Editorial: Popcorn!

Das ist doch nur ein Film. Diesen harmlosen wie unwahren Satz hat sicher jeder schon mal gesagt. Doch einige Filme überdauern ihre Zeit, verkörpern eine Strömung, werden Klassiker oder kleine Meilensteine. Bei dekoder tauchen wir in diesem Jahr in die russische und sowjetische Filmwelt ein und stellen jeden Monat solch einen Film vor: In unserem monatlichen Visual-Format dekoder Kino.

Es gibt zahlreiche Filme zu entdecken, die künstlerisch, filmgeschichtlich und popkulturell reizvoll sind. Im deutschsprachigen Raum sind sie oft weniger geläufig. Diese Lücke wollen wir füllen. Aelita aus den 1920er Jahren etwa, hat als erster Science Fiction der Sowjetunion Einfluss auf das gesamte Genre. Deutlich stand er unter expressionistischem Eindruck und soll umgekehrt auch Fritz Langs Metropolis Inspiration gegeben haben. Kulturelles Zeitdokument ist der abgründige 1990er-Jahre-Thriller Brat, der sich gekonnt beim US-Actionkino bediente und mit seinem Protagonisten Danila Bragow eine streitbare Identifikationsfigur schuf.

Wir wollen zeigen, was sowjetisches sowie gegenwärtiges russisches Kino ausmacht. Filme sind dabei auch Prisma der Gesellschaft und kulturelle Codes. Werte und Ideen ihrer Zeit finden darin einen verdichteten Ausdruck, zeigen zudem gesellschaftliche Beschränkungen und Grenzen der Kunst. 
In der Sowjetunion waren viele Filme Eingriffen ausgesetzt oder lange Jahre unter Verschluss. Regisseur Andrej Tarkowski, als Meister des traumwandlerischen Erzählens, erging es Zeit seines Lebens so. International gefeiert, eckte er mit seiner Kunst zuhause stets an. Im April wäre er 85 Jahre alt geworden und wir haben den Monat seinem endzeitlich inszenierten, philosophischen Klassiker Stalker aus dem Jahr 1979 gewidmet. 

Wieder andere Filme werden ohne kulturpolitisches Tamtam oder einen Eklat zum Publikumsliebling und erzählen einfach brillant etwas über ihre Zeit. Das zeigt etwa die sowjetische Verwechslungskomödie Ironija Sudby ( dt. Ironie des Schicksals) aus den 1970ern, aus der Filmzitate in die Alltagssprache übergegangen sind. Wir haben den Silvesterklassiker zum Jahreswechsel vorgestellt, als Start ins dekoder-Kinojahr.

Gefördert von der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. entschlüsseln Wissenschaftler aus Slawistik und Filmwissenschaft nun jeden Monat einen anderen Film im dekoder Kino. Im Mai betritt die Kleine Vera die Filmbühne. Das Melodram aus dem Jahr 1988 ist von Bildern und Stimmungen der Perestroika geprägt, in der zarte Hoffnungen einer jungen Generation auf neue Chancen mit Abhängigkeit, Trostlosigkeit und Gewalt kollidieren. 

dekoder Kino wird auch durch verschiedene frühere Sowjetrepubliken führen.

Bei allen Filmen, die wir in diesem Format präsentieren, ist uns wichtig, dass sie auch legal im Internet zugänglich sind – mindestens mit englischen Untertiteln, um schnell und direkt ein Tor in diese Welt zu eröffnen. Jedenfalls einen ersten Spalt breit. Weiterschauen, Recherchieren, Entdecken, Kaufen, Verschenken – und hoffentlich abendelang Versinken kann dann jeder selbst.

Dabei viel Freude, wünscht

dekoder-Mitarbeiterin Mandy Ganske-Zapf

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