„Der Sport befindet sich nicht jenseits der Politik“

Der Fußball in der Ukraine ist nochmals verstärkt seit dem Beginn der Maidan-Revolution Ende 2013 eng mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen im Land verbunden. Die organisierten Fanszenen des Landes stellten sich bei den Demonstrationen nicht nur in Kiew schützend vor die protestierenden Menschen. Viele Fans aus den Ultra-Szenen schlossen sich mit dem Beginn des Krieges in der Ostukraine den Freiwilligenbataillonen an, wieder andere organisierten Netzwerke, um die damals schlecht ausgerüstete Armee und die Bataillone mit Waffen, Lebensmittel, Ausrüstung und medizinischer Hilfe zu versorgen. Der Fußball, der immer noch stark durch die Eigentümerschaft der Oligarchen geprägt ist, geriet auch aufgrund des Krieges in eine tiefe Krise, Zuschauerzahlen sanken dramatisch, zahlreiche Traditionsvereine wie beispielsweise der FK Dnipro gingen bankrott.

Mit dem Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, finden sich Fußballer, Spieler, Trainer und Fans auch mitten in den dramatischen Ereignissen wieder. Stadien wie das Juri Gagarin-Stadion in Tschernihiw und Trainingsanlagen wurden zerstört. Viele Fans, aber auch Trainer, Profifußballer und ehemalige Spieler kämpfen in der Armee oder auf Seite der Territorialverteidigung. Wie beispielsweise Igor Belanow, 1986 als „Europas Fußballer des Jahres“ ausgezeichnet. Oder der aktuelle Trainer des in Transnistrien ansässigen Vereins Sheriff Tiraspol Jurі Wernidub. Auch unter den Sportlern gibt es bereits Verluste. Witali Sapylo and Dmytro Martynenko waren die ersten Opfer, sie wurden in der ersten Woche der Invasion getötet.

Oleg Dulub ist Trainer des FK Lwiw, der in der höchsten Spielklasse des Landes vertreten ist. Der Belarusse ist ein bekannter Fußballcoach. Er führte den belarussischen Verein Krumkatschy (dt. Die Raben) – einer der wenigen Vereine in Belarus, die als Privatinitiative entstanden sind – 2016 zum Aufstieg in die höchste Spielklasse. In der Ukraine trainierte er Karpaty Lwiw und Tschornomorez aus Odessa und aktuell den Verein aus Lemberg. 

In einem Interview für das belarussische Medium Nasha Niva berichtet Dulub, wie er die Ukraine infolge des Krieges verlassen hat, warum das Land sein zweites Zuhause ist und was er in Lwiw nach Beginn der russischen Invasion erlebt hat. Er erklärt auch, wie er zu den Sport-Sanktionen gegen Russland und seine Heimat steht und warum der Sport kein unberührter Ort abseits der Politik sein kann. 

Nasha Niva: Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen, das Land zu verlassen?

Oleg Dulub: Die ist spontan gefallen, ich hatte nicht vor, die Ukraine zu verlassen. Ich kam wie gewöhnlich zum Platz, und dort wurde mir und Wassili Chomutowski [dem belarussischen Torwarttrainer des FK Lwiw] gesagt, dass wir schleunigst weg müssten, weil bald belarussische Truppen in die Ukraine einmarschieren. Wenn das passiert, würde uns die EU vielleicht nicht mehr reinlassen.

Es gab gute Gründe, diesem Tipp zu vertrauen. Außerdem sahen wir ja, was rundum vor sich ging. Unsere ukrainischen Spieler mussten sich zum Beispiel bei bei der Einsatzleitung der Territorialverteidigung melden und sich dort eintragen. Wir haben gefragt, was wir Ausländer denn tun sollen? Die Leute vom Verein telefonierten herum und sagten uns dann: Fahrt schnell weg! Auch wenn ich es immer noch bedaure, dass ich die Ukraine verlassen habe, weil die Mannschaft dort geblieben ist und ich dort immer gut behandelt wurde.

Wie sind Sie ausgereist?

Der Club hat uns geholfen. Wir fuhren mit einem Auto mit belarussischen Kennzeichen. Vor uns fuhr ein Fahrzeug vom Verein zur Begleitung, und an allen Kontrollpunkten ging es durch den grünen Korridor.

Was waren für Sie die stärksten Eindrücke?

