, für das äußere Ansehen des Landes, für seine Wirtschaft und seine Verteidigung haben wird. Dieser Umsturz – er ist keine Etappe auf dem Weg in ein Reich der Freiheit und des Sozialismus, sondern ein Sprung in den bodenlosen und finsteren Abgrund. Er ist kein erneuter Sieg, keine „Weiterentwicklung“ der Revolution, sondern etwas anderes, was das Land zum alten, verfluchten Regime zurückführen kann.
Und in dieser furchtbaren Stunde der russischen Geschichte haben wir nur einen Wunsch: dass der Preis, den Russland für diesen „Sieg“ zahlt, nicht zu hoch sein möge; dass die Prüfungen, die dem Land bevorstehen, möglichst wenige Opfer fordern und Russland, das große Russland, vor dem endgültigen Untergang errettet werden möge.~~~Русская революция завершила свое движение. Она началась общенациональным подъемом, направленным против царского самодержавия. Она была народным протекстом против рабства, поражения и позора. […] Но очень скоро эти цели оказались парализованными домогательствами отдельных групп и партий. Партийные лозунги были выставлены за знамени революции, и массы, воспитанные старым режимом в невежестве, легко поддались на всякого рода невыполнимые обещания, в духе интернационала и крайнего социализма.
Революция становилась все более партийной. […] Решительная победа, которую ныне празднует большевизм, носит все черты […] конечного этапа революции за которым открывается темная бездна… […]
Только единицы могут видеть в этом действии новую революцию. Только деятели, которые закрывают глаза на то, что день грядущий готовит России, могут не учесть тех последствий, которые несет этот переворот для государства, для его внешнего престижа, для экономики и для обороны страны. Переворот – не этап в царство свободы и социализма, а прыжок в бездну, неизмеримую и темную. Это – не новая победа революции, не “углубление” ее, а нечто другое, что может возвратить страну к старому проклятому режиму.
И в этот страшный час русской истории мы желаем только одного, – чтобы эта “победа” не обошлась слишком дорого России, чтобы испытания, ей уготованные, не потребовали бы как можно меньше жертв и чтобы Россия, великая Россия, была спасена от окончательной гибели[/bilingbox]
erschienen am 26.10. (08.11.) 1917, Nr. 347 1
Zusammengestellt von Leonid A. Klimov. Übersetzungen: dekoder-Redaktion und Anselm Bühling
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