Vor allem die Menge an Menschen. Wir hatten im Voraus die Warteschlangen an den Grenzübergängen gecheckt; bis zwei Uhr nachmittags war niemand da, keine Autos, keine Flüchtlinge. Als wir aber ankamen, da hatte schon der Flüchtlingsstrom eingesetzt. Beeindruckt im positiven Sinne hat mich, wie der Grenzübertritt organisiert war, wie gut die ukrainischen und polnischen Grenzbeamten gearbeitet haben. Auf der anderen Seite der Grenze, in Polen, wollten viele Männer in die Ukraine fahren, um sie zu verteidigen.

Es ist nur schwer zu vermitteln, was wir im Vorfeld der Grenze gesehen haben. Eine Schlange von fünf Kilometern, aus Frauen und Kindern, die von Männern begleitet waren. Sie haben die Frauen und Kinder zur Grenze gebracht und sind dann umgekehrt, um ihr Land zu verteidigen.

Ich würde die Ukraine als mein zweites Zuhause bezeichnen

In Warschau erlebte ich dann eine besondere Situation. Ich erreichte mein Hotel am Flughafen, „all inclusive“. Hinter mir saß ein älterer Mann, ihm war anzusehen, dass er die Kleider anhat, in denen er von zu Hause losgegangen war. Dieser Mann war sehr verwirrt, als ob er zum ersten Mal in einem solchen Hotel ist und nicht weiß, was er tun soll. Vom Aussehen her schien er Bauer zu sein. Der Hotelmanager ging zu ihm und bot ihm Kaffee oder Tee an, der Mann verstand ihn nicht. Eine junge Frau wird gerufen, die Russisch spricht und ihm nochmal Kaffee oder Tee anbietet. Der Mann schaut sie an und sagt: „Ich habe Hunger.“ Das heißt, da wurde jemand einfach aus seiner normalen Umgebung gerissen und über die Grenze gebracht. Das hat mich sehr ergriffen. Ich kann verstehen, was für ein Stress das für ihn ist.

War die Ukraine für Sie ein Zuhause?

Ich würde sie als mein zweites Zuhause bezeichnen, besonders jetzt, wo ich zum zweiten Mal gekommen bin, um in der höchsten ukrainischen Liga zu arbeiten. Die Haltung gegenüber uns [als Trainerteam – dek] ist jetzt eine ganz andere, denn die Leute haben gesehen, wie wir 2016/17 beim ersten Mal in der Ukraine gearbeitet haben. Sie haben für uns die besten Bedingungen geschaffen, im Alltag und fürs Training. Es versteht sich, dass es bei der Arbeit unterschiedliche Momente gibt. Aber so ist Fußball, alles gut.

Ich will noch etwas zur Haltung der Menschen in der Stadt sagen, besonders bei unserer zweiten Ankunft. Ich war angenehm überrascht, dass mich die Leute in Lwiw erkannten; sie kamen auf mich zu, grüßten mich, wünschten viel Erfolg. Und das, obwohl die meisten in der Stadt Fans von Karpaty sind [der Verein hat sich 2021 aufgelöst – Anm. Nasha Niva]. Vielleicht kennen mich die Leute gerade deshalb, weil ich Karpaty 2016 von ganz unten hochgeholt habe.

Wie steht es jetzt um Lwiw?

Die ausländischen Spieler haben das Land verlassen, aber die Ukrainer sind alle in Lwiw. Sie sind verpflichtet, in der Territorialverteidigung zu arbeiten, beim Abladen der humanitären Hilfsgüter mitzuhelfen. Anschließend trainieren alle gut organisiert, gehen in die Trainingshalle und spielen Fußball.

Was, du schläfst? Bei euch ist doch Krieg!

Wie haben Sie den 24. Februar erlebt?

Ich erinnere mich an den Abend davor. Wir waren mit dem Trainerteam im Hotel etwas essen und redeten über die Lage und den drohenden russischen Einmarsch. Wir waren uns einig, dass in einer solchen Situation kein normaler Mensch einen Krieg anfängt, weil der nicht zu gewinnen ist. Wir gingen ganz ruhig schlafen, und so gegen halb sechs kriege ich einen Anruf auf Viber. Die Jungs aus Belarus melden sich und fragen: „Was, du schläfst? Bei euch ist doch Krieg!“

Ich geh‘ ins Internet, schau mir die Rede eines gewissen Genossen über den Beginn der sogenannten Spezialoperation an. Ich dachte sofort an die Zeilen aus dem Lied: „[Am 22. Juni] // Genau um vier Uhr // Wurde Kyjiw bombardiert // Uns wurde gesagt, // Dass jetzt Krieg ist“. Die Rede ging ja um fünf Uhr Moskauer Zeit raus, und in Kyjiw war es da vier. Ich sah sofort viele Parallelen zu jenem Krieg, zu 1941.

Um 12 Uhr hatten wir eine Versammlung und danach ein Gespräch mit der Vereinsleitung. Rund drei Stunden saßen wir noch auf der Anlage rum, dann fuhren wir ins Hotel zurück.

Wie sehr spürt man in Lwiw, dass jetzt Krieg ist?

Lwiw ist im Hinterland, und alle Kampfhandlungen werden vom Hinterland aus unterstützt. Und was ich in dieser Stadt gesehen habe, hat mich verblüfft, zutiefst berührt. Zum einen sah ich lange Schlangen vor den Musterungsbehörden. Da standen Männer, die versuchten sich zur Armee zu melden, aber nicht genommen wurden. Es hieß, alle Einheiten seien schon komplett, es gebe aber nicht genug Waffen.

Ein paar Tage später begann vor den Musterungsbehörden die Sammlung von Sachen für die Flüchtlinge. Ich erinnere mich an Berge von Essen und Kleidung. Und weitere fünf Tage später gab es in Lwiw die ersten Kontrollposten. Das kam sehr unerwartet: Du kommst abends von der Anlage und es ist nichts zu sehen. Morgens willst du dann zur Anlage und stehst plötzlich vor einem Kontrollposten. Gleichzeitig waren die Schlangen vor dem Militärkommissariat nicht verschwunden. Da standen sehr viele Männer, die nach Kyjiw wollten, um die Stadt zu verteidigen.

Rund eine Woche nach Kriegsbeginn erklärte der Bürgermeister von Lwiw, dass sich alle Männer zwischen 18 und 60 für eine Beteiligung an der Territorialverteidigung registrieren lassen müssen, auch die Spieler des Vereins.

Wie haben Sie die Zeit von Kriegsbeginn bis zur Ausreise verbracht?

Ich musste mich irgendwie [vom Krieg] ablenken. Ich habe natürlich die Nachrichten geschaut, hauptsächlich CNN und ukrainische Sender. Ich sah jetzt weniger russische und belarussische Programme. Insbesondere nach den Beiträgen über den Angriff auf das Verwaltungsgebäude in Charkiw, als die Belarussen sagten, die Ukrainer hätten sich selbst in die Luft gejagt.

Ich bekomme ja aus verschiedenen Quellen Informationen, was tatsächlich in der Ukraine vor sich geht. Der Manager unseres Vereins war in Butscha, im Zentrum der Kämpfe, eingeschlossen unter der Erde. Er hat erzählt, was die sogenannten russischen „Befreier“ getan haben, und das erinnert mich an das Vorgehen der Faschisten im Zweiten Weltkrieg.

Bei der Menge an Informationen könnte man verrückt werden

Vor rund drei Tagen gab es da den Jungen, dessen Vater vor seinen Augen erschossen wurde. Der Junge selbst wurde verletzt. Sie haben ihm in den Kopf geschossen. Dieser Junge war der Freund der Tochter unseres Managers, er kennt das Kind und die Eltern, die ums Leben kamen.

Irgendwann am zweiten oder dritten Tag der Bombenangriffe rief ich diesen Manager an, und er schaltete auf Video. Ich sah, wie da die Leute im Luftschutzkeller saßen. Ziemlich schwer, jemanden in dieser Situation etwas zu fragen. Makarewitsch hat das gut gesagt: Wenn jemand im Krieg war, erinnert er sich nicht gern daran.

Auch einer unserer Scouts war in Butscha. Andere Scouts waren in Charkiw und in Saporishshja und erzählten, wie dort die Häuser mit direktem Beschuss bombardiert werden, mit den Mehrfachraketenwerfern Grad, mit Granaten und so weiter.

Nach all diesen Nachrichten und Telefonaten sind Wassili Chomutowski und ich zur Anlage gegangen und haben dort einiges erledigt. Bei der Menge an Informationen konnte man verrückt werden. So viel Negatives. Ich sah die Erschütterung der Menschen, ich weiß, dass der Sohn unseres Scouts seit den Bombenangriffen ständig Schluckauf hat, und wie sehr sich die Haltung dieses Mannes gegenüber Russen und Belarussen verändert hat.

Haben Sie selbst irgendeine Anfeindung erlebt?

Was Lwiw angeht, da gab es nichts. Weil man mich hier sehr gemocht hat. Der einzige Nachteil war, dass einige Tage nach Kriegsbeginn meine Geldkarte gesperrt wurde, weil die Konten von Russen und Belarussen eingefroren werden sollten. Das war für mich okay, schließlich ist das Land im Krieg, und da geht es zur Sache.

Hat diese Zeit ihre Wahrnehmung von den Ukrainern verändert?

Nur zum Positiven. Ich habe eine geeinte Nation gesehen. Für sie ist dieser Krieg so wie der Große Vaterländische Krieg für die Sowjetunion: Die Menschen sind durch das gemeinsame Ziel vereint, diesen Krieg zu gewinnen. Mich hat auch erstaunt, wie sich die ukrainischen Sportler verhalten haben. Sie standen mit wenigen Ausnahmen zusammen. Andrij Bohdanow, ein Fußballer von Kolos, legte den Eid ab, nahm die Maschinenpistole und zog in den Krieg; und es gibt noch mehr solcher Beispiele.

Vor dem Krieg schienen die Ukrainer nicht sonderlich geschlossen hinter Selensky zu stehen. Aber wie er sich dann nach Kriegsbeginn verhalten hat! Die Lage ist kritisch, man müsste eigentlich weg, und er sagt: Nein, ich werde mit der Waffe in der Hand kämpfen. Und das hat sich auf die Bevölkerung übertragen. Die Nation hat sich um Selensky zusammengeschlossen.

Hat sich Ihre Haltung zu Russland jetzt geändert?

Ja, meine Beziehung zu Russland hat sich sehr verschlechtert. Wie sich die sogenannten Befreier verhalten … So kann man im 21. Jahrhundert nicht vorgehen. Sie vernichten ganze Städte zusammen mit der Zivilbevölkerung, einfach nur deshalb, weil diese Städte russischsprachig sind, aber die Menschen die Soldaten dort nicht mit Salz und Brot empfangen. Man muss verstehen, dass die Ukraine ein freies Land ist und die Ukrainer nur sehr schwer zu versklaven sind. Eher sterben sie, aber sie werden niemals mehr Sklaven sein.

Ich denke nicht, dass sich der Sport jenseits der Politik befindet

Was denken Sie über die Sanktionen gegen russische und belarussische Sportler?

Ich verstehe überhaupt nicht, warum diese Sanktionen für Empörung sorgen. Diejenigen, die damit nicht einverstanden sind, sagen: Nun, der Sport steht jenseits der Politik. Wer hat sich bloß diesen Satz ausgedacht? Jeder Sport, und sei es im Kleinsten, spiegelt trotzdem das Geschehen in der Gesellschaft wider. Erinnern wir uns nur an die Olympischen Spiele 1936 in Deutschland. Wozu haben die Deutschen sie gebraucht? Um die Überlegenheit der arischen Rasse zu zeigen. Die Olympischen Spiele in Moskau und Sotschi haben dazu gedient, mit Hilfe des Sports die Überlegenheit der Sowjetunion bzw. Russlands zu zeigen.

Meiner Meinung nach sollte ein Land, dass im 21. Jahrhundert im Herzen Europas einen Krieg entfacht hat, bestraft werden. Ich sage nicht, dass die Sportler am Krieg schuld sind: Die großen Markenfirmen verlassen das Land, den Banken wird der Zugang zu SWIFT gesperrt und so weiter. Der Sport steht hier an vorletzter Stelle.

Ich denke nicht, dass sich der Sport jenseits der Politik befindet. Jeder Sportler ist auch Bürger seines Landes. Während der Proteste 2020 haben einige Sportler eine sehr bequeme Haltung eingenommen, nach dem Motto: Wir beschäftigen uns ausschließlich mit Sport und mischen uns nicht in die Politik ein. Dabei geht es doch gar nicht um Politik! Als die Menschen 2020 getötet wurden und wo jetzt Menschen umgebracht werden … Da geht es um menschliche Haltungen und nicht um Politik. Wir reden hier nicht davon, wen du wählst, ob die Roten, die Gelben, die Weißen oder die Grünen, sondern darum, ob du Mord gutheißt oder nicht.

Die Ukraine hat gezeigt, dass je weiter ein Sportler oben steht, desto stärker die Einsicht in die Bedeutung der eigenen Persönlichkeit ist. Mir scheint, das hängt alles zusammen.

Belarussische Sportler haben einen regimefreundlichen Brief unterzeichnet, russische Sportler sind zu regimefreundlichen Veranstaltungen gegangen. Haben sie alle die Sanktionen verdient?

Für mich ist die Antwort klar: Sie haben es verdient. Natürlich können sie sagen, sie hätten sich nicht für sowas interessiert und hätten einfach nur trainiert … Wissen Sie, es gab da den tschechischen Schriftsteller Julius Fučik, den haben die Nazis 1944 hingerichtet. Als er im Gefängnis war, hat er das Buch Reportage unter dem Galgen geschrieben, in dem er beschreibt, was mit ihm geschah. Da gibt es einen guten Satz, den kenne ich auswendig: Fürchtet euch nicht vor Feinden, die können höchstens töten, fürchtet euch nicht vor Freunden, die können höchstens Verrat üben, fürchtet euch vor gleichgültigen Leuten, denn durch ihre schweigende Zustimmung geschehen die fürchterlichsten Verbrechen der Welt.

Die schlimmsten Menschen auf der Welt, das sind wirklich die schweigenden Duckmäuser. Ich respektiere jede Position, verstehe das aber so, dass jeder zumindest eine haben sollte. Jeder Mensch ist einmalig, aber vor Gott sind alle gleich. Es ist ja nicht so, dass jemand als Präsident geboren wird. Nein, du wirst zunächst als Mensch geboren, erst dann erringst du ein Amt.

Ist der Sport in Belarus noch am Leben?

Amateursport, ja, der lebt. Der Profisport aber, die Wettbewerbe mit den besten Athleten der Welt, diese Möglichkeit wird es für belarussische und russische Sportler nicht mehr geben. Daher wird der Sport in diesen Ländern auf das Niveau von Freizeitsport absinken, wenn er nur wegen der Gesundheit betrieben wird. Erklären Sie mir doch bitte, wer den belarussischen Sport noch braucht, von dem sich nach 2020 die Fans abgewandt haben und dem die internationale Bühne versperrt ist?

Die Ideologen.

Die Ideologie muss demonstrieren, dass die belarussische Nation den anderen Nationen überlegen ist. Aber wie willst du das zeigen, wenn du dich nicht mit den besten Sportlern messen kannst? Du spielst nicht gegen Bayern München oder Liverpool, sondern gegen Mannschaften mit dem Niveau von Smolewitschi oder Mikaschewitschi. Das ist das Niveau von Betriebssportmeisterschaften. Was hat das mit Ideologie zu tun? Die verliert da den Sinn.

Es wird gesagt: Hebt die Sperre auf, und wir zeigen euch, dass wir gute Sportler haben. Die Sperre wird aber nicht aufgehoben und man wird weiter im eigenen Saft schmoren. Es gibt einen guten Spruch: Wenn du ein Löwe sein willst, musst du auch mit Löwen kämpfen – nicht mit Katzen oder Mäusen, sondern eben mit Löwen! Die Löwen, das sind hier die besten Sportler der Welt, und wenn du gegen die spielst, dann wirst du besser.

Fußball ist mehr als nur eine Sportart

Glauben Sie an die Zukunft von Belarus?

Ja. Die Genossen, die da jetzt am Ruder sind, die kommen und gehen. Ich hoffe, dass das Land bald frei sein wird.

Machen Sie jetzt irgendwelche Pläne für Ihr Leben?

Nun, ich versuche herauszufinden, wie ich die Mannschaft trainieren soll, wenn die ukrainische Meisterschaft weitergeht. Ich denke, wir werden nur ein paar Wochen zum Trainieren haben und dafür, wieder, zumindest teilweise Kondition zu kriegen.

Gibt es eine Chance, dass die Meisterschaft schon bald weitergeht?

Das hoffe ich sehr. Man muss wissen, dass Fußball in jedem Land mehr ist als nur eine Sportart. In Spanien wurde unter Franco versucht, den Fußball wiederzubeleben, um zu zeigen, dass im Land alles wieder normal sei. Ich denke, das erste, was die Ukraine machen wird, wenn sich alles wenigstens ein bisschen wieder eingerenkt hat, ist eine Fortsetzung der nationalen Meisterschaft.

Als der Krieg begann, habe ich nachgeschaut, wann die sowjetische Meisterschaft nach dem Großen Vaterländischen Krieg weiterging. Und: Das erste Spiel fand am 13. Mai 1945 statt, wenige Tage nach Kriegsende. Da haben wir‘s.

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